Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Vorsichtig stützte Ursus sie, als sie von dem Tee trank. Anscheinend schmeckte er nicht sonderlich gut, doch wenigstens trank sie ihn trotzdem. Flüssigkeit war jetzt sehr wichtig, im Grunde konnte sie gar nicht genug trinken. Doch er wollte sie nicht drängen. Nicht jetzt.


    Als sie sich sichtlich erschöpft zurücklegte und nach seinem Arm griff, lächelte er sie an und streichelte leicht ihre Stirn. Auf ihre Worte hin schüttelte er leicht den Kopf. "Es ist schon gut. Ich bin einfach nur froh, daß Du lebst. Schlaf... schlaf Dich gesund, Helena."


    Er streichelte sie sanft weiter, bis sie schließlich eingeschlafen war. Ihre regelmäßigen Atemzüge und ihr nun endlich entspannter Gesichtsausdruck ließen da keinen Zweifel dran.


    Sorgsam darauf bedacht, sie nicht gleich wieder zu wecken, zog er den Arm langsam weg. Erst jetzt wandte er sich an Siv, die derweil fleißig und unermüdlch das Zimmer aufgeräumt hatte.


    Er sprach leise, in Rücksicht auf die Schlafende, und lächelte auch die Sklavin freundlich an. "Siv... Ich weiß gar nicht, wie ich Dir danken soll. Und doch... möchte ich Dich bitten, Helenas Pflege zu übernehmen. Du mußt das natürlich nicht allein tun. Auch Du brauchst Schlaf und Erholung. Nimm Dir zur Hilfe, wen immer Du brauchst. Und wenn es Probleme gibt, dann... wende Dich an Corvinus oder an mich. - Kann ich mich auf Dich verlassen?" Hoffentlich war sie nicht zu müde dafür. Auch sie hatte ja in dieser Nacht anscheinend gar nicht oder wenn, dann nur wenig geschlafen. "Ich werde jeden Tag mindestens einmal herkommen und nach ihr sehen."


    Er war schon versucht, Siv zu sagen, daß sie Corvinus nicht zu Helena lassen sollte. Doch er konnte es sich gerade noch verkneifen. Das wäre nicht richtig. Siv war das Eigentum von Corvinus und sie konnte und durfte sich nicht gegen ihren Herrn stellen. Ursus mußte also einfach darauf vertrauen, daß sein Onkel genug Verstand hatte, um nicht zu früh hier aufzutauchen.

    Natürlich. Er zog die Hand fort, als hätte ihn irgendetwas ekliges berührt. Ursus zog seine Hand ebenfalls wieder zurück und erhob sich auch, als Corvinus aufstand. Er fühlte sich wie mit Eiswasser übergossen. "Das... ist bereits veranlaßt", antwortete Ursus nur und fühlte sich wie ein Lakai, der seine Schuldigkeit getan hatte und nun gehen konnte.


    "Mattiacus übernachtet übrigens hier im Haus, ich habe ihm ein Zimmer herrichten lassen. Vielleicht möchtest Du ja später noch mit ihm sprechen, bevor er wieder geht." Er klang sachlich, doch ein klein wenig Enttäuschung war doch auch herauszuhören.


    Natürlich wußte er, daß er damit eigentlich entlassen war. Und auch, daß die zuletzt gesprochenen Worte nicht wirklich an ihn gerichtet waren. Vielleicht hätte er einfach gehen sollen, ohne auf die Worte einzugehen. Aber dann sprach er eben doch, so unvernünftig dies vermutlich auch war. "Sie liebt Dich. Ausgerechnet jemanden, den sie nicht lieben darf. Ist das nicht ein Grund, um zu verzweifeln?" Warum sich immer alle ausgerechnet in Corvinus verliebten, war Ursus ein Rätsel. Vielleicht mußte man eine Frau sein, um so etwas zu verstehen.


    "Sie wird Rückhalt brauchen. Von uns allen..." Hoffentlich versuchte Corvinus nicht, Ursus davon abzuhalten. Er wußte, dann würde es zu einem wirklich schlimmen Streit kommen, denn er würde sich nicht abhalten lassen. Sie war auch seine Cousine. Und auch er liebte sie, was er in dieser Nacht mehr als deutlich gemerkt hatte. Wenn auch natürlich nicht auf diese Weise. Sondern wie man Verwandte, denen man sich nahe fühlte, eben liebte. Bisher hatte er nicht mal gewußt, daß er sich ihr nahe fühlte...

    Schon die wenigen Worte waren wohl bereits zuviel gewesen. Corvinus stand der Schock deutlich ins Gesicht geschrieben. Er brauchte Zeit. Zeit, das Gehörte zu verarbeiten. Zu verstehen, was geschehen war. Ursus wartete und betrachtete seinen Verwandten dabei eher besorgt als anklagend.


    Wozu wäre in dieser Situation auch eine Anklage gut gewesen? Zum einen kannte Ursus nicht die ganze Geschichte, wie hätte er da überhaupt eine Anklage aussprechen können? Und zum anderen: Schuld schien sich Marcus ja selbst genug zuzuschreiben. Wie dieses ich… geklungen hatte. Heiser und zitternd, wie erstickt. Und furchterregend blass war er. Dazu die schreckgeweiteten Augen, die er schließlich schloss, vermutlich um den ihm verhaßten Ursus nicht länger anblicken zu müssen.


