Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    "Wo Macht ist, da ist auch immer Arroganz, Fiona. Ist das bei eurem Volk so anders? Habt ihr nicht auch Fürsten? Und wie schauen die auf einen einfachen Römer? Gar einen Sklaven? Oder auf einen einfachen Angehörigen eines anderen Volkes, mit dem ihr in Kämpfen liegt? Weißt Du, ich bin der festen Überzeugung, daß Menschen auch der unterschiedlichsten Völker im Grunde sehr viel gemeinsam haben. Wäre euer Volk das technisch und zahlenmäßig weit überlegene, würde es tatsächlich friedlich vor sich hinleben? Und nicht nach dem schielen, was das schwächere Volk hat?" Er nahm es ihr nicht übel, daß sie ihn gerade mit dem ganzen römischen Volk gleichsetzte. Es war ja in diesem Moment so, daß er sein Volk und sie das ihre vertrat. Genau das machte doch den Reiz dieser Diskussion aus.


    "Eigentlich zwingen wir gar niemanden, seine Kultur aufzugeben. Jeder darf so leben, wie er will. Nur gibt es ein paar Regeln, die dabei eingehalten werden müssen. Dazu gehört die Steuerpflicht zum Beispiel. Und wer das römische Bürgerrecht haben will, der muß eben etwas dafür tun. Hat er es aber errungen, so gilt es auch für alle seine Nachfahren. Wir zwingen die Bewohner unserer Provinzen nicht, in den gleichen Häusern zu leben wie wir, oder unsere Götter anzubeten. Oder das gleiche zu essen wie wir. Es gibt genug Völker, die all das von den von ihnen eroberten Völkern verlangen. Ich finde, wir respektieren die anderen Kulturen sogar sehr. Es kommt sogar vor, daß wir Teile der anderen Kultur für uns übernehmen. Sieh Dir die Griechen an, die hatten sehr großen Einfluß auf unsere Kultur. Und auch die Ägypter."

    Ursus blinzelte überrascht, als sie sich praktisch dafür entschuldigte, daß sie vielleicht nicht seinen Vorstellungen entsprach. Fast hätte er losgelacht, konnte diesen Impuls aber gerade noch unterdrücken.


    "Nein, Caelyn, da mach' Dir mal keine Sorgen. Für den Preis hätte ich hier in Rom keine Sklavin bekommen, die mehr kann als Du. Und Sklavenhändler lügen immer. Die einen dreister als die anderen. Aber damit schneiden sie sich nur ins eigene Fleisch, weil man dann nie wieder dort kauft. Mir war schon klar, daß Du erst einmal wirst lernen müssen."


    Er musterte sie noch einmal und befand immer noch, daß sie außerordentlich hübsch war. Und dumm war sie auch nicht. Jetzt mußte sie nur noch lernbereit sein und das schien sie ja auch zu sein. "In ein paar Wochen wirst Du alles genau so beherrschen, wie ich es mir wünsche. Und vielleicht sogar einiges, was ich nicht unbedingt brauche, aber was Du Dir wünschst. - Also, ich bin nicht enttäuscht von Dir. Enttäuscht wäre ich nur, wenn Du nicht versuchen würdest, alles nötige zu lernen."


    Er griff eine Schriftrolle, nicht sehr groß, und reichte sie ihr. "Das hier ist eine kurze Geschichte. Ich möchte, daß Du sie liest. Jetzt und hier. Du kannst Dich dort an den Tisch setzen. Nimm Dir dafür so viel Zeit, wie Du brauchst."

    "Ihr würdet einen gefangenen Römer freilassen?", fragte Ursus ungläubig. Das klang einfach zu unwahrscheinlich, um wahr zu sein. Cadhlas Stamm war in dieser Beziehung dann wohl einzigartig auf der Welt.


    "Hungern und dursten, Cadhla? Wenn Du in diesem Haus hungerst und durstest, dann liegt das an Dir und nicht an uns." Wie kam sie nur darauf, daß sie bei den Römern, - also hier, - hungern und dursten mußte?


    "Nein, ein Sklavenleben ist sicher nicht erstrebenswert. Deine Würde wird hier sicherlich verletzt, gerade Deine als Kriegerin. Doch wenn Du es nicht schaffst, auch mal Freude zu empfinden, dann ist das wie mit Hungern und Dursten: Du hast die Möglichkeit. Wenn Du sie nicht ergreifst, bist Du selbst schuld. Und daß es keine Zukunft für Dich gibt, das stimmt nicht. Hör Dich um, Cadhla. Sprich mit denen, die schon lange hier sind. Es werden immer mal Sklaven freigelassen. Das kann es auch für Dich geben. Nur mußt Du für Dich entscheiden, auf was für eine Art Zukunft Du hinarbeiten willst." Irgendwie fand er, daß diese Hoffnungslosigkeit gar nicht zu ihr paßte.


