Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Ursus war nicht unglücklich, daß dieser haßerfüllte und aufsässige Sklave ging. Der sollte ihm lieber nicht so schnell wieder unter die Augen kommen, denn von diesem Burschen war nichts Gutes zu erwarten, soviel war klar. Wem immer dieser Kerl gehörte, er sollte gut auf seine Kehle aufpassen und besser keine scharfen Klingen in die Nähe dieses Sklaven lassen.


    Tilla zitterte sichtlich und so zog Ursus seinen Mantel aus, um ihn über Tilla und Minna zu breiten. Er selbst setzte sich näher ans Feuer, um sich so wenigstens von einer Seite zu wärmen. Denn nur in der Tunika war es doch sehr frisch.


    Als Fiona das Brot verteilte, brach er ein kleines Stück für sich selbst ab und übergab das größere Stück dem Feuer. Bitte besänftigt euren Zorn, ihr Totengeister. Denn ich hatte nicht die Absicht, euer Fest zu stören. Und kein Zorn ist in mir gegen euch oder gegen die Menschen, die eurer gedenken wollten. Er sprach die Worte nicht aus, sondern hoffte, daß die Toten in der Lage waren, seine Gedanken zu erfassen und zu verstehen.

    Ursus nickte zufrieden, dann war sie ja rundum versorgt. Ihre Unsicherheit war kaum noch zu übersehen, obwohl sie sich sichtlich bemühte, stark und uneinnehmbar zu wirken. Sicher fürchtete sie, er würde sie gleich in sein Bett zerren. Nicht, daß er grundsätzlich etwas gegen eine hübsche Frau wie diese in seinem Bett hatte, ganz im Gegenteil, aber er zog es vor, wenn sie freiwillig mit ihm ging. Und das würde bei dieser Wildkatze gewiß noch etwas dauern.


    "Für heue erwarte ich eigentlich gar nichts mehr von Dir. Aber Du wirst morgen früh zur Stelle sein, für mein Frühstück sorgen und mir mit meiner Toga helfen, wenn ich ausgehe. Du bist überhaupt dafür zuständig in meinen Räumen für Ordnung und Sauberkeit zu sorgen und meine Kleidung in Ordnung zu halten. Wenn ich hier arbeite, möchte ich, daß Du in der Nähe bist, falls ich mal etwas brauche. Und ich werde Dich gewiß auch auf den einen oder anderen Botengang schicken. Wenn ich nicht im Haus bin, dann hilfst Du den anderen Sklaven im Haus bei ihrer Arbeit. - Vorerst wäre das alles an Aufgaben für Dich."


    Sein Blick war nicht unfreundlich, als er noch hinzufügte: "Wenn Du irgendein Problem hast oder etwas benötigst, dann sagst Du es mir." Wer gut arbeitete, sollte auch gut leben...

    Ursus rechnete nicht mit einer derart schnellen Reaktion von ihr. Als er die Bewegung, mit der sie auf ihn losstürzte, aus dem Augenwinkel bemerkte, war es im Grunde schon zu spät. Er machte zwar noch eine ausweichende Bewegung, konnte den Aufprall aber nur abschwächen, nicht verhindern. Schmerz breitete sich in seiner Schulter aus, war aber deutlich weniger schlimm als der bisherige und lenkte ihn daher nicht so ab wie der andere. Er wurde durch den Aufprall weggeschleudert, strauchelte, fiel aber dann doch nicht, worüber er selbst überrascht war. Doch er hatte sein Gleichgewicht noch nicht so weit wieder im Griff, daß er zum Gegenangriff hätte übergehen können. Er schaffte es so gerade, sich wieder einen sicheren Stand zu verschaffen und rechnete mit einem weiteren massiven Angriff von ihrer Seite...