    Vielleicht war es doch ein Fehler gewesen, Corvinus so direkt mit dieser Tragödie zu konfrontieren? Sein Schock war tiefer, als Ursus es erwartet hatte. Am Ende hatte er es jetzt mit zwei Patienten zu tun und nicht nur mit einem. Und er wusste nicht, ob er dem jetzt noch gewachsen war.


    Prüfend beobachtete er Corvinus. Verkraftete er es? Im Moment war dies nicht mit Sicherheit festzustellen. Und so wartete er erst einmal ab, ob die Erkenntnis der Geschehnisse und ihrer Ursachen Corvinus erdrücken würde oder ob er sich fangen konnte, um weitere Informationen aufzunehmen.


    Die Schriftrolle war mittlerweile aus Corvinus Hand in seinen Schoß, und von dort aus zu Boden geglitten. Mehr aus Reflex, denn aus Überlegung beugte sich Ursus vor und hob sie wieder auf. Jedoch rollte er sie wieder zusammen und legte sie dann zur Seite. Es war wichtig gewesen, dass Marcus sie las. Doch jetzt war sie nicht mehr von Wichtigkeit.


    Ursus’ Blick fiel auf die Hand, die sich um den Stoff der Decke verkrampft hatte. Seine eigene Hand zuckte schon vor, um sich auf diese Hand zu legen und Corvinus damit zu zeigen, dass er nicht allein war. Doch würde der sich das gefallen lassen? Von ihm? Er zögerte. Und dann tat er es doch, vorsichtig, weil er sicher damit rechnete, auf harsche Weise weggestoßen zu werden.


    "Sie ist wieder in ihrem Zimmer. Sie schläft jetzt", antwortete Ursus und versuchte dabei fest zu klingen. Hoffentlich kam Marcus jetzt nicht auf die dumme Idee, zu Helena zu laufen. Sicher brauchte Helena auch die Hilfe von Corvinus, ganz gewiß sogar. Doch im Moment würde sie ihn bestimmt nicht sehen wollen. Es würde nur alles noch schlimmer machen. "Sie hat viel Blut verloren, aber wenn sie keine weiteren Dummheiten macht, dann wird sie es überstehen. Der Medicus schien da zuversichtlich zu sein. Siv ist bei ihr geblieben und kümmert sich um sie." Was hätte er nur ohne die Germanin gemacht? Sie hatte sich wirklich als Juwel erwiesen.

    Die Luft wurde zunächst schnell knapp, doch seine Bemühungen schienen dann doch von Erfolg gekrönt zu sein, denn plötzlich ließ der Druck um seinen Hals nach und japsend sog er die plötzlich so unendlich kostbar gewordene Luft ein.


    Der Kampf schien vorüber zu sein, keine weiteren Angriffe erfolgten. Hatte er es nun geschafft, ihren Kampfesrausch zu beenden oder hatte sie einfach aufgehört zu kämpfen? Kaum der Bruchteil einer Sekunde blieb ihm für diese Überlegung. Denn schon geschah das Unglaubliche, Unfassbare: Ihre Lippen legten sich auf die seinen zu einem genießerischen Kuss.


    Es war einfach unmöglich, in irgendeiner Weise zu reagieren. Gerade noch hatte er um sein Leben gekämpft, ja, sich fast schon davon verabschiedet, da wurde er aus den tiefsten Tiefen des Tartarus direkt in das Reich der Götter katapultiert. Nun schwanden ihm die Sinne nicht mehr wegen Sauerstoffmangels, sondern durch ein plötzlich explodierendes Wirrwarr von Gefühlen.


    Sie küsste ihn! Sie küsste ihn, weil sie es wollte! Er hatte nicht mal die Gelegenheit, sich dagegen zu wehren, selbst wenn er das gewollt hätte. Sein Blick war von dem ihren gebannt. Ihre herrlichen grünen Augen, eben noch voller Hass und Aggression, schienen plötzlich ganz das Gegenteil auszustrahlen. Doch wie konnte er sich da sicher sein?


    Doch, er war sicher. Ihr Kuss sprach eine deutliche, unmissverständliche Sprache. Dies war keine Provokation und keine Ablenkung. Dies war… echte Zuneigung… ?


    Erst nach einer Weile war er in der Lage, den Kuss zu erwidern. Vorsichtig und zärtlich, soweit sie es zuließ. Alle Schmerzen waren vergessen, kein Gedanke hatte mehr in seinem Verstand Platz. Seine Hände tasteten sich liebkosend über ihre Arme und Schultern bis zu ihrem Kopf vor. Seine Finger fuhren sanft durch ihre Haare…

    Hatte er doch schon zu viel Kraft am Anfang verbraucht? Oder war es nur der zusätzliche Streß durch das Wissen, daß halb Rom zuschaute und er sich, seiner Meinung nach, keine Blamage erlauben durfte. Der Atem ging ihm mittlerweile schon arg schwer und keuchend, seine Beine begannen bereits, bleiern zu werden. Daß der Schweiß längst in Strömen floß, damit zumindest hatte er ja gerechnet. Es schien viel schwerer zu sein als beim Training im Garten, ein so hohes Tempo über eine längere Strecke zu halten.


