Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Ursus lächelte. Sein Patron und er schienen nicht weit voneinander entfernt zu sein mit ihren Gedanken und Meinungen. Er nahm das als gutes Zeichen. "Überhaupt zu solch einem Zeitpunkt Beträge oder Landmengen zu nennen, halte ich für völlig übereilt. Auf eine Menge wird der Senat sich einigen müssen. Wobei ich mich tatsächlich frage, was jemand mit mehr als zwanzig Flurstücken* eigentlich will. Das wäre die Grenze, die ich vorschlagen würde und ich habe wahrhaftig keine Ahnung, ob es mehr Patrizier oder Plebeier gibt, die so viel Land besitzen, daß sie über dieser Menge liegen. Es geht um die Sache. Wenn man bei jeder Maßnahme gucken würde, ob sie mehr Plebeier oder mehr Patrizier trifft, ohne zu bedenken, ob es sinnvoll für alle ist, wäre wohl kein Beschluß mehr möglich." Noch immer glaubte Ursus auch nicht, daß Furianus Ermittlungen angestellt hatte, um festzustellen, wer wieviel Land besaß, um dann auszutüfteln, wie er möglichst mehr Plebeier traf als Patrizier. So eine Vorgehensweise wäre geradezu lächerlich.


    "Natürlich haben alle Landbesitzer einst viel Geld gezahlt für diesen Besitz. Nur so als erste Idee, wie man es lösen könnte: Wer mehr Land besitzt, als zukünftig als Obergrenze gelten soll, der bekommt eine Übergangsfrist, sagen wir von sechs Monaten, um das „überschüssige“ Land zu verkaufen. Wer es bis dahin nicht an den Mann bekommen hat, verkauft es an den Staat für den normal üblichen Preis. Das wäre meiner Meinung nach ein fairer Ausgleich. Es kämen Grundstücke auf den Markt für diejenigen, die in den Ritterstand oder in den Senatorenstand streben. Auch der Staat würde Grundstücke zurückgewinnen, um sie entsprechend wieder anbieten zu können. Du sagst, wer ein Grundstück braucht, kann sich an seinen Patron wenden. Doch was, wenn der Patron selbst nicht genug hat? Ich brauche nur mich selbst anzusehen. Im Moment besitze ich vier Flurstücke. Eines davon gehört aber eigentlich meiner Frau und ich werde es ihr auch bald überschreiben. Zwei muß ich als Senator vorweisen können. Bleibt mir nur eines, um es eventuell an einen Klienten zu veräußern. Werden also demnächst nur noch die Männer mit riesigem Landbesitz Klienten haben, die zu den gehobenen Schichten der Gesellschaft gehören? Schon jetzt zeichnet sich dieser Trend ab, was man den Menschen nicht verübeln kann, scheint es doch momentan die einzige Möglichkeit zu sein, Landbesitz zu erwerben." Je mehr Ursus darüber nachdachte, um so besser fand er die Idee an sich. "Ich finde es vernünftig, dieses Thema überhaupt anzugehen. Aber es muß sorgfältig durchdacht werden. Ich würde es in besagten zwei Schritten machen, erst eine Obergrenze für den Zuwachs an Landbesitz und als zweiten Schritt eine Verpflichtung, die Landstücke zu veräußern, die jene zuvor festgelegte Grenze übersteigen, mit einer Garantie, daß der Staat alle am Ende der Frist übrigen Grundstücke zum üblichen Preis kauft, damit durch das plötzlich große Angebot auf dem Markt der Wert nicht verfällt."

    "Erlaubnis erteilt", schmunzelte Ursus und nickte. "Abite."


    Mit Iulius Licinus würde er ganz sicher gut zusammenarbeiten können. Blieb abzuwarten, was sich in den Reihen der Tribune getan hatte und wie es sich mit dem Iunier zusammenarbeiten ließ.

    Es war gut, daß Lucianus nicht von ihm verlangte, Partei zu ergreifen, denn er wollte nicht gegen seinen Patron arbeiten, aber auch nicht gegen die Familie. Beiden gegenüber war er verpflichtet und er hatte nicht die Absicht, sich vor dieser Verpflichtung zu drücken. Auf jeden Fall war es gut, es ausgesprochen zu haben. "Ich danke Dir dafür", sagte er daher schlicht und hörte weiter aufmerksam zu.