    Ursus blickte von seiner Tätigkeit mit allerlei Schreibgerät auf, als Caelyn wieder zu ihm gebracht wurde. Aufmerksam musterte er die Gestalt der jungen Sklavin, die nun sauber und in anständiger Kleidung wahrhaftig keinen schlechten Eindruck machte. Im Gegenteil, sie war ausgesprochen hübsch, doch ohne dabei geistlos zu wirken, wie es bei hübschen Frauen ja häufig der Fall war.


    Klugheit konnte natürlich auch ein Nachteil sein. Denn Klugheit sorgte auch für mehr Aufsässigkeit. Doch Ursus war ganz froh, kein Dummchen erwischt zu haben. Sie würde sicher bald begreifen, daß sie ein gutes Leben und sogar die eine oder andere Freiheit erlangen konnte, wenn sie sich in ihr Schicksal fügte und sich als zuverlässig und brauchbar erwies.


    "Da bist Du ja wieder. Hast Du zu essen bekommen und hat Tilla Dir das Haus gezeigt?", fragte er zunächst, bevor er auf ihre Aufgaben zu sprechen kommen wollte.

    Etwas verständnislos blickte Ursus auf die gestikulierenden Hände Tillas. "Geweih? Gott? Tilla, ich bin mir nicht sicher, ob ich Dich richtig verstehe. Aber ich bin ein ganz normaler Mensch und ich habe kein Geweih, siehst Du? - Komm, ich bringe Dich ans Feuer, damit Du wieder warm wirst." Er nickte dabei auch Fiona zu, die hier neben Minna die einzige zu sein schien, die zu vernünftigen Äußerungen in der Lage war.


    Er machte einen Schritt auf sie zu. "Am Feuer kannst Du sie wieder in den Arm nehmen", sagte er zu Minna und deutete mit dem Kopf zum Feuer hin, damit Minna dort hinging. Er selbst nahm Tilla nun auf seine Arme und trug sie kurzerhand zum Feuer. Dort setzte er sie ab und hoffte, daß Minna bereit war, das Mädchen wieder zu trösten.


    Natürlich entging ihm nicht, daß der unverschämte Sklave und die vergiftete Frau gehen wollten. Und ihm entging auch nicht, daß die vergiftete Frau zusammen brach. Es wunderte ihn gar nicht, daß ihre Beine sie nicht mehr trugen. Ihr Körper brauchte schließlich alle Kraft, um gegen das Gift des Fliegenpilzes zu kämpfen. Und man hörte ja nicht auf ihn.


    "Weckt sie. Bringt sie zum erbrechen und gebt ihr Wasser, viel Wasser. Sie ist vergiftet, wollt ihr das nicht verstehen? Wollt ihr, daß sie stirbt? Was werden eure Totengeister wohl dazu sagen?" So viel Unvernunft, nein Dummheit, war ihm schon sehr lange nicht mehr vorgekommen. Barbaren eben...

    "Und ich bin mir sicher, daß Du gewählt wirst. Immerhin hast Du schon bewiesen, daß Du ein Amt zuverlässig ausübst. Und gerade der Dienst im Tempel wird ja sehr positiv gewertet. - Ich bin wirklich gespannt, wie die Wahl ausgehen wird. Wir sind ja schließlich nicht die einzigen Kandidaten. Sonst wäre es ja einfach." Ursus war eigentlich froh, mit jemandem wie Aquilius gemeinsam zu kandidieren. So war es eine freundschaftliche Konkurrenz und kein bösartiges Gegeneinander. Auch mit Marsus schien die Konkurrenz eher eine freundschaftliche Basis zu haben. Auf jeden Fall würde die Zusammenarbeit, falls sie jeder ein Amt erhielten, sicherlich gut funktionieren.


    "Ja, ich werde in diesem Jahr sicherlich darauf achten, regelmäßig zu trainieren, um fit zu sein. Und auch Trainingseinheiten anderer Art einschieben." Er bezog sich damit nochmal auf die Kratzer und grinste wieder frech.


