Beiträge von Flaviana Brigantica

    Seit meiner Begegnung mit Furianus war ich äußerst vorsichtig geworden und gerade jetzt, da ich alles darum gab, dass diesem Kind, das ich in mir trug, nichts geschah, war ich besonders darauf bedacht, niemandem mit einem falschen Wort oder eine anstößigen Geste zu reizen.
    Langsam hob ich meinen Kopf an, um zu sehen, was um mich herum geschah. Dabei vermied ich es, den Flavier direkt ins Gesicht zu blicken. Sogleich gab er dem anwesenden Sklaven den Befehl, eine weitere Kline herbeizuschaffen. Im ersten Moment dachte ich nicht im Traum daran, dass die Kline für mich bestimmt sein könnte. Vielleicht erwartete er ja doch noch einen Gast und er brauchte einfach noch einen weiteren Sklaven, der ihn und seine Gesellschaft bediente.
    Während er auf die zweite Liege wartete, ließ er mich kommentarlos neben sich stehen. Aber auch ich schwieg natürlich. Nur tief in mir drinnen, war ich traurig, dass auch dieser Tag verloren schien. Ich hatte mich doch so darauf gefreut, ein wenig in der frischen Luft entspannen zu können und die Sonnenstrahlen zu genießen. Doch daraus sollte heute nichts werden.
    Meine Augen streiften ihn leicht und ich beobachtete ihn, wie er begann, mit dem Essen zu spielen. Das war eine jener Unsitten, die man mir von Haus aus schon immer untersagt hatte. Ich erinnerte mich noch an die mahnenden Worte meiner Mutter, die sie mir und meinen Geschwistern ständig predigte: Mit Essen spielt man nicht! Doch der Flavier fand an diesem Zeitvertreib gefallen und ich beobachtete ihn dabei eine Weile wie er versuchte, eine Olive hoch zu werfen und diese dann mit dem Mund zu fangen. Allerdings war er dabei nicht sehr erfolgreich. Beinahe hätte ich grinsen müssen, als dies misslang. Doch statt eines Grinsens, sah man nur ein leichtes Zucken um meine Mundwinkel herum.
    Nach einer gefühlten Ewigkeit kamen endlich zwei Sklaven, die eine der Klinen aus dem Speisezimmer heraus trugen. Sie stellten sie direkt neben der des Flaviers ab. Kaum stand die Kline an ihrem Platz, wies er mich an, auf ihr Platz zu nehmen. Es war keine Bitte, nein, dies war ein Befehl. Ich zögerte nicht lange, sondern tat, wie mir geheißen wurde, auch wenn es sehr ungewohnt für mich war. Noch nie zuvor hatte ich auf einer solchen Liege Platz genommen und während ich mich auf ihr ausbreitete, schweifte mein Blick verunsichert über den kleinen Garten hin zu den Säulen. Ich wollte sicher gehen, dass mich niemand erwischte, was ja an sich absurd war, denn man hatte es mir ja befohlen und ich führte ja in diesem Augenblick ja auch nur einen Befehl aus, wenn auch ein angenehmer Befehl.
    Die Kline war überraschend bequem und die Polsterung ungewöhnlich weich. Darauf zu liegen war äußerst angenehm und meinem derzeitigen Zustand auch sehr zuträglich.
    Kurzzeitig fiel mein Blick auf ihn und als unsere Augen uns trafen, lächelte ich nur etwas verlegen, wandte aber sogleich meinen Blick wieder ab. Erst als er mich nach dem Wein fragte, schaute ich wieder zu ihm hinüber und konnte beobachten, was er mit jenem Schluck tat, den er gerade genommen hatte. Ich fragte mich nur, warum er den Wein den wieder ausspuckte und nicht trank? Machte man das etwa so in der besseren Gesellschaft? Ich war darüber etwas verwirrt und konnte vorerst gar keine Antwort geben. Als er schließlich nachfragte, ob ich ihn eigentlich verstünde, nickte ich erst und fand endlich auch einige Worte.


    Ja, ich verstehe dich, dominus. Ich trinke nicht oft Wein und deshalb bin ich ihn nicht so gewöhnt.


    So, als ob er eine der in der Villa herum streunenden Katzen fangen wollte, hielt er mir ein Stück des Geflügelfleisches entgegen und fragte, ob ich davon kosten wolle. Um ehrlich zu sein, war dies sehr verlockend. Solche Delikatessen bekam man in der Tat nicht täglich, wenn man in diesem Haus als Sklave leben musste. Allerdings wusste ich nicht, wie mein Magen darauf reagieren würde, hätte ich es erst einmal gegessen. Vielleicht würde ich ihn aber damit auch verärgern, würde ich das Fleisch nicht nehmen. Also nahm ich es und kostete es etwas verunsichert.


    Danke, dominus! Es ist wirklich sehr schmackhaft, sagte ich, nachdem ich den letzten Rest in meinem Mund hinuntergeschluckt hatte. Dieses Variante, Geflügelfleischzu essen, bei schwangerschaftsbedingter Übelkeit, hatte ich auch noch nicht probiert. Es blieb abzuwarten, wie mein Magen darauf reagieren würde.