    Achwas! So lang war die Strecke auch wieder nicht! Es war nicht mehr viel! Jetzt galt es, sich zusammenzureißen, konzentriert weiterzulaufen, auf den Atem zu achten. Einfach alles zu geben. Das Ziel war ja schon in Sicht. Doch noch immer war ein gar nicht mal so kleines Läuferfeld dicht beieinander. Der Endspurt würde noch eine spannende Sache werden!


    Aus dem Augenwinkel nahm Ursus wahr, daß der Praetorianerpraefect auf die Außenbahn wechselte. Und obwohl er es nicht wollte, lenkte ihn diese unerwartete Bewegung leicht ab. Fast wäre er deswegen gestolpert, aber zum Glück nur fast. Mit wenigen ausgreifenden Schritten hatte er wieder in seinen Tritt zurückgefunden. Das Ziel fest vor Augen, rannte er wie noch nie in seinem Leben...

    Da sich zwischendurch auch noch dieser unverschämte Germane an Aquilius wandte, ohne die geringste Rücksicht auf die Damen zu nehmen, und das Gespräch der Gruppe nun wohl eine leichte Plauderei zu sein schien, trat Ursus jetzt mit Lucanus im Schlepptau an die Gruppe aus Prisca, Antonia und Aquilius heran.


    Zunächst wandte er sich an Antonia, die er weder wirklich kannte, noch an diesem Abend bisher getroffen hatte. "Io Saturnalia", wünschte er und überreichte auch ihr eine filigrane Kerze in Schiffsform. Und auch an Prisca überreichte er ein solches Präsent. Doch bei ihr kam noch ein kleines Päckchen dazu, welches ein hauchdünnes, meerblaues Seitentuch enthielt. "Und auch Dir Bona Saturnalia, Cousine", wünschte er lächelnd und deutete dann auf den jungen Lucanus in seiner Begleitung. "Prisca, darf ich Dir diesen hervorragenden jungen Mann vorstellen? Flavius Lucanus. - Oder stören wir etwa gerade?" Er grinste ein wenig frech zu Aquilius herüber, der sich in der Gesellschaft zweier so schöner Damen doch sicher pudelwohl fühlte. Fühlen mußte, denn nicht jedem Mann war solch eine Vorzug vergönnt.

    Nun, dann besaß er wenigstens insoweit Grundkenntnisse, daß er in er Lage war, sich wirksam zu verteidigen. Und vemutlich konnte er auch gut improvisieren. "Hmm, ich verstehe." Nun, Ursus hatte das nicht zu entscheiden, doch wäre er sein Sklave, würde er ihn in diesen Fertigkeiten ausbilden lassen. Doch das erwähnte er natürlich nicht. Es war allein die Sache von Corvinus und da redete Ursus ihm bestimmt nicht drein. Und er würde auch dem Sklaven keinen Floh ins Ohr setzen.


    Sie betraten das Haus und Ursus führte Sertorio nun bis kurz vor die Küche. "Ich nehme an, daß Niki Dich zu dieser Zeit gut brauchen kann. Du weißt ja jetzt, was Du zu tun hast, wenn sie Dich nicht braucht. Melde Dich nun bei ihr, damit sie Dir Arbeit gibt. Solltest Du irgendwelche Probleme haben, kannst Du Dich damit an Matho, den Maiordomus, wenden. Oder an mich, sollte er nicht greifbar sein."

    Auch Ursus lachte fröhlich, als sie die Geschichte um die Vorstellung von Männern und Frauen weiterspann. Herzkommen hatte sich ganz ohne Frage gelohnt. "Aber ja, genau so sind wir Männer!", behauptete er einfach heftig nickend. "Genau wie meine Beschreibung auf Dich paßte, paßt Deine doch geradezu perfekt auf mich. - Oder möchtest Du etwa behaupten, daß irgendein Teil Deiner Beschreibung nicht auf mich zutreffen würde? Hm?" Er stellte sich ebenfalls ein wenig in Pose, Bauch rein, Brust raus mit stolz erhobenem Kopf und aufforderndem Blick. Seine Stimme klang ein wenig theatralisch."Ist es nicht der Sinn des Lebens für einen Mann, eine Frau auf Händen zu tragen, alle ihre Feinde aus dem Weg zu räumen und am Abend triumphierend und siegreich nach Hause zurück zu kehren, mit netten kleinen Geschenken... zum Beispiel den Köpfen besagter Feinde? Um sich dann zusammen mit der geliebten Frau daran zu machen, den Fortbestand der Familie zu sichern...." Nun mußte er doch wieder lachen und verdarb damit ganz seine wunderbare Pose. "Aber Du hast recht. Auch wenn ich noch nicht beurteilen kann, ob es Dir wirklich an Sanftheit fehlt, so kann ich doch auf jeden Fall bestätigen, daß Du sehr interessant bist."


