Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Unwillkürlich entfuhr Ursus ein Seufzer, als der den Stapel Post zu Gesicht bekam, der ihm vorgelegt wurde. Manchmal war dieser ganze Papierkram einfach nur lästig. Vielleicht lag es auch daran, daß Septima ihm so sehr fehlte. Ja, er vermißte sie. Mehr als er zuzugeben bereit war. Gut, die ersten Nächte hatte er es auch irgendwie genossen, mehr Schlaf zu bekommen. Doch ihre Wärme hatte sehr gefehlt. Und ihre Zärtlichkeit. Ihr Geruch. Ihr Lächeln. Die Gespräche mit ihr, denn sie war so klug wie sie schön war. Ja, auch ihr Rat in den einen oder anderen Angelegenheiten.


    Nanu, war das nicht das aurelische Siegel? Ein Brief aus Rom? Hastig griff Ursus danach und brach das Siegel. Oh, Lupus hatte ihm geschrieben! Endlich Nachricht von Zuhause! Daß am gleichen Tag noch ein Brief der Familie angekommen war, damit rechnete er nicht, daher kümmerte sich Ursus erst einmal nicht um den Rest des Poststapels und übersah daher vorerst den Brief seines Onkels.


    Er las geradezu gierig den Brief des jungen Verwandten. Septima war gut angekommen! Den Göttern sei Dank! Und nähere Informationen zu der Geschichte mit Laevina. Was war dem Mädchen nur eingefallen, so etwas zu tun! Und die Verlobung von Orestes war auch gelöst! Das klang nicht gut, was die Beziehung zu den Tiberiern anging. Orestes war also immer noch krank. Hoffentlich verloren sie nicht noch ein Familienmitglied. Es war wirklich entsetzlich, welch reiche Ernte Pluto bei den Aureliern hielt. Standen sie denn unter einem Fluch?


    Ah, Lupus nahm endlich seine Karriere tatkräftig in die Hand. Das war gut. Ursus überlegte sofort, wie er ihn dabei unterstützen konnte und es fiel ihm eine Menge dazu ein. Seinen Patron anschreiben, ja. Und Tiberius Durus auch auf jeden Fall. Aelius Quarto... nein, der war ja immer noch nicht zurückgekehrt, wie ihm erst vor wenigen Tagen berichtet worden war. Germanicus Sedulus, dem wollte er eh schon lange schreiben. Und wollte der nicht eigentlich mal zu Besuch kommen? Bei den Wahlen wollte Lupus antreten, da brauchte er sicher Geld. Ja, am besten schickte Ursus auch gleich Bares mit, wenn er antwortete.


    Er griff nach einem Papyrusbogen und begann sofort damit, die Antwort zu verfassen.

    Ursus nickte zu den Ausführungen. Ja, bei einer größeren Offensive musste einer den Überblick haben und der musste entscheiden, wohin der Nachschub geschafft wurde. Trotzdem war er nicht zufrieden mit dem Gehörten. Ihm war das alles immer noch zu zeitaufwendig, die Abläufe zu schwerfällig und unpraktisch. Ein Bote musste zum Kommandanten, der brauchte Informationen, wie es bei den anderen Truppen aussah, er musste die Informationen sammeln und dann die richtige Entscheidung treffen. Unter Umständen war dann der eine oder andere Trupp bereits länger ohne Munition und es kam zu einer Pause beim Beschuß. Das aber gab dem Feind Zeit zum Sichern und für Gegenmaßnahmen.


    "Was ist mit optischen Signalen? Könnte damit nicht Zeit gespart werden? Beispielsweise könnte mit dem Signal begonnen werden, wenn dreiviertel des Vorrats aufgebraucht sind. Ein anderes Signal zeigt die letzten drei Schuß an. Es muß ja nichts aufwendiges sein. Eine Lanze, die auf 45 Grad Neigung gehalten wird, könnte das erste Signal sein. Auf 90 Grad Neigung bedeutet sie, der Vorrat ist so gut wie aufgebraucht. Ein Tribun kann es übernehmen, den Nachschub zu organisieren. Der Kommandant sollte beweglicher sein. Ich habe heute auch zwischendurch die Position gewechselt, um besser sehen zu können. Wobei mir heute natürlich auch keine Gefahr drohte, was im Ernstfall anders wäre. Aber so bräuchte auch der Kommandant nur einen Boten, nämlich zum Tribun, statt unzählige, die ihn informieren müssen und eben für den Nachschub sorgen." Bei besonderen Situationen konnte man immer noch Boten einsetzen.




