Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Es war warm, es war gemütlich, er hatte die schönste Frau Roms in seinen Armen. Konnte ein Mann mehr Glück haben? Alle Sorgen waren gerade wie fortgewischt, fest verschlossen irgendwo in seinem Inneren. Da kam ihre Frage wirklich unvermittelt und holte ihn aus den Wolken herunter auf die Erde. Gut, das Bett war nun nicht weniger bequem, die Frau in seinen Armen nicht weniger schön. Aber ein kleines bißchen ungemütlicher, das war es nun schon.


    "Er ist sehr merkwürdig, nicht wahr?" Ursus mußte zugeben, daß Corvinus immer schon ein wenig merkwürdig gewesen war. Aber in letzter Zeit, wenn er ihn überhaupt sah oder von ihm hörte, war es viel schlimmer als früher. "Wir standen uns nie sehr nahe. Ich glaube, ich wäre der letzte Mensch in diesem Haus, dem er sein Herz ausschütten würde. Aber es hat etwas mit Celerina zu tun, mit Phraates und mit Siv. Und vermutlich auch mit dem Kind. Ich habe irgendwie das Gefühl, daß es seit dieser Geburt erst richtig schlimm geworden ist mit diesen Personen."

    Ursus blickte Cimon weiterhin an und konnte es immer noch nicht glauben. Noch immer ging er davon aus, daß der Nubier sich in Septima verguckt hatte. Und war sehr froh, daß er ihm nicht den kleinen Raum zugewiesen hatte, der zum Cubiculum gehörte, in dem er und seine Frau die Nächte verbrachten. "Hast Du es sie je erkennen lassen? Hast Du gar mit ihr darüber gesprochen? Dir muß doch klar sein, daß sie Deine Gefühle auf keinen Fall erwidert?" Eine Frau wie Septima würde sich niemals mit einem Sklaven einlassen, dessen war Ursus sich ganz sicher.

    "Oh, man, Cimon. Ausgerechnet eine Patrizierin! Wie konnte das passieren? Gerade bei Dir?" Natürlich würde er Cimon nicht verprügeln. Er hatte das auch nicht so gemeint und nahm auch an, daß sein Sklave ihn richtig verstanden hatte. Für Ursus war es völlig unbegreiflich, wie gerade Cimon, der kaum wagte, einer Patrizierin ins Gesicht zu sehen, sich in eine solche verlieben konnte. Hoffentlich war es im Moment noch nicht mehr als eine Schwärmerei.

    Als die Tür sich hinter Cimon schloß, starrte Ursus sie noch eine ganze Weile an. Er wünschte sich, selbst mehr tun zu können. Er wünschte sich, er hätte die eine oder andere Entscheidung anderes getroffen. Er wünschte sich, er hätte mit Caelyn ausführlicher geredet. Mit Penelope auch. Er .... fühlte sich unzulänglich und schuldig. Seine Hände glätteten den zerknitterten Brief. Noch glaubte er es nicht. Es war eine Verwechslung. Es war ein Irrtum. Und Caelyn? Die hatte sich bei einer befreundeten Familie verkrochen und schmollte. Bestimmt war sie in Sicherheit. Er mußte es sich nur oft genug sagen, dann konnte er es vielleicht glauben.

    Eigentlich war Ursus schon auf dem Heimweg gewesen. Doch das Wetter war schön, wenn auch noch ein wenig kühl. Und er war auch noch früh dran. Außerdem hatte er seiner Frau schon lange keine kleine Überraschung mehr mitgebracht. Wenn das nicht der allerbeste Grund war, ein wenig über den Markt zu schlendern? Mit Cimon im Schlepptau, der seine Augen überall zu haben schien, schaute er sich die Auslagen verschiedener Stände an. An einem erstand er ein Schachtel voller bunter Perlen und einige Schnüre dazu. Die kleine Marei würde daran gewiß ihre Freude haben. Er freute sich schon jetzt über ihre leuchtenden Augen, wenn sie das unerwartete Geschenk öffnen würde.


    Aber eigentlich hatte er ja etwas für Septima gesucht, rief er sich selbst zur Ordnung. Doch so richtig fiel ihm nichts ins Auge. Zumindest nicht an den großen Ständen. Es war schon eher Zufall, daß sein Weg ihn zu diesem kleinen, abgelegenen Markt führte. Als er es bemerkte und sah, daß es hier fast nur Alltagsgegenstände gab, wollte er sich schon abwenden und zurück gehen, um auf den großen Märkten sein Glück zu versuchen. Da fiel sein Auge auf eine Gewandungsspange, die sehr filigran gearbeitet war. Gold mit einem grünen Halbedelstein verziert. Ja, das war ausgesprochen hübsch! Und würde perfekt zu der grünen Palla passen, die er letztens an ihr gesehen hatte. Er handelte kurz mit dem Händler und erstand das schöne Stück dann für einen fairen Preis.


