Beiträge von Flaviana Brigantica

    Micipsas diplomatische Bemerkung zu Didos eigenwilligem Gesang ließ mich schmunzeln. Ich hatte eigentlich gar keinen Zweifel daran, dass eine passende Antwort aus dem Munde des Kindes, nicht lange auf sich warten ließ.
    Doch dann griff er meine Antwort auf Didos Frage wieder auf.


    Ja, mein Vater ist Schied und ja, er genießt hohes Ansehen und Vertrauen in unserem Dorf.


    Ich lächelte etwas gequält. Meine Sehsucht wollte mich wieder übermannen, doch ich wollte dadurch den Abend nicht verderben und so ließ ich mir nichts weiter anmerken.


    Nach dem Tod meiner Mutter war er sehr stark und hat uns, meinen Geschwistern und mir gelehrt, nicht die Hoffnung aufzugeben und zu resignieren.


    Trotz allem fiel es mir manchmal schwer, daran zu glauben.


    Und ihr, was wisst ihr noch von euren Eltern?


    Meine Frage war an Dido, aber auch an Micipsa gerichtet. Youenns Antwort auf meine Frage kanne ich ja bereits, doch auch ihn sah ich an.

    Sim-Off:

    -.^Ich mach dann mal weiter! ;)


    Kaum hatte ich Fhina meine letzte Frage gestellt, kam auch schon Aquilius Einwurf, warum wie einander nicht verstanden, zumindest auf sprachlicher Ebene. So schien mir Fhina eine nette Frau zu sein, die ich gerne noch näher kennenlernen wollte.
    Doch vorerst sah ich zu Aquilius auf und hörte mir an, was er zu sagen hatte. Wie ich mir bereits gedacht hatte, war Raetia keine Stadt in Britannia, sondern eine Region, die weit entfernt von meiner Heimat war.
    Mittlerweile hatte er auch sein Antwortschreiben vollendet und überreichte es Fhina, samt der Oliven. Mir steckte er einige Münzen zu, die ich mit einem dankbaren Lächeln annahm.


    Dominus, könnte ich Micipsa mitnehmen?, fragte ich ihn noch. Da ich in letzer Zeit großes Vertrauen in dem Nubier gefunden hatte, war er durch sein respekteinflößendes Erscheinungsbild ein idealer Begleitschutz durch die Stadt. Außerdem war er sicher gegen ein wenig Abwechslung auch nicht ganz abgeneigt.

    Zu gerne hätte ich gewusst, was in jenem Moment in ihm vorging, als er damit begann, das Tuch umzuschlagen und somit langsam, doch unaufhaltsam das Schmuckstück freilegte. Der kostbare Halsreif, den mir Severus einst als Liebesbeweis geschenkt hatte und der dann der Auslöser für unsere Trennung geworden war, erstrahlte in voller Pracht, als er endlich vom Stoff befreit, in Aquilius´ Hand lag. Das Geschmeide war aus Gold, von dem wie eine schimmernde Kaskade feine Kettchen herabströmten, die in tropfenförmigen, tiefblauen Saphiren endeten. Ein einzelner, größerer, geschliffener Saphir war, von filigranen Ornamenten umgeben, in den Halsreif eingearbeitet. Die Saphire leuchteten, wie das blaue Meer an einem Sommertag. Das formvollendete Schmuckstück wäre eine Zierde an jedem Hals einer edlen Dame gewesen und sicher hätte eine andere Frau alles darum gegeben, es behalten zu dürfen. Doch ich fühlte nur eine ungeheurere Erleichterung, als ich den Schmuck endlich losgeworden war. Fast hatte ich schon vergessen, dass ich ihn noch immer besessen hatte. Seit jenem Abend an den Saturnalien, als ich ihn mir in Lucas cubiculum wieder geholt und ihn ein letztes mal getragen hatte, lag er sicher verborgen in meiner Kammer und schlummerte vor sich hin.
    Etwas verunsichert schaute ich zu Aquilius, der wie es schien, auch nicht recht wusste, was er davon halten sollte, was er da in Händen hielt. Wie oft hatte ich diesen Moment der Übergabe vor meinem inneren Auge durchgespielt und darüber nachgedacht, was ich sagen sollte! Nun, als es endlich soweit war, da fehlten mir auf einmal die Worte. Eines war sicher, trotz allem was vorgefallen war, wollte ich Severus´ Tat nicht verraten.Ich wusste, er hatte für seine "Morgengabe" getötet! Doch, dass Blut an dem Schmuckstück klebte, würde Aquilius von mir nicht erfahren. Nächtelang hatte ich wach gelegen, weil mir die Frage, was ich mit dem Halsreif tun sollte, den Schlaf raubte. Die wenigen Male, da ich ihn getragen hatte, waren eher dunkle und schicksalhafte Momente gewesen. Dieses Ding brachte mir nur Unglück, so glaubte ich. Vielleicht würde er einer anderen Trägerin mehr Glück bringen.
    Hätte ich verschweigen sollen, dass der Schmuck sich in meinem Besitz befunden hatte? Schließlich war er bislang unentdeckt geblieben und sicher wäre er wahrscheinlich auch bis zu meiner Freilassung nie entdeckt worden. Dann hätte ich ihn verkaufen können.
    Der Moment, da sich unsere Blicke trafen, schien endlos zu sein. Nach einer gefühlten Ewigkeit brachte ich schließlich doch einige gestammelte Worte heraus. Fast überschlug sich mein Herz.


