Beiträge von Titus Aurelius Ursus

    Den Becher nahm Ursus entgegen und leerte ihn in einem Zug. Er reichte ihn an Cimon zurück, damit er ihn gleich noch einmal füllte. Den Teller bemerkte er sehr wohl, auch den besorgten Blick und nahm sich ein Stückchen Brot, während sein Blick über seinen Schreibtisch schweifte. Ja, es sah ein wenig chaotisch aus. Aber es war ein System darin. Und wenn er heute mit der Arbeit hier fertig war, würde auch der Tisch wieder ordentlich aussehen.


    "Wie spät ist es eigentlich schon? Merkwürdig, wie viel sich ansammelt, wenn man mal ein paar Tage nichts macht." Er reckte sich, denn er fühlte sich schon ganz steif. "Ach, es ist ganz gut, daß Du mich unterbrichst. Man sollte immer mal eine Pause einlegen. Die Landgüter laufen gut, die Berichte sind sehr zufriedenstellend." Ursus konnte ja nicht ahnen, daß sein Sklave etwas auf dem Herzen hatte. Im Moment glaubte er, Cimon sei einfach aus Besorgnis hergekommen.

    Flink kratzte der Stylus über das Wachs. Ursus hatte die Aufstellung so gut wie vollendet. Hier noch eine Zahl übertragen, dann addieren. Es klopfte und die Tür öffnete sich. Ursus mußte nicht aufschauen um zu wissen, daß es Cimon war. Der Nubier hatte eine bestimmte Art, sich zu bewegen. Sein Schritt war unverwechselbar. Erst als er die Summe gezogen hatte, blickte Ursus auf. Und sogleich kam die Feststellung, daß er gar nichts zu sich genommen hatte. Ursus schaute zum unberührten Teller, dann zu Cimon, dessen Blick bedeutungsvoll auf den Krug gerichtet war. Da brauchte es keinen Vorwurf mehr, Ursus verstand auch so und schmunzelte. "Ich habe das glatt vergessen über der Arbeit. Aber jetzt wo Du es sagst, könnte ich etwas zu trinken gebrauchen. Aber nur verdünnen Saft bitte." Ja, er war durstig und hatte es gar nicht bemerkt.

    Die Hochzeit war vorbei. Und so schön sie gewesen war, so war Ursus doch froh, daß dieser Streß ein Ende hatte. So viele Besucher, so viele zeremonielle Pflichten. Natürlich hatte sich auch einiges an Korrespondenz angesammelt. Auch waren die Berichte seiner Verwalter zu prüfen. Dann gab es noch das eine oder andere Anliegen eines Klienten. Und für die Factio gab es noch einiges zu tun. Für die Acta müßte er auch wieder etwas schreiben, aber die Hochzeit hatte ihn irgendwie ganz aus dem Zeitgeschehen herausgerissen. Ursus hatte tatsächlich etwas Mühe, in den Alltag zurück zu finden. Doch er hatte ja auch Hilfe. Seinen Scriba hatte er gerade losgeschickt, um einige Schreiben beim cursus publicus abzugeben, mit den dringendsten Angelegenheiten war er soweit durch. Kamen also nun die weniger dringenden dran.

    "Hmmmhm", machte Ursus noch einmal und seufzte wohlig auf. Diese Frau war ein Vulkan, heißer als der Vesuv. "Ich möchte... keine haltlosen Gerüchte streuen...", keuchte er und hoffte, daß sie es verstehen würde. Sie protestierte, als er sie herumwarf, doch ihr Lachen strafte ihren Protest Lügen. Sie genoß es und er wußte es. Trotzdem bremste sie ihn, was für ihn wirklich nicht leicht war. Natürlich wollte er es für sie auch schön gestalten und gab sich Mühe, ihre Wünsche zu berücksichtigen, doch manchmal... sie heizte ihm manchmal allzu sehr ein.


    "Hm... das wird ja .. nicht offiziell gemacht. Aber... viele Möglichkeiten gibt es nicht. Livianus vielleicht... Er war schon mal ... Legat der Prima..." Seine Küsse unterbrachen seine Worte immer wieder. Wirklich bremsen konnte ihre Frage ihn nicht. Nur fiel es ihm immer schwerer, die Fragen zu beantworten. Seine Konzentrationsfähigkeit war nun einmal stark eingeschränkt in diesem Moment. Vielleicht auch ein Glück, denn auch die nächste Frage drang nicht vollständig durch. Noch nicht. "Furianus... warum nicht... Seine Frau mag Dich... ahhh." Ihre Fingernägel gaben ihm den Rest...