    Eingerieben war er nun, sie konnten zum eigentlichen Kampf schreiten. Ursus nahm ebenfalls die Ausgangsposition ein und musterte Aquilius nochmals genau, um zum einen die Hebelpunkte auszumachen und zum anderen jede noch so kleine Regung zu erkennen, die auf einen Angriff hindeuteten. Er wollte gar nicht erst zulassen, daß Aquilius ihn zu packen bekam. Was leichter gedacht als getan war. "Bist Du eigentlich verlobt?", fragte Ursus, der ja nichts von irgendwelchen Heiratsplänen wußte, um Aquilius von dem Kampf ein wenig abzulenken.

    Ursus lachte. "Da besteht sicher keine Gefahr, daß ich einmal so aussehen werde wie jener dort. Für derartiges Training werde ich sicherlich keine Zeit mehr haben, falls ich wirklich gewählt werde. - Was ich sehr hoffe. Aber Du hast recht, ein bißchen mehr sollte ich wirklich für meinen Körper tun. Schon im Hinblick auf das Tribunat. Man will sich ja vor den Legionären nicht völlig blamieren."


    Es war angenehm, sich so einreiben zu lassen. Irgendwie weckte es den Wunsch nach einer ordentlichen Massage. Na, jetzt stand erstmal das Ringen an. "Ein fleischgewordener Sommernachtstraum? Das klingt wahrhaftig nach einer erinnerungswerten Begegnung an. - Und sieht nach einer erinnerungswerten Begegnung aus." Er lachte und blickte sich zu Aquilius um. "Jedenfalls sieht es so aus, als seist Du ein ausgesprochen erfahrener Kämpfer", grinste er frech und seine Augen blitzten ein wenig übermütig auf.

    Der Aufprall war recht unsanft und Ursus mußte sich erst einmal orientieren, als er dicht bei Tilla liegenblieb. Er blickte Fiona an, die sich besorgt nach seinem Befinden erkundete und ihm eine helfende Hand reichte. Aber eine junge Frau konnte doch kaum einem Mann wie ihm auf die Füße helfen! So rappelte er sich selbst auf, stolperte noch kurz über seinen Mantel, kam dann aber zum Glück wieder auf die Füße.


    "Es scheint noch alles dran zu sein", stellte er schließlich fest. Ein paar blaue Flecke hatte er sicherlich davongetragen. Vielleicht auch die eine oder andere Abschürfung. Und vermutlich hatten Mantel und Tunika nun Grasflecken. Doch ansonsten fühlte er sich unverletzt. "Es geht schon. Danke."


    Doch Tilla weinte. Anscheinend hatte er sie nicht gut genug aufgefangen! Besorgt beugte er sich zu ihr hinunter und legte seine Hand ganz leicht auf ihre Schulter. "Tilla? Bist Du verletzt? Tut Dir etwas weh?" Das fehlte jetzt noch, daß sie sich ernsthaft verletzt hatte. Dann würde dieses Fest kaum ein Geheimnis bleiben können!

    Der Anfang von Tillas Gesten war leicht zu verstehen. Aber schon beim Mehl wurde es schwierig. Irgendwas mit Kampf. Um Mehl? Da hatte er sicher etwas falsch verstanden. Was immer sie da in der Küche getrieben hatten. Er schmunzelte über ihre Geschichte, die er nicht mal vollständig verstand. Dieser kleine Wirbelwind! Ob die anderen Sklaven so glücklich darüber waren, daß Tilla so überschwenglich in allem war? Na, noch hatte sich niemand über sie beklagt. Seines Wissens nach.


    Die Frage nach der Zeit verstand er dann wieder einwandfrei. "Keine bestimmte Zeit, Tilla. Nach dem Abendessen reicht völlig. Heute muß sie ja noch nichts machen, heute wird nur erklärt, was sie zu tun hat."