    Ich.. ich… äh.. möchte ihn .. äh.. nicht behalten. Bitte… nimm du ihn!

    Ich lächelte etwas gequält auf seine Bemerkung. Ob es mein Kind mit mir wirklich gut getroffen hätte, würde sich noch zeigen. Keine Frage, ich wußte, wie man Babies und Kleinkindern umging. Nichts anderes hatte ich die letzten acht Jahre gemacht. Was ich allerdings nicht wußte, war die Frage,ob ich eine gute Mutter werden dürfte. Allein diese Frage bereitete mir ungemeine Bauchschmerzen.


    Das würde ich gerne sein. Aber ich habe Angst davor, dass man mir das Kind wegnehmen könnte, antwortete ich traurig. Vor allem graute es mich vor dem schweren Gang zu Aquilius. Ich müsste ihm alles beichten und ich hatte Angst davor, da ich nicht recht einschätzen konnte, wie er diese Neuigkeit aufnehmen würde.Ich brauchte noch einen Plan!
    Langsam ergriff ich Micipsas Hand.


    Ich habe Angst vor der Zukunft!

    In einer freien Minute war ich mit meiner Vermutung zu Cungah gegangen und hatte mich ihr anvertraut. Sie war die Einzige, zu der ich mit dieser Frauenangelegenheit gehen konnte und sie war auch die Einzige in der Villa, der ich Vertrauen entgegenbrachte. Cungah hörte mir geduldig zu und vermied es, einen Kommentar dazu abzugeben, nachdem ich auf ihre Frage nach dem Vater keine genaue Auskunft geben konnte. Nur ein bedächtigtes Mhm konnte man vernehmen. Dafür war ich ihr auch unendlich dankbar, denn dass ich einen Fehler begangen hatte, wusste ich selbst.
    Sie stellte nur sachliche Fragen zu den Veränderungen meines Körpers und des ausgebliebenen Zykluses. Einen Moment schwieg sie und überlegte, dann begann sie zu rechnen und benutzte dafür ihre dicken Finger, bis sie schließlich zu einem Ergebnis kam. Ich war mehr als erstaut, als sie mir gänzlich unerwartet sagen konnte, seit wann ich schwanger war. So war ich wenigstens über diese Frage im Klaren. Jetzt wußte ich auch, wer der Vater sein musste, was mich allerdings nicht im mindesten beruhigen konnte!
    Cungah versuchte, mich zu beruhigen. Sie meinte, eine Schwangerschaft wäre etwas wunderbares und ich sollte doch diese Zeit geniessen. Wie sollte ich diese Zeit geniessen, da dies soch das Letzte war, was ich wollte? Ich würde ein Kind in diese Welt setzen, dessen Schicksal bereits schon feststand, bevor es auch nur den ersten Lichtstrahl erblickt hätte.
    Cungah meinte, ich sollte doch alles aufschreiben, was mit mir passierte und wie ich mich fühlte. Solche Dinge würde man später wieder vergessen, doch wenn man sie aufschriebe, blieben sie für spätere Erinnerungen erhalten. Erst war ich gar nicht so begeistert von diesem Vorschlag, zumal ich meinen derzeitigen Zustand als eher belastend empfand. Wer würde sich schon für die Schwangerschaft einer Sklavin interessieren?
    Doch nach einigen Tagen gefiel mir der Gedanke immer mehr. Ich würde es für mich tun und auch für das Kind, auch wenn es als Sklave aufwachsen müsste. So nahm ich eine Feder und ein Stück Papyrus zur Hand, das ich eigentlich bekommen hatte, um meine Lieder niederzuschreiben und begann zu schreiben:

    Tagebuch einer werdenden Mutter

    Sim-Off:

    Klasse! Ich hau mich gleich weg! :D


    Ich wunderte mich schon, als Dido plötzlich zu schmollen begann. Hatte ich etwas falsches gesagt, sie beleidigt oder sie sogar unwissentlich verletzt hatte? Doch wie man es von Dido gewohnt war, ließ sie nicht allzu viel Zeit verstreichen, bis sie sich schließlich zu Wort meldete. Schwalbenlied! Nicht Schwanenlied!
    Das musste ich doch glatt überhört haben! Oder es war in ihrem Krakeelen untergegangen. Herrje, das war mir jetzt richtig peinlich!


    Oh, das tut mir leid! Das habe ich wohl falsch verstanden! Manchmal habe ich eben auch noch so meine Aussetzer! Aber weißt du, es gibt auch schwarze Schwäne. In meiner Heimat steht es unter Strafe, einen Schwan zu töten.


    Ich grinste verlegen. Hoffentlich würde mir das Dido nicht für den Rest ihres Lebens übel nehmen. Doch ich war guter Hoffnung, denn sie erzählte schon munter weiter.
    Aha, Serenus Großmutter war also dagegen gewesen, dass Dido mit nach Baiae kommt. Weil sie einen schlechten Einfluß auf Serenus hatte. Deswegen musste sie also hier bleiben. Mhhm, ehrlich gesagt,sah ich zwischen den beiden Kindern keinen großen Unterschied! Sie passten doch prima zusammen, wie Pech und Schwefel. Die eine stand dem anderen in nichts nach! Dido sah das sicher ähnlich, denn in ihrer Stimme lag so etwas, wie Sehnsucht. Sie vermisste Serenus sicher sehr, so wie man eben seinen Spielkameraden vermisste, wenn der weg gezogen war.
    Dido wollte wohl nicht an die Trennung von ihrem Herrn erinnert werden, so lenkte sie die Aufmersamkeit wieder auf mich.


    Nein, ich wurde nicht als Sklavin geboren. Meine Familie ist frei. Ich lebte früher in einem kleinen Dorf. Das Meer war nicht weit. Mein Vater war...ist Schmied und meine Mutter ist vor einigen Jahren gestorben, als sie meinen jüngsten Bruder zur Welt brachte.


    Jetzt kam die Sehnsucht in mir hoch, doch ich wollte meine Gefühle nicht zeigen, darum lächelte ich einfach, obwohl mir danach gar nicht zumute war.

    Das Kind musste völlig ausgehungert sein! Ich hatte noch nie jemanden gesehen, der so schnell den Teller leer geputzt hatte! So langsam machte sie auch den Eindruck, dass es ihr auch nicht mehr so kalt war. Während sie noch beim Essen war, begann sie zu sprechen. Ob sie wohl dachte, sie könnte mich mit ihren Worten aus der Fassung bringen? So schnell würde das nicht passieren. Da müsste sie schon andere Geschütze auffahren. Ich ließ mich nur zu einem Schmunzeln hinreißen, als sie meinte, Brigid wäre nicht besonders mächtig, da sie nur einige Tropfen Milch forderte.


    Ach weißt du, es ist ja noch Milch da. Eigentlich war die ganze Milch für das Opfer gedacht. Aber ich habe auch hier die schönen Blümchen für sie gepflückt und Brigid liebt auch den Gesang.