    Das war einer jener Morgen, die damit begannen, dass es mir wieder einmal speiübel war. Wie so oft in letzter Zeit, bedurfte es nur der Anblick, der geringste Geruch von Essen oder der Duft bestimmter Öle und Essenzen, damit sich mit hundertprozentiger Sicherheit mein Magen umdrehte. In solchen Fällen suchte ich immer gleich Zuflucht im Sklaventrakt. Manchmal half schon ein Stückchen trockenes Brot vom Vortag. Ein anderes Erfolgsrezept, nämlich das Essen von Nüssen und Mandeln, stammte von einer der Küchensklavinnen, die schon so manches Kind auf diese Welt gebracht hatte und die es ja wissen musste. Jaja! Fünf Minuten Spaß und ein Leben lang Ärger mit den Bälgern, sagte sie dann noch, was auf mich nicht besonders ermutigend wirkte.
    Mama Cungah, die stets ein Auge auf mich warf und mir in allem, was die Schwangerschaft betraf, unter die Arme griff, munterte mich wieder auf. Mein Kindschen, hab keine Angst! Isch habe schon so vielen Kindern auf die Welt geholfen, sei es die von den Herrschaften oder auch die von den Sklaven. Es ist immer etwas Wunderbares! Auch die Übelkeit geht einmal vorbei! Und außerdem Kindschen, du bist so blass! Du solltest mal raus in den Garten gehen, damit die Sonne an dich geht und du etwas Farbe kriegst! Das ist auch gut für´s Gemüt! Mama Cungah hatte einfach immer Recht und so stahl ich mich, nachdem ich alle meine Arbeiten erledigt hatte, um die Mittagszeit hinaus in den Garten. Das Wetter schien heute auch ein Einsehen mit mir zu haben, denn die Sonne schickte ihre wärmenden Strahlen auf die Erde und alles erstrahlte in einem besonderen Licht. Das Beten an Brigid für den baldigen Beginn des Frühlings hatte auch in diesem Jahr wieder geholfen. Überall hatte es begonnen, zu blühen und zu sprießen. Auch mein Bauch tat es den zarten Pflanzen gleich. Die kleine Wölbung, die sich unter meiner Tunika abzeichnete und die man nun unschwer als Babybauch interpretieren konnte, war nicht mehr zu übersehen.


    Etwas Eigenartiges schien an jenem Vormittag in dem kleinen, von Säulen umgebenen Garten vorzugehen. Sklaven waren eifrig damit beschäftigt, einige Möbelstücke hinaus zu schaffen, andere Sklaven brachten mehrere Amphoren Wein hinaus und wieder andere kredenzten dann die erlesensten Speisen. Ich beobachtete eine Weile das Geschehen von weitem und wunderte mich etwas. Hatte irgendwer zum Mittag hin etwa eine Gesellschaft geladen? Stand etwa ein Fest an? Allerdings konnte ich nur einen einzigen Teilnehmer dieses ominösen Mahls erkennen. Dieser mir unbekannte Mann, hatte es sich auf der einen Kline, die dort draußen stand, bequem gemacht. Wer das wohl sein mochte? Vielleicht ein mir noch unbekanntes Familienmitglied? Vor einigen Tagen war mir schon zu Ohren gekommen, dass ein Mitglied der Familie verwundet aus dem Krieg heimgekehrt sei. Ein gewisser Arrestus, oder so ähnlich. Den Namen hatte ich mir nicht genau gemerkt. Eigenartig, wie sich die Leute hierzulande nannten! Aber das musste ja nicht meine Sorge sein.
    In all der Zeit, in der ich nun hier war, hatte ich gelernt, Vorsicht walten zu lassen, wenn es darum ging, sich einem bis dahin unbekannten Flavier zu nähern. Im Grunde hatte jeder, der dieser Familie entstammte, eine besondere Abart an sich. Bei dem einen war dieses Phänomen ausgeprägter, bei dem anderen weniger ausgeprägter. Man konnte hier jeder Zeit auf liebenswert- spleenige Typen, wie Lucanus oder auch auf größenwahnsinnige Psychopathen, wie Furianus stoßen. Die Palette, der hier vorherrschenden Charaktere war schier endlos.
    Plötzlich schien der Unbekannte meine Anwesenheit bemerkt zu haben. Er winkte mich mit einer seltsamen Bezeichnung herbei. Venustas? Zuerst sah ich mich verunsichert nach beiden Seiten um, ob er nicht doch jemand anderen damit gemeint haben könnte, doch ich war die Einzige, weit und breit. Venustas- so hatte mich wirklich noch niemand genannt!
    Ich näherte mich zaghaft dem Mann auf der Kline. Seiner Aufmachung und dem verletzten Bein nach, handelte es sich wohl wirklich um jenen heimgekehrten Flavier, dessen Name mir entfallen war.
    Ich sah fünf silberne Pokale, die auf dem Tischchen vor ihm aufgebaut waren. Alle waren mit Wein gefüllt. Hatte ich ihn richtig verstanden? Ich sollte kosten? Na, wunderbar! Ich war wohl die ungeeignetste Person, die man sich für das Weinkosten vorstellen konnte, denn ich mochte einfach keinen Wein. In meinem jetzigen Zustand hielt ich mich erst recht von solchen Getränken fern und trank den Wein nicht einmal verdünnt. Auch der Anblick der Speisen und deren Geruch, die man für ihn aufgebaut hatte, taten ihr übriges um jenes blümerante Gefühl in mir wieder hochkommen zu lassen.


    Dominus, du hast nach mir gerufen, sagte ich zaghaft und schaute verlegen zu Boden. Es bereitete mir große Mühe, dieses Gefühl der Übelkeit erfolgreich zu unterdrücken.