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    "Eine Schildkröte? Ein guter Vergleich. Auch wenn ich hoffe, daß ich nicht ganz so hilflos bin, wenn ich auf dem Rücken lande", lachte Ursus und ließ sich gerne aufhelfen, so daß sie ihn von seiner Rüstung befreien konnte. Sie erwies sich als ausgesprochen geschickt im Umgang mit den vielen Verschlüssen. Trotzdem schoß Ursus für einen winzigen Augenblick der Gedanke durch den Kopf, ob sie es wohl ohne Cimons Hilfe schaffen würden, das alles wieder perfekt anzulegen - später.


    Doch der Gedanke schaffte es nicht, oberste Priorität zu erlangen. Die hatte eindeutig seine Frau, die sich nun zärtlich an ihn schmiegte und ihn umarmte. Ursus erwiderte die Umarmung und suchte mit seinen Lippen die ihren für einen langen Kuß. Dabei wanderten seine Hände geschickt unter ihre Kleidung, um genießerisch über ihre weiche, glatte Haut zu streicheln.

    Ursus nickte nachdenklich. "Ja, an einen zentralen Punkt dachte ich auch. Aber sollte der nicht so beschaffen sein, daß der Nachschub schnell sichergestellt werden kann? Ist es nicht sinnvoller, den Nachschub schon bereitzustellen? Möglichst an einem Ort, der von allen Einheiten relativ leicht und schnell erreichbar ist? Und warum braucht es für die Beschaffung dieses Nachschubs der gesonderten Genehmigung eines höheren Offiziers? Der würde doch ohnehin die Einstellung des Beschusses befehlen, wenn er dies für richtig halten würde. Meiner Meinung nach ist diese Entscheidung eher von den Centurionen zu treffen, zumal das auch wesentlich weniger Zeitverlust bedeutet. Oder gibt es gute Gründe, warum es anders ist?" Er hatte kein Problem damit, belehrt zu werden, solange man ihn nicht als Idioten dastehen ließ. Er war kein Berufssoldat, er konnte unmöglich alles wissen, das die Berufssoldaten in all den Jahren ihres Dienstes gelernt hatten. Doch er brauchte die Informationen von ihnen, um eben die richtigen Entscheidungen treffen zu können.




    Ursus legte den Kopf schief und kaute einen Moment nachdenklich auf dem Grashalm herum. War es so? Vernichteten sie den Rest? Er schüttelte den Kopf. "Nein. Bei allem Unrecht, das sicherlich vorgefallen ist, so ist es auch nicht. Rom erobert Länder, das stimmt. Es unterjocht Völker, das stimmt auch. Aber wir zwingen sie nie, ihre Identität aufzugeben. Schau in den Teil Germaniens, der römisch ist. Schau in die anderen Länder. Überall siehst Du die Menschen noch zu ihren Göttern beten, in Häusern wohnen, wie sie dort schon immer gebaut wurden. Einen Teil unserer Gewohnheiten nehmen sie an, anderes wieder nicht. Niemand wirft es ihnen vor, solange sie die römische Obrigkeit anerkennen. Nein, vernichtet wird nur, was sich nicht unterordnen will. - Also zumindest versucht wird es. Es ist ja nicht so, als wären wir immer erfolgreich. Manchmal verlieren wir auch." Warum das leugnen? Sicher, besiegte Völker wurden zumindest in den ersten Generationen von Haß beherrscht. Das war nur natürlich. Doch schon immer hatte es Sieger und Besiegte gegeben. Auch die germanischen Stämme kämpften und unterjochten einander, wenn auch in weitaus kleinerem Stil.


    Auch Ursus richtete sich auf. Baldemars Worte kamen von Herzen. Und Ursus freute sich mehr darüber, als er erwartet hatte. "Auch ich würde Dich nicht töten, Baldemar. Kann man überhaupt jemanden töten, den man persönlich kennt, wenn man ihm nicht abgrundtiefen Haß entgegenbringt? Ich glaube, nur gesichtslose Feinde kann man töten." Er hatte nie in einer Schlacht gestanden, konnte man in solch einer Situation derartige Unterschiede überhaupt machen?

