Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Ursus konnte ihr ansehen, daß die ganze Angelegenheit ihr noch mächtig zu schaffen machte. Doch das mußte auch so sein. Sie würde noch viel darüber nachdenken müssen, um sich Klarheit über sich selbst und ihre eigenen Gefühle zu verschaffen. Was sie jetzt brauchte, war vor allem Zeit. Und er durfte vorerst nicht mehr an das Thema rühren. Da war ein weiterer Gang durch die Stadt natürlich nicht das schlechteste. Das würde sie ein wenig ablenken und ihr vielleicht sogar nochmal das eine oder andere Lächeln entlocken.


    Von dem kleinen Park aus mußten sie nun recht weit laufen, um das forum romanum zu erreichen. In dessen Nähe befanden sich nun einmal sehr viele prächtige Gebäude und diese gehörten nun einmal zu den sehenswerten Orten in Rom. "Hier auf dem forum romanum halte ich mich jeden Tag einige Zeit auf. Denn hier trifft man sich und diskutiert man miteinander. Neuigkeiten werden ausgetauscht, Abmachungen getroffen, Bekanntschaften gemacht und gepflegt."


    Immer wieder wurden sie unterbrochen, da Ursus hierhin grüßte und dort zurückgrüßte. So war das eben an diesem Ort. "Und dort in dem Gebäude finden beispielsweise die Senatssitzungen statt..." So erklärte er ihr alle öffentlichen Gebäude und Tempel, zeigte und erzählte. Und hoffte, daß es nicht zuviel für sie war.

    Ursus grinste breit. "Ja, die Umstände sind in der Tat ein wenig.... anrüchig, möchte ich fast sagen." Und er war ganz und gar nicht unglüklich darüber, daß Marsus mit ihm ein paar Schritte zur Seite ging, fort von dem Gestank der Karren.


    "Meine Amtsgeschäfte laufen mittlerweile sehr gut. Ich habe am Anfang etwas Einarbeitungszeit benötigt, doch es ist mittlerweile alles auf dem Laufenden. Wenn jetzt noch die Erben alle antworten, kann ich einen Haufen Fälle abschließen. Doch die Antworten kommen nur sehr zögerlich herein. Naja, man kann eben niemanden zu seinem Glück zwingen." Er zuckte die Schultern. In vielen Fällen war sicher die Trauer zu groß, um sich gleich zu einer Antwort durchzuringen. Doch es nicht gleich zu machen, barg natürlich die Gefahr, daß man den Termin verpaßte.


    "Sag mal, diese unglaublichen Mengen Unrat können doch unmöglich nur von den Straßen stammen, oder? Meine Güte, da bin ich doch froh, als decemvir litibus iucandis gewählt worden zu sein. Mußt Du auch selbst in den Kanälen herumkriechen?" Marsus war um seine Aufgabe wirklich nicht zu beneiden.

    Ursus nickte ernst. "So ist es gut. Mehr verlange ich auch gar nicht von Dir. Und... Du wirst Zeit brauchen, Caelyn. Glaub mir, Du hast diese Zeit. Niemand kann Wunder vollbringen. Gib Dir einfach alle Mühe, dann kann ich weiter stolz auf Dich sein." Er musterte sie aufmerksam. Es würde noch schwer für sie werden. Doch sie würde es schon schaffen, da war er sich sicher. Solange sie sich vom Wein fernhielt, jedenfalls. Denn der schien sie ja außergewöhnlich geschwätzig zu machen.


    "Und nun... was hältst Du davon, wenn wir versuchen, diesem Tag doch noch ein wenig Freude abzugewinnen?" Mit einem leichten Lächeln erhob er sich und zog sie dann mit hoch, da er ihre Hände ja immer noch in seinen hielt. "Gleich zum Schneider oder möchtest Du vorher noch ein wenig von Rom sehen?"


    Falls sie überhaupt noch Lust dazu hatte. Zwingen wollte er sie nach diesem Gespräch jedenfalls nicht. "Oder doch lieber nach Hause?", fragte er also und war heute tatsächlich bereit, sich nach ihren Wünschen zu richten. Etwas, was sie sicherlich nicht oft erleben würde in seinen Diensten.