    Einige Zeit später hingegen drangen ihre Fragen und ihre Aussagen etwas tiefer in sein Bewußtsein. "Furianus? Moment... nur er? Und nur Dich?" Eifersucht glomm in seinen Augen auf. Das war natürlich Unsinn! Reiner Unsinn! Die Flavier waren Freunde und bestimmt ging die Einladung eigentlich von Claudia aus. Er stützte sich auf einen Ellbogen und beugte sich über Septima, um in ihre Augen schauen zu können. "Warum da draußen? Warum nicht hier in der Stadt?"

    Ursus streichelte den Kopf seines Pferdes. Es nun nicht so, daß er ihn unglaublich liebte, aber er hatte diesem Pferd immer vertrauen können und so war es ihm auch nicht gleichgültig. "Die Pferde werden ja regelmäßig bewegt. Aber vermutlich nicht oft genug. Hier von der Stadt aus ist das auch nicht so gut möglich." Den Gewissenskonflikt seines Sklaven bemerkte Ursus wieder einmal nicht. Für ihn sprachen hier drei Personen über ein Pferd, die entweder das Pferd oder Pferde im Allgemeinen gut kannten. "Wie alt er genau ist, wissen wir nicht. Er war schon nicht der Jüngste, als ich ihn vor Jahren kaufte für mein erstes Tribunat. Er ist gewiß über zwanzig." Ursus blickte zwischen Flora und Cimon hin und her. "Ihr beiden habt vermutlich Recht. Er muß mehr raus, er braucht Weiden, wie er sie in Mantua hatte." Seufzend streichelte er Arbo weiter. Vielleicht wurde es Zeit, ihn aufs Altenteil zu schicken, damit er noch ein paar schöne Jahre hatte.


    "Du hast schlecht geschlafen, Flora? Das tut mir leid. Schlecht geträumt? Heimweh?" Das waren für ihn die naheliegensten Gründe für schlechten Schlaf. Manchmal konnte es natürlich auch der Vollmond sein. Prüfend betrachtete er das Mädchen. War sie am Ende unglücklich hier in Rom und verbarg es nur gut? Orestes hatte nur wenig Zeit für die Zwillinge, vielleicht fühlten sie sich vernachlässigt?

    Es gab so viele Dinge, die Septima noch nicht wußte und die Ursus irgendwie voraussetzte, weil sie doch jetzt zur Familie gehörte. Er schalt sich selbst einen Dummkopf deswegen. Natürlich hatte seine Frau die Praenomen der einzelnen Familienmitglieder noch nicht eingeprägt, wer könnte das in der kurzen Zeit auch verlangen? "Marcus Corvinus. Mein Onkel. Von dem rede ich." Ihre Liebkosungen hörten nicht auf. Im Gegenteil. Das ließ seine Gedanken doch etwas lose werden. Er erwiderte ihre Zärtlichkeiten, indem er seine Hände auf Wanderschaft schickte und nun auch mit seinen Lippen ihre weiche, zarte Haut erforschte. Wie war noch gleich die Frage gewesen? Der Vater? "Ich weiß es nicht. Ich habe... nur... eine Vermutung." Eher eine Befürchtung, doch sollte er die wirklich aussprechen? Er wollte keine Gerüchte in die Welt setzen, die am Ende auf die ganze Familie zurückfielen. Andererseits war Septima seine Frau.


    "Hmmmhm", meinte Ursus, als sie ihm erklärte, daß ihr Onkel dafür keine Zeit gehabt hätte. Daß dies ein wenig merkwürdig war, würde ihm erst viel später einfallen, wenn sein Gehirn wieder mit genug Blut versorgt wurde. Schließlich mußte doch jede Braut neugierig sein und versuchen, so viel wie möglich über ihren Zukünftigen herauszufinden. Schon gar eine intelligente Frau wie Septima. Doch zu solchen Schlußfolgerungen war er nun nicht mehr fähig. Hitze füllte ihn aus, jeder ihrer Küsse rief einen angenehmen Schauer hervor. Seine Lippen fanden ihre Brüste.


    Legatsposten... sie hatte gefragt... hatte sie? "Das ist noch nicht sicher", murmelte er undeutlich. "Ich habe die Prima .... doch schon kommandiert... als Tribun... deshalb...," er warf seine Frau herum, so daß sie in den Kissen zu liegen kam und er auf ihr, "bin ich einer ... der Kandidaten."

