Beiträge von Flaviana Brigantica

    Ich fuhr richtig zusammen, als ich Micipsas letzten Satz hörte. Etwas pikiert drehte ich mich zu ihm um. Was hatte man ihm denn schon alles über mich erzählt?
    Tillas Reaktion auf unsere beiden Kommentare, war voraus zu sehen. Das, was wir ihr sagen wollen, hatte sie falsch verstanden. Beleidigt stand sie auf, lief wieder zur Straße hin und blieb auf einem Eckstein sitzen.
    Derweil wendete ich mich wieder Micipsa zu. Das wollte ich doch jetzt genauer wissen!


    Wie ich sehe, hat man dir über mich schon berichtet! Was haben sie dir denn alles erzählt?


    Ohne länger auf seine Antwort zu warten stand ich auf und lief zu Tilla. Ich wollte ihr klarmachen, daß ich ihr nichts böses wollte.


    Tilla, bitte! Ich kann verstehen, wie du dich fühlst. Als ich zum ersten mal verliebt war, ging es mir nicht anders. Es ist etwas sehr schönes, wenn man so viel für einen anderen Menschen empfindet, egal wer oder was er ist. Doch leider ist es auch sehr bitter, wenn man enttäuscht wird.


    Ich versuchte sie zu trösten, wobei ich mir nicht sicher war, ob sie meine Worte an sich lassen wollte. Sie mußte eben ihre eigenen Erfahrungen machen, auch wenn diese schmerzlich für sie sein würden!

    Was sollte ich denn nach deiner Meinung tun, mhm?


    Hatte er immer noch nicht begriffen, was passiert war? Alles, was mir noch einen Halt in diesem Leben gegeben hatte, war zerstört. Was noch schlimmer war, war die Tatsache, daß ich maßgeblich daran beteiligt gewesen war. Ich hatte mir selbst mein Leben zerstört. Doch was mich am meisten schmerzte, war, daß Severus mir nicht die geringste Chance gegeben hatte, um mich erklären zu lassen. Er war trunken von Haß. Wollte ich so einen Mann?


    Warst du schon jemals verliebt Luca? Weißt du wie bitter es ist, wenn eine Liebe stirbt? Wenn du das weißt, dann kannst du mir nachfühlen!


    Allmälich merkte ich wie mir der Kopf schwer wurde. Alle meine Knochen schmerzten. Mir tat alles weh. Selbst das Liegen tat weh. Ich fürchtete, ich hatte mir auch noch eine Erkältung eingehandelt.

    Ich hörte Caelyns Redeschwall nur mit einem Ohr zu. Zu sehr war ich damit beschäftigt gewesen, die Umgebung zu sondieren. Hatte ich da nicht einen großgewachsenen blonden Mann gesehen? Nein, das war er nicht! Wieder sah ich zu Caelyn, die immer noch erzählte.


    Ah, aus Gallien! Nein, dein Augustodings kenne ich nicht. Ich war noch nie in Gallien!


    Es tat mir ja leid, sie gab sich so viele Mühe, mich in ein Gespräch zu verwickeln, doch ohne Erfolg.
    Wieder ließ ich den Blick schweifen, da drüben stand Luca, mein Lebensretter. Er hatte mich wohl beobachtet. Er war einer der wenigen, die wirklich wußten, wie es um mich stand.
    Dann das Grüppchen um Aquilius, die beiden fremden Männer, die bei ihm standen kamen mir irgendwie bekannt vor. Sie mußten beide Aurelier sein. Ja, den einen hatte ich kürzlich im Garten gesehen und der andere? Woher kannte ich den bloß? Wenn ich es nicht besser gewußt hätte, hätte ich behauptet, ihn vom Samhainfest zu kennen. Aber da waren doch keine Römer!


    Caelyn erzählte immer noch.
    Wie bitte, was? Oh, etwas zu trinken? Nein danke, ich mag keinen Wein. Sag mal kennst du die beiden Männer? Das müßten doch Aurelier sein, nicht wahr?
    Ich zeigte auf besagte Männergruppe und hoffte, sie könne mir gleich deren Namen verraten.

    Sie sah irgendwie so zufrieden, ja fast schon glücklich aus, als ich über Luca sprach. war sie etwa.. verliebt? In Luca? Ob sie wußte, worauf sie sich da einließ?


    Tilla, ich..ähm ich möchte dich ja nicht enttäuschen, doch mache dir nicht allzuviel Hoffnungen! begann ich vorsichtig zu erklären, denn ich wollte sie keinesfalls kränken.