    Die Aussagen des Centurios riefen ein Stirnrunzeln bei Ursus hervor. "Die Männer kamen zu mir und fragten, ob weitere Munition herbeigeschafft oder der Beschuß eingestellt werden sollte. Da mir nichts von weiteren Munitionsvorräten beim Troß bekannt war und ich davon ausging, daß neue Munition erst hergestellt werden mußte, hielt ich den Aufwand für zu groß zumal der Wall bereits reichlich zerstört war. - Da haben wir den Grund. - Und ich habe sogleich Gegenfragen. Warum wurde der Nachschub nicht in kurzer Entfernung bereit gestellt, so daß jede Einheit darauf Zugriff gehabt hätte? Wäre das nicht praktischer? Oder gibt es taktische Gründe dafür, den Munitionsnachschub beim Troß zu lagern, was längere Wege bedeutet? Ist es allgemein üblich, solche Munitionsreserven zurückzuhalten und erst auf besonderen Befehl eines höheren Offizieres auszugeben?" Er stellte die Fragen rein sachlich und ohne Vorwurf. Es war seine Unerfahrenheit gewesen, die ihm hier eine Falle gestellt hatte. Nun wollte er lernen, warum der Munitionsnachschub auf diese Weise geregelt wurde.





    "Nach den Ludi klingt für mich gut. Da liegt noch nichts weiter an." Ursus runzelte ein wenig die Stirn, als Dolabella ihn über die Moral der Fahrer meinte aufklären zu müssen. Wer war hier denn der Neuling im Geschäft? "Mir sind diese Prioritäten der meisten Fahrer bekannt", sagte er ein wenig verschnupft, da er sich für dumm verkauft fühlte. "Dennoch liegt es mir fern, geplant einen Fahrer von Grund auf aufzubauen, damit er dann zu einer anderen Factio wechselt, um dort seine Erfolge zu feiern. Es mag ja sein, daß andere Factiones häufiger gewinnen, da sie häufiger ihre Fahrer wechseln. Doch die Aurata hat eben ihre Traditionen. Überlasse uns unsere Entscheidungen und treffe Deine für Deine Leute."

    "Das ist wirklich schade, Reatinus. Ich hätte die junge Dame sehr gerne kennengelernt. Bitte richte ihr auch von mir die herzlichsten Grüße und Genesungswünsche aus." Ursus nahm das Zeichen seiner Frau aus und breitete nun seine Arme aus. "Bitte nehmt doch Platz." Geschickt leitete er die Gäste an die vorgesehenen Plätze und nickte dann den Sklaven zu, daß sie den Mulsum servierten und erste kleine Vorspeisen auftischten.


    Ursus führte nun noch seine Frau zu Tisch und legte sich dann selbst auf den üblichen Gastgeberplatz. "Es freut mich, daß ihr alle Zeit gefunden habt für die heutige Cena. Bitte fühlt euch ganz Zuhause und scheut euch nicht, zuzugreifen. Laßt uns die Gläser heben und auf die hoffentlich baldige Genesung des Kaisers trinken!"

    "Oh, dann habe ich Dich falsch verstanden, verzeih." Ursus runzelte ein wenig die Stirn. Er fand dennoch, daß es viele auf einmal waren, aber das mußte natürlich jeder selbst wissen. "Scorpus? Ein Klient von Dir, wenn ich Dich in diesem Punkt richtig verstanden habe? Nun, ich lege Wert darauf, daß unsere Fahrer treu zu ihrer Factio stehen und auch dabei bleiben. Es nützt mir wenig, wenn ich einen Fahrer fördere und zu Höchstleistungen ausbilde - und er dann, wenn er endlich für Siege reif ist, zu einer anderen Factio wechselt. Im Übrigen habe ich bisher nichts von ihm gehört. Wie alt ist er und welche Erfahrungen hat er bisher gesammelt?"