    "Du bist doch eine Kämpfernatur. Warum kämpfst Du dann nicht um Deine Zukunft? Man kann doch auf verschiedenste Art kämpfen, Cadhla. Nicht nur mit Fäusten und Waffen. Doch jede Art des Kampfes, erfordert Mut und Durchhaltevermögen. Soweit ich das beurteilen kann, besitzt Du beides in großem Maße. Was Dir fehlt, ist das Ziel. Du sagst, Du wärest besser gestorben. Ist das Dein Ziel, zu sterben, möglichst auf ehrenhafte Weise? Oder ist Dein Ziel, frei zu werden und nach Hause zurückzukehren? Oder ist Dein Ziel, frei zu werden und Dir hier in Rom eine Existenz aufzubauen? Als Leibwächterin für eine Dame vielleicht? Oder mit einer Schule für Kampfesfertigkeiten? - Oder ist Dein Ziel, hier im Haushalt eine Position zu erreichen, die sich mit Deiner Würde vereinbaren läßt? Solange Du das nicht weißt, solange wirst Du auch keine Zukunft haben."


    Sie glaubte, er sei ein Träumer. Ja, ein bißchen stimmte das sicherlich. Denn er hatte noch Träume. Und setzte sie sich als Ziel, auf das er hinarbeiten wollte. Manches würde er vielleicht nie erreichen. Aber wenn er es nicht versuchte, würde er es auf keinen Fall erreichen.


    "Wer kämpft, kann verlieren, Cadhla. Wer nicht kämpft, hat bereits verloren. Das sollte doch etwas sein, was Du sehr gut kennst. Kämpfe um Deine Wünsche für die Zukunft, sobald Du weißt, was Du Dir eigentlich wünschst."


    Jetzt hatte er viel geredet und konnte nicht mal sicher sein, daß sie alles verstanden hatte. Warum er sich so um sie bemühte, verstand er selbst nicht so recht. Eigentlich konnte sie ihm doch völlig egal sein. Eine Sklavin. Eine Barbarin. Und doch... Diese Augen. Und ... ihre Lippen. Er brauchte nur daran zu denken, und seine eigenen Lippen prickelten wie neulich nach dem Kuß. Natürlich konnte er sich nehmen, was er sich wünschte. Aber... er wollte, daß sie es ihm freiwillig gab. Noch so ein Traum, um darauf hinzuarbeiten. Aber es lohnte sich, es zu versuchen.


    "Ja, morgen früh. Je eher wir anfangen, umso eher werde ich die schlimmste Zeit hinter mir haben", grinste er und sah dabei auf einmal recht lausbübisch aus. Ganz anders als eben noch während des "Vortrages".

    "Glaubst Du wirklich, daß wir das nicht wüßten? Wer wäre schon gerne Sklave? Und doch droht dieses Schicksal jedem, der sich in einen Kampf begibt. Oder in ein Land, das nicht fest zum Imperium gehört. Wenn ich nächstes Jahr mein Tribunat antrete und in Kämpfe gerate, dann droht auch mir dieses Schicksal. Ebenso wie ich den Tod erleiden könnte. - Cadhla... So ist es bei allen Völkern. Auch ihr versklavt Kriegsgefangene." Er blickte Cadhla ruhig und offen an, während er ganz sachlich sprach.


    "Ein sehr weiser Mann sagte einmal, ein Mann hat mindestens so viele Feinde, wie er Sklaven im Haus hat. Und das ist sicherlich bis auf wenige Ausnahmen wahr."


    Sicherlich war dieses Schicksal leichter zu ertragen, wenn man als Sklave geboren war und nichts anderes kannte. "Vielleicht wird es Zeit, daß Du einmal mehr von Rom zu sehen bekommst, Cadhla. Denn Sklave ist nicht gleich Sklave. Am schlimmsten sind sicher die Sklaven in Bergwerken und Steinbrüchen dran. Ich finde, euch hier in unserem Haus geht es relativ gut. Ihr habt alle sehr gute Chancen, bei guter Arbeit eines Tages freigelassen zu werden. Richtig gut geht es den staatlichen Sklaven in höheren Positionen. Ja, so etwas gibt es auch."


    Es war eben doch nicht alles nur schwarz und weiß. Es gab unendlich viele Abstufungen dazwischen. "Unfreiheit ist natürlich immer eine Belastung. Für jemanden, der nicht weiß, wo die Angehörigen sind, ob sie noch leben, wie es ihnen geht... sicherlich in ganz besonderem Maße." Wenn man betroffen war, dann war natürlich die Sklaverei etwas entsetzliches. Aber hatte sie je darüber nachgedacht, bevor sie in Gefangenschaft geriet? Es mußte doch einen Grund dafür geben, daß die Sklaverei bei allen bekannten Völkern eine gängige Praxis war.


    Als sie danach fragte, warum er eigentlich hier im Garten war, schüttelte er lachend den Kopf. "Rechenschaft bin ich Dir ja eigentlich nicht schuldig", grinste er. Wenigstens zeigte es ihm, daß sie nicht fürchtete, wegen so etwas von ihm bestraft zu werden.


    "Nein, ich habe kein officium in der Stadt. Mein officium ist hier. Und nachdem ich mich nun mehrere Stunden durch das Erbrecht gearbeitet habe, brauchte ich einfach etwas frische Luft. Wofür haben wir schließlich den Garten?" Wenn sie wüßte, wie langweilig Gesetze und Verordnungen sein konnten, dann würde sie nicht hoffen, daß ihre Briefe ihn langweilen könnten.