    Auf die Wette ging sie ebenfalls ein. Eine Frau, die sich wirklich nichts entgehen ließ, wie Ursus mit Freude feststellte. "Eine Feier also. In Ordnung, das klingt doch ganz ausgezeichnet. Darf ich nur Patrizier einladen oder sind auch ein paar Plebejer genehm? Nur für den Fall, daß ich verlieren sollte." Er grinste breit. Immerhin gab es auch eine ganze Menge einflußreicher Personen in Rom, die durchaus nicht dem Adel angehörten.


    "Senator Purgitius Macer? Ich kenne ihn wie schon erwähnt nur flüchtig und ich bin mir nicht sicher, ob er sich auf so etwas einläßt", auf so eine Kinderei, "aber wenn Du ihn davon überzeugen kannst, warum nicht? Also noch einen zweiten Richter, ja? Hm, gar nicht so leicht. Ich schlage Flavius Aquilius vor. Mit ihm verstehe ich mich recht gut, doch lügen würde er gewiß nicht, auch nicht für mich. Er ist ein Marspriester und wer einen Körper wie er besitzt, der weiß, was ein dicker Bauch ist und was nicht. - Was meinst Du? Würdest Du ihn akzeptieren? Ich könnte ihn heute Abend noch fragen."


    Wenige Augenblicke später war auch sein Becher vollständig leer. "Wer immer das war, hat auch bei mir zugeschlagen, scheint mir. Frech sowas! Möchtest Du noch Wein? Dann kämpfe ich mich noch einmal zu den Quellen des kostbaren Nasses vor. Und räume alle Feinde der Dame aus dem Weg, die mich begleitet." Er reckte stolz das Kinn vor und ballte die Faust in einer gespielt kriegerischen Geste.

    Zu Beginn war Ursus noch völlig arglos, auch wenn er fand, dass sie mit verdammt harten Bandagen kämpfte. Alles ist erlaubt, hämmerte es immer wieder in seinem Verstand. So war die Abmachung gewesen und er hatte sich damit schließlich einverstanden erklärt. Sie war eine harte Kämpferin, das hatte er immer gewusst. Eine erfahrene Kämpferin, im Gegensatz zu ihm. Und sie versuchte wohl, ihm zu zeigen, wie hart es werden konnte, wie verbissen ein Feind daran arbeiten würde, ihm Schmerzen zuzufügen und nach Möglichkeit zu töten.


    Er wehrte sich nach bestem Wissen und besten Kräften. Dachte er. Und immerhin gelang es ihm dank seiner Kenntnisse im Ringen immer wieder mal, ihren Angriffen wirksam zu begegnen. Er steckte auch einiges ein, doch Klappern gehörte nun einmal zum Handwerk. Ohne Blessuren konnte wirksames Kampftraining eben nicht ablaufen. Und noch hatte er nicht verloren, noch wogte der Kampf unentschieden hin und her.


    Als ihr Knie schließlich mit Macht in seinem Unterleib landete und seine kostbarsten Teile nur allzu knapp verfehlte, war der heiße Schmerz nicht nur dazu angetan, ihm einen Schmerzensschrei zu entlocken und leuchtende Sterne vor seinen Augen aufgehen zu lassen, sondern auch die Erkenntnis in ihm zu wecken, dass dies wohl doch kein Übungskampf mehr war, sondern bitterer Ernst.


    Das sprühende Brennen in ihren unbeschreiblich grünen Augen, der bittere, verbissene Gesichtsausdruck, den sie zeigte, während sie alles darauf anlegte, ihn zu besiegen… War das Haß? Auf ihn?


    Diese ernüchternde Frage ließ ihn einen Moment innehalten. Ein fataler Fehler, wie er gleich darauf feststellen musste, da sie nun ihre Hände freibekam und damit nach seinem Hals fasste. Die Glut in ihren Augen, das vor Anstrengung hochrote Gesicht, das alles zeigte, wie sehr sie ihren Instinkten folgte. Den Instinkten, die ihr sagten, dass sie einen Römer, einen Todfeind vor sich hatte. Der Verstand, in dem vielleicht ein klein wenig Zuneigung für ihn als Person existierte, war anscheinend völlig ausgeschaltet.


    Mit dem Verstehen erwachte auch eine Kraft in dem erschöpften, verschwitzten Körper des Römers, wie sie nur aus Verzweiflung geboren wurde. Ursus wusste, wenn er es nicht schaffte, sie aus ihrem Kampfrausch zu wecken – und es nicht schaffte, den Griff um seine Kehle innerhalb kürzester Zeit zu lösen, dann würde er sein Leben jetzt und hier beenden.


    "Cadhla!", war das letzte, was er noch hervorstoßen konnte, bevor ihre Hände vermutlich erbarmungslos zudrücken würden. Gleichzeitig riß er seine Arme hoch, versuchte mit aller Gewalt ihre Arme – und damit ihre Hände – wegzustoßen, damit sie ihn nicht würgen konnte…

    Dann gab es also sogar unter den Tätowierern so etwas wie Berufsehre? Das war ja wirklich erstaunlich. Man lernte eben nie aus. Doch das Thema war für Ursus nun wirklich ausreichend erörtert. Mehr als ausreichend.