    Meine Augen verfolgten jeder seiner Bewegungen, wie er den Schmuck auf seinen Schreitisch legte, ihn wieder in das Tuch hüllte und ihn schließlich im Inneren des Möbelstücks verschwinden ließ. Ein seltsames Gefühl der Erleichterung durchströmte mich, aber es hielt nicht lange an. Seine Abwehrhaltung und wie er mich plötzlich zu ignorieren schien, begannen an mir zu nagen. Es tat auf einmal so weh, feststellen zu müssen, ihn so enttäuscht zu haben. Mir war nur noch zum heulen zumute. Doch mich jetz hier hinzustellen und loszuheulen, wollte ich auch nicht.
    Die Frage nach dem Woher, die zwangsläufig nun folgen musste, war völlig an mir vorbei gegangen. Ich fühlte mich innerlich so zerrissen. Konnte ich es denn wirklich wagen, mit der Wahrheit ans Licht zu kommen? Sollte ich mich ihm anvertrauen? Konnte ich ihm denn vertrauen? Er besaß doch alle Macht über mich und nicht nur über mich. Auch über jenen, der mir den Schmuck zum Geschenk gemacht hatte. Wenn es ihm gefiel, konnte er mit uns verfahren, wie er wollte.


    Wie verloren stand ich in der Mitte seines Arbeitszimmers und der Wunsch, weit weg von hier zu sein, war mir nicht erfüllt worden. Im Gegenteil! Ich saß mitten in der Falle, ohne Aussicht auf ein Entkommen. Es gab nur noch einen Weg: die Flucht nach vorne! Die Zeit der Heimlichkeiten war vorbei! Ich wollte alles endlich losweden. Alles, was mir in den letzten Monaten so zu schaffen gemacht hatte. Jetzt endlich hatte ich den Mut gefunden und ich wollte mich auch jeder Kosequenz stellen, die die Beendigung der Heimlichtuerei mit sich bringen würde. Ich nahm den Mut, ihm blindlinks zu vertrauen und hoffte darauf, dadurch nicht in die Tiefe gerissen zu werden.


    Seit dem ich hier bin, bringe ich denen, die mich lieben oder die sich um mich kümmern nur Unglück, begann ich plötzlich ganz tonlos. In meinen Augen sammelten sich einige Tränen, denn es war Severus, an den ich in jenem Atemzug dachte.


    Also, ist es wohl meine Bestimmung, auch jetzt Unglück zu verbreiten, denn ich werde dir jetzt alles sagen, alles, was es mit diesem Halsreifen auf sich hat.
    Der Schmuck war ein Geschenk von Severus. Es war seine Morgengabe an mich, wie er sagte, für die erste Nacht, die ich ihm schenkte. Er hat mir den Halsreif erst Wochen danach geschenkt, da er natürlich nicht über die Mittel verfügte. Ich weiß nicht was er dafür getan hat, soviel Geld zu beschaffen und ich will es auch nicht wissen. Vermutlich waren es seine Ersparnisse oder Wetten aus der Gladiatorenschule, um sich eines Tages freizukaufen.
    Dieser Halsreif war die Ursache für unseren Streit. Deswegen zerbrach alles.
    Ich trug den Schmuck an jenem Morgen, an dem ich mich wieder mit Severus versöhnen wollte. Es war der Morgen nach jener Nacht, in der... in der ich ihn betrogen hatte. Doch er hat mir auch diesmal nur Unglück gebracht.
    Dann ging ich hinaus zu dem Teich, um mich zusammen mit dem Halsreif zu ertränken. Unglücklicherweise kam mir da Lucanus zu vor und rettete mich. Er hat dann den Schmuck dann an sich genommen. Ich dachte, nun wäre alles vorbei, alles vergessen! Am Abend der Saturnalien, nachdem ich mich ein letztes mal mit Severus ausgesprochen hatte und wir endgültig unsere Liebe, die schon längst nur noch Hass war, begruben, schlich ich mich in Lucanus´ Cubiculum und holte mir den Schmuck wieder zurück. Er weiß davon nichts. Seitdem hielt ich den Halsreif in meiner Kammer versteckt.
    So, jetzt kennst du die ganze Wahrheit! Es tut mir leid, dass ich nicht schon früher den Mut hatte, es dir zu erzählen. Aber ich bitte dich nur um zwei Dinge: sei bitte nachsichtig mit Severus. Er hat sicher auch nichts unrechtes getan. Außerdem bitte ich dich, das Kind unter meinem Herzen nicht dafür leiden zu lassen, was ich getan oder versäumt habe.


    Endlich war alles ausgesprochen, was gesagt werden musste. Ich verbarg meine verquollenen und geröteten Augen, indem ich zu Boden schaute und darauf wartete, zu erfahren, was mir nun bevorstand.

