Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Wenigstens erwachte Corvinus endlich aus seiner Starre. Fast hätte Ursus sich Sorgen um ihn gemacht. Doch das war unnötig, wie sich dann erwies. Die Worte wegen Lucilla allerdings hätte Corvinus sich sparen können. Ursus war sich seiner Pflicht durchaus bewußt. Und er erfüllte sie gerade dieser lebhaften Dame gegenüber ausgesprochen gern.


    Es dauerte eine Weile, bis sie das Gedränge hinter sich gelassen hatte. Doch dann hatten sie plötzlich Raum und Ursus fühlte sich gleich ein ganzes Stück wohler. Natürlich begleitete er Decima Lucilla noch bis zu ihrem Haus. Er würde es sich nie verzeihen, wenn ihr etwas zustieß, nur weil er sich zu früh von ihr getrennt hatte. Nach Plaudern war ihnen wohl beiden nicht zumute, jedenfalls herrschte während des Weges Schweigen zwischen ihnen. Der Schock über die Todesnachricht saß eben doch sehr tief. An der Tür verabschiedete er sich dann herzlich von ihr und machte sich schließlich auf den Heimweg. Der Kaiser war tot. Er konnte es immer noch nicht fassen.

    Es klang wahrhaftig so, als hätte Aquilius selbst schon mal im Rausch zu vergessen versucht. Doch wie man nicht übersehen konnte, hatte er das wohl überwunden. Ursus konnte das nur bewundern, sagte aber zu dem Thema lieber nichts mehr. Er wollte Aquilius nicht in Verlegenheit bringen, denn seine Worte klangen nicht so, als wollte er sich darüber detailliert auslassen.


    Seine Planungen für die nächsten Tage klangen jedenfalls sehr sympathisch und Ursus wollte schon lachend auf das Thema lange schlafen eingehen, als ein Bote Aquilius darüber informierte, daß er im Tempel gebraucht wurde.


    Das war ausgesprochen bedauerlich, denn Ursus hatte die lockere, ungezwungene Unterhaltung sehr genossen. "Ach, das ist wirklich schade. Wie wäre es, wenn wir das ganze an einem anderen Tag wiederholen? Und dann hoffentlich ohne Störung. Ich wünsche Dir - trotz des Dienstes - noch einen schönen Tag. Und falls wir uns vorher nicht mehr sehen sollten, einen guten Amtsantritt. Vale."


    Ein wenig traurig blickte Ursus dem Flavier noch einen Moment hinterher, dann stieg er aus dem Becken, um sich im Kaltwasserbecken nun doch noch ein wenig zu erfrischen. Doch lange hielt er sich jetzt nicht mehr auf, sondern verließ die Thermen schließlich und machte sich auf den Heimweg. Vergessen würde er diesen Tag sicherlich nicht. Und auch nicht den Dienst, den Aquilius ihm erwiesen hatte.

    Von Ursus war zunächst nur sein Gepäck zu sehen. Obwohl er sich wirklich eingeschränkt hatte, war doch einiges zusammen gekommen. Gut, er würde auch ein ganzes Jahr in Germanien leben müssen, von daher war es auf keinen Fall zu viel. Die meisten Leute nahmen zu einer dreiwöchigen Reise weit mehr mit, als er jetzt nach Germanien mitnahm.


    Sie würden reiten. Und ein Wagen sollte mit, das hatte Corvinus beschlossen. Ursus hätte ja Packpferde vorgezogen, wenn doch schon eh alle reiten sollten. Aber bitte, er wußte ja nicht, was Corvinus dem Sklaventrupp, der sich um das Haus kümmern sollte, so alles mitgeben wollte. Und was sie wieder mit hierher nehmen sollten. Also mischte er sich da nicht ein. Für ihn war nur wichtig, in einigermaßen kurzer Zeit Germanien zu erreichen, um seinen Posten antreten zu können.


    Inzwischen war er recht ungeduldig, da es für seinen Geschmack schon viel zu lange gedauert hatte, bis er wirklich reisefertig war. Seine Uniform und Rüstung hatte er ja zum Glück schon frühzeitig anfertigen lassen, so daß er vollständig ausgerüstet war. Und eigentlich fand er, daß ihm das Ding sogar recht gut stand.