    Als man Ursus das Reiten lehrte, lehrte man ihn auch, richtig zu fallen, die Kraft des Aufpralls durch Abrollen zu mindern. Der Aufprall war hart und schmerzhaft. Und er entrang Ursus ein kurzes Stöhnen, welches ihm nicht gelang zu unterdrücken. Doch ernsthaft verletzt hatte er sich nicht, er schaffte es sogar, sich erstaunlich schnell aufzurappeln. Womit er nicht gerechnet hatte, war, daß Cadhla sich derartig schnell auf ihn stürzen würde. Er bemerkte es zu spät, jeder Ausweichversuch war zum Scheitern verurteilt.


    Er sah das gefährliche Funkeln in ihren Augen, den grimmigen, harten Gesichtsausdruck, der geradezu unbarmherzig. Doch er begriff nicht, daß sich hier gerade ihre ganze Wut auf alle Römer entlud - und sich gegen ihn richtete.


    Alles war erlaubt, so waren ihre Regeln. Und so schien es ihm eher so, als wolle sie ihm eine Lektion erteilen, indem sie ihm zeigte, daß dies kein lustiges Kinderspiel, sondern hartes Training war, in dem sie ihm zweifellos überlegen war.


    Hätte er geahnt, wie ernst die Lage gerade war, hätte er vielleicht doch noch mehr Kraft und Beharrlichkeit in seine Verteidigungsbemühungen gelegt. Doch es war für ihn immer noch ein Übungskampf, bei dem man sich möglichst nicht gegenseitig verletzte.


    Seine Erfahrung im Ringen reichte aus, um ihre Bemühungen, ihn in den Schwitzkasten zu nehmen, zu erkennen. Und er kannte einige Methoden, dies abzuwenden. Und so versuchte er beinahe in Schulstundenmanier, diese erlernten Methoden anzuwenden. Ob dies allerdings bei einem derart ernsthaft geführten Angriff zum Erfolg führen würde?

    "Deine Gefühle sollen auch nicht weg gehen, Caelyn, sie sollen sich nur verlagern", sagte Ursus ernst und blickte ihr fest in die Augen. "Wenn Du sie ganz und gar wegzwingst, wirst Du Dein Herz nur verhärten und dann kannst Du kein Glück mehr empfinden. Hör zu. Du sagst, Du magst mich. Du sollst mich auch mögen. Wie jeder Mensch möchte ich gemocht werden. Richtige, tief empfundene Liebe wird es - hoffentlich - noch nicht sein. Es ist schlimm genug, wenn Du in mich verliebt bist, denn schon das wird wohl weh tun, sich aus dem Kopf zu schlagen. Ich mag Dich. Du darfst nicht glauben, daß ich Dich nicht gern hätte. Aber mehr wird niemals daraus werden. Es gibt andere Männer. Schau Dich bei den Sklaven im Haus um. Vielleicht kann einer von ihnen Dir das Glück schenken, daß Du Dir wünschst. Natürlich geht das nicht von einem Tag auf den anderen. Es wird weh tun und einige Zeit dauern. Aber besser, es geschieht jetzt, als wenn es später geschieht, wenn es Dir wahrhaft das Herz zerbricht."


    Einem Impuls folgend ergriff Ursus die beiden Hände der Sklavin. "Ich bin sehr stolz auf Dich, weißt Du? Du hast schon sehr viel mehr gelernt, als ich am Anfang zu hoffen gewagt hatte. Und ich weiß mittlerweile, daß Du noch weiteres Potential hast. Nutze es, Caelyn. Nicht nur für mich, auch für Dich selbst. Und sieh mich als das, was ich bin: Dein Herr, in jeder Beziehung. Kann man wirklich jemanden lieben, der derartige Rechte über einen hat? Nur, weil ich sie nicht gnadenlos ausnutze? Denk darüber nach und prüfe Dein eigenes Herz." War er nicht eher eine Art Vaterersatz? Vielleicht war es diese Art der Liebe, die sie empfand.

    Ursus nahm die Unterlagen entgegen. "Danke", sagte er und nickte dem Mann noch einmal zu.