    Da Sertorio ja nun wußte, was ihn an Arbeit erwartete, schlenderte Ursus wieder in Richtung Haus, davon ausgehend, daß der Sklave mitkommen würde. "Wie sieht es eigentlich mit Kampfesfertigkeiten aus? Bist Du in dieser Richtung auch in irgendeiner Weise geschult?" Seeleute waren doch schließlich als Raufbolde verschrien. Ob allerdings ein Fischer so sehr mit anderen Seeleuten in einen Topf geworfen werden konnte, das wußte Ursus nicht so genau.


    "Prügeln kannst Du Dich doch sicher ganz ordentlich, oder nicht? Und wie sieht es mit Waffen aus? Kannst Du damit umgehen?" Er warf dem Sklaven einen neugierigen Blick zu. Sertorio war noch jung, doch er war nach allem bisherigen Anschein ein sehr handfester, praktisch denkender Mensch. Und solche Menschen wußten sich im allgemeinen ihrer Haut zu wehren.

    Nur langsam schien Corvinus aus den Tiefen des Schlafes aufzutauchen. Ursus wartete einfach ab und blickte Corvinus mit einem seltsamen Gemisch aus Mitleid und Neugier an. Mit der ersten verwirrten Frage hatte Ursus ja gerechnet. Aber nicht mit der Feststellung, er würde bluten.


    Aus einem Reflex heraus guckte Ursus bei diesem Ausruf des Schreckens verdutzt an sich herunter. Und bemerkte erst jetzt, was für ein wahrhaftig schockierendes Äußeres er zur Zeit haben mußte. "Was? - Oh... nein, das ist nicht mein Blut. Entschuldige, ich habe ganz vergessen... wie ich aussehen muß. - Ich... ich wollte Dich nicht erschrecken."


    Mit einem erschöpften Seufzen setzte sich Ursus auf die Bettkante und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. - Was nicht gerade zu einer Verbesserung seines Aussehens führte. "Es...es geht um Helena. Sie hat versucht, sich das Leben zu nehmen."


    Seine Stimme hatte nichts von Anklage. Eigentlich klangen seine Worte nur müde. Und ein wenig ratlos. "Sie... hatte diesen Brief geschrieben. Als Abschiedsbrief. Er ... ist für Dich." Ursus zog die kleine Schriftrolle hervor. Auch sie war mittlerweile von dunklen Flecken verunziert, doch zum Glück nur auf der Außenseite. Die beschriebene Seite war rein.


    Ein wenig zögernd reichte Ursus den Brief weiter. Er setzte dazu an, noch etwas zu sagen, ließ es dann aber doch. Zuviel auf einmal war auch nicht gut.


    Marcus,
    ein Leben ohne Liebe ist grausam. Aber ein Leben überschattet von einer unerfüllten Liebe ist mehr als ich ertragen kann. Du kannst mich nicht lieben, du willst es nicht und ich kann nichts dagegen tun. Ich wünsche dir, dass du irgendwann die Frau findest, die so für dich empfindet wie ich es tue und das ihr zusammen glücklich werdet. Bitte vergiss mich nicht! Trotz allem.
    Helena

    Caelyns Begeisterung für das Forum konnte Ursus nur zu gut verstehen. Auch wenn er nicht ganz nachvollziehen konnte, was eine Sklavin daran nun so faszinierte. Aber da sprach sicherlich das frühere Straßenkind aus ihr, das sich halt in Menschenmengen wohl fühlt. Vor allem in Mengen von wohlhabenden Menschen, die sorglos mit ihren Geldbeuteln umgingen. Nunja, so etwas hatte sie ja zum Glück nun nicht mehr nötig.


    "Vielleicht läßt sich das mal ab und an einrichten." Ursus wollte da nichts zu fest versprechen. Doch ganz abwegig war es schließlich nicht, sie auch mal mitzunehmen. Wenn er keine Amtsgeschäfte zu erledigen hatte zumindest. Eher war anzunehmen, daß er sie wegen irgendwelcher Besorgungen losschickte. Doch dafür mußte sie sich erst einmal etwas besser auskennen.


    Sie überquerten den Markt, kamen dieses mal an Obst- und Gemüseständen, an Händlern mit verschiedenen Backwaren und einer Garküche vorbei. Und am Rande des Marktes fand sich dann der Laden des Schneiders.


    Als Caelyn und Ursus den Laden betraten, bot sich ihnen ein überwältigender Anblick. Die Regale an den Wänden quollen geradezu über vor lauter Ballen von Stoffen in allen Qualitäten, Farben und Mustern. Dazu gab es lange Tische, auf denen Stoffe ausgebreitet lagen, aber auch Kisten und Regale voller Schriftrollen mit Modellzeichnungen. Scheren, Kreidestücke, lange Maßstäbe lagen auf der Ladentheke und mehrere Helfer waren damit beschäftigt, Dinge von einer Stelle an eine andere zu räumen.