    Sie wollte ihn. Wollte ihn ganz und gar, daran gab es gar keinen Zweifel mehr. Er hatte lange genug gezögert, sich lange genug zurückgehalten. So lange, daß es schon zur Qual geworden war. Doch nun war sie schon soweit, daß sie die Vereinigung einforderte. Und so gab er ihrem Drängen nach, erleichtert, seinem eigenen Drang endlich feien Lauf lassen zu können.


    Doch ihr Schmerz ließ ihn dann doch innehalten. Sie war deutlich spürbar zusammengezuckt. War er doch noch zu schnell gewesen? Schon wollte er sich zurückziehen, so qualvoll dies auch für ihn gewesen wäre, doch sie drängte ihn, weiterzumachen. Vorsichtig versuchte er, ihre Gefühle abermals zu wecken. Hoffte, daß sie die gleiche unbändige Lust in sich spürte wie er.


    Es war unglaublich, daß sie ihn noch anstachelte und es kam der Zeitpunkt, an dem er auf keinen Fall mehr zurück gekonnt hätte. Doch auch sie konnte nicht mehr zurück. Er konnte es spüren, sie waren eins, sie bewegten sich im gleichen Rhythmus, ließen nahezu gleichzeitig die Wellen der Lust über sich zusammenschlagen. Es gab kein Zurückhalten mehr, er ließ jetzt völlig los, da er wußte, daß sie bei ihm war und es gleichermaßen genoß.


    Als die Wellen wohligen Schauers langsam verebbten, küßte er sie zärtlich und streichelte ihr die Haare aus dem Gesicht. Nein, sie war nicht die erste Frau, die in seinen Armen lag. Ganz und gar nicht. Jedoch hatte er zum ersten mal Vollkommenheit erlebt.


    Er hatte das Gefühl, etwas sagen zu müssen. Aber es kamen keine Worte über seine Lippen. Wäre nicht irgendwie alles fehl am Platze? Würden Worte nicht diesen wunderbaren Moment zerstören? Also blickte er sie einfach an. Schaute in diese tiefgrünen, seelenvollen Augen, um zu ergründen, was sie empfand.

    Es wäre gelogen gewesen zu behaupten, daß es ihm leicht fiel, sich zurückzuhalten. Ganz im Gegenteil, es wurde von Minute zu Minute schwerer. Sie mochte unerfahren sein, doch sie war auch neugierig und hatte mittlerweile ihre Scheu abgelegt, erforschte ihn, wie er noch niemals zuvor erforscht worden war. Jede noch so leichte Berührung von ihr hinterließ ein heißes Kribbeln, ließ ihn mindestens so erzittern, wie sie unter seinen kundigen Berührungen erzitterte.


    Ihre Kleidung hatte sie längst abgestreift, sie ließ zu, daß er durch seine Zärtlichkeiten bisher nicht gekannte Gefühle in ihrem Körper weckte. Und sie reagierte darauf nicht weniger intensiv wie er auf ihr Forschen und Probieren.


    Immer wieder sah er ihre leuchtend grünen Augen zwischen den wilden, kupferfarbenen Haarsträhnen auftauchen und ihn anschauen. Er erwiderte den Blick und lächelte. Er sah in dem ihren, was er selbst in seinem Inneren spürte. Erkannte, wie sehr sie ihn wollte, wie sehr sie ihn begehrte. So sehr wie er sie wollte und begehrte.


    Kein Wort hatte hier Raum, es wäre einfach zuviel. Ihr geröteten Wangen, der zärtliche Blick und der schnelle Atem sagten mehr als jedes Wort. War sie wirklich soweit? Er war sich nicht sicher, blickte ihr abermals tief in die Augen. Doch, er war sich doch sicher. Seine Lippen senkten sich ein weiteres mal auf die ihren und er hoffte innig, daß sie von ihren Gefühlen ebenso davongetragen würde, wie er von den seinen...

    Wie wunderschön sie war, wie sie so dalag in der Flut ihrer herrlichen kupferfarbenen Haare. Ursus blickte sie an und wähnte sich in einem märchenhaften Traum. War sie wirklich hier bei ihm? Lag sie wahrhaftig in seinen Armen? Alle seine Sinne versprachen ihm, daß es so war, doch glauben konnte er es dennoch kaum.