    Dann begab er sich wieder in jenen Prüfungsraum, wo er schon vor einigen Tagen über einer Prüfung gebrütet hatte. Hoffentlich hatte er sich nicht zu schnell zu dieser zweiten Prüfung entschlossen und schaffte es, sie zu bestehen.

    Ihre Niedergeschlagenheit war wirklich furchtbar mit anzusehen. Und das gerade heute, wo der Tag so gut begonnen hatte. Da saß sie nun, wie ein Häuflein Elend. War das wirklich seine Schuld? Aber was genau hatte er denn falsch gemacht? Er konnte das einfach nicht begreifen.


    Ihre Worte zeigten, wie wenig auch sie es begriff. Sie verstand ihre eigenen Gefühle nicht und Ursus war sich nicht sicher, ob er darüber froh sein sollte oder nicht. Denn so viel klüger als sie war er in diesen Dingen schließlich auch nicht.


    "Ich kann es Dir nicht sagen, Caelyn", gestand er ihr schließlich. "Vielleicht ... bist Du ein wenig in mich vernarrt. Gerade... wenn vorher noch niemand freundlich zu Dir war. Liebe... stelle ich mir als sehr starkes, geradezu überwältigendes Gefühl vor." Eher ein Kribbeln in der Magengrube. Eher ständig an den anderen zu denken und Herzklopfen beim Anblick des geliebten Menschen zu bekommen. Aber Ursus war nicht bereit, vor sich selbst zuzugeben, daß er dieses Gefühl vielleicht doch schon kennengelernt hatte.


    "Ich habe nicht vor, unnett zu Dir zu sein. Solange Du tust, was ich Dir sage, gibt es dafür ja auch gar keine Veranlassung." Ursus hob seine Hand zu ihrem Kinn, berührte es und hob ihr Gesicht, so daß sie ihn ansehen mußte. "Deine Wut, die Dich überkommt, wenn ich mit Cadhla zusammen bin, nennt man Eifersucht. Eifersucht ist ähnlich wie Neid, aber nicht ganz das gleiche. Dazu hast Du keine Veranlassung. Denn Cadhla ist eine Sklavin. Wie Du. Ich darf sie so wenig lieben wie Dich." Und doch... "Weißt Du, ich glaube, verliebt ist man schnell. Aber richtige Liebe, das ist etwas, was langsam wachsen muß in gegenseitigem Vertrauen. Schau Dich um, Caelyn. Du darfst Dich verlieben. Du darfst auch lieben. Sogar eine Familie haben." Nur eben nicht mit einem Freien oder gar einem Patrizier. Doch das sollte sie mittlerweile wirklich begriffen haben. Fand er.

    "Komm", forderte Ursus sie abermals aus und ging davon aus, daß sie ihm folgen würde, als er nun losging. Er führte sie durch ein paar Straßen bis zu einem kleinen, netten Park. Hier war nicht viel los, aber sie waren schon wieder in einer deutlich besseren Gegend als zuvor, was Ursus doch gleich ein Gefühl größerer Sicherheit verschaffte.


    "Hier, die Bank sieht doch ganz brauchbar aus." Er deutete auf eine schlichte Holzbank unter einem uralten, knorrigen Baum. Es war ein ruhiger, angenehmer Ort. Gut geeignet zum Reden. Ursus setzte sich und wartete, bis auch Caelyn sich gesetzt hatte. "Und nun... Nun sag mir mal, was Du eigentlich von Deinem jetzigen Leben erwartest. Was Du von mir erwartest." Er sprach immer noch ruhig. Wegen ihrer überstürzten Reaktion war er ihr nicht böse. Wenn die Gefühle einen überwältigten, tat man oft Dinge, die falsch waren. Er selbst hatte ja auch schon einige Dummheiten hinter sich.


    Natürlich hatte sie eigentlich kein Recht, irgendwelche Erwartungen an ihr Leben oder gar an ihren Herrn zu hegen. Doch andererseits war sie ein Mensch. Und Menschen hatten nun einmal Erwartungen, ob das nun ihr Recht war oder nicht.