    Danach wandte er sich wieder an Caelyn. "Mein Name ist Ursus. Der Hausherr hier ist mein Onkel, Corvinus. Alles andere wirst Du mit der Zeit schon mitbekommen. Ihr könnt dann erstmal gehen. Bis später." Er nickte ihnen nicht unfreundlich zu und befaßte sich dann wieder mit der Einrichtung und Ausstattung seines zukünftigen Arbeitsbereiches.

    Er hatte Cadhla tatsächlich genau an den Punkten zu packen bekommen, die er vorher anvisiert hatte und wahrhaftig schaffte er es, sie von ihren Beinen zu holen. Wenn er ehrlich war, dann überraschte ihn diese Tatsache, er hatte damit gerechnet, daß sie ihn bereits am Zugriff hindern würde, so wie es beim Ringen ja üblicherweise geschah: Man ließ gar nicht erst zu, daß der Gegner einen so zu packen bekam.


    Natürlich war es beim Ringen nicht zulässig, seine Ellbogen so einzusetzen, wie es Cadhla nun tat. Es war Dummheit, nicht darauf zu achten. Denn hier ging es ja nicht ums Ringen, wie Ursus ja sehr wohl gewußt hatte, sondern um Training für einen Kampf auf Leben und Tod. Und wenn es ums Leben ging, war schlicht alles erlaubt.


    Oh, er wußte, wie die Stelle hieß, die sie traf. Hatte er doch eine ganze Reihe von philosophischen Vorlesungen besucht, die sich mit der Medizin befaßten. Doch dieses Wissen war völlig nutzlos angesichts des Schmerzes und des fehlenden Atems in diesem Moment.


    Bunte Kringel tanzten vor Ursus' Augen, er stöhnte schmerzvoll auf, klappte zusammen, eine Reaktion, die sich nicht vermeiden ließ. Doch statt sich mit den Händen nach der schmerzenden Stelle zu greifen, wie es vielleicht normalerweise der Reflex gewesen wäre, faßten sie instinktiv noch fester zu und er gab ihr einen kräftigen Schubs, in der Hoffnung, einfach erstmal Abstand zwischen sich und den Gegner zu bringen. Damit er einen Augenblick hatte, um wieder zu Atem zu kommen und seinen Blick zu klären. Und jetzt faßte er sich natürlich doch an die schmerzende Stelle und keuchte hörbar.


    Im ersten Moment hatte er ganz vergessen, daß er ja gegen Cadhla kämpfte und nicht gegen einen richtigen Gegner. Der starke Schmerz hatte dieses Wissen einfach ausradiert, doch jetzt sickerte es wieder durch. Hoffentlich war er jetzt nicht zu grob gewesen!


    Trotzdem ließ er sie natürlich nicht aus den Augen, bunte Kringel hin oder her! Immerhin konnte sie jederzeit einen Gegenangriff versuchen.

    Ursus lächelte. So hätte er sie auch eigentlich nicht eingeschätzt. Immer noch war es etwas schwer, eine Frau als Krieger anzusehen. Doch er hatte vorhin gesehen, wie gut sie war. Und wußte genau, daß er ihr nicht das Wasser reichen konnte, Frau hin oder her.


    Trotzdem wußte er nicht, ob er es fertig brachte, sie so anzugreifen, daß er ihr weh tat. Bei einem männlichen Gegner wäre das kein Problem. Aber bei einer Frau?


    Er nahm jedenfalls die Herausforderung an. Normales Ringen war hier wohl kaum angebracht. Doch anderen waffenlosen Kampf - abgesehen von Knabenprügeleien in seiner Kindheit - beherrschte er nicht.


    Also betrachtete er sie und überlegte, wo er den Hebel, um sie auf den Boden zu werfen, am besten ansetzen sollte. Dann versuchte er, schnell zu sein und zuzugreifen, bevor sie merkte, was er vorhatte.