    Zärtlich liebkoste er sie, während ihre Lippen sich fanden. Seine Hände glitten unter ihre Kleidung, erforschten Regionen, von denen er wußte, daß sie bisher für jeden Mann verboten gewesen waren. So sehr ihn diese Tatsache mit Freude und Stolz erfüllte und dazu sein Verlangen unermeßlich steigerte, wußte er doch, daß er vorsichtig sein und sich zurückhalten mußte. Ihre Lust mußte geweckt werden. So sehr, daß sie irgendwann so viel stärker war als der Schmerz, der sie erwartete, daß sie diesen hoffentlich kaum bemerkte.


    So gerne er sich in seine Gefühle fallen gelassen hätte: Er hatte nun die Verantwortung dafür, ihr erstes mal zu einem unvergeßlich schönen Erlebnis zu machen. So, wie es sein sollte.


    Sie bebte unter seinen Händen, ihr Atem ging nicht weniger schnell und schwer wie der seine. Und doch fragte sie noch unsicher, was sie tun sollte. "Tu, was immer Du möchtest. Es wird das richtige sein", flüsterte er. "Hab keine Angst. Folge einfach Deiner Lust." Ihre Blicke waren miteinander verschmolzen. Er verlor sich in der grünen Unendlichkeit ihrer neugierig fragenden Augen, in denen tiefes Vertrauen und unendliche Zärtlichkeit geschrieben standen.

    Ursus lachte. "Naja, wenn ich ehrlich bin, würde ich am liebsten gar nicht weg gehen. Aber es wäre utopisch gewesen, um einen Posten in Rom zu bitten, daher habe ich es gleich gelassen. Und die Erfahrung ist natürlich nicht zu verachten. Ja, Hispania könnte auch sein, wer weiß? Germanien soll kalt sein, ansonsten stelle ich es mir eigentlich ganz spannend vor. Da passiert wenigstens auch mal was. Und die Kontakte, die man dort schließen kann, sind auch nicht zu verachten. Die Statthalter von Germanien haben für gewöhnlich eine große Zukunft vor sich. Es ist nicht verkehrt, solche Leute zu kennen."


    Man mußte sich eben immer die Vorteile bewußt machen. Es würde Ursus nicht stören, nach Germanien geschickt zu werden. Hispania wäre natürlich auch nett. Nur Ägypten fände er etwas arg heiß.


    "Katzen... naja, jedes Volk braucht seine kleine Spinnerei, hm?" Sie betraten das Haus und die Düfte ließen schon gutes für das weitere Mahl vermuten. Ursus war schon sehr gespannt, was Lucanus auftischen lassen würde.

    Ursus grinste breit. "Ich fürchte, eher nicht. Aber dafür gibts es sicherlich andere spannende Dinge zu erleben, falls es denn klappt mit dem Tribunat. Ich schätze, daß es mich nach Ägypten oder Germanien verschlagen wird. Die Posten in Rom und überhaupt Italia sind heiß begehrt und da mein Tribunat ein freiwilliges ist und ich auch keinen Wunsch hinsichtlich des Einsatzortes geäußert habe, werde ich wohl erhalten, was am Ende übrig bleibt." Blieb zu hoffen, daß es überhaupt was werden würde.

    Aufmerksam beobachtete Ursus den procurator ab epistulis dabei, wie er die Urkunden siegelte und nahm sie dann mit einem freudigen Lächeln entgegen. Dann las er sie kurz durch, rollte sie zusammen und steckte sie sorgfältig ein.


    "Mögen die Götter auch Dich stets begleiten", erwiderte Ursus den freundlichen Wunsch. "Ich werde so bald wie möglich aufbrechen. Hab Dank für Deine Mühe, Nonius Balbus. Vale."


    Germanien! Na, da war nun noch so einiges vorzubereiten. Und viel Zeit konnte er sich damit nicht lassen. Aber er war zuversichtlich, daß er seine Angelegenheiten bald geregelt haben würde.


    Nachdem sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte, wandte Ursus sich noch kurz an Modestus: "Ich wünsche Dir viel Glück bei Deinem Tribunat, Modestus. Vale." Er nickte dem Kollegen nochmal zu und verließ dann das Gebäude. Zum Glück war der Ausgang nicht schwer zu finden.

    Die beiden waren wirklich in Ordnung, das konnten man nicht anders ausdrücken. Ursus war heilfroh, daß Caelyn wenigstens an solch großzügige Menschen geraten war. Ansonsten würde sie jetzt vermutlich schon im Kerker auf ihre Hinrichtung warten. Er mußte ihr unbedingt klarmachen, wie knapp sie einem solchen Schicksal entronnen war. Und wie sehr sie dem Anssehen der Familie geschadet hatte.