    Auch wenn sein Patron schließlich von der Diskussion der im Senat vorgebrachten Problematik abwich und eher auf die Person des Consuls abzielte, fühlte sich Ursus veranlaßt, zum Thema der Landverteilung seine Meinung kund zu tun. "Ich finde das Thema Landbesitz ausgesprochen wichtig. Furianus hat in dem einen Punkt Recht, es besteht ein sehr starkes Ungleichgewicht und eigentlich ist es ihm hoch anzurechnen, daß er als Patrizier dieses Thema aufbringt. Ist nicht ein bemerkenswert großer Teil des Landes im Besitz von Patriziern? Beschränkt er sich nicht auch selbst und auch die Angehörigen seines Standes? Aber alles muß Maß haben und gerade wenn es darum geht, jemanden in seinen Rechten einzuschränken, muß man ein verträgliches Maß finden und zu der Ungerechtigkeit einen Ausgleich schaffen. Es kann nicht angehen, daß riesige Landflächen in der Hand Einzelner bleiben, die sie kaum nutzen, ihre Erträge eifersüchtig horten und sich absolut gegen jede Veräußerung von Land sträuben – oder derart unverschämt hohe Preise festsetzen, daß es schier unglaublich ist. Furianus hat Recht – und auch Tiberius Durus – wenn sie sagen, es sei eine Schande, daß aufstrebenden, verdienten Männern, die mehr als genug Reichtum vorweisen können, aber eben keinen Landbesitz, trotz ihrer Verdienste der Ritterstand versagt bleiben muß. Bevor man aber Enteignung zum Thema macht, sollte man erst einmal eine Obergrenze beschließen, die vorerst nur für den Zuwachs von Landbesitz gilt. Das könnte man ähnlich handhaben wie mit der erlaubten Anzahl von Betrieben. Mit einer Übergangsfrist für die Veräußerung, wenn einem zum Beispiel durch Erbschaft Landgüter zufallen, die einen über die erlaubte Obergrenze bringen. Ist eine derartige Regelung erreicht, kann man versuchen, eine verträgliche Lösung für die Fälle zu finden, bei denen halbe Provinzen einer Einzelperson gehören und die auf dem Landbesitz hocken wie eifersüchtige Glucken. Einen Schritt nach dem anderen machen unter höchstmöglicher Rücksichtnahme auf die Interessen der Betroffenen, statt dieses Übers-Knie-Brechen, noch dazu ganz nebenbei in einer eigentlich ganz anderen Diskussion. Nein, die Vorgehensweise ist auf jeden Fall mehr als ungeschickt gewesen. Und ja, jemand sollte ihm klarmachen, daß er eine besondere Rolle im Senat innehat, die vor allem Fingerspitzengefühl erfordert. Auch was den Umgang mit den immer noch vorhandenen Standesrivalitäten angeht. Aber ich glaube weiterhin nicht, daß sein Vorschlag gegen die Plebeier als solche gerichtet war. Denn die Folgen treffen mit Sicherheit nicht weniger Patrizier als Plebeier, sollte ein solcher Vorschlag durchkommen. "

    Als Ursus hörte, um was es ihr ging, runzelte er überrascht die Stirn. So weit war sie also bereits mit ihren Planungen? Sie meinte es auf jeden Fall ernst und Ursus war der Letzte, der ihr Hindernisse in den Weg legen wollte. Natürlich brauchte sie fachkundige Hilfe, doch die konnte er ihr leicht vermitteln, hatte er doch die nötigen Kontakte. "Land ist zur Zeit fast unmöglich zu bekommen, selbst in den entfernten Provinzen. In Italia – völlig undenkbar. Natürlich kann ich trotz allem meine Leute losschicken, doch könnte es Jahre dauern, bis wir ein Angebot erhalten." Nein, er hatte nicht vor, ihre Pläne platzen zu lassen, hatte er doch selbst ein großes Interesse an einer guten Pferdezucht. "Aber wir besitzen bereits Land in Italia. Also ich besitze Land in Italia. Es wird zur Zeit landwirtschaftlich genutzt und wirft auch ganz ordentliche Erträge ab. Aber ich bin bereit, Dir dieses Land zu überlassen für die Pferdezucht. Unter der Bedingung, daß Du dort auch eine richtige Trainingsbahn errichtest. Der Bahn im Circus Maximus möglichst nachempfunden. Zwar haben wir auch hier bei den Ställen der Factio eine Trainingsbahn, aber sie ist etwas kleiner und hier gibt es auch trotz aller Vorsichtsmaßnahmen oft Beobachter von anderen Factiones. Also... ich wollte Dir ohnehin das Land übertragen, daß Dein Onkel mir mittlerweile als Mitgift für Dich überschrieben hat. Was hältst Du davon, wenn ich dieses Land erst einmal behalte und Dir dafür jenes in Italia überschreibe? Alle nötigen Informationen über das Stück Land und die dort schon vorhandenen Bediensteten und so weiter kannst Du von mir erhalten."