    Vermutlich war es die Freude über den guten Kauf, die ihn so strahlen ließ. Oder auch die Vorfreude auf die Miene seiner Frau. Daß er vertrauenswürdig für eine verirrte junge Frau wirkte, war kein Wunder. Trug er doch unübersehbar die Toga eines Senators, wurde von einem Leibwächter begleitet und lächelte zudem glücklich. Allerdings sah er überaus überrascht aus, als er angesprochen wurde. "Salve", grüßte er zunächst freundlich. "Die Casa Iulia suchst Du? Das ist nicht ganz so einfach zu erklären." Er schaute sich suchend um. Eine so junge Frau war doch sicher nicht allein unterwegs? Zudem wirkte sie blaß und zerbrechlich. "Hast Du Deine Begleitung verloren?"

    "Natürlich erlaube ich. Trainieren kann ich auch alleine, das habe ich früher auch getan. Cimon... Zwar liebe ich sie nicht, wie sie es sich wünscht. Aber sie liegt mir trotzdem sehr am Herzen. Bring sie heim, auch wenn sie trotziges und dummes Zeug reden sollte." Ursus schüttelte den Kopf. "Normal müßte ich sie den Vigiles und den Cohortes Urbanae melden. Aber das möchte ich nicht. Ich weiß genau, sie ist nicht einfach weggelaufen, wie manche Sklaven es versuchen. Sie hat lange genug auf der Straße gelebt um zu wissen, daß sie es hier im Grunde gut hat." Warum redete er eigentlich schon wieder so viel? "Geh schlafen, Cimon."

    Eine Patrizierin! Ursus stockte der Atem. Etwa Septima? Sie hatten sich vor den Sklaven sehr freizügig verhalten. Cimon hatte bereits alles von Septima gesehen, was es zu sehen gab. Ja, es konnte nicht anders sein. Ein Eifersuchtsstachel bohrte sich in sein Herz. Er konnte nichts dagegen tun, es war einfach so.


    "Eine Patrizierin? Dieses mal muß ich Dir Recht geben. Man sollte Dir diesen Gedanke ausprügeln. Cimon! Vergiß das! Eine Patrizierin, das ist völlig unmöglich. Vergiß sie! Du machst nicht nur Dich unglücklich, sondern auch sie und auch mich. Du darfst ihr Deine Zuneigung niemals zeigen. Und Du mußt sie bei Dir unterdrücken. Das ist die Lösung für Dein Problem. Nicht einmal eine Freilassung könnte hier helfen. Du mußt es einfach vergessen. Hör zu, Cimon, ich habe auch schon mal geliebt. Sie wird immer in meinem Herzen sein. Aber es war eine ebenso unmögliche Liebe. Ich weiß, wie es ist, sich diese Liebe zu verbieten. Es ist grausam. Es tut weh. Aber es muß sein!"

    Ihre Blicke begegneten sich und Ursus sah seinen Sklaven nicken. Dann fühlte er den leichten Griff der Hand auf seiner Schulter. Und hörte die gutgemeinten Worte des Nubiers. "Das werde ich, Cimon. Das muß ich, da hast Du Recht. Morgen werden wir all unsere Kraft brauchen." Er stand auf und stützte sich noch einen Moment lang auf der Platte seines Schreibtisches ab. "Am liebsten würde ich mit euch in die Stadt gehen. Aber ... das wäre wohl dumm. Sucht gründlich. Bringt mir Caelyn zurück. Wenigstens sie möchte ich wieder in Sicherheit wissen."

    Ursus schaute Cimon prüfend an. Sehr gründlich prüfend. "Ich habe nicht vor, Dich gegen Deinen Willen freizulassen. Im Moment habe ich überhaupt nicht die Absicht, Dich freizulassen. Ich wollte Dir nur sagen, daß ich es tun würde, um einer Frau, die Du liebst, das Schicksal der Unfreiheit zu ersparen." Er sprach sehr sanft und beruhigend.


    "Was immer es ist, was Dir diese Sorgen bereitet, sprich darüber, Cimon. Es gibt keine Probleme, die nicht lösbar sind, wenn man bereit ist, sie objektiv anzugehen. Manchmal bringen sie unangenehme Folgen mit sich. Manchmal erfordert es von uns sehr viel Kraft und Überwindung oder ein großes Opfer. Aber nichts ist unlösbar, das ist mein fester Glaube. Die Götter haben uns die Kraft dafür gegeben." Seine Augen verfolgten unbewußt Cimons Hand, die über die Tunika strich.