    Ursus nickte. Lagerbau. Nagut, es gab sicherlich spannendere Themen. Aber wenn dies nun einmal das Thema war, dann eben das. "Ich habe mich mit dem Thema bereits ausgiebig befaßt und denke, ich bin der Prüfung gewachsen", meinte er also und versuchte, überzeugend zu klingen. Hoffentlich war er dem wirklich gewachsen, denn das Thema war doch eher trocken. "Und wenn es andere Themen zur Zeit nicht zur Auswahl gibt, dann nehme ich eben dieses."


    Ein Abschluß war ein Abschluß. Meistens fragte später ohnehin niemand mehr danach, zu welchem Thema man die Prüfung abgelegt hatte. Und es schadete nie, etwas zu lernen, egal welches Thema es betraf. Man konnte schließlich nie wissen, ob man es nicht doch eines Tages brauchen würde. Lagerbau... Gut, es war unwahrscheinlich, daß er es je brauchte. Doch die Pläne der Götter waren schließlich unergründlich, nicht wahr?

    "Nun, auch ich bin in der Aurata", schmunzelte Ursus. Sie war tatsächlich in der Aurata gewesen? Aber gut, wenn man ihre vielfältigen Aktivitäten und Interessen bedachte, war es vielleicht gar nicht mal erstaunlich. "Und es hat Dich nicht in den Bann gezogen? Also, ich finde es ausgesprochen packend. So, Du schaust die Wagenrennen also eigentlich nur wegen eines speziellen Fahrers an? Welcher Fahrer besitzt denn zur Zeit Deine besondere Aufmerksamkeit?" Auch das hätte er sich eigentlich denken können. Waren nicht die meisten Frauen bei den Wagenrennen, um bestimmte Fahrer zu bewundern und zu umjubeln? Er selbst bewunderte vor allem das Können und die mehr oder weniger geschickten Manöver der Fahrer. Und natürlich die herrlichen Pferde!


    "Ja, Wetten sind natürlich auch wichtig. Was wäre ein Rennen ohne die Wetten? Durch sie wird die Stimmung doch erst richtig angeheizt. So, dann bist Du also nicht nur blutrünstig, sondern auch noch dem Wettfieber verfallen." Er lachte. Das Gespräch machte ihm wirklich Spaß. Wieviele Frauen gab es wohl, die solch doch eher ungewöhnliche Leidenschaften so unverblümt zugeben würden? Und bei Lucilla schien es nicht mal unangemessen zu sein, es paßte irgendwie zu ihr. Wobei heute natürlich sowieso fast alles erlaubt war.


    "Dann werde ich mir wohl doch eine Braut suchen müssen, bevor dieses entsetzliche Schicksal mich trifft und ich ein Dickbauch werde. Sonst nimmt mich am Ende gar keine mehr. Die Frauen Roms sind wahrhaftig nicht zu beneiden. Haben sie einen einflußreichen Mann geangelt, wird er unweigerlich dick werden, haben sie einen gleichbleibend gutaussehenden, so müssen sie damit leben, daß er niemals Einfluß gewinnt", spann er das Szenario noch ein wenig aus. "Was kann man nur tun, um diesem Fluch zu entkommen?"


    Auf ihre letzte Frage hin wurde er schon wieder ernster. "Ich fürchte, es gibt nur wenige Möglichkeiten, seinen Militärdienst in Rom abzuleisten. Daher rechne ich damit, fort zu müssen. Falls es dem Kaiser gefällt, mich als Tribun einzusetzen."

    Zum Glück war Caelyns kopflose Rennerei so auffällig, daß Ursus sich ohne Probleme durchfragen konnte, um ihre Verfolgung weiterzuführen. Auch wenn er dafür so manchen merkwürdigen Blick einfing, woran er sich nicht weiter störte. Was ging es die Leute an, warum er dieser Frau folgte? Immerhin erhielt er die nötigen Auskünfte, das genügte doch schon. Doch es war natürlich ein wenig zeitaufwendig, ihr auf diese Weise zu folgen.