    "Ja, das sind sie in der Tat. Hätte ich nicht gedacht, daß diese Taverne solch einen Genuß bereithalten würde." Die Überraschung darüber war Ursus tatsächlich anzusehen. Es schmeckte ihm außerordentlich gut.


    "Man hat immer eine Wahl. Manchmal nur zwischen zwei Übeln. Aber eine Wahl hat man immer." Man mußte eben seine Prioritäten abwägen.

    Ursus nickte ernst. Ja, er rechnete natürlich damit, daß er mit mächtigem Muskelkater, er ein oder anderen Zerrung und vermutlich auch mit mächtigen Blutergüssen würde leben müssen. Es gab keinen Erfolg ohne Mühe. Und auch wenn es ihn etwas Überwindung kosten würde, gegen eine Frau zu kämpfen, so war es immer noch besser, als sich vor einer Gruppe Legionäre zu blamieren - als hoher Offizier. Den weiteren Hinweis auf Corvinus ignorierte er erst einmal, darüber hatten sie ja nun schon gesprochen.


    "Ich will kein Schaukämpfer werden. Schnell klingt für mich gut. Effektiv klingt für mich auch gut. Auf Schönheit kommt es mir nicht an."


    Wie hübsch sie war, wenn sie lächelte! Vom Mondlicht wurde der strahlende Eindruck noch verstärkt. Vielleicht war dieser Eindruck auch nur so stark, weil sie so selten lächelte. Was widerum sehr schade war.


    "Cadhla, Du wirst die einmalige Chance haben, einen Römer so richtig zu schinden", lächelte er schließlich. Und hoffte natürlich, daß sie ihn wirklich nur trainierte und nicht die Gelegenheit wahrnahm, sich für alles erlittene ausgerechnet an ihm zu rächen.

    "Es ist nicht schlimm, daß Du ungeübt bist. Mit der Zeit wirst Du da schon wieder reinkommen. Für Tilla ist es eben eine Möglichkeit, sich präzise auszudrücken. - Du wirst noch sehen, daß Deine Mutter eine sehr kluge Frau war. Diese Fähigkeit wird Dir sicher noch sehr nützen."


    Da Ursus ja schon erwähnt hatte, daß Tilla stumm war und sich mit Gebärden verständigte, ging er davon aus, daß Caelyn sich bemühte, Tilla zu verstehen. Und eigentlich waren ihre Gesten ja auch ziemlich eindeutig. Naja, zur Not mußte eben die Wachstafel ran.


    "Gesundheit", sagte er auch, als Tilla so furchtbar nieste. "Hast Du Dich etwa erkältet?", fragte er nach und musterte das Mädchen besorgt. "Oder ist es nur das Mehl? Davon klebt noch was auf Deiner Nase." Er lächelte, denn irgendwie sah sie süß aus, so mehlbestäubt.


    "Tilla, das hier ist Caelyn. Sie ist neu hier und soll hauptsächlich mir persönlich dienen. Zeig ihr doch bitte, wo sie schlafen wird und sorg dafür, daß sie baden kann, neue Kleidung erhält und auch etwas zu essen bekommt. - Achja, und bring ihr in der nächsten Zeit Deine Gebärden bei, ja? Wenn sie mit allem versorgt ist, bringst Du sie wieder zu mir. Aber laßt euch ruhig Zeit, es ist mir lieber, Du erklärst ihr alles genau, als daß sie nachher unsicher sein muß."


    Das war natürlich ein ganzer Haufen an Aufträgen, doch Tilla war ja ein kluges Mädchen und würde sich das alles schon gut merken. "Bist Du auch wirklich in Ordnung?", fragte er nochmals nach.

    Über das Öl hatte sich Ursus noch gar keine Gedanken gemacht. Er hatte sowieso kaum Geld dabei. Sonst hätte er sich ja auch etwas Opferweihrauch leisten können. Dieser Stadtgang war ja nicht geplant gewesen. Daher war er jetzt sehr dankbar für das kostenlose Öl.