    Während ich so am Feuer saß und mich dem Gebet an meine Göttin hingeben wollte, hatte ich schon gemerkt, wie es etwas unruhig um mich herum wurde. Erst war Dido verschwunden und hatte mich mit diesen Anhänger beehrt, dann das Raunen von Youenn und das Geflüstere von Micipsa und schließlich auch noch von weitem einige Stimmfetzen, die an mein Ohr drangen. Wie sollte man sich da auf etwas besinnen können, wenn ständig jemand störte!
    Von all dem und auch von meiner inneren Enttäuschung, da ich der Meinung war, mein kleines Fest sei nun vollkommen ruiniert, ließ ich mir nichts anmerken. Wie sollte man denn auch ein keltisches Fest in einem römischen Garten feiern! Für das nächste Fest, das schon in wenigen Monaten anstand, müsste ich mir etwas besseres einfallen lassen. Das dumme war nur, dass auch Beltaine mit einem Feuer gefeiert wurde! Das würde wesentlich schwieriger werden, denn in einigen Monaten würden sicher die Flavier ihren Garten für sich selbst beanspruchen. Darüber nachzudenken machte mich traurig und meine Stimmung war momentan sowieso nicht die Beste!
    Nachdem ich mein Gebet beendet hatte erhob ich mich wieder und ging zurück zu meinem Platz neben Micipsa und Youenn.


    Ich glaube, sie sind jetzt weg! Wir werden wohl nicht von irgendwelchen aufgebrachten Flaviern von unserem Feuer vertrieben werden.


    Ich musste etwas schmunzeln und die Situation erinnerte mich zwangsläufig an das Samhainfest in der Villa Aurelia, von dem ich selbst nur bruchstückhafte Erinnerungen hatte aber auch einiges von Erzählungen her noch wusste. Zum Glück hatte ich diesmal nicht mit Fliegenpilzen experimentiert. Wer weiß, wie dann das Fest verlaufen wäre? Vielleicht wäre ich dann nicht ganz so deprimiert, wie ich es jetzt war. Dieses ganze verdammte Dasein war eben nur im Vollrausch zu ertragen! Ach ja, den Met hatten wir noch gar nicht angerührt!


    Möchtet ihr nicht auch etwas Met trinken?


    Ich griff zu einem der Becher und füllte ihn mit dem Honigwein. Kam es mir nur so vor oder schmeckte er jetzt noch besser?

    An der Art, wie Aquilius mich ansah und wie er seine Frage gestellt hatte, konnte ich bereits erahnen, dass er über das Auftauchen des Schmuckstücks gar nicht amüsiert war. Zwar konnte er noch seinen Ärger im Zaun halten, doch es war nur eine Frage der Zeit bis er sich nicht mehr zurückhalten konnte.
    Warum ich aber nach allem was geschehen war, Severus noch immer schützen wollte, war selbst für mich nur schwer nachvollziehbar. Vielleicht war mein Schuldgefühl der Grund. Insgeheim war ich noch immer von der fixen Idee beseelt, an allem, was Severus getan hatte, um an das Geld für diesen Schmuck zu kommen, eine Mitschuld zu haben.
    Doch mit welcher Erklärung sollte ich denn jetzt aufwarten? Eine plausible Erklärung, woher der Schmuck kam, hatte ich nicht. Warum hatte ich auch nur den Halsreif aus seinem sicheren Versteck geholt? Später, wenn ich dann wirklich frei gewesen wäre, hätte ich ihn ganz einfach zu Geld machen können. Und jetzt? Jetzt hatte ich mir vielleicht alles zunichte gemacht! Ich musste wirklich verrückt sein! Aber war es nicht auch so, dass ich endlich mein Gewissen von dieser schweren Last befreien wollte? Gleich was es auch war, Aquilis hatte mir eine Frage gestellt, die absolut ihrer Berechtigung hatte und ich musste schleunigst eine Antwort präsentieren. Eine Antwort, die möglichst allen gerecht wurde! Doch gab es eine solche Antwort überhaupt? Je länger ich darüber nachdachte, umso mehr kam ich zur Überzeugung, dass das eine das andere ausschloß!


    Der Schmuck, …er.. er war ein … ein … Geschenk!


    Ich stammelte mehr, als dass ich frei heraus sagte, was es mit dem Schmuck auf sich hatte. Sein fordernder Blick, der auf mir lastete, schien mich erdrücken zu wollen. Mir wurde auf einmal heiß und kalt und meine Angst, die ich ausstand, war kaum noch zu verbergen. Ich wünschte, ich wäre an einem andern Ort, weit, weit weg, von hier. Bitte höre doch auf, zu fragen! Ich möchte dich nicht anlügen müssen! Doch mein stilles bitten, das sich höchstens in meinen Augen spiegelte, würde sicher nicht stattgegeben werden. Meine Antwort verlangte förmlich nach einer weiteren Rückfrage.
    Aber eigentlich hatte ich doch nichts zu befürchten, wenn man es einmal ganz nüchtern betrachtete. Schließlich hatte ich nichts Böses getan! Ich hatte nicht gestohlen und ich hatte auch nichts anderes unrechtes getan! Lediglich hatte ich mir den Halsreif wieder aus Lucas Cubiculum geholt, ohne ihn vorher zu fragen. Aber das war doch nicht stehlen!


    Ich… ich habe nichts unrechtes getan, dominus! Das musst du mir glauben!


    Noch einmal versuchte ich, diesmal etwas sicherer, ihn von meiner Unschuld zu überzeugen. Er kannte mich doch jetzt schon ein wenig! Er würde doch nicht glauben, dass ich ... Nein, bestimmt nicht!

    Fhinas Äußerungen, meiner Geschichte betreffend, ließ mich wieder etwas hoffungsvoll lächeln. Jeder, dem ich bis jetzt meine Geschichte erzählt hatte, wollte mich damit aufmuntern, eines Tages meine Heimat wieder sehen zu können. Doch insgeheim glaubte ich selbst nicht mehr daran. Mit dem Kind des Flaviers unter meinem Herzen, würde es für mich fast unmöglich werden, jemals wieder nach Éirinn zurück zu kommen. Niemals würde ich ohne mein Kind gehen, wäre es erst einmal auf der Welt!
    Doch Fhina wollte ich im Glauben lassen, dass ich noch Hoffnung auf eine Rückkehr in mir hatte.