    Wenn ich zu Hause gewesen wäre, hätte mein Vater ihr vielleicht ein Lamm geopfert. Doch diese Möglichkeit hatte ich ja nun nicht.
    Kaum hatte ich den Gesang erwähnt, begann Dido auch schon aus voller Brust zu singen. Oder sollte man besser brüllen sagen? Es klang wirklich fürchterlich und hatte eigentlich mit Gesang nicht viel gemein. Ich hoffte nur, sie würde bald fertig sein. So würde sie noch alle Flavier auf uns Aufmerksam machen. Ehrlich gesagt, hatte ich heute Abend wenig Lust, auf großartige Erklärungsversuche, was wir hier machten und warum wir es machten. Außerdem schien der Lärm diesem Etwas, was in mir heranwuchs auch nicht sonderlich zu gefallen, denn plötzlich fühlte ich mich gar nicht so gut. Ich atmete einige male heftig ein und aus. Danach ging es mir wieder etwas besser.
    Glücklicherweise verschluckte sich Dido irgendwann und diese Tatsache brachte sie dann auch endgültig zum Schweigen. Jedenfalls riss ihr Gesang abrupt ab und das war ach gut so! Das Schwanenlied war das also! Aha! Der Schwan tat mir leid! In meiner Heimat würde man sie wahrscheinlich dafür steinigen, wenn sie die Schwäne dermaßen verunglimpfte. In Éirinn konnte man schwer bestraft werden, wenn man einem Schwan etwas antat!


    Nein, das Schwanenlied kenne ich nicht. So Serenus gehörst du also. Ich dachte, der ist in Baiae. Warum bist du nicht bei ihm?

    Das wurde ja immer verworrener! Ich hatte keine Ahnung, wo dieses Raetia lag und sie anscheinend auch nicht. Eigenartg! Doch nach allem was sie erzählte, musste Raetia keine Stadt, sondern ein Land oder eine Region sein. Soweit ich wusste, gab es so etwas nicht in Britannia.
    Aber sie erzählte auch davon, wie man sie zur Sklavin gemacht hatte. Ob man sie auch einfach so geraubt hatte?
    Ich lächelte, vielleicht um meinen eigenen Kummer hinunter zu schlucken. Den Kummer, den ich jedesmal empfand, wenn ich an jenen Tag, unten am Strand dachte...


    Liegt dein Dorf auch am Meer? Fragte ich noch einmal nach, um vielleicht doch noch hinter das Geheimnis ihrer Herkunft zu kommen. Wobei es ja eigentlich auch gleich war, woher man kam. Jetzt waren wir hier und wir mussten das Beste daraus machen, auch wenn es uns schwer fiel.


    Seit wann bist du denn hier?


    Wahrscheinlich noch nicht lange, sonst hätte sie sicher nicht solche Schwierigkeiten mit der Sprache gehabt. Aber auch das würde sie lernen. Sie müsste es sogar lernen, um überleben zu können.
    Ich lächelte ihr noch einmal zu. Eigentlich freute ich mich schon darauf, sie nach Hause begleiten zu dürfen. Mal wieder aus der Villa herauszukommen, etwas anderes sehen, das täte auch mir sicher gut.

    Ihrem verlegenen Lächeln nach zu urteilen, hatte sie mich wohl nicht verstanden. Kurz darauf bestätigte sie schließlich mene Annahme. Eigenartig, wenn sie doch aus Britannia kam! Vielleicht kam sie ja aus dem Süden. Dort sprachen sie ganz anders, als die Leute aus dem Norden, dem Teil der Insel, der nicht von den Römern besetzt war. Ab und an war ich solchen Leuten schon begegnet. Ihre Sprache war der unseren sehr ähnlich. Doch am eigenartigsten an ihnen war, dass sie ihre Haut mir einer Farbe anmalten, die nicht mehr abzuwischen ging. Aber gut! Fhina, so hieß sie, kam nicht aus dem Norden, jedenfalls nicht aus Britannias Norden.


    Oh, entschuldige bitte, mein Name ist Bridhe. Ich komme aus Hibernia. Ich dachte, du kämst vielleicht auch... nein, das tust du nicht! Woher kommst du, wo liegt dieses Raetia?