    Den letzten entscheidenden Hinweis erhielt Ursus von einer alten Frau, die vor der Tür einer ärmlichen Mietskaserne saß und Gemüse putzte. Sie deutete auf eine enge, dunkle Gasse. "Da issse rein. Und nich wieder raus. Aber da gehts nich weiter, also musse noch drin sein. Is aber schon ne Weile her."


    "Danke, gute Frau", sagte Ursus in freundlichem Tonfall und eine silberglänzende Münze wechselte den Besitzer.


    Ursus betrat die Gasse mit einem unguten Gefühl, da er schließlich nicht wenig Geld mit sich herumschleppte. Und da sah er sie auch schon sitzen. Auf der Schwelle eines recht schmuddelig wirkenden Hauses. "Komm, Caelyn. Hier ist nicht der rechte Ort zum reden. Laß uns woanders hingehen, ja?" Er sprach ruhig und sanft, da sie einen sehr verzweifelten Eindruck machte. Was hatte er da nur wieder angerichtet?

    Straton! War das nicht dieser stocksteife Sklave der Flavier? Wenigstens keines der Familienmitglieder! Welch eine Erleichterung! Dann war der Schaden wohl nicht allzu groß. Selbst wenn dieser Straton über das tratschen sollte, was er von Caelyn gehört hatte, so war es doch immerhin nur Getratsche eines Sklaven, der Getratsche einer betrunkenen Sklavin weitergab. Wer würde das schon ernst nehmen?


    Seine Worte bezüglich seines Verhältnisses zu ihr und zu Sklavinnen im allgemeinen schienen sie sehr zu verwirren. Er konnte in ihrem Gesicht Verlegenheit und Bestürzung ablesen. Doch mit einer Reaktion wie der ihren, die nun folgte, hatte er nun nicht gerechnet. Sie rannte einfach fort! Einfach die Straße hinunter! Und das, wo sie sich doch in Rom gar nicht auskannte.


    Es war natürlich nicht im geringsten daran zu denken, daß ein Magistrat Roms hinter einer Sklavin herhetzte. Ursus atmete tief durch und ging raschen, aber doch angemessenen Schrittes in die Richtung, in die sie verschwunden war. Wenn sie nicht allzuoft abbog, würde er sie schon wiederfinden, denn sie würde ja nicht ewig rennen. Und wenn nicht - den Weg zur Villa Aurelia konnte sie erfragen. Tat sie dies nicht und war bis zum Abend nicht wieder da, würde Ursus, so leid ihm das tat, nach ihr suchen lassen müssen.

    Ursus konnte nun ein Schmunzeln wirklich nicht mehr unterdrücken. Er war davon überzeugt, daß sich noch einige weitere Tätowierungen am Körper des Sklaven befanden. Doch die drei, die er genannt hatte, würden für eine Identifizierung auch schon völlig ausreichen, sollte so etwas einmal nötig werden. Was Ursus bezweifelte. Der Bursche schien eigentlich ganz willig zu sein und schien auch schätzen zu wissen, daß er hier eine ordentliche Unterkunft hatte und gut zu essen bekam. Schlecht behandelt wurde das Personal in diesem Haus ja auch nicht, warum sollte man da fliehen wollen?


    "Nicht ganz jugendfreie Stellen, ja?" Das Schmunzeln vertiefte sich. "Na, wer in diesem Haus sie wohl als erstes zu sehen bekommt?" Partnerschaften zwischen den Sklaven waren schließlich im allgemeinen nicht verboten.


    "Zumindest die Motive scheinen demnach jugendfrei zu sein", ließ Ursus sich gar zu einem kleinen Scherz hinreißen. Solange die Tätowierungen nicht zu offensichtlich waren, hatte er keine Probleme damit. Vermutlich würde Sertorio damit das Interesse der Sklavinnen im Haushalt wecken können.


    Ursus selbst würde seinen Körper natürlich niemals dermaßen verschandeln lassen. Die Bildchen mochten ja für eine Weile ganz nett sein, doch wie Sertorio schon sagte: Sie veränderten sich mit dem Körper. Und niemand konnte verhindern, daß der Körper irgendwann zu altern begann. Spätestens dann sahen diese Bildchen alles andere als schön aus. So war zumindest die Meinung des Aureliers. Außerdem war so etwas absolut unangemessen für einen Patrizier.

