Und wie ich Hunger hatte! Ich konnte es kaum noch abwarten, bis endlich etwas Essbares auf dem Tisch stand. Warum ich so bescheiden war, wusste ich selbst nicht. Es war einfach so in mir drin. So hatten mich meine Eltern erzogen und was noch erschwerend hinzu kam, bei ihm hatte ich das Gefühl, mir etwas zu nehmen, was mir nicht zustand. Genau dieses Gefühl löste auch jedesmal diese Unsicherheit bei mir aus. Also waren etwas Brot und Milch mehr als ausreichend. Was mir dabei niemals in den Sinn kam, war, dass ich es war, die schon mehr als genug gegeben hatte und immer noch geben musste. Wenn man einmal erleben musste, dass man nichts wert war, glaubte man irgendwann selbst daran und mit meinem Selbstwertgefühl war es nicht besonders gut bestellt. Daraus resultierten auch meine Ängste, die mich in jeder freien Minute heimsuchten. Besonders die Angst vor der Zukunft wollte mich manchmal geradezu auffressen. Aber war genau das nicht völlig Paradox? Die ganze Zeit hatte ich von der Freiheit geträumt und nun da sie unmittelbar bevorstand, bereitete mir der Gedanke, bald tun und lassen zu können, was ich wollte, eine solche Angst. Hätte meine Zukunft nur mich betroffen, hätte ich dem wesentlich entspannter entgegen sehen können. Doch bald hatte ich auch noch ein Kind zu versorgen, das Essen und Kleidung brauchte und ein Dach über dem Kopf. Ich hatte keine Ahnung, wie ich das alles, auf mich selbst gestellt, bewerkstelligen sollte. Ganz zu schweigen von der Gewissheit, nie mehr nach Hause gehen zu können.
Überrascht sah ich auf, als Aquilius dann die ganze Karte bestellte und meinte, es wäre viel zu wenig, was ich mir ausgesucht hatte. Dass er auch auf den Wein verzichtete, war sehr ungewöhnlich. Ich glaubte, noch nie einen Römer getroffen zu haben, der freiwillig auf Wein verzichten wollte. Warum nur das alles? Ich war es einfach nicht gewohnt, dass sich jemand um mich sorgen machte. Eigentlich war dies ja ein schönes Gefühl, zu wissen, dass jemand an einen dachte und dass man eben diesem Menschen nicht gleichgültig war. Doch sich deswegen zu freuen und glücklich zu sein, gelang mir auch nicht. Solche Aufmerksamkeiten beschworen in mir nur eine Verlegenheit herauf, die sich dann meist durch rotwerden oder ein unterdrücktes Lächeln zeigten. Was hätte ich darum gegeben, endlich einmal all das auszusprechen, was sich in all der Zeit in mir angesammelt hatte. Was unbedingt heraus wollte aber nicht durfte. All das schnürte mir an manchen Tagen die Kehle zu und dieser Tag, so kam es mir vor, wollte sich nur auch wieder an unzählige andere anknüpfen.
Wie nicht anders erwartet, erwiderte ich sein Lächeln verlegen. Eine Gefangene, die in sich selbst gefangen war. Einfach nur hoffungslos!
Ich nickte erst nur bei seinen Worten, ich müsse genug essen. Während er sich in eine legere undentspannte Lage brachte, saß ich immer noch kerzengerade da. Die Anspannung in mir war unerträglich. So musste es auch nach außen wirken.
Ich bekomme das übliche, antwortete ich auf die Frage nach dem Essen. Was aber das bedeutete, wusste er sicher nicht. Er hatte sich wahrscheinlich nie die Frage gestellt, wie das Essensangebot im Sklaventrakt aussah. Dass die Qualität des Essens gegenüber dem der Herrschaft zu wünschen übrig ließ und dass Gemüse und Obst Seltenheitswert besaßen, hatte ich nicht erwähnt. Ich presste meine Lippen aufeinander und sah kurz in eine andere Richtung, so als wolle ich eine Empfindung verheimlichen.
Es gibt jeden Tag das gleiche. Ein nicht genau zu definierender Brei, in dem sich gelegentlich etwas verkochtes Gemüse verirrt hat. Fisch oder Fleisch gibt es so gut wie nie. Und Obst gibt es dort auch nicht.
Ich sah ihn mit einem ernsten Ausdruck an.
Manchmal gelingt es mir, Reste des Frühstücks oder der cena zu ergattern, gestand ich. Dies war kein Thema, über das ich gerne sprach. Wahrscheinlich auch deswegen, weil ich glaubte, dadurch undankbar zu wirken.