    Ursus rückte seinen Kopf ein wenig herum und schaute seine Frau an. "Marcus redet nicht darüber. Nein, sie hat meines Wissens nach niemamdem das Leben gerettet oder sonst etwas besonderes getan. Sie ist seit einigen Jahren im Haushalt und dient Marcus." Und dient Marcus. Erst als er es aussprach, kroch der Verdacht, der schon länger tief in ihm gelauert hatte, hoch in sein Bewußtsein. Aber mehr als ein Verdacht konnte es nicht sein. Ursus verstummte, denn er dachte nach. Marcus hatte Siv freigelassen. Damit war das Kind ein römischer Bürger. Und einen römischen Bürger... Nein, das würde Marcus nicht tun! Hoffentlich wurde es ein Mädchen! Hoffentlich wurde es ein Mädchen!


    Es war gut, daß das Gespräch sich in eine andere Richtung bewegte. "Hat Dir Dein Onkel denn gar nichts über mich erzählt?", staunte Ursus, als sie sagte, daß es ihr neu war. "Ich schreibe für die Acta, ich unterrichte ab und an, aber hauptsächlich kümmere ich mich darum, daß die Kurse, vor allem der cursus res vulgares, einigermaßen regelmäßig stattfinden. Im Moment arbeite ich mit anderen daran, einen neuen Kurs zusammenzustellen. Sag mal, was weißt Du denn überhaupt über mich, hm?" Die Müdigkeit war verflogen. Spätestens als sie sich rittlings auf ihn setzte. Ihre liebkosenden Finger verursachten ein heißes Kribbeln auf der Haut und die Küsse weckten seine Lenden, in denen sich langsam wieder Wärme auszubreiten begann.

    Von einer wohligen Müdigkeit umfangen lag Ursus da und streichelte sanft den Rücken seiner Frau, während sie ihren Kopf auf seine Brust gebettet hatte. Es war unglaublich, wie sehr sie sich gegenseitig begehrten. Sie ihn fast mehr als er sie, wie er mit Erstaunen feststellen mußte. Das war ein Gedanke, an den er sich wahrhaft gewöhnen mußte. Er kannte es bisher eigentlich so, daß der Mann derjenige war, der meistens die Initiative ergriff.


    So lagen sie nun da und er hätte nun so langsam wegdämmern können, als Septima die Stille unterbrach und nach Siv und Penelope fragte. Also suchte er seine Gehirnwindungen doch noch zusammen und wurde davon wacher, als er sein wollte in diesem Moment. "Siv, das ist eine ehemalige Sklavin von Marcus. Eine Germanin. Er hat sie kürzlich freigelassen und seit dem bewohnt sie das Gästezimmer. Frag mich nicht, was er plant. Und Penelope Bantotakis, habe ich sie Dir noch nicht vorgestellt? Tut mir leid, im Moment geht alles irgendwie drunter und drüber. Sie ist mein Gast für die Zeit, in der sie hier in Rom einen Kurs über Musik abhält. Sie kommt aus Alexandria und ist eine sehr gelehrte Frau. Ihre kleine Tochter ist auch mit hier, ein süßes Mädchen. Du weißt doch, daß ich für die Schola arbeite? Nunja, der Rector, Germanicus Avarus, reagiert auf alles sehr gereizt, was das Museion in Alexandria betrifft. Deshalb hielt ich es für besser, sie privat unterzubringen, als über die Schola. So braucht sie sich mit Avarus gar nicht herumzuplagen. Der Kurs ist fast beendet und dann wird sie wieder abreisen."

    Daß Cimon ihn heute ein paar Mal hatte gewinnen lassen, weil er so durcheinander war, hatte Ursus nicht gemerkt. Er hatte sich gefreut, daß er so gut geworden war, daß er hin und wieder gegen den Nubier ankam. Das Erwachen würde in den nächsten Tagen kommen, wenn er wieder keine Chance gegen Cimon hatte. Doch heute fühlte er sich gut, stark und als toller Kämpfer.


    Wenn nicht die Nachricht von Arbos Krankheit gekommen wäre, dann hätte dies ein echt guter Tag werden können. Jetzt stand er in der Box und wie immer war es Cimon, der an alles dachte. Ursus lächelte seinen Sklaven an und nahm den Apfel entgegen. "Wenn ich Dich nicht hätte, mein wandelndes externes Gedächtnis", grinste er und gab dem Wallach den Apfel. Daß es dem Tier nicht gut ging, zeigte sich deutlich, als dieser den Apfel eher lustlos nahm.