    Er nahm die Flasche von Aquilius entgegegen, entkorkte sie und begann dann, sich einzuölen. Als Aquilius ihn darum bat, ihm den Rücken einzuölen, nickte er. "Na, aber sicher doch." Er träufelte ein wenig Öl auf seine Hände, verrieb es leicht und verteilte es dann auf dem Rücken des Flaviers. Dabei ging er weder zimperlich, noch grob vor. "Du hast einen Körper, um den Dich ein Gott beneiden könnte", sprach er aus, was er vorhin schon einmal gedacht hatte, und grinste dabei frech. "Abgesehen von diesen Kratzern. Welche Wildkatze hat Dich denn so zugerichtet?" Er lachte und erwartete darauf nicht unbedingt eine Antwort.


    "Wärst Du so nett, mir den gleichen Dienst zu erweisen?" Ursus drehte sich um und bot Aquilius seinen Rücken dar.

    Ja, das konnte gut sein, daß es langsam Essenszeit war. Das war Ursus relativ gleichgültig. Mit der ganzen Familie zu speisen war eh nichts erstrebenswertes. Also nicht heute. Sonst schon. Er würde sich einfach später Brot, Käse und Oliven bringen lassen, das reichte auch. Im Moment war er ganz zufrieden damit, hier zu sein.


    Ursus nickte zu dem Vorschlag des Flaviers. "Ja, gerne." Sie liefen einfach noch ein wenig gemütlich weiter, während weitere Leute das Trainingsareal verließen. Anscheinend war das jetzt die ideale Zeit, um die Thermen aufzusuchen: Wenn alle anderen vom Hunger heimgetrieben wurden.


    "Wie wäre es mit dem Platz dort links?", fragte Ursus, als sie ihre letzte Runde langsam beendeten. Der Platz war nicht ganz so auf dem Präsentierteller und es standen auch keine Schaulustigen in der Nähe herum.

    Tja, das konnte er gut verstehen, daß die Mutter ausrasten würde. Nämlich darüber, daß ihre Tochter in die Sklaverei geraten war. Noch dazu wegen Diebstahls. Wenn ihre Mutter nicht gerade selbst eine diebische Elster gewesen war, und davon ging Ursus jetzt einfach mal aus, dann hätte sie der Lebenswandel der Tochter gewiß entsetzt.


    "Gut. Dann werde ich jetzt eine Sklavin dazurufen, die Dir alles zeigt. Sie ist stumm und verständigt sich mittels Gebärden. Oder sie schreibt auf eine Wachstafel. - Kannst Du lesen und schreiben?" Er stand auf und trat an die Tür, um dem nächsten Sklaven Bescheid zu geben, daß er Tilla herholen sollte.


    Dann trat er zurück in den Raum. "Sie heißt Tilla. Sei nicht unfreundlich zu ihr, sie hat mindestens so ein hartes Schicksal hinter sich wie Du. Trotzdem ist sie lieb und hilfsbereit." Sicher würde das quirlige Mädchen jeden Moment hereinkommen.

    Anstatt auf Minna oder ihn zu hören, kletterte dieses verrückte, völlig betrunkene Mädchen nur noch weiter hinauf! In ihrem Zustand! Er zweifelte ja nicht daran, daß Tilla normalerweise klettern konnte wie eine Katze, das würde ganz zu ihr passen, doch so betrunken wie sie war, konnte das doch nicht gutgehen!


    Und natürlich kam es, wie es kommen mußte! Sie trat daneben, - und schon fiel sie ihm entgegen. Es blieb ihm nur ein Augenblick, seine Arme so auszustrecken, daß sie hineinfiel. Natürlich war der Aufprall viel zu stark, als daß er sie einfach hätte auffangen können. Dafür war sie schon zu weit oben gewesen. Doch immerhin konnte er ihren Sturz abbremsen, bevor sie ihn mit zu Boden riß. Zusammen kugelten sie über den Boden...