    "Das werde ich", erwiderte Ursus sehr ernst. Er vertraute Septima. Doch leichtsinnig wollte er nicht sein. Gut durchtrainierte Soldaten konnten verführerisch sein für eine junge, lebenshungrige Frau. Und das war Septima, das stand völlig außer Frage. Doch Ursus konnte sich nicht vorstellen, daß eine Frau wie die seine sich unter ihren Stand begab. Allerdings mußte er zugeben, daß er das von Celerina auch gedacht hatte. Und selbstverständlich hatte er nicht die geringste Ahnung davon, daß seine Frau durchaus Vergnügungen in anderen Betten suchte. Wenn auch in ausgeprochen vornehmen Betten.


    Ursus wollte schon den Blick abwenden, um zu gehen, da fühlte er sich vom Blick seines Onkels geradezu festgehalten. Die Worte, die dann ganz unerwartet fielen, ließen es ihm heiß und kalt zugleich werden. Marcus vertraute ihm? Das war etwas ganz Neues. Und erst jetzt merkte er, wie sehr er sich gewünscht hatte, jene Worte einmal zu hören. Doch der Anlaß war alles andere als erfreulich. Trotzdem. Es zu hören war wohltuend für einen Mann, der seit seiner Rückkehr aus Griechenland vor vielen Jahren glauben mußte, das Vertrauen seines Onkels niemals zu erlangen. Vielleicht war ein Teil seiner Gedanken in seinem Blick zu lesen, vielleicht auch nicht. Vielleicht machte sein Zögern mit der Antwort ganz den falschen Eindruck, denn es trat eine Pause ein, bevor Ursus sprach. "Ich werde Dich nicht enttäuschen."


    Niemand konnte sagen, was die Zukunft noch bringen mochte. Doch in diesem Moment war Ursus fest entschlossen, niemals ein Wort über diese unglückliche Angelegenheit zu verlieren. "Dann hoffentlich bis später."



    Langsam machte sich Ursus wirklich Sorgen. Sie war so kurz angebunden, wann immer er versuchte, ein Gespräch anzufangen. Appetitlos, einsilbig und offensichtlich unzufrieden. Sicher, Reisen waren nun einmal unglaublich lästig. Doch sie waren nötig, um von einem Ort zum anderen zu gelangen. Als sie endlich am heutigen Gasthaus angekommen waren, half Ursus seiner Frau galant aus dem Wagen. Natürlich bestellte sie sogleich ein Bad. Das war nicht weiter überraschend. Aber überraschend war ihr Stimmungswandel. Sie war wie ausgewechselt. Und fragte ihn, ob er nicht zusammen mit ihr baden wollte. Natürlich wußte Ursus nur zu genau, womit so etwas enden würde, doch hatte er auch nicht das Geringste dagegen. "Nötig habe ich es bestimmt", lachte er und seine Augen blitzten ein wenig übermütig auf. "Sehr gerne leiste ich Dir Gesellschaft." Mit einer Hand streichelte er ihr sanft über die Wange. "Dann geht es Dir jetzt besser, ja?", fragte er leise nach.

    Septima hatte also bereits eine Entscheidung gefällt. Dieses Haus sollte es auf keinen Fall werden. Aber so ein schlechter Anfang war eigentlich nicht so schlecht. Vielleicht würde Septima dann bei anderen Objekten eher geneigt sein, es als annehmbar zu betrachten. Sie stellte in der Tat hohe Ansprüche. "Möchtest Du bei der Reihenfolge bleiben, daß das der Villa am nächsten gelegene Haus als letztes drankommt? Oder möchtest Du damit weitermachen? Denn von der Lage her wäre es mein Favorit. Ich weiß allerdings nicht, wie das Haus aussieht. Aber wie schon gesagt: Zur Not lassen wir neu bauen, auch wenn das deutlich teurer wird." Er selbst hatte wenig Ansprüche an das Haus, denn prachtvoll ausstatten konnten sie es noch. Wenn es groß genug war, der Garten ebenfalls und die Raumaufteilung angenehm war, zudem noch die Bausubstanz in Ordnung, dann war es für ihn bereits richtig.