    Noch bevor er sich zu Arbos Zustand weiter äußern konnte, hörte er eine weibliche Stimme, die ihm sehr bekannt vorkam. Das mußte Flora sein, sie war der Pfedenarr von den beiden, erinnerte Ursus sich. "Guten Morgen, Flora. Ja. Meinem Wallach geht es nicht gut. Aber die Frage ist wohl eher, was machst Du so früh hier?" Junge Mädchen, die morgens im Stall rumstromerten, das war nicht sehr damenhaft. An Cimon gewandt meinte er: "Ich glaube, es bekommt ihm nicht gut, die ganze Zeit hier im Stall zu sein. Und er ist alt. Was meinst Du?"

    Ursus und Septima hatten die Nacht völlig ungestört verbracht. Niemand hatte den beiden gesagt, daß bei Siv die Wehen eingesetzt hatten. Und was Ursus betraf, so kümmerte es ihn nicht sehr. Die Schwangerschaft war ihm sowieso unheimlich, denn keiner der Sklaven kam Siv eigentlich ausreichend nahe. Aber er war auch nicht interessiert genug, um genauer nachzuforschen. Es würde sich schon irgendwer zu dem Kind bekennen. Und es war kein Sklave, es war das Kind einer Freigelassenen. Die Aurelier hatten also keine Pflichten diesem Kind gegenüber.


    So war die Nacht so wunderbar verlaufen, wie auch die anderen seit ihrer Eheschließung. Septima schien nicht zu den Frauen zu gehören, die regelmäßig von furchtbarer Migräne geplagt wurden. Im Gegenteil schien sie geradezu unersättlich zu sein. Der wenige Schlaf machte ihm noch zu schaffen, aber er hatte schon überlegt, vielleicht mittags ein kleines Schläfchen einzulegen. Zeit genug hatte er ja.


    Heute Morgen war das Wetter schon fast frühlingshaft gewesen, wenn auch die Morgenkälte noch ziemlich unangenehm war. Cimon sorgte allerdings schon dafür, daß seinem Herrn nicht lange kalt war. Und auch dafür, daß sein Herr dem schönen roten Sonnenaufgang nicht allzu lange nachschaute. Sie trainierten wie jeden Tag. Und erst nach dem Training trat der Stallmeister zu Ursus, um ihm leise mitzuteilen, daß Arbo, sein Wallach, hustete. Nur kurz wusch Ursus sich den Schweiß ab und schlüpfte in warme, trockene Kleidung, dann ging er in den Stall, um nach dem treuen Tier zu sehen. Cimon half ihm, alles schnell zu erledigen und begleitete ihn dann in den Stall.


    Ursus betrat die Box, während er leise auf Arbo einsprach. Nicht oft nahm er sich die Zeit, nach dem Wallach zu sehen. Das Tier war alles andere als jung. Das war er schon nicht gewesen, als er ihn vor Jahren gekauft hatte, damit er ihm in Germanien diente. Ein braves, unerschrockenes Tier, das den an sich ungeübten Reiter mit Geduld ertragen hatte.


    Sim-Off:

    reserviert

    Die Frage an die Zwillinge, die Septima ausgesprochen hatte, überließ er den beiden zu beantworten. Die Frauen sollten sich richtig kennenlernen und hoffentlich anfreunden. Dann würde es für alle nicht so schwer werden, die Villa Aurelia als neues Heim anzusehen und sich wirklich wohl zu fühlen. Mit einem leichten Schmunzeln beobachtete er, wie seine reizende Frau gerade noch so ein Unglück vermeiden konnte. Er war sicher, daß er es nicht hätte vermeiden können und bewunderte sie für ihre Anmut und Sicherheit, mir denen sie jede Klippe zu umschiffen wußte. Er wollte auch gar nicht wissen, welch ein Vermögen aufgewendet worden war, zu dieser Jahreszeit derart saftige Birnen zu besorgen. Ein Grund mehr, selbst auch davon zu kosten. "Hab Dank für die Warnung", sagte er und fragte sich innerlich, woran sie in diesem Moment wohl dachte, wo sie ein wenig entrückt lächelte.


    "Achwas, ein potentielle Ehemann kann doch nur froh sein, wenn er immer genau weiß, daß es wirklich seine Frau ist, die er gerade in den Armen hält", trieb er den Scherz noch ein wenig weiter, um die Mädchen zu sticheln. "Aber ich sehe schon, mein überaus praktischer Vorschlag stößt auf wenig Gegenliebe. - Ihr müßt von dem Schinken kosten, er ist ausgezeichnet." Warum aß nur keiner so recht? So schlecht konnte es ihnen doch nicht gehen?