    Ursus seufzte innerlich. Er blickte sich um, entdeckte ein Tuch, das für sonstwas gedacht war und drückte es ihr in die Hand. Weinende Frauen waren ja nun etwas, womit er nicht im geringsten umgehen konnte. Nicht mal, wenn es sich nur um eine Sklavin handelte.


    "Es tut mir leid, was Du hast erleben müssen, Caelyn." Und das war nicht mal gelogen. Er verspürte tatsächlich Mitleid mit ihr. Natürlich wußte er, daß einige Sklaven sich tränenrührende Geschichten ausdachten, um ihre Herrschaft zu beeindrucken und bessere Bedinungen herauszuschinden. Doch irgendwie glaubte er ihr. Vielleicht war das dumm und naiv, aber sie gehörte nicht zu der Sorte Mensch, die Tränen als Waffen einsetzten. Sie versuchte eher, tapfer und unangreifbar zu wirken. Sicher ärgerte sie sich gerade sehr über ihre momentan zur Schau gestellte Schwäche.


    "Was immer die Gründe für Deine Verurteilung waren, es tut nichts zur Sache", sagte er in fast sanftem Tonfall, da ja schon seine Worte nicht freundlich waren. "Du bist nun hier und ich habe Dich um eine Entscheidung gebeten. Wo, glaubst Du, würde Deine Mutter Dich sehen wollen?" Auf dem Sklavenmarkt sicher nicht. Zumal sie kein zweites mal einen so guten Preis erzielen und dann eben auch bei einem entsprechenden Herrn landen würde. "Wenn Du so unschuldig in all das geraten bist und derartige Not gelitten hast, warum ergreifst Du nicht Deine Chance auf ein besseres Leben?"

    Ein einziger Windstoß versetzte diese Sklaven in derartigen Schrecken? Ursus war nicht ohne Furcht vor den Toten, doch schien ihm diese Angst doch ein wenig weit hergeholt. Bridhe gehörte nicht den Aureliern, daher ließ er Rutger tun, was immer er mit ihr tun wollte. Wenn sie an dem Fliegenpilz starb, weil sie zuviel davon gegessen hatte, dann war das nicht seine Schuld. Er hatte ja gesagt, wie man mit Vergiftungen umging.


    Eigentlich wollte er sich nun umdrehen und gehen. Doch da war Cadhlas flehender Blick. Auch wenn sie es eigentlich nicht verdient hatte für die Dummheit, heimlich eine solche Feier zu veranstalten, ließ er sich von ihrem Blick erweichen. Wenn auch widerwillig. "Na, schön. - Aber sobald sie sich beruhigt haben, eure Geister, werde ich gehen. Hör zu, Cadhla: Daß ich euch nicht verrate, heißt nicht, daß diese Feier nun erlaubt ist. Ich habe schlicht nicht die Befugnis, so eine Genehmigung auszusprechen. Wenn Du je wieder so etwas veranstalten willst, dann frag den Hausherrn! Hast Du mich verstanden? Und auch Deine Gäste sollten so etwas mit ihren Herren absprechen." Wenn diese Bridhe hier starb, wurde es am Ende seiner Familie zur Last gelegt.


    Bevor er allerdings mit Cadhla zum Feuer ging, trat er unter den Baum, auf dem Tilla hockte. "Tilla! Komm da runter, bevor Du Dir den Hals brichst. Na, los! Ans Feuer mit Dir! Und hör auf, dieses Zeug zu trinken, sonst wirst Du morgen vor Kopfschmerzen zu gar nichts mehr fähig sein." Er streckte ihr die Hände entgegen, um ihr beim herunterklettern zu helfen. Oder sie aufzufangen, falls sie stürzen sollte. Was ja in ihrem Zustand nicht so unwahrscheinlich wäre.