    "Corvinus hat übrigens unsere Trainingsstunden genehmigt. Er möchte, daß wir morgens trainieren, während er seine Klienten empfängt. Und ich finde, wir sollten gleich morgen damit beginnen." Er freute sich schon darauf. Zum einen bewegte er sich einfach gerne, zum anderen würde es ihm die Möglichkeit geben, die Anmut dieser Frau zu genießen. Ganz abgesehen von den Berührungen... Das war jeden Schmerz und jeden blauen Fleck wert.

    "Heue Nacht sind irgendwie alle sonst gültigen Regeln außer Kraft gesetzt." Zumindest hatte er das Gefühl, daß es so war. "Wie an den Saturnalien, verstehst Du? Du kannst ruhig sagen, was Du denkst, es passiert Dir nichts, wenn Du anderer Meinung bist als ich."


    Natürlich konnte das genauso gut ein leeres Versprechen sein. Er hatte im Grunde fast absolute Macht über sie und ihr Schicksal. Das wußte er zwar, aber er war einfach nicht der Mensch, der mutwillig so etwas ausnutzte.


    "Ursus. Titus Aurelius Ursus", stellte er sich vor und lächelte leicht. "Warum sollte ich euch melden? Er schläft, soll er doch schlafen. Ich habe großen Respekt vor den Göttern. Und vor den Geistern der Verstorbenen. Wäre dies einfach nur ein Fest zu eurem Vergnügen gewesen, dann hätte ich euch vielleicht gemeldet." Selbst da war er sich nicht sicher. "Aber ihr seid aus religiösen Gründen hier. Richtig finde ich es immer noch nicht, daß ihr nicht vorher um Erlaubnis gefragt habt. Aber euch zu verraten, - was hätte ich denn davon gehabt, außer Ärger?"


    Außerdem war es unklug, sich auf solch leichtsinnige Weise Feinde zu schaffen. Selbst wenn es sich dabei nur um Sklaven handelte.

    Ursus runzelte die Stirn und betrachtete sie, wie sie die Dattel genüßlich verspeiste. Es war wohl ein Fehler gewesen, sich gleich auf eine so vertrauliche Ebene mit ihr zu begeben. Er hatte gehofft, so ihre Ängste vertreiben zu können. Doch anscheinend war dies ein wenig nach hinten losgegangen.


    "Ich bevorzuge schlichte Eleganz bei Kleidung. Keine aufdringlichen Verzierungen, keine allzu schrillen Farben." Natürlich bezog er das nur auf die Kleidung, denn darüber sprachen sie ja schließlich gerade. Daß sie diese Frage ganz allgemein meinte, merkte er nicht. Und selbst wenn er es gemerkt hätte, geantwortet hätte er vermutlich nicht.


    "Caelyn, es ist nicht schwer, etwas zu finden. Der Schneider ist hervorragend und er weiß, auf was es ankommt. Was ich mir von Dir wünsche, ist die geschmackvolle Zusammenstellung. Und ich möchte, daß Du lernst, welche Möglichkeiten es gibt. Denn in Zukunft wirst Du für mich entsprechende Botengänge erledigen." Anscheinend glaubte sie, er wäre allein nicht fähig, sich Kleidung zu kaufen. Was für ein Unsinn!


    Gut, er mußte ihr zugestehen, daß sie ihre Stellung noch nicht recht einzuschätzen wußte. Umso mehr mußte er darauf achten, sie ihr richtig zuzuweisen. "Du kannst jetzt abräumen, ich bin fertig", sagte er schließlich nach einem letzten Stückchen Käse.

    Ursus winkte einem Sklaven, der Mattiacus Wein nachschenkte. Noch während der Sklave dies tat, standen Helena und Prisca auf.


    Natürlich erhob sich Ursus, als seine Cousinen gingen, um sich um die anderen Gäste zu kümmern. Sehr viele waren ja ohnehin nicht mehr da. "Und schon sind wir nur noch zu zweit", lachte Ursus Mattiacus an. "Vielleicht sollten wir uns auch einer anderen Gesprächsgruppe anschließen?", fragte er seinen Gesprächspartner und ließ sich selbst auch den Becher nochmal füllen. Während dessen blickte er sich um, was denn überhaupt an Grüppchen noch da war.

    "Ich denke, Du meinst das gleiche wie ich, nur in einen anderen Rahmen gesetzt, Cadhla", lächelte Ursus und legte dabei den Kopf etwas schief. "Ja, ich bin im Frieden aufgewachsen. Ganz sicher ist meine Kindheit nicht mit Deiner vergleichbar. Nicht nur wegen des Krieges, sondern auch, weil unsere Kulturen so unterschiedlich sind. All unsere Erfahrungen dürften sich sehr stark unterscheiden." Wobei er keine Wertung vornahm. Während sie gelernt hatte, ihr blankes Leben mit aller Kraft zu verteidigen, hatte er großes Wissen angesammelt.