    Ich versuchte langsam zu sprechen, damit sie mich auch verstand. Ich kannte diese Situation ja nur zu gut! Man ist an einem fremden Ort, man versteht die Sprache kaum bis gar nicht und jeder verlangt, dass man tun soll, was verlangt wird.

    Ich hatte allen Grund, endlich beruhigt aufzuatmen! Caelyn hatte damit aufgehört, Fragen zu stellen, die mich nur noch tiefer in mein Elend getrieben hätten. Dafür war ich ihr dankbar. Umsomehr bemühte ich mich jetzt, ihr zuzuhören, was sie zu sagen hatte. Ihre eigenwillige Aussprache bereitete mir zwar noch einige Schwierigkeiten, doch verstand ich, worum es ging. Der Typ, der mich gekauft hat... Sie also auch! Das war mein erster Gedanke, wobei ich gar nicht so genau wusste, wer dieser Typ war. Ich hatte am Rande mitbekommen, dass sie mit den aurelischen Sklaven gekommen war, doch mehr wuste ich nicht über sie.
    Es war wirklich ein Drama! Nicht genug, dass man uns die Freiheit genommen hatte! Nein, unser Herz, das letzte Stückchen, was wir noch besaßen, raubten sie auch noch! Was sollte ich ihr jetzt sagen? Das, was sie hören wollte oder das, was ihr sowieso alle sagen würden? Lass die Finger weg von ihm! Doch in ihrem Fall, schien es noch eine andere Frau zu geben. Wer war sie? Was war sie? Gegen eine freie Römerin hätte sie eh keine Chance!


    Wer ist diese Andere? fragte ich vorsichtig. Ist sie auch eine Sklavin oder ist sie etwa eine...


    Nein, ich sprach es besser nicht aus. In ihren Worten hatte ich so etwas wie Eifersucht herausgehört. Ich wollte nicht nocht tiefer in ihrer Wunde bohren. Auch sie war doch nur auf der Suche nach Liebe und dem Geilebtwerden!

    Ich hörte aufmerksam zu und nickte kurz. Dann dreht mich dann zu der Sklavin hin. Sie war etwa in meinem Alter, vielleicht auch etwas jünger. Woher kam sie? Aus Raetia in Britannia? Davon hatte ich noch nie gehört. Doch musste auch nichts heissen, da ich selbst ja auch nicht aus Britannia kam. Es brachte mich fast zum Schmunzeln, wie Aquilius alles, was nördlich von Rom war und sich in irgendeiner Art keltisch anhörte, in einen Topf warf. Ich lächelte ihr noch kurz zu und wendete mich wieder Aquilius hin.


    Ja, dominus!
    Dann ging ich zu dem Mädchen hin, während Aquilius damit begann einen Brief zu verfassen.
    Sie machte einen etwas scheuen Eindruck. Das alles musste ihr ungeheuer fremd vorkommen. Sie erinnerte mich ein wenig an mich selbst, an meine ersten Tage hier. Für mich war dies damals auch eine völlig fremde Welt. Ich lächelte und sprach sie an.


    Dia duit! Bridhe is ainm dom.
    Ich versuchte es einfach einmal in meiner Muttersprache. Vielleicht verstand sie ja etwas.

    Sollte mich das jetzt beruhigen? Ja, das sollte es! Ich konnte auf einmal Severus´ Worte nachvollziehen, wenn er immer gegen Rom und die Römer wetterte. Doch gut. Es würde sich auch nichts daran ändern. Wichtig war doch nur, dass das Kind frei wäre –und ich auch! Ich! Warum kam bei diesem Gedanken nicht ein Fünkchen Freude auf. Ich würde wieder frei sein, so wie früher! Vielleicht weil es mir in diesem Moment auch bewusst wurde, dass ich zwar frei sein würde, doch hier bleiben musste. Ich würde nicht nach Éirinn zurückkehren, so wie ich es mir immer in meinen Träumen vorgestellt hatte. Ich musste mich weiterhin mit der Hoffnung begnügen, eines Tages zurückkehren zu können.
    Ich sah wieder zu ihm auf und erkannte ein Lächeln, zu dem er sich eher zwingen musste, als das es freien Herzens kam. Ja, diese Geste, die eigentlich unbedeutend war, beruhigte mich wieder und er tat mir plötzlich leid.