    Als sie sich an ihn kuschelte, legte er sanft den Arm um sie und drückte sie leicht an sich. "Es war das Haus, das ohnehin am ungünstigsten lag von denen, die wir auf der Liste haben. Also nicht entmutigen lassen. Wir finden schon etwas."




    Als er Septima sah, hellte sich die Miene des frisch gebackenen Legaten merklich auf. "Etwas Geschäftliches? Was denn? Setz Dich doch. Möchtest Du etwas trinken?" Wie immer hatte Cimon Krüge mit Wasser und Wein hergebracht und auch einen Teller mit Obst.


    Die Vermutung lag nahe, daß Septima über die Pferdezucht sprechen wollte. Denn welche Geschäfte konnte sie sonst meinen? Ursus lehnte sich ein wenig zurück und blickte seine Frau erwartungsvoll an. Er war wirklich gespannt, wie sie sich als Pferdezüchterin machen würde. Wobei er nicht vorhatte, sie mit dieser ganz und gar nicht leichten Aufgabe allein zu lassen. Er war zu jeder Hilfe bereit, die sie anzunehmen bereit war.

    Auch Ursus war nicht sonderlich angetan von diesem Haus. Septima brachte es auf den Punkt: Wenn, dann würden sie in diesem Fall das gesamte Haus abreißen müssen. Wie gut, daß es noch andere Objekte gab. Dieses war von der Lage her auch nicht allzu ideal. Wenn sie schon neu bauen mußten, dann doch lieber näher an der Villa Aurelia.


    Der Verwalter wirkte ein wenig verlegen, als sie nach der Zahl der Interessenten fragte, die in den letzten zwei Jahren hier gewesen waren. "Am Anfang waren es noch viele, Herrin. Aber im letzten Jahr nur drei. Mit euch. Aber laßt euch doch bitte nicht vom schlechten momentanen Zustand täuschen. Mit wenigen Mühen kann man dies alles wieder in Ordnung bringen."
    "Diese Mühen hätte der derzeitige Besitzer sich machen sollen", erwiderte Ursus daraufhin. Seiner Frau raunte er zu: "Es gibt kaum zum Kauf angebotene Häuser in der Lage, die wir wünschen. Sei nicht zu enttäuscht, wir haben ja noch ein paar Adressen."


    Sie schauten sich den Rest des Hauses und den recht geräumigen Garten an. Ursus wandte sich am Ende noch einmal an den Verkäufer. "Wir werden uns in den nächsten Tagen entscheiden." Eine allzu frühe Absage mochte sich als Fehler herausstellen, deshalb wollte Ursus diese paar Tage Bedenkzeit ausschöpfen. Eine schnelle Entscheidung mußte ohnehin her, denn viel Zeit blieb ihnen nicht mehr in Rom.


    Sie bestiegen ihre Sänfte wieder. Hier konnten sie offen sprechen. "Also, die anderen müssen schon sehr schlecht vom Grundstück her sein, daß ich dieses Haus würde kaufen wollen", gestand er seiner Frau, als sich die Sänfte in Bewegung gesetzt hatte.



    "Herein", rief Ursus auf das Klopfen hin und schaute neugierig auf, um zu sehen, wer das wohl war. Er war dabei, seine Schreibunterlagen so zu ordnen, daß sie sinnvoll für die Reise verpackt werden konnten. Eine langweilige Arbeit, bei der er sich nur zu gerne unterbrechen ließ, von wem auch immer. Daß es seine Frau war, empfand er als besonders angenehm, auch wenn er keine Ahnung hatte, was sie zu ihm führte. Oft suchte sie ihn hier schließlich nicht auf.