    "Du hast recht. Du kannst Worten nur selten trauen. Aber den meisten Taten kann man trauen. Aber in einem hast Du nicht recht: Du sagst, wer ohne Sorge ist, kann leicht schenken. Nein, das ist falsch. Beobachte die Menschen, Cadhla. Je sicherer sie sich fühlen, um so schwerer fällt es ihnen, etwas zu schenken. Die Armen, die täglich um ihre Mahlzeiten kämpfen müssen, die schenken bereitwillig an jemanden, dem es noch schlechter geht." Natürlich traf das auch nicht auf alle zu. Aber in den meisten Fällen stimmte es.


    "Du mußt nicht über Deine Gefühle schreiben, Cadhla. Ich wollte nur erklären, daß Gefühle sowohl beim Schreiben wie auch beim Lesen immer dabei sind. Weil wir nun einmal Menschen sind. Und daß Du dies beim Schreiben bedenken solltest. Weil manches eben beim Leser anders ankommt, als Du es gemeint hast. - - Schreib, was immer Du mitteilen möchtest. Schreib, was immer Du meinst, daß es den anderen interessieren könnte. Und stell ruhig auch Fragen in Deinem Brief, wenn Du von dem anderen etwas wissen möchtest." Er war wirklich gespannt, was sie ihm schreiben würde.

    Ursus hörte sich ruhig an, was Corvinus da alles sagte. Auch wenn der wieder mal um den heißen Brei herumredete und von Dingen sprach, die mit dem bisherigen Gespräch kaum etwas zu tun hatten, hörte er dennoch aufmerksam zu und ließ sich dabei nicht anmerken, was er dachte.


    Er unterdrückte seinen ersten Impuls, unterdrückte die vorschnelle Antwort, die ihm schon auf den Lippen gelegen hatte. Statt dessen erinnerte er sich an die vielen Lektionen, die er in Griechenland gelernt hatte und wandte sie nun gezielt an, damit Corvinus endlich zuhörte. Vielleicht ging es bei diesem Ignoranten einfach nicht anders, - wenn es denn überhaupt funktionierte.


    Vor allem aber wechselte er die Sprache. Als er – nach einer ganzen Weile des Schweigens, während der er über das von Corvinus gesagte nachgedacht hatte – schließlich zu sprechen begann, waren es griechische Worte, langsam, deutlich und ruhig gesprochen, die Corvinus zu hören bekam.


    "Du wirst Dich wundern, warum ich nun griechisch spreche und nicht mehr Latein. Ich tue dies, weil ich zum wiederholten Male den Eindruck habe, dass wir auf Latein offenbar eine zu unterschiedliche Sprache sprechen und uns vielleicht deswegen nicht verstehen. Vielleicht haben unsere Worte eher die gleiche Bedeutung für uns beide, wenn wir uns einer Fremdsprache bedienen." Er blickte sein Gegenüber ernst an, um keine Regung in dessen Miene zu verpassen. "Du hast da sehr schöne Ausführungen von Dir gegeben. Und ich stimme diesen Ausführungen unumwunden zu. Sowohl, was das Lernen angeht, als auch was die Familie angeht. Es entspricht meiner festen Überzeugung. Und dies wahrhaftig nicht erst seit heute."


    Er machte eine Pause, denn er wollte, dass Corvinus diese Worte auch wirklich aufnahm und begriff.


    "Ja, ich habe noch viel zu lernen. Sehr viel sogar. Und ich möchte lernen, Marcus. Genau das ist es doch, was ich von Dir erbeten habe: Von Dir lernen zu dürfen. Nicht erst heute, sondern schon die ganze Zeit. Ich will lernen. Und ich wiederhole es noch einmal, um sicher zu gehen, dass Du diese Worte hörst, wahrnimmst und aufnimmst. Ich will lernen." Er wechselte zu Latein und sagte es noch einmal. "Ich will lernen, Marcus."


    Dann aber wechselte er abermals zur griechischen Sprache. "Ich gehe davon aus, dass Du dies nun zumindest akustisch verstanden hast. Kommen wir also zum nächsten Punkt. Du sagst, wir sind eine Familie. Keine Einwände. Du sagst, wir sollten gemeinsam an einem Strang ziehen. Keine Einwände, ganz im Gegenteil. Doch ich frage Dich: Warum stößt Du meine nach diesem Strang ausgestreckten Hände dann immer wieder weg? Du sagst, wir sollen uns nach bestem Können gegenseitig unterstützen. Keine Einwände, ganz und gar nicht. Doch weder unterstützt Du meinen Willen zu lernen, noch lässt Du zu, dass ich Dich unterstütze, indem ich Dir einen Teil Deiner Arbeit abnehme."


    Wieder machte er eine Pause. Es schien eben so, dass Marcus nicht in der Lage war, mehr als eine Frage auf einmal zu erfassen und zu beantworten. Seine Frage danach, ob Corvinus wollte, dass Ursus ging, - vermutlich war sie zu unbequem gewesen und kam zu nahe an die Wahrheit heran, - hatte der ach so wohlwollende, liebende Onkel ja gerade erst mal wieder unter den Tisch fallen lassen. Es war schon erstaunlich, dass überhaupt einmal eine seiner Fragen beantwortet worden war.