    "Niemand", bestätigte Ursus und legte den Kopf schief. "Außer mir selbst. Cimon..." Er erwiderte den festen Blick seines Sklaven und mußte gestehen, daß der Nubier ihm tatsächlich irgendwie Halt gab. Wie war das möglich? Dies war ein Sklave, der über Jahre schlimm mißhandelt worden war. Der immer nur einen Teil des Lebens hatte kennenlernen dürfen. Und doch schien er auf seine Art Weisheit zu besitzen. Kannten sie sich wirklich schon gut genug, um sich derart aufeinander stützen zu können? Ursus wußte es nicht. Er wußte nicht mal, ob sie sich je so gut kennen würden. Aber er hoffte es.


    "Geh schlafen, Cimon. Du hast einen harten Tag hinter Dir. Morgen gehen wir dann die Aufgaben an, die sich heute aufgetan haben. Man kann nur eines nach dem anderen tun. Und das werden wir."

    Ursus runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf. "Das wäre nicht so gut. Weißt Du nicht, daß auch eine freie Frau zur Sklavin werden kann, wenn... ? Nein, das würde ich nie zulassen. Da würde ich Dich eher freilassen. Trotzdem aber würde es ihr schaden, mit einem Sklaven oder Freigelassenen zusammenzukommen. Sie würde viel von ihrem Status verlieren. Eine Peregrina, das wäre natürlich kein Problem, wenn ich Dich freilassen würde. - Aber mach Dir doch keine Sorgen über solche Probleme, bevor es soweit ist." Er schenkte dem Nubier ein aufmunterndes Lächeln. Natürlich dachte er nicht im Traum daran, daß Cimon eine Patrizierin menite. Und gar eine Aurelia!

    "Ich gebe nicht auf, Cimon. Das ist nicht meine Art." Er schaute seinen Sklaven dankbar an, wußte er doch, daß der ihm nur helfen wollte. "Aus Tod soll etwas Gutes entstehen? Ich weiß nicht. Natürlich werden wir wieder gute Tage haben. Wir werden lachen, fröhlich sein, uns an schönen Sonnenuntergängen erfreuen - und die Erinnerung an den Tod der Beiden tief in uns begraben haben. So sind wir Menschen. Das Leben geht weiter. Aber daß aus diesem Tod etwas Gutes erwächst, das glaube ich nicht. Die Zusammenarbeit mit dem Museion... kann sie überhaupt positiv weitergehen? Was ist mit ihrem Mann? Muß er uns jetzt nicht hassen? Ich sehe nur negative Folgen."

    Die Regungen, die Ursus in der Miene seines Sklaven zu sehen glaubte, verstand er völlig falsch. Er meinte es gut und machte nur alles noch viel schlimmer für Cimon. Wie könnte er auch ahnen, was für Gefühle den sonst so korrekten Sklaven bewegten? "Es mag Dir jetzt noch unwahrscheinlich vorkommen. Oder Du magst glauben, daß so etwas nicht möglich ist, weil Du doch nur ein Sklave bist. Aber... es ist möglich. Auch kann ich dafür sorgen, daß ihr nie getrennt werdet. Schon gar nicht von euren Kindern. Man kann das alles regeln. Also... behalte es einfach im Hinterkopf, ja? Und scheue Dich auf keinen Fall, mit mir zu reden."

    Ursus schüttelte den Kopf. So gerne er Cimon glauben wollte, gar so leicht ließen Schuldgefühle sich nicht abschütteln. "Heute ist es dafür schon zu spät. Ruh Dich aus. Und geh morgen mit frischer Kraft daran, sie zu suchen. Nimm Marei mit. Sie ist zwar nur ein Kind, aber sie kennt sich gut aus in Rom. Wenn Du das Gefühl hast, es wird zu gefährlich oder zu viel für sie, schickst Du sie zurück. Du kannst auch sonst mitnehmen, wen Du für richtig hältst. Mehr Anhaltspunkte haben wir nicht. Nur, daß sie sich übergeben hat und danach nicht mehr gesehen wurde." Er seufzte abermals und legte seine Hand auf die von Cimon. "Ich habe Marei eine Zeichnung gegeben, die Louan mal von Caelyn angefertigt hat. Das wird euch helfen. Ach, Cimon. Warum kommt all das Schreckliche immer zusammen?" Der vermutliche Tod von Penelope und Panthea, das Verschwinden von Caelyn, das ähnlich Furchtbares vermuten ließ.