    Ursus' Stirnrunzeln vertiefte sich noch mehr. "Caelyn, Dein Verhalten im Garten wäre unter normalen Umständen sicherlich unhaltbar gewesen. Doch an den Saturnalien war es gerade noch entschuldbar. Und ich denke, das weißt Du auch. Wenn Dich das Gewissen derartig plagt, dann wird es wohl eher das Gespräch mit jenem anderen betreffen. Also... wen hast Du... zugelabert? Und was hast Du alles ausgeplaudert?" Es fiel ihm sichtlich schwer, das Wort so über die Lippen zu bringen. Doch es war schon wichtig zu hören, bei wem sie sich so daneben benommen hatte. Betrunken war sie also gewesen. Einen Anfall von Eifersucht hatte sie gehabt. Und irgendwem vermutlich alles erzählt, was ihr nur in den Sinn gekommen ist, wie Betrunkene das nun mal tun.


    Von dem anderen Thema versuchte sie nun also abzulenken. Es war ihr schon anzusehen, wie verlegen es sie machte, doch Ursus war noch nicht fertig, was das anging. Nur fiel es ihm sehr schwer, das so auszudrücken, daß es richtig bei ihr ankam. "Der Schneider... kann warten. Wir haben Zeit, Caelyn."


    Noch zögerte er, weiterzusprechen. Die richtigen Worte wollten ihm nicht einfallen. "Hör zu... Du mußt Dir immer im Klaren darüber sein, daß ein Patrizier seine Sklavin wohl gern haben und mit ihr das Bett teilen kann. Aber lieben, lieben darf er sie niemals. Verstehst Du? Häng nicht Dein Herz an mich, ich wäre gezwungen, es zu zerbrechen. Caelyn, Du bist wunderschön, Du bist intelligent und liebenswert. Und... ich würde mich sehr freuen, wenn wir... ein vertraulicheres Verhältnis zueinander aufbauen könnten. Doch erwarte niemals Liebe. Das ... darf nicht sein, verstehst Du? Eines Tages werde ich heiraten. Und ich möchte... mich in meine Frau verlieben können. Ich möchte nicht, daß sie auf meine Sklavin eifersüchtig sein muß. Oder meine Sklavin auf meine Frau." Das war ein schöner Vortrag. Und doch wußte Ursus, daß sich Gefühle nicht einsperren oder gar unterdrücken ließen. Cadhla.... was empfand er eigentlich für sie? Viel zu viel, ohne Frage.

    Nur wenige Tage, nachdem Ursus das Examen Primum erfolgreich abgelegt hatte, betrat er wieder die heiligen Hallen der academia militaris. Dieses mal kannte er den Weg zum officium und mußte sich nicht durchfragen wie beim letzten mal.


    Nach kurzem Anklopfen betrat er das officium und begrüßte den scriba lächelnd. "Salve. Ich möchte nun auch noch das Examen Secundum ablegen, wenn das möglich ist. Titus Aurelius Ursus ist mein Name." Nur für den Fall, daß der Mann sich vielleicht nicht an ihn erinnerte, obwohl er das für unwahrscheinlich hielt. Den Beutel mit dem abgezählten Geld für die Kursgebühr hielt er bereits in der Hand.



    Sim-Off:

    Überweisung ist bereits erfolgt

    Kein Theater. Das nahm Ursus wieder befriedigt zur Kenntnis. War doch gar kein so übler Kauf, den Corvinus da getätigt hatte. Auch wenn der Mann das schrecklichste Latein sprach, das Ursus je gehört hatte. Doch wenn man sich erst daran gewöhnt hatte, verstand man ihn ganz gut. Und einiges von dem, was er von sich gab oder eher, wie er es von sich gab, fand Ursus sogar recht amüsant. Doch das konnte er sich natürlich auf keinen Fall anmerken lassen.