    "Und nun zu Deinem Wunsch, mein Misstrauen Dir gegenüber abzulegen. - Nichts tue ich lieber als das! - Du sagst, dieses Misstrauen sei unbegründet. Wie schön, dass Du mir das endlich mal auf ordentliche Weise mitteilst. Bei unserem letzten Gespräch, nein, es war kein Gespräch, wahrhaftig nicht. Sagen wir lieber: Zusammentreffen. Bei unserem letzten Zusammentreffen also, gestand ich Dir zu, dass mein Bild von Dir, das ja nicht vollständig sein kann, vielleicht falsch ist. Und ich sagte Dir, dass nur Du allein das beurteilen kannst. Ich bat Dich für den Fall, dass es falsch ist, darüber nachzudenken, ob vielleicht auch Dein Bild von mir auf gleiche Weise unvollständig und dadurch falsch ist. - Du hast es vorgezogen, nochmals zu bekräftigen, für wie unreif Du mich hältst, das Gespräch abzubrechen und davonzulaufen." Eine ungeheuer beeindruckende Demonstration reifen und erwachsenen Verhaltens. Doch das zu sagen, verkniff sich Ursus, da Corvinus sich nur wieder wie ein Geier darauf stürzen würde, statt die wirklich wichtigen Dinge zu hören. "Du hast an jenem Tag nichts gehört als die Vorwürfe, die ich Dir machte. Keine meiner für mich sehr wichtigen Fragen hast Du auch nur wahrgenommen, - wovon ich zumindest ausgehen muss, da Du keine davon beantwortet hast. - Auf dieser Grundlage sollte ich etwas anders tun, als mein Misstrauen Dir gegenüber als begründet zu betrachten?"


    Vermutlich würde Corvinus sich auch jetzt nur auf diesen einen Punkt stürzen und alles andere ignorieren. Wie bisher jedes mal. Es war ungeheuer ermüdend, gegen diese sture, von Eigensucht, Selbstbeweihräucherung und Selbstüberschätzung zerfressene Wand anzukämpfen.


    Als Ursus nun weitersprach, klang seine Stimme auf ruhige Weise entschlossen. "Gut, vergessen wir diese alten Geschichten. Ich bin bereit dazu, jetzt und hier einen Schlussstrich unter all das zu ziehen. Vergessen wir beide Gespräche. Das von neulich und das von heute, bis zu diesem, jetzigen Punkt." Das war doch wirklich ein faires Angebot, fand Ursus.


    Er blickte Corvinus fest in die Augen, er meinte es in diesem Moment ehrlich, wollte tatsächlich versuchen, den Onkel als das zu sehen, als das er sich darstellte. Daher klangen seine Worte auch nicht sarkastisch oder zynisch, sondern eher versöhnlich. "Ich gehe also davon aus, dass Du mein wohlwollender Onkel bist, der mich doch eigentlich nur fördern und unterstützen möchte. Und ich stelle auf dieser Grundlage die Fragen, die mir seit Monaten auf der Seele brennen, einfach noch einmal:


    Wirst Du mir die Einarbeitung in die Familiengeschäfte gewähren?


    Wirst Du mich an den Aufgaben, die es für die Familie zu erledigen gilt, beteiligen?


    Darf ich endlich einen Beitrag für die Familie leisten und mit der Familie an einem Strang ziehen, was von jeher mein Wunsch gewesen ist, und Dich damit entlasten?


    Und bist Du ebenfalls bereit, Dein bisheriges Bild von mir zu überdenken?"


    Jede einzelne Frage war deutlich betont. Nach jeder machte er eine Pause. Und nun wartete er wieder einen Moment und fügte dann doch noch etwas hinzu, bevor Corvinus antworten konnte.


    "Ich bitte Dich um klare und eindeutige Antworten, Marcus. Bitte verzichte auf rhetorisch geschickte Gegenfragen, um den heißen Brei herumreden und allgemeinen Vorträge, so gut und richtig sie auch sein mögen. Sondern gib mir direkte, schlichte Antworten, die von vornherein keine falsche Interpretation zulassen. Einfach, um wenigstens dieses eine mal weitere Missverständnisse zu vermeiden. Ich bitte Dich darum." Es war weiterhin kein Sarkasmus in seiner Stimme, kein Spott, keine Anklage. Dafür tiefer Ernst, der auch aus seinem Blick sprach, mit dem er nun seinerseits Corvinus musterte.


    Jetzt blieb nur noch zu hoffen, dass Corvinus ihm auch gut zugehört und ihn wirklich verstanden hatte, und nicht wieder nach Ameisenknochen suchte und sich nur auf die – dieses mal wirklich kaum vorhandenen – Vorwürfe zu stürzen, statt die für Ursus wahrhaft wichtigen Fragen zu beantworten. - Und dass er nicht wieder begann, ausschweifend über irgendwelches Zeug zu dozieren, das eh schon klar war.

    Es kam dann doch noch jemand. Allerdings jemand, mit dem Ursus ganz und gar nicht gerechnet hatte. Philonicus war also wieder da. "Salve, Manius. Willkommen zuhause. Und? Wie ist es Dir auf Deiner Reise ergangen?" Wenn Philonicus redete, brauchte er selbst wenigstens nichts zu erklären.