    "Also sieben fahren schon für Dich, einen willst Du noch kaufen, zwei andere werden in absehbarer Zeit ebenfalls für Dich fahren. Ist das nicht ein bißchen viel auf einmal?" Der Nachtisch wurde schon herbeigetragen, dabei hatten sie gerade erst mit dem Mahl begonnen. Die kleine Sklavin würde noch sehr lange warten müssen, bis sie das Zeichen bekam. Denn ein Mahl sollte stets langsam und mit Genuß eingenommen werden.

    Ursus lächelte. Baldemar hielt tatsächlich mit nichts hinter dem Berg. "Ich habe mich nicht beklagt, sondern nur festgestellt, daß es so ist. Mir war es bis jetzt nicht bewußt. Wenn man es nicht anders kennt, denkt man nicht darüber nach. Du hast Recht, ich sollte es bei meinen Kindern anders machen." Wie wohl Septima darüber denken würde? Aber mit ihr darüber zu sprechen, war ja noch viel Zeit.


    "Man kann uns Römern vieles vorwerfen. Jedoch nicht, daß wir nicht bereit sind, von anderen Völkern zu lernen. Wir haben vieles von anderen Völkern übernommen, wenn wir feststellten, daß sie etwas besser machen als wir. Ohne diese Lernfähigkeit wäre Rom niemals so groß geworden."

    Nachdem alle eingetroffen waren, räusperte sich Ursus. "Bitte, nehmt doch Platz und greift zu", forderte er die Männer auf. Diese Besprechung wollte er lieber in lockerem Rahmen durchführen. "Nun, der Großteil der Übung ist geschafft und ich möchte von euch hören, was ihr als positiv bewertet, wo ihr weiteren Ausbildungsbedarf für die Männer seht oder was ihr bei zukünftigen Übungsmärschen anders organisiert sehen möchtet." Er selbst hatte sich auch einige Notizen gemacht, wollte aber erst hören, was die erfahrenen Offiziere zu sagen hatten.







    "Ja das ist es. Und wir alle tragen viele Masken." Mit alle meinte er durchaus auch Baldemar. Er war zwar sicher jemand, der seltener und weniger Maskein trug als Ursus beispielsweise, doch ganz ohne kam nicht einmal der Germane aus. "Das ist gut, Baldemar. Laß es Dir beweisen. Und verschließe nicht die Augen, wenn ein Beweis sichtbar wird, nur weil er nicht in Dein vorgefaßtes Bild paßt." Denn genau das war die Gefahr. Davon konnte sich niemand wirklich frei sprechen.


    Sie erreichten die Principia und kehrten in das Officium des Legaten zurück. Beide hatten sie einiges, über das sie nachzudenken hatten. Und Ursus mußte, wenn auch widerwillig, zugeben, daß seine Frau recht damit gehabt hatte, Baldemar für eine Weile an seine Seite zu stellen.

    Gerade hatte Ursus die erste Waffe zur Hand genommen, um sie sorgfältig zu prüfen, da erschien Septima. Ursus nahm es ihr keineswegs übel, daß sie hier erschien, denn das Leben hier war für sie langweilig. Da kam jede noch so kleine Abwechslung gerade recht. Ob es sich allerdings lohnte, einen Tisch aufzubauen und einen Imbiß aufzutischen, das war fraglich. Solche Kämpfe dauerten aller Erfahrung nach nicht allzu lange. Der Optio wirkte wenig begeistert von der Zuschauerin, aber da mußte er nun wohl durch.


    Ursus begrüßte seine Frau lächelnd und fuhr dann fort, die Waffen zu überprüfen. Nachdem dies erfolgt war, wandte er sich noch einmal an die beiden Kämpfer. "Ihr seid beide erfahrene Kämpfer und ihr seid keine Feinde. Natürlich sollt ihr zeigen, was ihr könnt, aber versucht, schwere Verletzungen zu vermeiden. Es geht hier darum, zwei verschiedene Arten des Kampfes zu vergleichen, nicht darum, den anderen zu zerfleischen. Kämpft fair."


    Mit diesen Worten zog er sich zurück und überließ den Kämpfern das Feld. Ursus setzte sich zu seiner Frau, die sich gerade weit genug vom Kampfplatz weg platziert hatte, um ihnen nicht im Weg zu sein. Doch nah genug daran, um alles zu sehen. Dabei machte er sich bereit, notfalls aufzuspringen und dazwischen zu gehen, sollte sich dies als notwendig erweisen.