    Doch die beiden Gäste hatten leider nur wenig Zeit und verkündeten nur allzubald ihren Aufbruch. Ursus erhob sich und begleitete sie noch bis zur Tür. "Ich danke euch für euren Großmut und hoffe, daß wir uns bald mal aus netteren Gründen treffen. Einen schönen Tag wünsche ich euch noch." Bevor die beiden das Haus verließen, nickte er ihnen noch einmal freundlich zu.


    Das war wahrhaftig Glück im Unglück gewesen. Doch nun galt es, Caelyn den Kopf zu waschen. Ursus blickte sich suchend nach seiner Sklavin um. Die müßte doch eigentlich bald vom Umziehen wiederkommen.

    "Auf die Frauen und die Aurata", stimmte auch Ursus in den Trinkspruch mit ein, nachdem er einen Becher Wein erhalten hatte und nahm auch gleich einen Schluck. Hm, dieser Wein war wirklich gut. Aber in diesem Haus hatte er auch nichts anderes erwartet.


    Dann bediente er sich bei den Datteln und blieb zunächst einmal bei Mattiacus, Prisca und Minervina stehen, da er Mattiacus wohl von allen Anwesenden am besten kannte. Gerade hatte er den Mund öffnen wollen, um eine Plauderei zu beginnen, da betrat eine hübsche junge Frau den Raum und grüßte in die Runde. Decima Seiana, so stellte sie sich vor. Und natürlich war es Corvinus, der gleich das Gespräch mit ihr suchte. Grund genug für Ursus, sich zurückzuhalten. So erwiderte er nur freundlich den Gruß, "Salve, Decima Seiana."


    Aber die junge Dame war natürlich ein wunderbarer Anknüpfungspunkt für eine Unterhaltung mit Mattiacus. "Eine Verwandte von Dir? Du hast mir noch überhaupt nichts von ihr erzählt." Vor allem war das vielleicht eine Möglichkeit, ihr vorgestellt zu werden. Was wesentlich weniger dreist war als das Verhalten von Corvinus, der gar nicht erst abwartete, bis er vorgestellt wurde.


    "Ich fürchte fast, die Damen werden nachher, wenn wir uns für die Besprechung zurückziehen, mehr Spaß haben als wir", lachte er, zwinkerte seiner Schwester und seiner Cousine verschwörerisch zu und nippte nochmals an seinem Becher.

    "Dann sehen wir uns also später wieder. Bis dann, Varus." Ursus nickte dem Freund nochmal zu und machte sich dann auf den Weg in sein Zimmer, um sich zu säubern und frische Kleidung anzuziehen.


    Es würde sicher noch ein schöner und langer Abend werden. Und morgen ein nicht minder langer, - und hoffentlich aufregender Tag beim Wagenrennen. Er freute sich unbändig darauf. Es wäre zu schön, wenn die Aurata einen Sieg einfahren könnte. Doch so recht daran glauben konnte er nicht. Wenn, dann würde es reines Glück sein.

    Nun hatte sie wohl doch Probleme, ihr Anliegen genau vorzubringen. Und Ursus ergriff auf ihren hilfesuchenden Blick hin dann doch nochmal das Wort. "Sie hat noch zwei wertvolle Pferde in Brundisium stehen und würde sie gerne herholen. Dafür benötigt sie natürlich Schutz und jemanden, der mit Pferden umzugehen versteht. Wärest Du einverstanden, daß Hektor sie begleitet, um die Pferde zu holen?" Es war keine kleine Bitte, das war ihm klar. Doch Clara war allein und ein geehrter Gast von Corvinus.


    Ein Klingeln deutete an, daß Tilla immer noch in der Nähe war. Vermutlich lauschte sie schon wieder. "Tilla? Wie wäre es, wenn Du für die Damen etwas zu trinken und vielleicht auch etwas Obst holen würdest?" Das beste Mittel gegen Lauschen war, ihr etwas zu tun zu geben.


    "Würdet ihr mich bitte entschuldigen? Ich habe vor dem Essen noch etwas zu erledigen. Ihr kommt jetzt doch sicher ohne mich zurecht, nicht wahr? Bis später beim Essen." Er lächelte den beiden noch auffordernd zu und schlenderte dann gemütlich zum Haus zurück.