    Immerhin schien der Vetter ausgesprochen guter Laune zu sein. Wie schön für ihn. Wenigstens einer, der sich wohlfühlte. "Wo bist Du überhaupt alles gewesen?" Er nahm einen weiteren Schluck verdünnten Weines und blickte Philonicus neugierig an. Verändert hatte der sich ja nicht unbedingt.


    Ob wohl noch jemand auftauchte? Vielleicht wenigstens, um Philonicus zu begrüßen? Das wäre ja schon mal ein Fortschritt.

    Ursus schüttelte den Kopf. "Nein, Du tust uns Unrecht, Fiona. Die meisten Römer können Griechisch. Ich übrigens auch. Eine große Menge Römer können auch Ägyptisch. Und ich weiß, daß viele der in Gallien lebenden Römer keltisch können. Hier in Rom freilich, da besteht keine Notwendigkeit, alle Sprachen des Imperiums zu beherrschen. Aber natürlich erwarten wir von den Menschen in den Provinzen, daß sie Latein können. Das ist nicht unbedingt Überheblichkeit, auch wenn es so wirken mag. Sondern eine Notwendigkeit. Die Amtssprache ist Latein. Damit alle Erlasse, alle Berichte, alle Abrechnungen und auch die Menschen überall im Imperium ausgetauscht werden können, braucht es eine gemeinsame Sprache. Gerade diejenigen, die die Legionen befehligen oder die als Statthalter eingesetzt werden, haben diese Posten nur für ein Jahr oder wenige Jahre inne. Sie sind mal ein Jahr in Ägypten, mal ein Jahr in Britannien, dann wieder in Griechenland oder Hispania oder Iudäa. Natürlich können sie nicht überall die Sprachen bis ins Detail lernen. Also nehmen sie sich Dolmetscher dazu." Es war einfach die andere Seite der Medaille. Aber er sah natürlich ein, daß es für die eroberten Völker so wirken mußte, wie auch sie es empfand.


    "Daß ich euch hier feiern lasse oder euch einen Schlafplatz anbiete hat nicht mehr Bedeutung, als wenn Cadhla das gleiche für euch tut. Ich bin nicht der Hausherr, das habe ich vorhin schon einmal gesagt. Ich kann die Verantwortung dafür übernehmen und den Ärger versuchen auf mich zu nehmen, wenn ihr erwischt werdet. Aber wirklich schützen kann ich euch auch nicht. Also glaube nicht, daß mich das gütig und gerecht macht." Das war die lautere Wahrheit und er hatte keinen Grund, damit hinter dem Berg zu halten.

    "Glaubst Du das wirklich, Cadhla? Daß derjenige Dein Freund ist, der Dich nicht töten, wenn er die Gelegenheit hat? Nein, ich glaube nicht, daß dies der richtige Weg ist. Nicht jeder, der nicht Dein Freund ist, ist gleich darauf aus, Dich zu töten. Schau, jeder von euch Sklaven könnte uns jede Nacht töten. Ihr tut es nicht. Zum einen würde es euch nicht die Freiheit bringen. Zum anderen seid ihr keine Mörder. Unsere Freunde seid ihr deswegen noch lange nicht. Könnte je ein Sklave der Freund seines Herrn sein?" Ursus blickte sie fragend an. Nach ihren Worten wäre jeder Mensch ein Mörder, der sofort jeden, der nicht sein Freund war, töten würde, wenn er eine Gelegenheit bekam.


    "Derjenige ist mein Freund, der Mühen auf sich nimmt, um mir etwas Gutes zu tun, obwohl er selbst nichts von diesen Mühen hat. Jemand, der mein Leben selbstlos rettet, ist mein Freund. Jemand, der meinem Wort glaubt, obwohl alle Umstände gegen mich sprechen, der ist mein Freund. Jemand, der mir hilft, ohne zu fragen, was ich im Gegenzug für ihn tun kann, ist mein Freund. Jemand, der sich ebenso bereitwillig auch mal von mir helfen läßt, ohne ständig aufzurechnen, wer nun mehr getan hat als der andere. Der ist auch mein Freund." Vielleicht war er naiv und vertrauensselig, aber so eine negative Lebenseinstellung wie Cadhla brachte er einfach nicht zustande. Er hatte ja auch noch nicht so furchtbare Dinge erlebt wie sie.


    Lieber kam er auch wieder auf das Thema Briefe zurück. "Doch, es ist schon wichtig, sich Mühe zu geben. Je mehr Mühe Du Dir gibst, umso genauer versteht Dich der Empfänger des Briefes. Weißt Du, Worte auf dem Papier können den Ton nicht mit übermitteln. Wenn Du einen Brief schreibst und Du bist gerade sehr fröhlich, glücklich, lustig und zu Scherzen aufgelegt, dann schreibst Du einen Satz und meinst ihn lustig und lieb. Aber wenn derjenige, der ihn liest, gerade traurig und niedergeschlagen ist und von irgend jemandem gerade verletzende Worte gehört hat, dann liest er den gleichen Satz vielleicht wie eine Beleidigung. - Deshalb ist es wichtig, genau das zu sagen, was man meint. Und Gefühle deutlich zu umschreiben, um Mißverständnissen vorzubeugen."