    Was ihm zunehmend schwer fiel, vor allem als Sertorio so freimütig das Kunstwerk auf seinem Arm entblößte und stolz vorzeigte. Ursus besah sich den Stern und erwiderte dann trocken: "Nicht schlecht. Schade, daß er leicht verzogen ist. Na, dann sehe ich ja, daß Du in dieser Beziehung nicht zimperlich ist. Und was das Motiv angeht: Du kannst es bei jedem Sklaven und jeder Sklavin im Haus bewundern."*


    Der Stern war wirklich ganz nett, - wenn man so etwas an sich mochte. "Gibt es noch mehr solcher Kunstwerke an Deinem Körper?" Er wußte, daß Seeleute dazu neigten, ihren Körper so "verzieren" zu lassen. Wobei sie sich wohl eher selten auf nur ein Motiv beschränkten. Und als ehemaliger Fischer war Sertorio ja wohl so etwas wie ein Seemann. Natürlich fragte Ursus nicht nur aus reiner Neugierde. Besondere Merkmale von Sklaven waren schon eine wichtige Information. Falls sie mal vorhaben sollten, sich auf und davon zu machen.



    Sim-Off:

    *Diese Tätowierungen hat Corvinus eingeführt. Über das Motiv hat er sich nie geäußert. Und bevor ich was falsches sage, warten wir doch lieber, bis er wieder da ist :D

    Viele Worte machte der Mann wahrhaftig nicht, doch das war eigentlich kein Fehler. Sklaven sollte man kaum sehen oder hören. Man sollte nur sehen können, daß sie ihre Arbeit ordentlich verrichteten. Sertorio schien willig und nicht dumm zu sein. Vielleicht konnte man im Laufe der Zeit seine Intelligenz ein wenig mehr herausfordern.


    Fragen zur Arbeit hatte er offensichtlich nicht. Dafür stellte er andere Fragen. Auch gut. "Ja, ich mag Fisch sogar sehr gerne. Und das bringt mich auch gleich auf die nächste Aufgabe für Dich. Du sagtest, daß Du frische Nahrungsmittel zu erkennen in der Lage bist. Ich möchte, daß Du die jeweils zum Einkaufen eingeteilte Sklavin auf den Markt begleitest. Es ist in Rom nicht immer leicht, wirklich frische Waren zu erhalten. Und die Händler sind findig darin, halb verdorbene Waren frisch aussehen zu lassen." Das war sicher eine Aufgabe, die Sertorio gerne ausführte.


    "Und übrigens wird im Laufe des heutigen Tages ein Tätowierer hier erscheinen. Er wird Dir ein Zeichen in den Nacken tätowieren, der Dich ausweist als Angehörigen dieses Haushalts. Es ist nur eine kleine Markierung und es wird nicht lange dauern." Hoffentlich stellte sich Sertorio deswegen nicht so an wie Caelyn. Ihre Markierung war dann doch recht teuer geworden.

    An ihrem zufriedenen Gesichtsausdruck erkannte Ursus, wie sehr sie es genoß, all die kleinen Hinweise aus seinen Worten zu einem Bild zusammenzusetzen. Er grinste innerlich. Diese Frau würde sicher niemals aufhören, Informationen zu sammeln. Ein großer Verlust für die acta, ohne Frage. Auf charmante Weise zog sie einem all das aus der Nase, was sie gerne wissen wollte. Und man fühlte sich dabei nicht einmal unwohl.


    "Jaja, blutrünstig", nickte Ursus ein wenig übertrieben. "Und da haben wir den nächsten Hinweis darauf: Du schaust gerne bei Opferungen zu. Ja, so etwas von blutrünstig aber auch." Er lachte, denn er meinte das natürlich ganz und gar nicht ernst. "Aber ich gestehe: Ich besuche auch gerne die Spiele. Obwohl ich Wagenrennen deutlich bevorzuge. Und ja, es wird Zeit, daß es wieder ein anständiges Rennen gibt. Möglichst bevor ich fort muß." Er seufzte. Rom verlassen zu müssen war der große Nachteil an einem Tribunat. "Aber Spiele müssen nicht unbedingt blutig sein. Ich ziehe einen spannenden Kampf einer blutigen Schlachterei allemal vor." Ja, sie hatte recht. Gute Spiele waren selten geworden. Schade eigentlich. Doch bald waren ja wieder Wahlen, da gab es vorher vielleicht die eine oder andere Attraktion.