    Sim-Off:

    Nanana, bei uns sind die Böden blitzsauber ;)



    Ursus lachte. "Im Ernst? Du bist mit den Füßen geschickter als mit den Händen? Das hätte ich nicht gedacht. Und ich garantiere Dir: Bei mir ist das umgekehrt." Es war wirklich schade, daß Varus sich so gar nicht auf eine weitere Kostprobe seines Könnens einlassen wollte. "Und ich weiß gar nicht, was Du gegen Apfelmus hast, ist doch lecker", lachte Ursus, ohne es ernst zu meinen.


    Als Varus dann auf seine Füße zeigte und andeutete, daß er sich so nicht bei Tisch blicken lassen konnte, bezog Ursus das auf die Tasache, daß er seine Sandalen noch nicht wieder angezogen hatte. Denn schmutzig waren seine Füße nicht. Wie auch bei einem Fußboden, der peinlichst sauber gehalten wurde, worauf Matho immer ein Auge hatte. (:P) Sogar der Straßenstaub war durch das Wasser des impluviums abgewaschen worden.


    "Dann laß uns mal sehen, daß wir uns vorzeigbar herrichten. Findest Du den Weg zu Deinem Zimmer?" Sonst würde Ursus ihn eben hinführen, bevor er sich in sein eigenes Zimmer zurückzog. Während er fragte, nahm er schon mal seine Sandalen und die vorhin abgelegte Toga auf.

    "Schade, ich hatte gehofft, dass Du mir schon ein wenig mehr über ihn sagen könntest", meinte Ursus nachdenklich und nickte dann. "Ja, natürlich kenne ich Hungaricus, wenn auch nicht wirklich persönlich. Wenn er und sein Bruder treu zu Valerianus stehen, finde ich das ausgesprochen beruhigend. Sie haben nicht gerade wenig Macht und Einfluss." Gerade weil sie zusammenhielten. Wie es ja auch sein sollte zwischen Verwandten. Ursus wünschte sich, in seiner Familie könnte es ebenso sein. Doch manche Wünsche blieben eben unerfüllt. "Ist Hungaricus nicht sogar Dein Patron? Es wird langsam Zeit, dass ich mir auch einen Patron suche. Aber ich bin noch unentschlossen, wer da in Frage kommen würde." Und dann war die Frage, ob derjenige ihn auch annehmen würde. Vielleicht sollte er sich den Statthalter Germaniens auch in dieser Hinsicht mal genauer ansehen?


    Auch er nahm noch einen Schluck Wein. Wenigstens schien sein Scherz einigermaßen anzukommen, denn Corvinus zeigte zumindest ein Grinsen, das nicht wenig an einen Wolf erinnerte. "Ja, Kelten und Germanen. Irgendwie scheinen wir sie anzuziehen. Naja, die gemeinsame Herkunft sorgt bestimmt für Zusammenhalt und das ist ja eigentlich auch wünschenswert beim Personal. Manchmal frage ich mich, ob es in Germanien überhaupt noch Menschen gibt, oder ob die mittlerweile alle schon bei uns hier leben." Er grinste etwas schief ob seiner Übertreibung. Und da er noch nichts davon ahnte, dass Cadhla in sein Zimmer schlüpfen würde und sie ihm ja auch in letzter Zeit aus dem Weg ging, hatte er ein völlig reines Gewissen, was das betraf.


    "Das mit Caelyn… Sie hat natürlich Verbot, das Haus ohne Begleitung zu verlassen und erledigt zur Zeit einige Aufgaben, die sie nicht sonderlich gerne macht. Ich bin sehr froh, dass ich die Angelegenheit mit dem Betroffenen gütlich regeln konnte. Vertrauen kann ich ihr jedenfalls nicht mehr. Sie hat mich wirklich maßlos enttäuscht. Na, egal, in Germanien wird sie für solche Unarten keine Gelegenheit haben." Das Thema war ihm ausgesprochen unangenehm, immerhin trug er die volle Verantwortung für seine Sklavin.


    "Wenn dieser Lucius Funeribus schon Klient Deines Vaters war, dann ist er wohl schon etwas älter? Ist er den Strapazen dieser Reise denn noch gewachsen?" Immerhin lag Germanien nicht gerade um die Ecke. Und das Klima dort war für ältere Menschen sicherlich auch eine ziemliche Belastung. Doch sicherlich würde Corvinus dies bedacht haben. "Ich werde sehr bald aufbrechen. In wenigen Tagen. Da die Ernennung so lange hat auf sich warten lassen, werde ich in Germanien sicherlich schon erwartet." Hatte nicht Sedulus diese Stelle bis jetzt inne gehabt? Und er war schon einige Zeit wieder in Rom.