    Damit hatte sein Patron natürlich auch wieder Recht. "Aber solche Angriffe auf die Person sind doch auch immer dabei, kaum eine Debatte wird ohne diese geführt. Man denke nur an Tiberius Durus und Flavius Furianus und auf der anderen Seite Germanicus Avarus und Germanicus Sedulus. Übrigens sind mir solche Anfeindungen überaus unangenehm, denn der eine ist der Onkel meiner Frau und Freund der Familie, der nächste ein Angehöriger einer den Aureliern sehr eng befreundeten Familie, ein weiterer einer meiner persönlichen Freunde und der letzte mein Vorgesetzter bei der Schola. Nun sage mir, wie soll ich mich verhalten? Ich bin Patrizier und ich wurde als solcher erzogen, natürlich liegen mir die patrizischen Interessen am Herzen. Doch nicht um den Preis, Rom damit zu schaden. Ich wurde auch so erzogen, mein Leben Rom zu widmen, mit meinem Einsatz Rom weiter voranzubringen. Wie könnte ich mich bei solch einer Schlammschlacht auf eine der beiden Seiten stellen, wo doch schon die Schlammschlacht selbst Rom nur schadet? Als ich damals zu Dir kam, um Dich zu bitten, mein Patron zu werden, habe ich das mit viel Bedacht getan. Ein plebeischer Patron, einer, der unserer Familie nahe steht, dessen Bruder der Patron meines Onkels ist. Mir ist nicht bekannt, warum Corvinus damals Klient Deines Bruders wurde. Doch ich wollte ganz bewußt eine Brücke schlagen. Auch aus diesem Grund ist es mir unmöglich, für eine der beiden Seiten Partei zu ergreifen. Nein, daß da Senatoren einen anderen auf persönlicher Ebene demontieren, das muß mir gleichgültig sein. Mal ist der eine das Opfer, mal der andere. Keiner von ihnen ist ein Unschuldslamm, jeder von ihnen hat so etwas schon bei anderen versucht. Auch Decimus Livianus. Nein, was das angeht, sind sie alle gleich, ist keiner besser als der andere. Ich muß mich also darauf konzentrieren, was an sachlichen Argumenten vorgebracht wird und danach entscheiden. Vielleicht fehlt es einfach an einem Consul, der solche persönlichen Angriffe unterbindet. An einem Mann, der die Senatoren daran erinnert, die Debatten sachlich zu führen." Vielleicht rang sich sein Patron ja doch noch dazu durch, zu kandidieren und ein solcher Consul zu sein?

    "Sehr gerne werde ich Dir alles zeigen, Liebes. Am besten gleich morgen, damit Du Dich schnell auskennst. Die Stabsoffiziere? Neben mir sind das noch der senatorische Tribun, fünf ritterliche Tribune, der Praefectus Castrorum und der Primus Pilus, also der erste Centurio der ersten Cohorte. Die letzteren beiden sind Männer, die sich von ganz unten nach oben hochgedient haben, wobei auch unter den ritterlichen Tribunen Männer sind, auf die das zutrifft. Artorius Reatinus zum Beispiel, Du hast ihn auf der Feier von Iulius Licinus, das ist der Primus Pilus, kennengelernt, ist solch ein ritterlicher Tribun, der als kleiner Soldat angefangen hat. Bald wirst Du sie alle kennenlernen." Ursus lächelte Septima liebevoll an. Er wußte es zu schätzen, daß seine Frau seiner Arbeit so viel Interesse entgegen brachte. Und würde versuchen, ihr die Zeit hier nicht zu lang werden zu lassen. Es würde ihm schon etwas einfallen. Doch jetzt galt es, seinen Posten offiziell anzutreten. "Vermutlich werde ich heute noch die gesamte Legion antreten lassen. Wenn ihr möchtet und Zeit findet, könnt ihr gerne dabei sein." Nun mußte er aber wirklich gehen.

    Ursus legte den Kopf schief. "Es mag sein, daß hier ein Kampf der Stände ausgetragen wurde. Es ist sehr auffällig, daß vor allem Patrizier mit nein gestimmt haben. Trotzdem. Der Antrag war mehr als schlecht vorbereitet, es gab keine stichhaltigen Argumente und die Fragen, die auch noch vorhersehbar gewesen waren, sind nicht fundiert ausgeräumt worden. Uns Patriziern wird oft vorgeworfen, daß wir uns zu sehr vom Volk entfernt hätten. Findest Du nicht, daß solch eine Steuerbefreiung auch euch plebeische Sentoren vom Volk entfernt? Zumindest wird das Volk es so empfinden. Würde solch ein Beschluß nicht die Menschen da draußen gegen den gesamten Senat aufbringen?" Ja, Ursus war sich bewußt, daß er als Patrizier leicht reden konnte. Aber war das Volk nicht seit vielen Generationen daran gewöhnt, daß die Patrizier gewissen Vorrechte hatten? Dienten die Patrizier dem Volk nicht ebenso lange als Haßsymbole, wenn es grad niemand anderen gab, den sie hassen konnten? Und hatte der Adel nicht gerade in den letzten paar Generationen ganz erheblich an Vorrechten eingebüßt? Was wollte Livianus schaffen? Eine neue Art von Adelsstand?