    "Ach, Geschäfte. Die habe ich ja ganz vergessen", tat Ursus erschrocken. Der Schalk saß ihm heute eindeutig im Nacken und er zwinkerte seiner Frau zu, die ihre Bemerkung ja sichtlich auch nicht ganz ernst gemeint hatte. "Wie gut, daß ich nun Dich habe, mich an diese wichtigen Dinge zu erinnern." Das war schon nur noch ein halber Scherz. Er musterte sie eingehend, da er gespannt auf die Reaktion war. Würde sie sich allein auf den Haushalt beschränken oder war sie auch an anderen Dingen interessiert?


    "Unser Geschenk? Auf dem Weg hierher?" Ursus schüttelte erstaunt den Kopf. "Gestern und heute ist hier so viel herumgeräumt und dekoriert worden, daß mir tatsächlich nichts aufgefallen ist. Was ist es?" Sein Blick wechselte von Corvinus zu Septima mit der stummen Frage, ob sie einfach nachschauen gehen sollten.

    Die Verteidiger zogen sich an der Stelle zusammen, an der die Palisade aufgebrochen war. Einige von ihnen hatten, als sie sahen, daß die Palisade gleich fallen würde, Speere mit den entschärften Spitzen nach oben in die Erde gerammt. Mancher Legionär würde darauf vielleicht nicht achten und so zu Fall gebracht werden können. Nun drängten die Männer in einer geschlossenen Formation durch die Palisade. Doch es war nur eine begrenzte Zahl von Männern, die hier nebeneinander gehen konnten. So konnten die Verteidiger nun versuchen, von vorne und von beiden Seiten auf die Angreifer einzudringen. Auch sie hielten ihre Formation geschlossen, hatten doch auch sie die gleiche Ausbildung genossen wie die Angreifer. Der Vorteil der Angreifer war natürlich der schier endlose Nachschub. Nur jetzt zu Beginn konnten die Verteidiger noch Punkte machen. Und das versuchten sie sehr verbissen. Konzentriert hielten sie ihre Formation und stießen aus der Deckung heraus geschickt zu. Der Decurio feuerte seiner Männer an, achtete auf die Einhaltung der Regeln und rief seine Befehle, wie auch Centurio Iulius es tat. "Haltet die Formation! Achtet auf eure Deckung! Velanius, Du bist raus! Lücke schließen! Wenn sie zu sehr vordrängen, dann setzt eure Schwerter und Speere ein!"

    Ursus schaute auf die Armbänder. Dann schaute er wieder auf die Mädchen. Irrte er sich denn tatsächlich? Sie blickten so treu und lieb drein. Ihn jetzt noch auf den Arm zu nehmen wäre wirklich nicht mehr nur lustig. Hm. Er war sich so sicher gewesen. Wieder forschte sein Blick in ihren Gesichtern. Hatte er es sich denn tatsächlich falsch herum gemerkt? Offenbar. "Na, sowas aber auch", lachte er und zwinkerte den beiden zu. "Dann bist also Du Flora und Du Narcissa." Er deutete richtig auf die beiden und schüttelte den Kopf über sich selbst. "Na, aber jetzt weiß ich es", behauptete er, sehr von sich überzeugt. "Ihr seht euch aber auch wirklich verflxt ähnlich."


    Zum Abschluß des Mahles nahm er sich einen Apfel. Zu dieser Jahreszeit waren sie sehr schrumpelig, aber sie waren auch süß und aromatisch. "Marei, willst Du den beiden nicht heute ein wenig Gesellschaft leisten und ihnen von uns allen erzählen. Aber nur die guten Sachen natürlich." Er zwinkerte der Kleinen zu. Dann wandte er sich wieder an die Zwillinge. "Marei kennt sich übrigens sehr gut in der Stadt aus. Sie ist aber noch nicht sehr lange bei uns im Haus und ich weiß nicht, ob Celerina ihr schon gestattet hat, in die Stadt zu gehen. Vielleicht sprecht ihr mal mit Celerina? Sie ist ja ohnehin auch noch nicht sehr lange mit Marcus verheiratet und freut sich gewiß über eure Gesellschaft."

    Armors Pfeil? Demnach war es wohl tatsächlich Liebe, die Iunia Serrana und Germanicus Sedulus zusammengeführt hatte. Auf beiden Seiten. Das deckte sich mit dem, was Sedulus bei ihrem Gespräch so erzählt hatte. Ursus lachte die beiden in herzlicher Freude an. "Nein, ich habe von nichts gewußt. Und wünsche euch beiden viel Glück. Klappt denn auch alles mit der Kleinen? Hat sie Dich schon ins Herz geschlossen, Serrana?" Er nahm kaum etwas anderes an. Müßte nicht jedes Kind froh sein, so eine junge und liebenswürdige Mutter zu bekommen wie Serrana? "Also hat keiner von uns gewonnen, Sedulus? Oder beide? Was machen wir denn da?" Als Serrana berichtete, daß auch sie das Floß verpaßt hatte, lachte Ursus sie an. "Ich muß gestehen, daß ich das auch gerne gesehen hätte. Und auch den Löwen, der zwischendurch das Haus unsicher machte und unsere Sklavinnen verschreckte." Andererseits würde er diese Nacht um nichts in der Welt missen mögen. Ursus schaute zu seiner Frau und hoffte, sie würde dies in seinem Blick lesen können.