    Die nächste Aussage warf Ursus fast vom Hocker. Wenn der Hocker nicht ein Sessel gewesen wäre, von dem es schwer war, hinuntergeworfen zu werden. Dann hatte er sich also tatsächlich so etwas wie Vertrauen erarbeiten können? Oder lag es nur daran, dass Ursus der nächste Verwandte war und somit sowieso normalerweise für diese Aufgabe vorgesehen war? Aber wie auch immer es war, es war eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe und somit bedeutete es nicht wenig, sie angetragen zu bekommen. "Der Zeitpunkt ist sicherlich nicht optimal. Aber… Sie ist meine Schwester und ich werde nur ein Jahr fort sein. Außerdem bleiben wir ja in Briefkontakt. Daher… werde ich sehr gerne die tutela für Minervina übernehmen." Er atmete tief durch und trank noch einen Schluck Wein.

    "Ja, leider. Es ziehmt sich wohl eher nicht für einen ehrwürdigen vigintivir und einen nicht weniger ehrwürdigen duumvir. Aber Spaß gemacht hat es mir trotzdem." Er lachte und nahm sich ein paar Trauben von dem Obstteller. Eigentlich wäre ihm ja nach einem Apfel gewesen, aber damit sollte Varus ja nun jonglieren.


    Doch der wehrte dann tatsächlich ab. "Na sowas. Und ich dachte, Du könntest jonglieren. Wie könnten denn da Äpfel an der Wand landen?", stichelte er lachend, meinte das aber natürlich nicht böse.


    "Aber irgendwann mußt Du es mir einmal zeigen. Es wird sich schon etwas geeignetes finden. Womit übst Du Dich denn normalerweise?" Bisher hatte er es so verstanden, daß Varus nur den einen Ball hatte. Naja, jetzt zwei. Doch wenn der eine in Mantua war, nützte ihnen das hier recht wenig.


    "Es wird bald Abendessen geben." Das konnte man auch schon an den herrlichen Düften feststellen, die aus der Küche bis hierher drangen. "Und dafür muß ich mich nun wohl doch umziehen." Er lachte abermals. Der Nachmittag mit Varus hatte ihm wirklich gut gefallen. Und er freute sich schon darauf, am nächsten Tag mit ihm zum Wagenrennen zu gehen.

    Corvinus könnte mal wieder eine Rasur gebrauchen, fand Ursus, als er das kratzende Geräusch hörte, das von dem Reiben über das unrasierte Kinn verursacht wurde. Doch er hörte aufmerksam zu, was sein Onkel so erzählte. "Dann kennst Du Vinicius Lucianus persönlich? Wie ist er so? Ich weiß überhaupt nichts von ihm. Außer, dass er offenbar treu hinter Valerianus steht und die Truppen bereits auf ihn eingeschworen hat. Und das beruhigt mich schon mal ungemein. Gut, ich werde dann also im castellum wohnen und einfach so oft wie möglich in der Villa vorbeischauen. Wenn Matho dabei ist, können wir uns ja darauf verlassen, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht. Ich muss also nicht unbedingt dort schlafen. Willst Du das Haus dort eigentlich halten oder denkst Du daran, es zu verkaufen?" Im Grunde wurde es ja nicht wirklich gebraucht. Andererseits konnte es natürlich immer mal wieder jemanden nach Germanien verschlagen.


    Ein Lächeln. Unglaublich. Ursus lächelte unwillkürlich zurück und ließ sich sogar zu einem Scherz hinreißen. "Ich werde natürlich durchbrennen. Mit einer halbwilden Germanin werde ich mich in die Wildnis aufmachen, um in einer niedrigen, fensterlosen Hütte zu hausen und zwanzig Kinder zu zeugen. In so einer Hütte kann man ja auch nichts anderes machen, findest Du nicht?" Er lachte und schüttelte den Kopf. "Ich werde nach dem Tribunat wieder hierher zurückkommen, Marcus. Es fällt mir nicht schwer, Dir das zu versprechen, schließlich ist Rom meine Heimat und ich habe noch einiges vor. Wer weiß, vielleicht ist Cotta dann ja auch wieder da." Das nahm Ursus zumindest an, denn ein Jahr war eine lange Zeit. Einerseits würde es ihn natürlich freuen, wenn Cotta dann wirklich wieder da war. Andererseits würde das aber auch bedeuten, daß er wieder innerhalb der Familie keine verantwortungsvolle Aufgabe übertragen bekommen würde.