    Der Schneidermeister selbst eilte natürlich sogleich herbei, um eifrig seine Dienste anzubieten. Und er wußte offenbar, mit wem er es zu tun hatte, denn er sprach Ursus sogleich mit seinem Namen an. "Salve, werter Vigintivir Aurelius Ursus. Welch eine Ehre, daß Du meinen Laden beehrst. Bitte, womit kann ich Dir dienen?"


    Eigentlich mochte Ursus diese schmeichlerische Art nicht, doch der Mann war gut. Und wenn er die Maße genommen hatte und etwas fertigte, dann saß das auch. Ohne solch quälerische, stundenlange Anproben, wie Marsus sie vor einiger Zeit hatte über sich ergehen lassen müssen. "Ich überlege, mir eine neue Toga für feierliche oder auch förmliche Ereignisse anfertigen zu lassen. Außerdem vielleicht auch noch eine dazu passende Tunika. Caelyn hier hat einen ausgesprochen ausgeprägten Sinn für Mode. Ich möchte, daß Du ihr Dein komplettes Angebot an geeigneten Stoffen zeigst und sie bei der Vorauswahl berätst."


    Der Schneider schaute ein wenig verwirrt zwischen Caelyn und Ursus hin und her, dann nickte er eifrig. "Selbstverständlich. Bitte kommt, hier sind die Stoffe, die für edle Togen am besten geeignet sind." Er zeigte auf ein Regal und dort zwei Fächer. Dann begann er, einige Ballen herauszunehmen, damit sie den Stoff näher betrachten und prüfen konnten. Doch seine Gesten zeigten deutlich, daß Caelyn sich auch am Regal durchaus umschauen durfte.

    Ein gepflegt aussehender junger Sklave betrat das kleine officium des Cursus Publicus und wandte sich in höflichem Tonfall an den dort anwesenden scriba.


    "Salve. Ich möchte bitte eine neue Familienwertkarte im Wert von 250 Sesterzen für die Gens Aurelia erwerben." Er übergab einen Beutel mit dem sorgfältig abgezählten Geld, damit der scriba nachzählen und die Einzahlung vermerken konnte.


    "Ich wünsche Dir noch einen schönen Tag. Vale." Mit diesen Worten nickte Caesus dem vielbeschäftigten Mann noch einmal freundlich zu und verließ dann das officium wieder.




    Sim-Off:

    WiSim-Überweisung ist bereits erfolgt

    Als der Medicus erklärte, gerne hier schlafen zu wollen, wandte sich Ursus zunächst noch einmal an Cadhla. "Sei so gut und weck Caelyn. Sie soll für Mattiacus schnell ein Zimmer herrichten, während Du ihm etwas zu trinken und einen kleinen Imbiß holst. Sag ihr, daß sie sich bitte auch morgen um ihn kümmern soll und mich braucht sie ausnahmsweise nicht zu wecken. Und danach... es könnte sein, daß ich Dich nochmal brauche." Er blickte sie ernst an, denn vielleicht würde sie wirklich noch gebraucht, wenn Corvinus erfuhr, was vorgefallen war.


    "Du bist uns herzlich willkommen, Mattiacus. Ein paar Minuten wird es allerdings dauern, bis das Zimmer bereit ist. Wenn Du Dich bis dahin schon mal waschen möchtest? Siv, führe ihn doch bitte in mein Zimmer, da steht ja eine Waschschüssel bereit. Und da findest Du auch eine saubere Tunika für ihn." Wieder sprach er betont langsam zu der Germanin, da ihre Sprachkenntnisse ja noch gering waren. "Und dann kommst Du wieder hierher, Siv." Er mußte dann ja unbedingt noch besprechen, wie es mit Helenas Pflege weitergehen sollte.


    In der Hoffnung, daß damit alles nötige veranlaßt war, widmete Ursus sich wieder Helena. "Dann vertraue ich Deinem Versprechen, Helena", antwortete er ernst auf ihre Bitte, die wohl die Fesselung betraf. Sie war eine Patrizierin und würde ihr Wort gewiß nicht brechen. Er löste den Knoten und befreite Helena so von dieser demütigenden Bewegungseinschränkung. "Möchtest Du etwas Tee?", fragte er abermals, denn auf diese Frage hatte sie nicht geantwortet. Der Stoffstreifen, der sie niedergehalten hatte, war nun entfernt. Er warf es achtlos zur Seite. "Und vielleicht sollten wir das Kissen umdrehen? Es ist ja ganz feucht." Sanft streichelte er ihre Hand. "Und dann versuchst Du zu schlafen, ja?"

    Alle Läufer waren am Start und es dauerte dann gar nicht lange, bis das Startsignal kam. Mit langen Vorreden hielt man sich hier tatsächlich nicht auf. Aber das war Ursus auch ganz recht. Reden waren jetzt überflüssig, es würde sich schon zeigen, wer der beste der Teilnehmer war.


