Corvinus könnte mal wieder eine Rasur gebrauchen, fand Ursus, als er das kratzende Geräusch hörte, das von dem Reiben über das unrasierte Kinn verursacht wurde. Doch er hörte aufmerksam zu, was sein Onkel so erzählte. "Dann kennst Du Vinicius Lucianus persönlich? Wie ist er so? Ich weiß überhaupt nichts von ihm. Außer, dass er offenbar treu hinter Valerianus steht und die Truppen bereits auf ihn eingeschworen hat. Und das beruhigt mich schon mal ungemein. Gut, ich werde dann also im castellum wohnen und einfach so oft wie möglich in der Villa vorbeischauen. Wenn Matho dabei ist, können wir uns ja darauf verlassen, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht. Ich muss also nicht unbedingt dort schlafen. Willst Du das Haus dort eigentlich halten oder denkst Du daran, es zu verkaufen?" Im Grunde wurde es ja nicht wirklich gebraucht. Andererseits konnte es natürlich immer mal wieder jemanden nach Germanien verschlagen.
Ein Lächeln. Unglaublich. Ursus lächelte unwillkürlich zurück und ließ sich sogar zu einem Scherz hinreißen. "Ich werde natürlich durchbrennen. Mit einer halbwilden Germanin werde ich mich in die Wildnis aufmachen, um in einer niedrigen, fensterlosen Hütte zu hausen und zwanzig Kinder zu zeugen. In so einer Hütte kann man ja auch nichts anderes machen, findest Du nicht?" Er lachte und schüttelte den Kopf. "Ich werde nach dem Tribunat wieder hierher zurückkommen, Marcus. Es fällt mir nicht schwer, Dir das zu versprechen, schließlich ist Rom meine Heimat und ich habe noch einiges vor. Wer weiß, vielleicht ist Cotta dann ja auch wieder da." Das nahm Ursus zumindest an, denn ein Jahr war eine lange Zeit. Einerseits würde es ihn natürlich freuen, wenn Cotta dann wirklich wieder da war. Andererseits würde das aber auch bedeuten, daß er wieder innerhalb der Familie keine verantwortungsvolle Aufgabe übertragen bekommen würde.
Er führte den frisch gefüllten Becher an seine Lippen, um einen weiteren, genießerischen Schluck zu nehmen. "Für mich persönlich reichen Caelyn und Sertorio. Es würde mich sehr freuen, wenn ich letzteren mitnehmen dürfte. Er ist ein ausgezeichneter Koch und hat ein Gespür für frische Ware. Wenn nur seine Sprache nicht so fürchterlich wäre. Ja, und er versteht sich anscheinend ganz gut mit Caelyn, ob das allerdings so weit geht, daß da an eine nächste Generation zu denken ist, weiß ich nicht. Dazu kommt seine Verlässlichkeit und Ehrlichkeit, die sich hoffentlich prägend auf Caelyn auswirken wird." Es war für ihn immer noch unfassbar, dass sie gestohlen hatte. Ob er ihr das je würde abgewöhnen können?
"Du willst also Siv, Fhionn und Matho wegen des Hauses nach Mogontiacum schicken? Kannst Du Matho hier denn entbehren? Wie lange sollen sie sich in Germanien aufhalten? Ich nehme an, nicht das ganze Jahr, das ich dort verbringen werde? Und dieser Lucius Funeribus soll das Ganze beaufsichtigen? Was ist er für ein Mann? Ich glaube nicht, dass ich ihm schon einmal begegnet bin, oder?" Wieder ein deutliches Zeichen dafür, dass sie zuwenig miteinander sprachen. Sonst würde er den Klienten, der ja besonders zuverlässig sein musste, sicherlich kennen.
Es war ein ziemliches Risiko, gerade Siv und Fhionn mitzuschicken. Nahe der alten Heimat und ohne direkte Aufsicht durch ihren Herrn mochten sie sehr in Versuchung geführt werden. Aber genau das schien ja der Sinn der Aktion zu sein. Wenn sie dort treu und zuverlässig blieben, würden sie es hier erst recht sein.