    Ja, wir haben wirklich Glück gehabt! Er ist sehr nett und freundlich und ich kann mich wirklich nicht beklagen.


    Ich bestätigte Fhinas Aussage und suchte auch gleichzeitig Micipsas Blick, so als wollte ich auch von ihm eine Bestätigung einfordern.


    Als die Sprache auf die Götter kam und ob unsere beiden Völker in einer Verbindung standen, schweifte mein Blick wieder von Micipsa ab und ich konzentrierte mich wieder auf Fhina. Sie erwähnte einen Gott namens Taranis. Diesen Namen hatte ich schon oft gehört. Insbesondere dann, wenn ich mich mit anderen keltischen Sklaven, die vom Festland stammten, unterhalten hatten. Taranis, der Gott des Donners, den man mit den abgeschlagenen Köpfen der Feinde wieder besänftigen konnte.


    Torann! Bei uns nennt man ihn Torann. Ja, ich glaube schon, unsere Völker sind miteinander verwandt. Einer alten Legende zufolge, sollen meine Vorfahren vor vielen Jahrhunderten übers Meer gekommen sein und haben Éirinn dann erobert und besiedelt. Zwar haben unsere Götter etwas andere Namen, doch gehen sie auf den gleichen Ursprung zurück. Meine Göttin zum Beispiel, Brigid nennt man in Britannia Bigantia… oder Cerunnos, der Gehörnte findet sich bei uns als Cernach wieder.


    Es war, als konnte ich alles um mich herum für eine Weile vergessen. Es war schön, in Fhina so eine Art Verwandte gefunden zu haben. Ich lächelte ihr freundlich zu und diesmal war es ein wirklich überzeugtes und aufrichtiges Lächeln.
    In einiger Entfernung vor uns, erblickte ich schon vereinzelte Verkaufsstände und kleine Läden. Dort sollte es sicher auch einige Erfrischungen für uns geben.


    Laßt uns doch dort hingehen! Dort können wir uns sicher etwas Obst kaufen!


    Zielsicher schlug ich den Weg zu einem der Stände ein, der allerhand Gemüse und Obst feilbot. Einiges davon war mir bisher völlig unbekannt. Darum hielt ich mich an die Obstsorten, die ich kannte.


    Wie wäre es mit einigen Äpfeln?


    Fragend blickte ich zu meinen Begleitern.

    In diesem Augenblick tat es mir so gut, jemanden hier zu haben, der mir zuhörte. Zwar hatte sich nichts an meiner Lage geändert, doch fühlte ich mich doch etwas erleichtert, mich Micipsa anvertraut zu haben. Dieser Sammelfond, von dem er sprach hörte sich gut an. Doch wer von den anderen Sklaven würde seine Habseligkeiten für das Wohlergehen meines Kindes opfern wollen. Nein, es mußte eine andere Lösung her!
    Als sich Micipsa zum gehen aufmachen wollte, erhob ich mich ebenso. Er hatte meine Hand losgelassen und wollte sich schon umdrehen, um die Kammer zu verlassen.


    Ich danke dir, Micipsa! Danke, dass du mir zugehört hast! Ich werde mit Aquilius darüber sprechen müssen.


    Ich lächelte ihm noch kurz zu. Dann wartete ich, bis er gegangen war. Erst danach verließ auch ich meine Kammer.

    Gebannt hörte ich Fhina zu, während wir immer weiter in die Stadt hinein liefen. Auch sie hatte Schreckliches erlebt. Doch es wunderte mich, wie sie es schaffte, so ungezwungen davon berichten zu können. Vielleicht war sie dazu in der Lage, weil es doch schon vor fünf Jahen passiert war. Die Zeit heilt alle Wunden, so sagt man. Ob sie auch Fhinas Wunden geheilt hatte?
    Natürlich wollte sie nun auch meine Geschichte hören und ich wollte sie ihr gerne erzählen, auch wenn es vielleicht wieder schmerzhaft für mich wäre.


    Da, wo ich herkomme gibt es einen Fluß, der in der Nähe unseres Dorfes ins Meer mündet. Ich liebe es immer, am Strand spazieren zu gehen. Eines Tages, es war vor etwa einem Jahr, der Frühling war gerade zurückgekehrt, ging ich alleine zum Strand. Es war Ebbe und ich wollte Muscheln im Schlick sammeln. Plötzlich waren da Männer. Ich hatte sie erst gar nicht bemerkt. Sie kamen auf mich zu und sie sprachen eine fremde Sprache. Ich rannte vor ihnen weg und sie verfolgten mich. Beinahe hätte ich es geschafft, zu entkommen. Aber dan stolperte ich und fiel hin. Sie überwältigten und fesselten mich. Ich versuchte, mich mit aller Kraft zu wehren. Doch leider vergebens! Sie brachten mich dann auf ihr Boot und entrissen mich so meiner Heimat.


    Wie seltsam, heute machte es mir fast gar nichts aus, darüber zu sprechen. Ich sah Fhina an und versuchte zu lächeln.
    Micipsa folgte uns immer noch. Eine eigenartige Stille herrschte zwischen uns dreien. Die galt es zu durchbrechen!