    Die Lüge ist ein Instrument, dessen wir uns manchmal bedienen müssen, wenn es keinen anderen Weg mehr gibt. Wie kann ich das jemals wieder gut machen?


    Es musste doch etwas geben, was ich tun konnte! Ich wollte nicht ewig in seiner Schuld stehen. Ich zermarterte mir das Hirn nach der Frage, was ich geben konnte. Was sollte ich geben? Ich hatte ja nichts! Wobei das nicht ganz zutreffend war! Wie ein Geistesblitz traf es mich. Meine Augen blitzten in jenem Moment auf, als ich eine Antwort gefunden hatte.


    Ich werde dir versprechen, so lange hier zu bleiben, wie du es wünschst und ich hoffe, du wirst mich nicht weg schicken...und ich... ich habe da noch etwas. Etwas, was ich dir schon lange geben wollte, weil es ja gar nicht mir gehört … ich muss es nur schnell holen. Bitte entschuldige mich einen Augenblick.


    Mit diesen Worten lief ich zur Tür und lief rasch hinüber in meine Kammer um dort etwas zu holen. Nach nur wenigen Minuten war ich wieder da und hielt ihm ein flaches, in Stoff eingewickeltes Päckchen entgegen.


    Hier, bitte nimm das. Es gehört mir nicht und ich will es auch nicht!
    Vielleicht war dies wirklich der unpassendste Moment, mit dem Beichten zu beginnen. Doch ich spürte, dass ich es jetzt tun musste!

    Eigentlich hatte ich gerade zu tun, als die Tür zu Aquilius´cubiculum auf ging und plötzlich ein Sklave, dessen Name mir entfallen war, vor mir stand. Mit hektischen Armbewegungen bedeutete er mir, ich solle sofort ins Atrium kommen. Seinen Worten konnte ich nicht genau entnehmen, weswegen Aquilius nach mir rufen ließ. Da man bei ihm auf alles gefaßt sein musste, rechnete ich besser mit dem Schlimmsten. Auch wenn es dafür keinen Anlass gab.
    Sofort, wie es verlangt worden war, fand ich mich im atrium ein.
    Ich war etwas erstaunt, denn Aquilius war nicht alleine. Eine junge Frau, die augenscheinlich nicht aus der Villa stammte, war auch zugegen. Vorerst galt allerdings nicht ihr meine Aufmerksamkeit.


    Du hast mich rufen lassen, dominus!

    Niemals zuvor hatte ich mich so schlecht gefühlt. Die Angst zehrte an mir und schien mich gänzlich verschlingen zu wollen. Alles was ich gehört und mit eigenen Augen gesehen hatte, sollte nun auch über mich herein brechen. Youenn´s Geschichte über seine Kindheit kam mir wieder in den Sinn. Ein Kind, das von seiner Mutter getrennt wurde. Nein! Was hatte ich nur getan? Was würde ich diesem Kind antun?
    Dann spürte ich Micipsa Hand auf meiner Schulter. Etwas gütiges und beruhigendes lag darin. Ich schaute mit meinem schmerzverzerrten Gesicht zu ihm auf. Nur eine Vermutung? Eine Vermutung, die sich Stunde um Stunde, Tag um Tag mehr bestätigte! Ich konnte es mir nicht länger ausreden. Ich mußte der Wahrheit gegenübertreten!
    Aber wer war der Vater? Es gab zwei Möglichkeiten - Severus oder Aquilius. Da ich nicht wußte, wie lange ich schon schwanger war, wenn ich denn schwanger war, konnte ich auch nicht mit Bestimmtheit sagen, wer von den Beiden als Vater in Frage kam. Cungah! Sie mußte es wissen! Ich mußte sie fragen, gleich morgen! Zugegeben, Gewissheit darüber zu erlangen, wer denn nun der Vater war, würden die Aussichten auf ein glückliches und zufriedenens Familienleben auch nicht erhöhen! Dieses Kind hatte die erdenklich schlechtesten Voraussetzungen, ein gutes leben führen zu können. Ein Leben als Sklave, kein Vater, der sich um es kümmerte, eine Mutter, die hinter vorgehaltener Hand nun entgültig als Hure verschrien wurde.