    Er trank nach dem Anstoßen ebenfalls von seinem Wein. Dann ging er auf ihre kleine, böse Bemerkung ein. "Und Du sagst, als Senator wird man zwangsläufig ein Dickbauch?" Er tat aufs höchste entsetzt. "Ich fürchte, dann werde ich mir doch einen anderen Karriereweg suchen müssen!" Er strich dabei über seinen Bauch, der alles andere als dick und rund war, was ihn ja auch nicht wenig Schweiß kostete. "Ach, welch ein furchtbares Schicksal steht mir da bevor!" Auch wenn sein Gesichtsausdruck Entsetzen zeigte, war doch der Schalk in seinen Augen nicht zu übersehen.

    Der Duft verbrannten Weihrauches erfüllte das Atrium und zeugte von dem gerade vollzogenen Opfer. In aller Ruhe beendete Ursus nun seine Gebete, die er schließlich dann doch mit der üblichen Körperdrehung nach rechts beendete.


    Er blickte sich um und stellte mit einer gewissen Befriedigung fest, daß Sertorio anwesend war und sogar einigermaßen manierlich aussah. Das war doch schon mal ein deutlicher Fortschritt im Vergleich zum Vortag.


    "Guten Morgen, Sertorio. Ich gehe mal davon aus, daß Tilla Dir gestern das Haus gezeigt hat und Du mittlerweile die anderen Sklaven im Haus kennengelernt hast. Also spare ich mir eine Führung und zeige Dir nur die Bereiche, auf die es ankommt."


    Er machte eine Geste, die sehr deutlich zeigte, daß Sertorio ihm folgen sollte. "Dein Herr ist noch immer krank. Also weise ich Dir Deine Aufgaben zu." Wenn Corvinus später anderes mit Sertorio vorhatte, konnte er die Anweisungen ja schließlich widerrufen.


    "Dein Hauptaufgabenbereich ist zunächst einmal die Küche. Da Du ja entsprechende Vorkenntnisse besitzt, wirst Du Niki gewiß gut unterstützen können. Lerne von ihr. Ein zweiter fähiger Koch im Haus kann nur von Vorteil sein." Er ging einfach mal davon aus, daß Sertorio mit der Zubereitung allzu raffinierter Speien eher nicht vertraut war. Doch da er Grundkenntisse besaß, würde er die Feinheiten sicher schnell erlernen können. Mit etwas Mühe.


    "Zusätzlich wirst Du ab sofort für das Feuerholz zuständig sein." Ursus trat in den Garten hinaus und führte Sertorio in den Wirtschaftsbereich des Gartens. Hier befand sich auch das überdachte Holzlager. "Wie Du siehst, sind die Vorräte zur Zeit gut gefüllt. Aber das Holz muß noch zerkleinert werden, - auf ungefähr diese Größe." Er deutete auf eine Vorratskiste, in der nur noch wenige Holzstücke der richtigen Größe lagen. "Wann immer Du Zeit dafür hast, wirst Du diese Kiste auffüllen."


    Ursus blickte Sertorio an. "Hast Du dazu noch Fragen?"

    An seinem ersten Tag hatte Ursus nichts weiter von Sertorio verlangt, damit er alles kennenlernen und sich zurechtfinden konnte. Doch heute brauchte er eine Aufgabe. Und da Corvinus immer noch zu krank war, sich um solcherlei Dinge zu kümmern, oblag dies Ursus.


    Er hatte sich zuvor davon überzeugt, daß im Haus soweit alles in Ordnung war und sich auch bereits mit Matho besprochen. Natürlich war er versucht gewesen, es dem Majordomus zu überlassen, den neuen Sklaven mit Aufgaben zu versehen, doch dann schien es ihm doch richtiger, das selbst zu tun. Man sollte dem Personal nicht alles überlassen, dann behielt man selbst einen besseren Überblick und verlor auch nicht den nötigen Kontakt zum Gesinde.


    Einer der Sklavenjungen bekam den Auftrag, Sertorio zu Ursus zu bringen, der sich momentan im Atrium aufhielt, wo er am Hausaltar betete und ein kleines Opfer darbrachte.