    Hört mal, wollen wir uns etwas Obst und etwas zu trinken kaufen? Aquilius hat mir etwas Geld mitgegeben.

    Zitat

    Original von Pallas
    Doch sie sollte nicht die letzte Besucherin gewesen sein, wie ferne Stimmen wenige Minuten später verrieten. Es war wie verhext.
    "Hört ihr das?", fragte er. Schließlich konnte es auch sein, dass seine Fantasie heute ein wenig überaktiv war und er sich die Stimmen nur einbildete.


    Ich kniete immer noch vor dem Feuer und war in mein Gebet vertieft. Was um mich herum geschah, nahm ich nur schemenfaft wahr. Auch von Didos Aufbruchabsichten bekam ich nicht viel mit. Erst als sie neben mir stand und plötzlich einen hölzernen Anhänger auf meinen Schoß fallen ließ, sah ich kurz auf. Doch so schnell und lautlos, wie sie an mich herangetreten war, so schnell war sie auch wieder weg.
    Ich besah mir kurz den Anhänger und erkannte ein katzenähnliches Tier darin. Ich wusste nicht, was ein Tiger war. Ein solches Tier hatte ich zuvor noch nicht gesehen.
    Schnell kehrte ich wieder in mich und zu meinem Gebet zurück.
    Pallas´ Bemerkung lenkte mich noch einmal von meiner Meditation ab. Doch ich erwiderte nichts darauf. Ich dachte mir nur meinen Teil! Anscheinend litten hier auch noch Andere unter Halluzinationen.
    Schon bald konzentrierte ich mich wieder voll auf das, was ich meiner Göttin noch sagen wollte und versank wieder in meinen Gedanken.

    Zusammen mit Micipsa, der zu unserem Schutz mitgekommen war, machte ich mich mit Fhina auf den Weg. Die ersten warmen Sonnenstrahlen des Frühlings umschmeichelten uns und ich war froh, wieder einmal aus dem Haus gehen zu können. Trotzdem hatte ich mir noch schnell einen Umhang übergezogen, damit ich mich nicht doch noch erkältete. In meinem Zustand, wollte ich nichts riskieren. Mittlerweile konnte man schon eine kleine Wölbung meines Bauches erahnen.


    Der erste Kontakt zwischen Fhina und mir war geknüpft. Zwar hatte es anfangs einige Missverständnisse gegeben, doch hatte ich in ihr eine nette junge Frau erkannt, die vielleicht auch einmal eine Freundin werden konnte.


    Seit fünf Jahren bist du also schon von zu Hause weg? , begann ich, um das Gespräch, das wir in der Villa begonnen hatten, nun fortführen zu können.


    Das ist eine ganz schön lange Zeit! Was ist geschehen? Warum haben diese Männer dich mitgenommen?


    Ich war mir nicht sicher, ob ich mich mit meinen Fragen vielleicht zu weit hinaus gewagt hatte. Mir selbst war es ja manchmal auch unangenehm, mich an den Tag meiner Entführung zu erinnern. Aber sie kam aus einem Teil des Imperiums. Konnten da denn auch einfach so Menschen entführt werden, die man dann anschließend zu Sklaven machte?

    Wohlwollend lächelte ich Caelyn zu. Nur zu gut konnte ich sie verstehen. Ja, sie war einfach verliebt und wenn man verliebt war, dann tat und sagte man so mach unüberlegtes.


    Ja, du bist schön! Sollte jemand etwas anderes behaupten, dann lügt er. Doch du solltest nicht so viel darüber grübeln! Das wird dich nur noch mehr verstimmen. Du solltest dich denjengen stellen, derentwegen du in dieser schlechten Stimmung bist. Rede mit ihm und rede vielleicht auch mit Cadhla! Nur dann wirst du wirklich Gewissheit haben.


    Ich gab ihrden gleichen Rat, den mir Fiona an diesem Abend gegeben hatte. Ich hatte ihren Rat befolgt und nur zu gut wusste ich jetzt selbst, dass reden Gewissheit brachte. Das Gespräch, dem ich an diesem Abend erst ausweichen wollte, aber welches ich dann doch gesucht hatte, brachte mir Gewissheit. Gewissheit darüber, dass ich von nun an alleine war. Severus hatte sich nun endgültig von mir getrennt und es würde kein Happy End geben. Nur schwer konnte ich meine Tränen zurückhalten. Nein, ich hatte genug Tränen um Severus vergossen! Das musste nun endlich ein Ende haben!
    Caelyns letzte Frage brachte mich etwas aus dem Gleichgewicht. Fliehen? Das war für mich nie ein Thema gewesen. Wohin hätte ich fliehen sollen? Der Weg nach Éirinn war viel zu weit, um dorthin zu fliehen. Ein anderes Ziel würde es für mich nie geben.


    Nein, Caelyn! Ich wüsste nicht wohin ich gehen sollte. Ich muss hier bleiben, bis man mich freiwillig gehen lässt.


    Das hörte sich so leicht an, doch es fiel mir so unendlich schwer, es auszusprechen. Ich wusste, es würde noch Jahre dauern, wenn es denn jemals so weit wäre.