    Schau dir doch die Kinder der Sklaven hier an! Ist das etwa ein gutes Leben? Ja, ich muß es ihm sagen! Aber das schlimmste ist, ich weiß nicht genau, wer der Vater ist. Aber es wird so oder so niemals einen Vater haben!


    Ich war so verbittert und traurig. Jetzt da ich offen darüber nachdachte und Dinge ausgesprochen hatte, vor denen ich mich bislang so gefürchtet hatte, sah alles noch hoffnungsloser aus.
    Wieder kam mir der Morgen nach der verhängnisvollen Nacht mit Aquilius in die Sinn, der Nacht, die mein Leben dramatisch verändert hatte. Warum nur hatte ich überlebt?

    Ich war nicht schlecht erstaunt, als ich hörte, wie einfach es doch war, die Freiheit zurück zu erlangen. Etwas, das mir bis dato unüberwindlich schien, konnte durch eine einfache Lüge überwindbar gemacht werden.
    Mir wurde fast schwindlig dabei. Ich war die ganze Zeit einem Irrtum aufgesessen, einem Gesetz, das man bei Bedarf umgehen konnte. Meine Freiheit würde auf einer Lüge basieren! Ich konnte es nicht fassen! Ich versuchte Worte dafür zu finden, doch in diesem Fall war ich mehr als sprachlos! Und Aquilius, er der er stets auf die Wahrheit bedacht war, der nichts mehr als die Lüge hasste? War dies das große, zivilisierte Rom, dass stets auf die ach so barbarischen Völker hernieder schaute? Ich konnte es nicht glauben! All das war nur Fassade!


    Er sprach weiter und entfernte sich langsam von mir, ohne mir allerdings den Rücken zuzuwenden. Aber ich konnte nicht richtig zuhören. Mich beschäftigte immer noch die Verfahrensweise meiner Freilassung. Es wiederstrebte mir, wenn ich daran dachte, durch eine Lüge wieder frei zu sein. Ein anderer hätte wahrscheinlich dazu geschwiegen und den Dingen seinen Lauf gelassen. Doch nicht ich!


    Du willst deswegen lügen?, platzte es aus mir heraus. Etwas Vorwurfsvolles lag in meiner Stimme und im nächsten Moment bereute ich es eigentlich auch schon wieder, etwas gesagt zu haben, denn damit gefährdete ich die Freiheit meines ungeborenen Kindes.
    Ja, ich hatte ein Problem damit! Dass er keine Gegenleistung für meine Freilassung beanspruchte war die eine Sache aber eine Lüge? Nein, das wollte ich nicht!

    Micipsas Verhalten irritierte ich etwas. Er sah mich so an und begann in Rätseln zu sprechen. Ich verstand nicht, auf was er hinaus wollte. Worin sollte ich da besser auskennen und an was sollte ich schon gedacht haben? Ich musste nicht lange warten, bis das Wort, vor dem ich mich am meisten fürchtete, ausgesprochen war. Schwanger? Schwanger!


    Wie bitte?


    Mehr als entrüstet sah ich ihn an und ich musste mir selbst eingestehen, dass er ja recht haben konnte! Ich hatte selbst schon daran gedacht, wollte es aber einfach nicht wahr haben! Schwanger? Nein, das konnte nicht sein! Das durfte einfach nicht sein! Wer war der Vater? Severus, Aquilius? Alles begann sich zu drehen! Nein! das dufte nicht sein.


    Ich, ich hoffe nicht! Nein! Es darf kein Kind daraus erwachsen!


    Mir war klar, dieses Kind würde auch zum Sklaven werden, wäre es erst auf der Welt. Ich musste Klarheit darüber erhalten! Cungah! Ich musste Cungah fragen! Sie konnte mir bestimmt helfen. Oh nein! Was sollte ich nur tun? Ich war so verzweifelt!


    Micipsa, was soll ich nur tun?


    Ich war so aufgewühlt, zitterte und wollte es nicht glauben. Innerlich begann ich mir einzureden, es könne nicht möglich sein. Es durfte nicht möglich sein!