    Er führte den frisch gefüllten Becher an seine Lippen, um einen weiteren, genießerischen Schluck zu nehmen. "Für mich persönlich reichen Caelyn und Sertorio. Es würde mich sehr freuen, wenn ich letzteren mitnehmen dürfte. Er ist ein ausgezeichneter Koch und hat ein Gespür für frische Ware. Wenn nur seine Sprache nicht so fürchterlich wäre. Ja, und er versteht sich anscheinend ganz gut mit Caelyn, ob das allerdings so weit geht, daß da an eine nächste Generation zu denken ist, weiß ich nicht. Dazu kommt seine Verlässlichkeit und Ehrlichkeit, die sich hoffentlich prägend auf Caelyn auswirken wird." Es war für ihn immer noch unfassbar, dass sie gestohlen hatte. Ob er ihr das je würde abgewöhnen können?


    "Du willst also Siv, Fhionn und Matho wegen des Hauses nach Mogontiacum schicken? Kannst Du Matho hier denn entbehren? Wie lange sollen sie sich in Germanien aufhalten? Ich nehme an, nicht das ganze Jahr, das ich dort verbringen werde? Und dieser Lucius Funeribus soll das Ganze beaufsichtigen? Was ist er für ein Mann? Ich glaube nicht, dass ich ihm schon einmal begegnet bin, oder?" Wieder ein deutliches Zeichen dafür, dass sie zuwenig miteinander sprachen. Sonst würde er den Klienten, der ja besonders zuverlässig sein musste, sicherlich kennen.


    Es war ein ziemliches Risiko, gerade Siv und Fhionn mitzuschicken. Nahe der alten Heimat und ohne direkte Aufsicht durch ihren Herrn mochten sie sehr in Versuchung geführt werden. Aber genau das schien ja der Sinn der Aktion zu sein. Wenn sie dort treu und zuverlässig blieben, würden sie es hier erst recht sein.

    Ein aurelischer Sklave gab diese Schriftrolle an der Casa Iulia ab und entfernte sich dann gleich wieder.



    Ad
    Gneum Iulium Cincinnatum
    Casa Iulia
    Roma



    Salve, Cincinnatus!


    Leider hatte ich keine Gelegenheit mehr, Dich persönlich zu sprechen, deshalb muss ich diesen Weg wählen. Da ich nun doch noch ein Tribunat erhalten habe und Rom in den nächsten Tagen verlassen werde, habe ich leider keine Verwendung mehr für die Dienste eines scriba. Ich entlasse Dich daher mit sofortiger Wirkung aus meinen Diensten.


    Für die von Dir geleistete Arbeit und Unterstützung danke ich Dir und wünsche Dir für die Zukunft alles Gute.


    Mögen die Götter ihre Hand schützend über Dich halten.


    Vale,


    [Blockierte Grafik: http://img263.imageshack.us/img263/7694/tauunterschriftsn3.gif]

    Verflixt, Varus hatte offenbar früh genug erkannt, was Ursus vorhatte. Jedenfalls duckte er sich geschickt unter dem Ball weg, so daß dieser gegen die Wand patschte und dort einen nassen Fleck hinterließ. Zum Glück an einer Stelle, wo diese Aktion wohl keine weiteren Folgen hinterlassen würde. Ursus lachte, als der Ball gleich wieder in seine Richtung flog. Geschickt fing er das Flugobjekt auf, auch wenn das in seinen Händen ziemlich Wasser ließ.


    "Also, Wasser bekommt dem Ding nicht sonderlich gut." Er drückte den Ball über dem impluvium gründlich aus und trat dann auf Varus zu, um ihn zurück zu geben. "Bevor wir das atrium völlig verwüsten, sollten wir mit dieser Kinderei lieber aufhören. Auch wenn sie echt Spaß macht." Er lachte wieder und griff nun nach seinem Becher, denn er hatte jetzt richtig Durst.


    "Willst Du mir nicht einmal etwas zeigen von Deinen Jonglierkünsten? Mit den Äpfeln vielleicht?" Er deutete auf die Obstschale, die immer noch hier stand.