    Eine hochgewachsene Vestalin, die sich als Claudia Romana vorstellte, gratulierte ihnen. Ursus erinnerte sich, daß Septima sie als gute Freundin bezeichnet hatte. "Sehr erfreut, Dich kennenzulernen, Claudia Romana. Warst Du nicht auch bei dem Fest bei den Germanicern, zu den Fontinalia? Ich meine, Dich dort gesehen zu haben. Hab Dank für Dein Kommen. Und für Deinen freundlichen Segen." Eine ungewöhnliche Frau. Und wie er fand, eine ungewöhnliche Freundschaft, die seine Ehefrau da pflegte.


    Irgendetwas ging vor, in der Ecke, wo der Duccier und der unhöfliche Aelier mit ihren Begleiterinnen standen. Ursus konnte nur einen kurzen Blick erhaschen, auf die Männer, die sich gerade von den Frauen absetzten. Da kam schon die nächste Gratulantin und lenkte ihn vom Geschehen ab.


    Eine weitere Claudia trat heran. Die Ehefrau des Flavius Furianus, Claudia Catilina. "Salve, Claudia Catilina. Wir freuen uns, daß Du heute noch einmal unser Gast bist. Wie bedauerlich, daß Dein Mann unpäßlich ist. Bitte übermittle ihm unsere herzlichen Grüße und Besserungswünsche." Wie oft hatte er diesen Satz heute schon gesagt? Das Fest schien wirklich seine Spuren hinterlassen zu haben bei den Gästen. "Habe vielen Dank für Deine guten Wünsche." Wenn all die geäußerten Kinderwünsche in Erfüllung gingen, dann würde dieses Haus bald überquillen vor Kindern. Ursus schmunzelte bei dem Gedanken und ein merkwürdig warmes, wohliges Gefühl breitete sich in ihm aus. Alles schien so zu sein, wie es sein sollte.


    Wäre da nicht, ja wäre da nicht diese Unruhe, dieses Gemurmel, dieses hörbare Luftschnappen einiger Gäste. Ursus konnte nicht viel sehen, den Rand einer Schüssel, die ausgekippt wurde, einen Moment später hastende Schritte in den hinteren Bereich des Hauses. Der Duccier, wie es schien. Kurz darauf das fast fluchtartige Verlassen des Empfangs durch den unmöglichen Aelier, augenscheinlich Urheber des Chaoses, und Decima Seiana, die alles andere als glücklich wirkte. Eine Iunia blieb zurück, schaute zu ihm herüber. Ihre Blicke trafen sich für einen Moment. Bevor sie hinter dem Duccier hinterherhetzte. Ursus war perplex. Aber nur für sehr kurze Zeit. Dann ging er den Schritt zu Cimon herüber, der ihm von allen Sklaven am nächsten stand. "Sorg bitte dafür, daß der Unrat entfernt wird. Und laß der Köchin mitteilen, daß sie Ersatz schaffen muß." Natürlich hieß das nicht, daß Cimon selbst aufwischen oder zur Küche laufen sollte. Es genügte, wenn er andere beauftragte. Aber das würde der Nubier schon wisssen.


    "Liebe Freunde, liebe Familie! Bitte laßt uns doch herübergehen und uns zum Mahl niederlassen." Das würde alle von dieser Ungeheuerlichkeit ablenken. Zusätzliche Clinen und Korbsessel waren aufgestellt worden im großen Triclinium. Genug Platz für alle Gäste. Sklaven eilten herbei, um behilflich zu sein, um weitere Becher zu verteilen und Schüsseln mit Wasser zu reichen, damit sich die Gäste vor dem Mahl die Hände waschen konnten.