    Er lächelte und blickte ihr in ihre gerade so dunkel wirkenden Augen. Hatte er vorhin etwas falsches gesagt? Sie schien nicht ganz glücklich mit seinen Worten. "Ich wollte Dir jetzt keine Angst vor dem Briefe schreiben machen. Ich will damit nur sagen, daß Du schon vorher überlegen mußt, was Du schreibst und was Du aussagen willst. Aber es muß kein Gedicht oder schriftstellerisches Kunstwerk werden. Du bist ein direkter Mensch. Und ich denke, mit dieser Direktheit bist Du auch beim Briefeschreiben am besten beraten. Schreib mir Briefe, Cadhla. Ich werde es Dir sagen, wenn etwas darin steht, was ich als Leser falsch verstehen könnte."

    "Nein, Caelyn, ich will kein Vermögen ausgeben, die Familie wünscht, daß ich weitere Togen anschaffe, damit ich sie bei der Ausübung meines Amtes nicht blamiere. Das ist ein Unterschied. Ich für meinen Teil finde meine Ausstattung ausreichend. Ich bin schließlich nur Vigintivir und nicht Censor." Vielleicht würde er ja doch mit seinem privaten Geld auskommen, obwohl das nicht viel war zur Zeit. Ihm wäre es wahrhaftig lieber so.


    Es war gut, daß er nichts von ihren Fluchtgedanken wußte. Und noch besser, daß er nichts von ihren Diebstahlsabsichten ahnte. Das hätte ihn sehr enttäuscht und sie wäre sicherlich für die Zukunft in der Küche gelandet. Im Moment glaubte er, daß sie eigentlich ganz zufrieden mit ihrem Schicksal war. Wozu sie ja auch allen Grund hatte.


    "Lieblingsfarbe? Nicht direkt. Ich finde, Dunkelblau steht mir ganz gut. Aber laß Dich davon nicht einschränken. Ich wünsche eine Rundumberatung von Dir. Auch was Stoffarten angeht. Bei Togen ist es wichtig, daß der Stoff nicht zu schwer ist und schön fällt. Der Schneider wird Dir schon zeigen, welche Sorten dafür in Frage kommen." Er kannte sich damit nicht sonderlich gut aus.

    "Das kann Dir nun nicht mehr passieren, Caelyn." Ursus blickte sie prüfend an. Naja, allzu viel hatte sie wirklich nicht auf den Rippen. Aber das würde sich hier schon geben. Hübsch war sie. Wahrhaftig hübsch.


    Er hatte keine Ahnung wie es war, mehrere Tage nichts zu essen zu bekommen. Doch er hatte eine grobe Vorstellung davon, daß es entsetzlich sein mußte. Schmerzlich, erschöpfend, die Sinne verwirrend.


    Nein, das war wirklich eine Erfahrung, auf die er gut verzichten konnte. Ihm reichte es zu wissen, daß es Menschen gab, die so etwas erdulden mußten. Um zu wissen, daß es schrecklich sein mußte, brauchte er es nicht selbst zu erleben.


    Der Fisch war wirklich gut. Und ihn zu essen war besser, als über Hunger nachzudenken. "Ja, Du darfst mit in die Stadt. Wenn ich schon ein Vermögen für Togen ausgeben soll, dann will ich auch, daß sie perfekt zu mir passen. Ich hatte den Eindruck, daß Du einen ausgezeichneten Geschmack hast, was Kleidung betrifft. Was Du nicht weißt, kann Dir der Schneider erklären." Immerhin war sie ja nun für seine Kleidung zuständig. Im Grunde war es ein Teil ihrer Einarbeitung.

    Ursus mußte unwillkürlich lachen, also sie so trocken davon sprach, daß römische Kaiser Gefahr liefen, ermordet zu werden. Nicht die Sache an sich fand er zum Lachen, sondern wie sie es sagte. Er wurde aber bald wieder ernst. "Nun, zum einen hat nicht nur der Kaiser viel Macht, zum anderen will niemand, der klaren Verstandes ist, freiwillig Kaiser sein. Oder sagen wir, ich möchte bestimmt nicht Kaiser sein. In solch einer Position gehört man nie sich selbst. Und man kann keine Entscheidungen treffen, ohne irgend jemanden vor den Kopf zu stoßen. Ein Kaiser kann auch nie wissen, wer wirklich sein Freund ist."


    Als sie über literarische Qualität bezüglich ihrer Briefe sprach, mußte er abermals grinsen. "Literarische Qualität? Wer hat Dir denn so etwas gesagt? Cadhla, bei Briefen kommt es nicht auf literarische Qualität an. Literarische Qualität braucht man, wenn man vielen Menschen etwas erzählen möchte. Je besser geschrieben, umso mehr Menschen lesen es. Briefe schreibt man, weil man jemand bestimmtem etwas sagen will. Amtliche Briefe... die brauchen vielleicht auch etwas literarische Qualität. Aber private Briefe kannst Du so schreiben, wie Du möchtest. Wie Du sprechen würdest. Versuch es einfach. Du wirst es genau richtig machen, da bin ich mir ganz sicher."

    Als Ursus sich zum Abendessen einfand, war noch niemand da. Und das, obwohl er schon befürchtet hatte, zu spät zu kommen. Dann würde es wohl, wie fast immer in der letzten Zeit, darauf hinaus laufen, daß er allein speiste. Was war nur mit dieser Familie los?


