"Ja, das stimmt. Respekt verdient man sich." Ursus sagte es mit der sicheren Überzeugung, sich Baldemars Respekt schnell zu verdienen, wenn er ihn nicht bereits hatte. Der Germane war eine harte Nuß, das konnte man wahrhaftig nicht anders sagen. "Gehorsam, ja. - Baldemar, ich werde nichts Unehrenhaftes von Dir verlangen. Und sollte ich aus Unwissenheit über Deine Kultur etwas fordern, das zu erfüllen Dir unmöglich ist, dann sprich mit mir darüber und erkläre es mir. Es sind genug Sklaven im Haus, daß ich nicht bei einem bestimmten auf die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe bestehen muß." Damit meinte Ursus allerdings Dinge, die gegen die Ehre oder den Glauben gingen. Nicht Dinge, zu denen man gerade keine Lust hatte. Aber er war sicher, daß Baldemar ihn da richtig verstehen würde.
"Ergeben auf dem Boden? Hast Du mir denn nicht zugehört? Ich will keinen Mann auf dem Boden vor mir sehen. Ich möchte Treue und Respekt, beides Dinge, die ich auch von meinen Klienten fordere, die freie Männer und zum Teil auch schon in wichtigen Positionen zu finden sind. Unterwürfigkeit Untergebener ist kein Zeichen von Macht oder Führungskraft. Im Gegenteil zeigt es, daß man unfähig zur Führung ist. Du wirst in meinem Haushalt keine Peitsche zu fürchten haben und auch keine solche Grausamkeit, daß Deine Familie auseinander gerissen wird." Ursus seufzte sehr tief. "Meine Eltern lehrten mich, die Sklaven des Haushaltes als eine Art Familienmitglieder zu sehen. Menschen mit Gefühlen, eigenen Ansichten und Stolz. Sie lehrten mich, für die Meinen zu sorgen und sie als Menschen zu respektieren. Ich erlaube meinen Sklaven, eine Familie zu gründen. Ich erlaube meinen Sklaven, Besitz anzuhäufen. Und ich bin durchaus gewillt, meinen Sklaven nach Jahren guter Dienste die Freiheit zu schenken. Das ist weit mehr, als Du bei den meisten anderen Menschen, sei es Römer oder Angehörige anderer Völker, bekommen würdest. Ich glaube nicht, daß ich mit Treue, Respekt und Gehorsam von euch zuviel verlange, verlangt also auch nicht zuviel von mir."
Mit ernsten Blick musterte Ursus Baldemar. "Auch ihr Germanen habt Unfreie. Jeder, der in den Krieg zieht, muß damit rechnen, in Gefangenschaft zu geraten und ein Sklave zu werden. Es gehört in allen Völkern, die mir bekannt sind, zur Lebensweise. Und es scheint mir so, als würdest Du es nur für Dich selbst als Unrecht betrachten. Ist das gerecht, Baldemar?" Natürlich war Baldemar auf illegale Weise zum Sklaven geworden. Doch auch das gehörte zu den Risiken des Lebens. Fuhr man über das Meer und wurde von Piraten überfallen, konnte man auch als freier Römer schnell als Sklave enden.
"Ja, Du hast Glück. Und es ist gut, daß Du das erkennst und entsprechend handelst. Aufgeben brauchst und sollst Du Dich nicht. Auch will niemand Dich brechen. Ich weiß wirklich nicht, wie Du darauf kommst. Ein gebrochener Mann, was mag der noch vollbringen? Du sollst meine Frau beschützen! Ein gebrochener Mann kann sie nicht beschützen, der würde wie ein geprügelter Hund den Schwanz einziehen und sie im Stich lassen, wenn es gefährlich wird. Wie könnte ich so etwas wollen?" Wieder schüttelte Ursus den Kopf. Was nur glaubte dieser Germane eigentlich von ihm? Oder von Septima? "Ich habe bisher zwei Sklaven freigelassen, die meinem Vater gehört hatten und die ich quasi erbte. Ich bin noch jung, ich hatte noch nicht viele eigene Sklaven, da ich stets auf die Sklaven der Familie zurückgreifen konnte. Also konnte mir kaum einer so lange dienen, daß eine Freilassung in Frage kam. Caelyn wollte ich freilassen. Ich hatte bereits angefangen, sie auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten, damit sie nicht wieder auf der Straße landet. Aber sie entschied sich anders. Sie bat mich darum, sie zu verkaufen. Ich bin ihrem Wunsch nachgekommen. Und hoffe, daß sie bei ihrem neuen Besitzer gefunden hat, wonach sie gesucht hat."
Die letzten Worte Baldemars brachten Ursus schließlich doch noch zum Lächeln. Ganz unwillkürlich. "Vermutlich hast Du Recht, vermutlich will ich das gar nicht. Aber ich wünsche es trotzdem. Auch wenn es mir zwischendurch nicht schmecken mag. - Marser." Seine Augen blitzten einen Moment lang amüsiert auf. Immerhin hatte Baldemar den Titel nicht abwertend benutzt. Und auch Ursus klang nicht verächtlich oder abwertend.