    "Sie wären nie auf diese Reise gegangen, wenn ich sie nicht nach Rom gebeten hätte wegen dieses Kurses", erwiderte Ursus und schaute Cimon an. Es tat gut zu sehen, wie Cimon zu ihm stand. Auch die Berührung tat gut. Ebenso wie die Worte. Doch das Gefühl der Schuld blieb trotzdem. Und erstreckte sich nicht nur auf Penelope und Panthea.


    "Und dann Caelyn. Sie ist fort, Cimon. Seit der Hochzeit. Kannst Du mir sagen, warum ich es nicht mal bemerkt habe? Ich habe doch die Verantwortung für sie. Ihr muß etwas zugestoßen sein. Das letzte Mal wurde sie gesehen, wie sie auf dem Weg von der Villa Tiberia hierher stehenblieb, um sich zu übergeben." Ihr mußte etwas Schreckliches zugestoßen sein. Während Ursus sich vergnügte.

    Eigentlich sehr traurig, so wie Cimon es gerade sagte. Wie weh mußte es tun, niemals eine Frau begehrend anschauen zu dürfen? Geschweige denn anfassen. "Hör zu, sollte Dir je eine Sklavin so gefallen... solltest Du je Gefühle für eine Sklavin entdecken und sie diese erwidern, dann... dann sprich mit mir. Selbst wenn sie mir nicht gehört. Ich werde dann alles daran setzen... Warum sollte nicht auch ein Sklave glücklich sein dürfen mit einer Frau?" Ursus konnte ja nicht ahnen, daß er mit einem glühenden Schwert in einer Wunde bohrte.

    Ursus seufzte schwer und fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Daß Cimon gerade innerhalb kürzester Zeit einen ganzen Becher Wein getrunken hatte, fiel ihm gar nicht auf. Seine Gedanken waren zu sehr mit dem beschäftigt, was Cimon herausgefunden hatte. "Es ist grauenhaft, Ciomn. Bete... bete, daß dieser Brief nicht von Penelope und Panthea berichtet. Sie sollen leben. Sie hatten... haben noch so viel zu geben! Und... ich möchte nicht schuldig sein! Ich möchte nicht... sie sollen nicht..." Er schüttelte den Kopf.

    Ursus zuckte mit den Schultern. Die Nachricht war noch zu frisch, zu schmerzend, als daß er gleich eine vernünftige Entscheidung treffen konnte. Es fiel ihm schwer, zu denken. "Hat man Dir denn gar nichts weiter gesagt? Woher sie diese Informationen haben? Gab es da nicht... naja irgendetwas?" Nachdem er es ausgesprocheh hatte, kam ihm die Frage dumm und überflüssig vor. Aber er konnte nicht fassen, daß dies alles sein sollte, was übrig war. Daß es nichts weiter gab an Beweisen, an Berichten. So konnten doch zwei so kostbare Leben nicht enden. Nicht so sang- und klanglos. Bei diesem Gedanken, der gerade im Zusammenhang mit Penelope so vieldeutig schien, hätte er am liebsten aufgeschrieen vor Schmerz.

    Lächelnd hörte Ursus sich die Ideen seines Sklavenan und nickte. So ähnlich sah er es auch. Aber man durfte es auch nicht übertreiben, sonst verloren die kleinen Aufmerksamkeiten ihre Wirkung. Doch das erwähnte er nun nicht. "Ich glaube, Du wärst ein guter Ehemann, Cimon." Überhaupt war das mal einen Gedanken wert. Was, wenn der Nubier sich eines Tages verliebte? Wenn, dann hoffentlich in eine Sklavin, die Ursus besaß oder problemlos erstehen konnte. Und so einfach war so etwas nicht. "Warst Du schon mal verliebt?" Eine Frage, die sich in dieser Situation irgendwie aufdrängte.

    Unwillkürlich zerknitterte Ursus' Hand den Brief. "Dort steht, eine Frau und ihr Kind. Wir wissen nicht... es muß nicht sie sein. Und... das Schiff müßte doch inzwischen in Alexandria eingetroffen sein. Woher... woher kommt dieser Brief? Wer hat ihn geschrieben, wer konnte das alles wissen? Nein, ich glaube es nicht. Noch nicht. Vielleicht... war es nicht sie." Ein Strohhalm war es, nach dem er griff. Ein sehr dünner Strohhalm. "Ihr Mann wird inzwischen mehr wissen. Wenn das Schiff in Alexandria angekommen ist, wird er die Besatzung befragen. Er wird uns informieren." Ursus wollte einfach nicht glauben, daß Penelope und ihre kleine Tochter tot waren. Es durfte nicht sein, also konnte es nicht sein. Vor allem, da ein Gefühl von Schuld in ihm aufstieg. Diese Reise hatte sie nur unternommen, weil er sie nach Rom eingeladen hatte... Er war der Grund.