    Mit seinem Start war er nicht unzufrieden. Er kam gut weg und hatte seinen Rhythmus schnell gefunden. Die Länge der Strecke war keineswegs erschreckend, er brauchte mit seiner Kraft nicht hauszuhalten. Also legte er seine Bemühungen da hinein, möglichst schnell Strecke zu machen und schonte sich dabei nicht. Wenn Cadhla ihn durch den Garten hetzte, konnte er sich auch von Anfang an nicht schonen. Er würde das Tempo schon bis zum Ende durchhalten können, dessen war er sich gewiß. Er war schnell und ausdauernd. Doch schneller als die anderen? Am Ziel würde es sich erweisen. Wer sich zu so einem Wettkampf meldete, war gewiß keine lahme Schnecke.


    Seinen Konkurrenten schenkte Ursus kaum Aufmerksamkeit. Er benötigte die Konkurrenz nicht, um alles aus sich herauszuholen. Und wenn ihn jemand überholte, so war dieser jemand nun einmal schneller als er...

    Schmunzelnd beobachtete Ursus, wie Lucilla versuchte, die Bewegungen des Wagenlenkers nachzuahmen. Er wich ein wenig zurück, weil der Wein in ihrem Becher gefährlich schwappte, doch zum Glück hatte sie schon genug daraus getrunken, so daß die Flüssigkeit sich dann doch entschloß, in dem Gefäß zu bleiben. Doch leider vollführte sie das Kunststück nicht vollständig. Wirklich schade, denn es bagann gerade, interessant zu werden.


    Als sie von den Fahrern berichtete, vertiefte sich sein Schmunzeln noch. Er konnte es nicht genau wissen, da noch keine Wagenrennen stattgefunden hatten, seit er wieder hier war, doch er konnte sich schon denken, daß die genannten Fahrer allesamt ansehnliche Burschen waren, die nicht nur durch ihr Können die Aufmerksamkeit der Damenwelt auf sich zogen.


    "Ja, die Aurata hat es im Moment nicht leicht. Aber... es wird schon besser werden." Der Wille war ja zumindest da. Doch Ursus versuchte doch lieber von dem Thema abzulenken, da er nicht viel dazu sagen konnte. Und er würde es auch nicht wollen, wenn er schon wüßte, was für Maßnahmen ergriffen werden sollten. Das war nichts, was man weitertratschte.


    "Frauen sind also blutrünstig und wettsüchtig?" Er faßte sich theatralisch ans Herz und hob den Blick zum Himmel. "Du versetzt mir den Todesstoß! Sollte es wahr sein, daß nicht alle Frauen reine und sanfte Wesen von großer Schönheit sind, allein dazu geschaffen, den Mann zu verwöhnen und die Kinder großzuziehen, zu spinnen und zu sticken und ewig zu lächeln?" Er versuchte auszusehen, als würde er an dieser Nachricht zerbrechen, doch das hielt er nicht durch, da er doch das Lachen nicht verkneifen konnte.


    Er lachte noch immer, als Lucilla ihn aufforderte, in die Geschichte einzugehen als erster Senator ohne dicken Bauch. Natürlich wußte er, daß dies durchaus keine Premiere wäre, denn er kannte ja einige Senatoren, die wahrhaftig nicht dick waren. Doch auch auf diesen Spaß stieg er ein. "Du bist doch wettsüchtig, hast Du gesagt? Was hältst Du von einer Wette? Wenn ich eines Tages zum Senator ernannt werden sollte und dann einen dicken Bauch habe, dann... hm... mal sehen... was muß ich denn dann tun? Und was mußt Du tun, wenn ich keinen dicken Bauch habe? Außerdem brauchen wir eine unabhängige Person, die feststellt, ob mein Bauch ein dicker Bauch ist oder nicht." Er lachte. Es war eine dumme Kinderei, wie man sie auch wirklich nur an den Saturnalien ausheckte. Vielleicht hatte er heute doch schon etwas viel Wein genossen. "Was schlägst Du vor?"


    Es war natürlich auch nicht ungefährlich, ihr sozusagen die Wahl der Waffen zu überlassen, doch auf der anderen Seite war er sehr gespannt, was sie vorschlagen würde.


    "Ja, ich bin Patrizier und ich bin nicht zum Militärdienst verpflichtet. Trotzdem möchte ich auf die meiner Meinung nach sehr wichtige Erfahrung nicht verzichten. Sollte ein Senator nicht ein möglichst breites Wissen und einen möglichst vielfältigen Erfahrungsschatz haben? Ach, so ein schrecklich ernstes Thema, noch dazu heute. Hast Du noch genug Wein?" Sein eigener Becher war fast schon leer.

    Helena war nun erst einmal versorgt. Sie schlief und würde morgen hoffentlich schon wieder etwas froher auf ihr Leben blicken. Auch wenn das eigentliche Problem noch lange nicht gelöst war. Gab es dafür überhaupt eine Lösung? Vermutlich nicht. Wenn überhaupt, dann nur mit Corvinus zusammen. Er war nicht nur Ursache, sondern auch der Schlüssel.


    Ursus wußte, daß er Corvinus über alles informieren mußte. Und er mußte ihn informieren, bevor er irgendwelchen Tratsch hörte. Also ging er am besten jetzt gleich zu ihm. Trotz der unmöglichen Zeit. Denn Ursus wußte, wenn er sich jetzt hinlegte um zu schlafen, würde er sicherlich nicht als erster am Morgen wieder wach sein. Jetzt, wo die Anspannung abgefallen war, fühlte er die Erschöpfung wie Blei in seinen Gliedern. Es kostete ihn schon alle Willenskraft, nicht gleich ins Bett zu gehen, sondern das Zimmer von Corvinus aufzusuchen.