    Seufzend nahm er Platz. Die Sklaven standen schon bereit, um zu servieren. Doch noch wollte Ursus warten. Vielleicht kam ja doch noch jemand. Hatte Corvinus nicht etwas gesagt von beim Abendessen den Vielleicht-Vetter ein wenig zu prüfen? Na, im Grunde konnte es Ursus recht sein, wenn er Corvinus nicht begegnete. Zu einem normalen Gespräch schien es zwischen ihnen einfach nicht kommen zu können.


    "Gib mir schon mal etwas verdünnten Wein", wies er nach einer Weile des Wartens einen der Sklaven an, der ihm gleich einen Becher reichte. Abwartend nippte Ursus daran und blickte dabei zur Tür. Ein paar Minuten würde er noch warten. Wenn dann immer noch keiner kam, würde er eben anfangen. Die normale Zeit war ja schon überschritten.

    Ursus war natürlich auch anwesend. Gerade jetzt im Moment waren Opfer sehr wichtig. Und es war nur richtig, daß möglichst viele Menschen daran teilnahmen, damit die Götter sahen, daß ihnen die Sache wichtig war.


    Der Gestank allerdings, der sich ausbreitete, kaum daß das Opfer vollzogen war, schien Ursus kein gutes Zeichen zu sein. War es wirklich Zufall, daß gerade jetzt übelriechende Abwasser vorbeigeschwemmt wurden?


    Neugierig verfolgte er die weiteren Tätigkeiten der Opfernden. Doch sie schienen mit dem Ergebnis ganz zufrieden und wandten sich ab, ohne sich an dem Gestank zu stören. Nun, dann hatte Ursus sich wohl geirrt. Trotzdem warf er nochmal einen zweifelnden Blick auf den Tiber, bevor er den anderen zu den Spielen folgte. Ob das wirklich alles mit rechten Dingen zuging hier?

    Aquilius hatte ihn. Er hatte ihn wahrhaftig, nämlich ausgesprochen fest im Griff. Doch auch er hatte Aquilius. Beide standen sie so fest, wie man nur stehen konnte. Es ging nun um reine Kraft, wer den anderen niederringen würde. Es war schade, dass Ursus mit seinem Trick nicht vollständig zum Zuge gekommen war. Doch es wäre irgendwie auch schade gewesen, wenn der Kampf so schnell beendet gewesen wäre.


    Der Flavier war wirklich eine harte Nuß und der Kampf dadurch ausgesprochen spannend. Ursus schloß für einen Moment die Augen, - ohne in seinem festen Griff nachzulassen. Er sammelte sich, konzentrierte sich ganz auf die Situation, machte sich jeden Teil seines Körpers richtig bewusst. Um dann für einen kleinen Augenblick nachzugeben und schließlich den Druck, den er ausübte, in eine leicht veränderte Richtung zu lenken. Vielleicht brachte das den Flavier ja aus dem Gleichgewicht?


    Prisca war also die Auserkorene. Was für ein Glückspilz dieser Aquilius doch war! Und das würde er ihm auch noch sagen. Sobald er wieder etwas Atem dafür übrig hatte...

    Gefolgt von Pyrrus, dem Scriba, den Corvinus ihm zur Verfügung gestellt hatte, erklomm Ursus die Stufen zum Vestatempel. Die Unterlagen mit den Listen hatte Pyrrus unter dem Arm, wie es sich gehörte. Dabei murmelte der Scriba schon wieder unzufrieden vor sich hin. "Dieses ewige zu Fuß laufen. Wir hätten doch die Sänfte nehmen können."


    Ursus drehte sich um, sein Gesichtsausdruck war unübersehbar ärgerlich. "Hör auf mit dem Gejammer. Wir sind weder alt und gebrechlich noch krank. Und gerade Dir tut so ein Fußmarsch ganz gut, wie ich feststellen muß." Der Mann war ohnehin ein Stubenhocker sondergleichen. "Und nun geh anklopfen."


    Pyrrus brummelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, ging dann aber doch zur Türe und klopfte an.

    Zitat

    Original von Titus Aurelius Ursus
    Es wurde wirklich Zeit, daß Ursus endlich diesen Schritt unternahm. Nun war er schon einige Monate wieder in Rom und war immer noch nicht Mitglied der factio aurata. Ein seiner Meinung nach unhaltbarer Zustand. Deshalb hatte er sich heute auf den Weg gemacht, um beim Princeps Factionis vorzusprechen und um Aufnahme als Mitglied der factio aurata zu bitten.


    Ein kühler Wind wehte heute, doch das störte den jungen Mann wenig. Mit weit ausgreifenden Schritten hatte er den Weg zur Casa Decima Mercator hinter sich gebracht. Und klopfte nun an. Eigenhändig, denn er war heute ohne Sklaven unterwegs. Und auch ohne den Scriba, den Corvinus ihm angedreht hatte. Ein echt nerviger Bursche!


    Konnte das sein, daß niemand im Hause war? Bei so einem großen Haushalt kaum vorstellbar. So klopfte Ursus nochmals an die Türe.