    Einen kurzen Moment konnte ich meinen Blick vom Feuer losreissen und ließ ihn zu dem Kind wandern, das mich mehr als verwundeet ansah. Natürlich hatte sie nicht verstanden, was ich gesagt und gemeint hatte. Ich selbst fühlte mich ja momentan auch mehr oder weniger aus der Spur geworfen. Wie konnte ich mich so geirrt haben? Aber gut! Vielleicht hatte sich das, was ich gehört hatte, längst aus dem Staub gemacht.
    Nun wollte sich Dido wohl zurückziehen. Eigenartigerweise empfand ich dies als eher traurig. Vielleicht hatte ich sie durch mein Verhalten ja gekränkt, vielleicht fand sie diese Veranstaltung hier nun auch mehr als suspekt. Womöglich hatte die Kleine ja auch recht! Es wäre wohl am geschicktesten, wenn ich nun noch meine Opferung zelebrierte, um meiner Göttin zu gedenken und dann diese ganze Feier abzubrechen, zusammenzuräumen und mich anschließend irgendwo in der Villa zu verkriechen. Ja, so sollte ich es am Besten machen!
    So erhob ich mich und nahm den Krug mit der übriggebliebenen Milch und kniete mich direkt vor das Feuer. Ich erhob meine Arme gen Himmel und begann laut und deutlich zu sprechen.


    Brigid, große Göttin, nimm dieses bescheidene Opfer als Dank. Du hast das Dunkle vertrieben und durch dich empfangen wir wieder neues Leben.


    Vorsichtig vergoß ich die Milch in die Flammen. Nur schwer waren mir die Worte über meine Lippen gekommen. Ich danke Brigid für das neue Leben. Nicht nur für das nun sprießende Grün, nein auch für das neue Leben, welches in mir selbst heranwuchs und gegen das ich mich doch so sehr wehrte. Doch trotz allem wäre ein vorzeitiger Abbruch für mich unvorstellbar gewesen. Dies hätte gegen alles widersprochen, woran ich glaubte.
    Dann hielt ich meine beiden Hände vor mein Gesicht und begann noch leise ein Gebet zu murmeln. Es war etwas persönliches und niemand sollte hören, was ich mit meiner Göttin zu besprechen hatte.
    Noch eine ganze Weile verharrte ich so betend vor dem Feuer und vergaß alles um mich herum.

    Ich hatte mich diesmal etwas abseits von den anderen gesetzt und starrte schweigsam ins Feuer. Micipsa war sogleich aufgestanden, um nachzusehen, wer oder was da im Gebüsch saß. Ich schaute ihm nicht nach, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Was immer sich da auch im Gebüsch versteckt hatte, sollte nicht merken, dass man es entdeckt hatte.
    Derweil dachte ich noch einmal über meine Worte nach, die ich vorhin im Groll gesagt hatte. War meine Reaktion vielleicht doch etwas überzogen gewesen? Hätte ich besser ruhig und bedacht darauf kontern sollen? Was auch immer, nun war es zu spät. Was gesagt war, war gesagt und eigentlich hatte ich es ja auch wirklich so gemeint. Also, warum sich jetzt noch Vorwürfe machen?


    Nach einer Weile kehrte Micipsa ans Feuer zurück- allein! Darüber war ich doch sehr erstaunt. Schließlich hatte ich fest damit gerechnet, dass er denjenigen, der uns die ganze Zeit beobachtete, zur Strecke bringen würde. Stattdessen sah er mich so eigenartig an. Fast schon vorwurfsvoll war sein Blick. Konnte ich mich wirklich so getäuscht haben? Ich war mir ganz sicher gewesen, jemanden gehört zu haben! Ich konnte nicht glauben, dass mich meine Sinne derat getäuscht hatten. Oder war die Aufregungen und der Streß der letzten Tage einfach zu viel für mich gewesen und ich begann nun schon zu hallizunieren? Was immer auch dahinter steckte, es beschämte mich und am liebsten wäre ich nun davongelaufen.
    Stattdessen blieb ich aber nur in mich gekehrt sitzen und starrte weiter ins Feuer und hoffte, dieser Abend hätte bald ein Ende!

    Auf meine schlichte Frage hin, wurde ich urplötzlich von einem emotionsgeladenen Schwall aus derben Worten und verletzten Gefühlen übergossen und ich war mehr als erstaunt, was ich da hörte! Wie gelassen sie doch das Thema Flucht ansprach, so als wäre es das selbstverständlichste auf der Welt und Cadhla! Die Cadhla, mit der ich vor einiger Zeit Samhain gefeiert hatte? Die Cadhla die mir eher sehr unnahbar vorgekommen war? Sie sollte ihre Konkurrenz sein? Nein, das konnte ich mir wirklich nicht vorstellen!


    Also zunächst einmal, nein du siehst nicht... schlecht aus! Du bist sogar wirklich sehr hübsch! Glaube mir!, begann ich mich vorsichtig an sie heranzutasten.


    Und das mit Cadhla, bist du dir ganz sicher? Ich meine, ich kenne Cadhla nicht so gut, wie du es vielleicht tust. Eigentlich habe ich sie nur drei oder viermal gesehen und ich glaube nicht, dass ich deshalb von mir behaupten kann, sie zu kennen. Doch bist du dir sicher, dass auch sie seine Gefühle erwidert oder steckt da eher so etwas wie Zwang dahinter? Vielleicht zwingt er sie ja dazu! So etwas kann uns allen passieren!


    Ehrlich gesagt, fühlte ich mich gerade völlig überfordert. Denn was sollte ich ihr sagen, was sie nicht noch mehr verletzen würde oder sie noch zu schlimmeren anstiften würde. Doch natürlich hatte ich Verständnis für sie, obwohl sie mir ein Tick zu impulsiv war.