    Ursus war sehr stolz darauf, ein Salier zu sein. Die archaische Kleidung mochte bei manchem zwar ein wenig albern wirken, eben bei den älteren Mitgliedern, von denen der eine oder andere eben doch schon etwas aus der Form geraten war. Aber die meisten von ihnen waren gut gebaut, so daß es auch gut aussah. Sie hatten in der letzten Zeit häufig geprobt und so konnten sie sicher sein, ein gutes Bild abzugeben. Nun versammelten sie sich also bei der Curia Iulia, bereits in der Ordnung, in der sie losgehen würden. So gaben sie schon jetzt ein gutes Bild ab. Wie nicht anders zu erwarten war, wartete man bereits auf sie. Obwohl sie durchaus pünktlich waren.

    "Guten Morgen", grüßte Ursus das eintretende Mädchen und lachte, als sie das Fest als großartig titulierte. "Ganz ehrlich, so langsam weiß ich nicht mehr, ob ich mich darüber freuen sollte, daß ihr Mädchen so viel Spaß gehabt habt oder ob ich mir Sorgen über euren Lebenswandel machen sollte. Wie gut, daß ich nicht gezwungen bin, euer gestrenger Bruder zu sein." Er zwinkerte den Zwillingen zu und lachte nur noch mehr, als die Geschichte mit dem Löwen zuende erzählt wurde. Wie gut, daß er nur unausgeschlafen war und nicht auch noch einen Kater hatte. Sonst wäre das Lachen sicher zur Qual geworden. "Die arme Lysandra. Sie hatte bestimmt nicht genug getrunken, um das alles lustig finden zu können. Sie hat doch hoffentlich die Nacht unbeschadet überstanden?" Nicht, daß er den Männern zutrauen würde, sich einfach an fremdem Eigentum zu vergehen.


    Als seine Frau Obst orderte und ihn fragte, ob er auch etwas davon wollte, nickte er lächelnd. "Ja, danke, sehr gerne." Im Gegensatz zu ihr griff er aber auch ansonsten tüchtig zu. Er hatte gewaltigen Hunger! Nach dem üblichen Getreidebrei nahm er sich etwas Brot und beträufelte es mit Honig. Dazu aß er etwas Käse und Schinken. Als das Obst, das wirklich appetitlich und reichlich angerichtet war, gebracht wurde, bediente er sich auch daran ungeniert.


    "Besser wäre es, eure Namen auf eure Stirn zu schreiben, denn Armbänder oder Schilder kann man schließlich austauschen", scherzte Ursus und machte sich auf große Empörung gefaßt. Aber die beiden Mädchen forderten so etwas auch wirklich heraus. "Narcissa, wenn Du je wirklich schlimme Kopfschmerzen oder auch sonstige Schmerzen haben solltest, wirst Du diesen Sud für das köstlichste Elexier halten. Es hilft nämlich wirklich." Er hoffte natürlich, daß sie ihn nie nötig haben würde.


    "Unser Majordomus heißt Brix. Wenn Du einen Raum brauchst, kannst Du gewiß das Tablinum nutzen. Oder gerne auch mein Officium, ich brauche es heute vermutlich nicht", erklärte er an Septima gewandt. Es war ja nur natürlich, daß sie einiges zu organisieren hatte, war sie doch ab heute auch für einen Teil des Haushaltes verantwortlich.

    Zitat

    Original von Marcus Valerius Mercurinus

    Sim-Off:

    Wie du möchtest. Man kann sowas ja auch ausgesimmt eintragen lassen, wenn man schon mal da ist.


    Verginius Scaeva kritzelte etwas zusammen. Und dann drehte er das Eheregister so, dass die beiden Brautleute Einsicht nehmen können. "So...fertig. Stimmt alles so?"



    Ursus kontrollierte ebenso wie Septima die Eintragung. Schließlich war es wichtig, in solchen Registern fehlerfrei eingetragen zu sein. "Ja, völlig in Ordnung so. Vielen Dank." Er wartete noch den Moment, bis Septima zum Gehen bereit war. Von ihrem Unwohlsein bemerkte er nichts. Selbst wenn, hätte er es wohl auf die Aufregung geschoben. "Einen schönen restlichen Tag für Dich. Vale." Damit verließen sie das Eheregister. Ihre erste gemeinsame Pflicht hatten sie damit erfüllt.




    Sim-Off:

    Wir haben Dich liebgewonnen und kommen nochmal zu Dir :D

    Die beiden Mädchen blieben bei ihrem kleinen Streich und Ursus ließ ihnen die Freude. Er schmunzelte und nickte zu ihren Eröffnungen. "Du liebst Pflanzen und den Garten?", wandte er sich an Flora, die er für Narcissa hielt. "Dann wirst Du Dich mit Marcus bestimmt gut verstehen. Und es ist gut zu wissen, dann kannst Du mich bestimmt beraten, wenn ich mal ein Geschenk für Marcus brauche."