    "Gegen die Unterbesetzung werden wir hoffentlich bald etwas tun können. Ja, wie ich schon sagte, würde ich das gerne auch heute noch machen. Sonst tun die Männer heute Nacht nichts anderes, als sich mit Vermutungen über mich zu diskutieren." Allerdings war er sich nicht sicher, ob das nicht auch geschah, wenn er sich den Männern heute noch vorstellte. Ein neuer Kommandant war sicher ein Thema, das ein paar Tage für Gesprächsstoff sorgte. Gut war, daß viele ihn schon kannten von seiner Zeit als Tribun. "Ich werde den Befehl zum Antreten gleich ausgeben."

    "Das würde schon eines mittleren Wunders bedürfen. Aber hoffen kann man immerhin", lachte Ursus. Sie tranken einen weiteren Schluck Wein und wandten sich nun anderen Themen zu, die weniger tiefgründig waren, solchen, bei denen es auch mehr zu Lachen gab und die eher zu dem Anlaß dieser Feier paßten. Es wurde noch ein feuchtfröhlicher Abend, an den Ursus noch lange zurückdenken würde.


    Sim-Off:

    Ich denke, wir beenden das so langsam, da es sich sonst mit unseren späteren Threads beißen könnte.






    Ursus bemerkte mit Sorge, wie wenig seine Frau aß. Dabei sorgten die Sklaven durchaus dafür, daß immer Obst auf den Tisch kam, so frisch, wie es eben zu dieser Jahreszeit möglich war. Auf Reisen war das allerdings schwieriger als zuhause in Rom, so daß es hier meist Trockenobst war, abgesehen von den schrumpeligen Vorjahresäpfeln, die nahezu überall zu organisieren waren. Ob es das war, das sie so wenig essen ließ? Oder ging es ihr nicht gut und wollte nur tapfer sein? Doch er fragte nicht nach. Noch nicht. Denn er hatte schon gelernt, daß zu frühes oder zu häufiges Nachfragen ungnädig aufgenommen wurde. Andererseits konnte fehlende Nachfrage auch als Desinteresse ausgelegt werden. Eine Zwickmühle. Wie sie beim Zusammenleben mit einer Frau eben ab und an vorkam. So wie diese Fragen, auf die es keine richtige Antwort geben konnte. Nein, er wollte noch warten. Beobachten, wie es bei den Pausen und am Abend sein würde. Erst dann würde er nachfragen.

    "Nun, wie ich schon sagte, fand ich seine Vorgehensweise sehr unpassend, er hätte beim Thema bleiben sollen. Gerade er als Consul. Denn so uferte die Diskussion in eine Richtung aus, die mit der ursprünglichen Frage nur noch sehr wenig zu tun hatte. Die Frage ist, ob es Absicht war, so vom Thema abzulenken." Ursus saß in der Zwickmühle, immerhin waren die Flavier Freunde der Aurelier. Doch seinem Patron gegenüber wollte er auch offen und ehrlich sein. "Annaeus Modestus? Sehr viel weiß ich nicht. Ist er nicht ein Klient des Purgitius Macer? Ganz sicher bin ich mir nicht, aber Purgitius Macer hat ihn unterstützt. Auf jeden Fall ist Annaeus Modestus ein sehr schwer zu durchschauender Mann. Er leistete sein Vigintivirat gleichzeitig mit mir ab, dennoch ist seine Karriere sehr viel weiter vorangeschritten. Gut, ich habe einige Amtszeiten quasi verschenkt, da ich zum Beispiel mein Tribunat nicht wie er vorzeitig beendete, um rechtzeitig zur Wahl antreten zu können und mir im Gegensatz zu ihm mehrfach die Zeit für weitere Erfahrungen nahm, statt zum nächstmöglichen Zeitpunkt das nächste Amt anzustreben. Ganz am Anfang meiner Karriere suchte ich einmal Kontakt zu ihm, wie junge Männer auf der gleichen Stufe der Karriereleiter es eben tun, doch er schien dies nicht zu wünschen. Überhaupt erschien er mir eher wie ein Einzelgänger. Am eigenartigsten aber fand ich seine Amtszeit als Quästor. Er wurde nach Hispania gesandt, um dem damaligen Statthalter Flavius Furianus auf die Finger zu sehen. Dieser war aber erkrankt und so nahm Annaeus Modestus praktisch die Aufgaben des Statthalters wahr. Am Ende wurde er mit Auszeichnungen geradezu überschüttet. Soweit ich weiß, enthielt sein Bericht auch nichts, was Furianus negativ hätte ausgelegt werden können. Womit ich nicht sagen will, daß ich etwas Negatives wüßte, das hätte Erwähnung finden müssen."