    Ach ja, du solltest vielleicht nicht so öffentlich über deine Fluchtpläne nachdenken! ergänzte ich noch, ohne ermahnend auf sie wirken zu wollen.

    Zu Beginn des Abends hatte alles danach ausgesehen, als ob dies eine schöne, gemütliche Feier werden würde. Alles hatte ich so schön vorbereitet und geplant. Auch war es mir nicht unangenehm gewesen, dass nun auch Dido zu uns gestoßen war. Bis zu diesem Augenblick! Ich hatte wirklich nichts gegen Kinder! Schließlich würde ich ja selbst bald eines haben! Von meinen eigenen kleinen Geschwistern wusste ich auch, dass Kinder manchmal Dinge taten und sagten, die ein Erwachsener nie tun würde. Mir war bewusst, dass man sich die Worte eines Kindes nicht zu Herzen nehmen sollte, gerade dann, wenn es sich um ein Schlitzohr, wie Dido handelte, die, wie jeder wusste, ein Mundwerk, wie ein Gassenjunge besaß. Doch das war zu viel! Jedenfalls für mich! Vielleicht hatte sie ja Recht, als sie sagte, ich hätte ja Glück gehabt, als Sklavin bei den Flaviern gelandet zu sein. Auch wenn ich das so nicht wirklich nachvollziehen konnte. Glück war eben Ansichtssache! Glück wäre gewesen, an jenem Tag, den Sklavenjägern entkommen zu sein!
    Doch ihre Frage, warum ich denn nun nicht die Feste der römischen Götter feiern würde, da ich doch nun römische Sklavin sei, entsetzte mich. Mit einem Mal wurde ich kreidebleich. Ich sah sie nur an und konnte eine ganze Zeit lang gar nichts sagen oder tun. Auch Micipsas Antwort rauschte förmlich an mir vorbei.


    Ich bin keine römische Sklavin! Ich bin nur die Sklavin eines Römers! Mehr nicht! Und tief in meinem Herzen werde ich auch niemals römisch sein! Und mein Kind auch nicht!


    Ich blieb ruhig und behielt die Beherrschung, obwohl ich innerlich zu bersten drohte. Meine Worte kamen langsam aber bestimmt über meine Lippen. Ich wollte nicht losbrüllen, obwohl mir danach gewesen wäre!
    Um letztlich nicht doch noch die Beherrschung zu verlieren, stand ich auf und entfernte mich von den anderen. Tränen begannen über meine Backen zu rinnen und ich fragte mich, warum ich überhaut jemanden zu meinem Fest eingeladen hatte. Warum saß ich jetzt nicht in meiner Kammer und gedachte im Stillen meiner Göttin? Dachten hier alle so wie Dido? Weder Micipsa, noch Youenn hatten ihr widersprochen! In diesem Moment wurde mir bewusst, ich würde hier früher oder später zugrunde gehen.


    Aber was war das? Ein Geräusch, das aus den Büschen zu kommen schien, riss mich aus meinem Gram. Ich sah auf, konnte aber in der Dunkelheit nichts erkennen. Ich wischte meine Tränen ab und drehte mich wieder zu den anderen am Feuer um. Jetzt laut herumzuschreien, dass sich wohl jemand im Gebüsch versteckt hielt und uns die ganze Zeit beobachtet hatte, hätte sicher denjenigen verscheucht. Deshalb ging ich wieder zielstrebig zum Feuer zurück und beugte mich über Micipsa.


    Micipsa, ich glaube, da ist wer im Gebüsch! Könntest du bitte mal nachsehen?, wisperte ich ihm leise zu.

    Die Erwiderung seines Händedrucks wollte mir wieder etwas Hoffnung geben. Hoffnung gaben mir auch seine Worte, auch wenn ich wusste, dass es ganz anders kommen konnte. Daran wollte ich aber nun nicht denken. Solche Gedanken würden mich irgendwann in den Wahnsinn teiben! Doch der einen Frage, die ich mir innerlich stellte, folgte schon gleich die nächste! Was wird er tun wenn ich es ihm sage? Ist es wirklich sein Kind oder doch eher Severus´? und wenn es seines ist, was dann?
    Ich musste Klarheit gewinnen!
    Doch was mich am meisten schmerzte, war die Tatsache, dass ich einen neuen Sklaven zur Welt bringen würde. Ein Kind, das niemals eine andere Chance bekäme!
    Freiheit! Bei der Erwähnung dieses Wortes horchte ich auf!


    Wie sollte ich die Freiheit erlangen? Dafür bin ich doch viel zu jung! Wenn wenigstens das Kind...


    Den letzten Satz führte ich nicht mehr zu Ende. Stattdessen erinnerte ich mich der Worte, die mir Straton vor einigen Monaten gesagt hatte. Damals sprach er davon, dass man seine Fähigkeiten nutzen konnte, um ein wenig Geld für sich zu sparen, damit man sich irgendwann freikaufen konnte.
    Ich hatte keine Ahnung, wie lange so etwas dauerte, bis man genug Geld zusammen gespart hatte. Wieviel Zeit würde mir bleiben, bis das Kind da wäre? Im günstigsten Fall noch fast sechs Monate. In diesem Fall musste dann auch das Kind von Aquilius sein. Wenigstens die Freiheit für das Kind!
    Ja, ich musste mit ihm sprechen! Doch nicht bevor ich endgültig Klarheit hatte.