    Als sie von ihrer Kindheitserinnerung erzählten, lachte er amüsiert auf. Die beiden waren als Kinder bestimmt sehr lebhaft gewesen. "Ich erzähle euch lieber nicht, was ich alles auf dem Kerbholz hatte damals. Meine Schwester war ja viel braver als ich. Aber manches haben wir auch zusammen verbrochen. Dieses Haus hier hat schon einiges erlebt an Kinderstreichen." Er lachte wieder, denn in der Erinnerung waren seine Streiche zum Teil wirklich dumm gewesen. Doch welches Kind stellte keine Dummheiten an? "Aus dem Alter seid ihr ja, den Göttern sei Dank, längst heraus", behauptete Ursus grinsend, wobei er sich da insgeheim ganz und gar nicht sicher war. Die beiden sahen im Gegenteil so aus, als säße der Schalk ihnen ziemlich oft im Nacken. So wie ja auch ihr kleiner Spaß mit der Verwechslung zeigte. Er war schon gespannt, wen sie noch alles an der Nase herumführten.

    Ursus staunte nicht schlecht, wie gekonnt seine Frau sich auf dem Parkett der Diplomatie bewegte. Er mußte unwillkürlich schmunzeln, als er merkte, wie sie seinen Patron Vinicius Lucianus auf charmante Art ein wenig umgarnte. "Ja, selbstverständlich ist der Ehrenplatz für Dich vorgesehen", bestätigte Ursus die Worte Septimas, ohne durchblicken zu lassen, ob das ohnehin der Plan gewesen war oder nicht. Das Festmahl würde bald beginnen. Sobald die Gäste versammelt waren.


    Die Unhöflichkeit des Aelius Archias überging Ursus, als wäre sie nie geschehen. Doch es war nicht so, daß er sie sich nicht merkte. Was für ein schlechtes Aushängeschild der Gens Aelia! Ob Quarto wußte, wie Archias sich benahm? Vielleicht sollte er ihn bei Gelegenheit mal dezent darauf hinweisen. Decima Seiana hingegen erwies sich als sehr angenehme Person und Ursus schenkte ihr ein anerkennendes Lächeln, bevor sie seinem Blick entschwand.


    Wie sich Septima freute, als ihre Verwandten ankamen! Ursus ließ ihr Zeit für die Umarmungen und die durchaus stürmische Begrüßung. Es war ja nicht so, als hätten sie sich nicht erst gestern gesehen. Für einen winzigen Moment fragte er sich, ob es ihr am Ende hier doch nicht gefiel, daß sie sich so sehr über den Anblick ihrer Familie freute. Doch dann machte er sich klar, daß dies eine völlig normale Reaktion war. Ursus trat schließlich auf Tiberia Arvinia und Tiberius Celsus, ach nein Tiberius Ahala zu. "Salvete, ihr beiden. Ich hoffe, ihr habt die Folgen der gestrigen Feier schon halbwegs überwunden?" Vielleicht konnten sie ja von diesen beiden noch ein wenig mehr von dem erfahren, was auf der gestrigen Feier so vorgefallen war.


    Besonders freute sich Ursus darüber, daß auch Flavius Gracchus heute erschien, um zu gratulieren. "Willkommen, werter Flavius Gracchus. Hab vielen Dank für Deine guten Wünsche. Wie schade, daß Deine Gemahlin auch heute nicht dabei sein kann. Richte ihr bitte unsere herzlichen Grüße und vor allem Besserungswünsche aus. Wir würden uns sehr freuen, wenn ihr beide uns bald in privaterem Rahmen einmal besuchen würdet, sobald Deine Gemahlin genesen ist." Er wechselte kurz einen Blick mit seiner Frau, wegen der spontan ausgesprochenen Einladung. Vielleicht konnte sie sich ja mit Claudia Antonia anfreunden?


    Sein Freund Germanicus Sedulus trat in Begleitung von Iunia Serrana heran. Ursus schaute amüsiert zwischen den beiden hin und her. Und natürlich fragten die Frauen sogleich wegen der erwähnten Wette nach. "Salvete, Sedulus und Serrana. Danke für die guten Wünsche und die Geschenke! - So ist das also, Du alter Charmeur! Wette? Es war mehr eine Abmachung. Na, wie lange weißt Du schon von Septima und mir und hast mir nichts von Serrana erzählt? Ich nehme doch an, daß meine Frau richtig liegt mit ihrer Vermutung?" Er lachte und zwinkerte auch Calvena zu, die sich ebenfalls hinzugesellt hatte und so neugierig wie die beiden anderen Frauen nach der Wette fragte.