    Ohne anzuklopfen trat Ursus in das Zimmer ein und stellte die mitgebrachte Öllampe auf den Tisch. Einen Moment lang blickte er aus dem Fenster und atmete tief durch. Die Nacht war fast schon vorbei. Ein erster Silberstreif war bereits am Horizont zu sehen, der den beginnenden Tag ankündigte. Was für eine Nacht! Doch für die Welt da draußen war es eine Nacht wie jede andere gewesen. Was interessierte die Welt schon die Tragödie einzelner Menschen?


    Schließlich riß Ursus sich von dem so erholsam friedlichen Anblick los. Er trat an das Bett heran und faßte den schlafenden Onkel an der Schulter, um ihn ganz sanft zu schütteln. "Marcus? Marcus, wach auf..."


    Es war Ursus in diesem Moment gar nicht bewußt, was für einen Anblick er bieten mußte. Blut im Gesicht, auf der Tunika, an Armen und Händen. Naß war er mittlerweile nicht mehr, doch man konnte der Tunika ansehen, daß sie heute Nacht nicht nur mit Blut in Berührung gekommen war. Zerknittert und fleckig war sie auch an den Stellen, die nicht mit Blut besudelt waren. Die Haare waren zerzaust und strähnig. Er mußte aussehen, wie einem feuchten Grab entstiegen. Wie ein fleischgewordener Albtraum.

    Tatsächlich schien sie sich mittlerweile beruhigt zu haben. Auf jeden Fall bestaunte Caelyn die prachtvollen Bauten und schien sich kaum sattsehen zu können. "Ich bin jeden Tag hier. Und diese Leute auch." Es mußte auch so sein, daß er langsam bekannter wurde.


    "Im Moment mag Dir die Stadt riesig vorkommen. Das ist sie auch. Aber wenn Du erst die Hauptstraßen kennst und weißt, in welchem Stadtteil was zu finden ist, dann wirst Du Dich schnell zurecht finden." Es war nicht so schwer, wenn man sich einfach von der Größe nicht einschüchtern ließ. Sicher würde jemand wie Caelyn sich schnell zurechtfinden. Immerhin war sie an Städte gewöhnt, auch wenn ihre Heimatstadt viel kleiner war als Rom.


    "So, hier geht es direkt zum Markt. Wir sind jetzt nicht weit vom Schneider entfernt." Nachher konnte er ihr ja noch einiges zeigen. Zuviel auf einmal war eben auch nicht gut. Vor allem würde er ihr den Weg vom Markt nach Hause zeigen. Den leichtesten, nicht den kürzesten. Dann würde sie immer leicht heimfinden.

    Als Cadhla den Arzt fragte, ob er etwas zu essen oder zu trinken wünschte, wurde sich Ursus seiner Pflichten als Gastgeber erst so richtig bewußt. Die ganze Aufregung und der Streß um Helena hatten ihn diese wichtigen Dinge ganz vergessen lassen. Daher ging er noch ein paar Schritte hinter den beiden hinterher. "Du kannst natürlich auch gerne hier übernachten, Mattiacus. Ein Zimmer ist schnell hergerichtet. - Und Cadhla, gib ihm etwas von meiner Kleidung, es müßte ja einigermaßen passen."


    Daß er Cadhla damit verletzte, daß er sie schickte, um den Medicus zu begleiten und sich um ihn zu kümmern, bemerkte Ursus nicht im geringsten. Für ihn galt es nun, alles nötige zu organisieren. Und da Siv offensichtlich über medizinische Kenntnisse verfügte, hielt er sie für am geeignetsten, sich um Helena zu kümmern. Doch auch Mattiacus hatte es nach seinen Mühen und Aufwendungen verdient, daß er versorgt und nach Hause geleitet wurde - oder eben einen Schlafplatz zur Verfügung gestellt bekam. Cadhla war hier. Und sie war zuverlässig. Also lag es nahe, diese Aufgabe ihr anzuvertrauen.

    Auch Ursus legte seine Toga ab, um sie dem Sklaven zu übergeben, der ihn heute begleitete. Die Schuhe schnürte er komplett neu, was aber nicht sehr lange dauerte. Wie auch Macer und Cincinnatus begann er mit leichten Aufwärmübungen.


    Dann begab er sich an die Startlinie und wartete darauf, daß alle Läufer bereit waren und der Lauf starten konnte. Sicherlich würde dieses Rennen recht spannend werden. Außer Aquilius konnte Ursus keinen von ihnen leistungsmäßig einschätzen.


    Das Gespräch zwischen Senator Purgitius Macer und Cincinnatus quittierte er mit einem Lächeln. Ja, die Thermen waren im Anschluß an den Wettkampf wahrhaftig eine gute Idee. Vor allem nach dem Ringen würde Ursus ein Bad sicherlich dringend nötig haben. Und er war fast sicher, daß zumindest Aquilius sich dem auch anschließen würde.