    Er ist zwar ein wirklich lieber Kerl und so ganz anders zu uns, als so manch anderer, doch er ist eben.. nicht einer von uns. Verstehst du?


    Ich wollte ihr einfach den Kummer ersparen, der mich zur Zeit auffressen wollte. Sie war ein so lebensfrohes, nettes Mädchen. Nicht auszudenken, was mit ihr würde, wenn sie unglücklich verliebt wäre.


    Glaube mir, ich weiß wovon ich spreche. Wenn der Liebeskummer dir das Herz zerfrißt, ist das nicht sehr angenehm!


    Über meine plötzliche Offenheit gegenüber Tilla und Micipsa war ich selbst erstaunt. Tilla wußte von all dem nichts, doch bei Micipsa war ich mir nicht so sicher. Sicher hatten die anderen Sklaven schon mit der Tratscherei begonnen.

    Zitat

    Originale von Caelyn, Tilla Romania


    Das war Flavius Gracchus, der Hausherr. antwortete ich nüchtern auf Caelyns Frage und öffnete meine Hand um mir das Geschenk des Flaviers genauer zu betrachten.
    Es war die tönerne Figur einer Katze, einem Tier, dem ich hier zum ersten mal begegnet war. Ich lernte es, als ein Geschöpf mit zwei Gesichtern kennen. Auf der einen Seite ein liebreizendes Wesen, das einem den Tag versüßen konnte und auf der anderen Seite ein wildes, freiheitsliebendes Tier, das unberechenbar war und einem auch Schmerzen zufügen konnte.
    Dann mußte ich an Tillas Bezeichnung für Micipsa denken, den sie auch Katze genannt hatte.
    Nein, eine Katze war ich nicht!


    Caelyns Frage hatte mich dann doch aus meinen Gedanken gerissen.


    Es ist möglich, daß es diesen Namen auch in Britannien gibt, doch ich komme aus Hibernia. Das ist die Insel, die im Westen von Britannien liegt. Und du, woher kommst du? erkundigte ich mich dann. Sicher war es besser, zumindest für eine Zeit lang, einen Plausch zu halten. Dann würde wenigsten die Zeit vergehen.
    Trotz allem blieb ich aber wachsam, beobachtete die Menschen, die an mir vorbei gingen. Einem wollte ich keinesfalls heute begegnen, oder wollte ich es doch?

    Bevor ich ihm antwortete überlegte ich gut, was ich eigentlich wollte. Es wäre von Vorteil gewesen, wenn ich, wann immer ich den Schmuck benötigte, ohne Probleme nehmen konnte. Er würde sowieso nur einen Verwendungszweck dafür geben.


    Bitte verwahre ihn so, damit ich immer darüber verfügen kann, wenn ich ihn brauche. Wenn der Schmuck entdeckt wird, soll es nicht dein Problem sein.


    Doch ich sah auch Stratons Skepsis, die ihm mitten ins Gesicht geschrieben stand. Ich wußte, wenn es nach ihm gehen würde, sollte ich den Schmuck abgeben. Das es nicht rechtens war, wußte ich auch. Wäre Severus nicht auch noch darin verwickelt gewesen, hätte ich das auch getan.

    Ruhe war wieder einkekehrt. Eng beieinander liegend, versuchten wir nun beide noch ein wenig Schlaf zu finden. Auch ihm wollte es wohl nicht auf anhieb gelingen, doch irgendwann war zumindest ich hinübergeglitten, in einen leichten Schlaf.


    Der Traum, den ich träumte, versetzte mich an einen lichterfüllten Ort, an dem auch Severus war.Alles war wunderschön. Ich ging auf ihn zu und endlich- ich umarmte ihn wieder. Endlich- ich war wieder sein Schwanenmädchen und er überschüttete mich mit seinen Küssen. Alles war wieder wie früher. Ich spürte wieder bei jeder seiner Berührungen, dieses wohlige Gefühl in mir, das ich nie wieder ziehen lassen wollte.
    Wäre da nicht dieser Graben gewesen, der sich plötzlich zwischen uns auftat. Angstvoll blickte ich zu Severus, der von mir abgelassen hatte und sich immer weiter von mir entfernte. Warum nur, warum? Etwas undurchdingliches hatte sich zwischen uns gestellt und so sehr ich mich auch dagengen wehrte, wurde dieses Etwas noch stärker. Erbittert kämpfte ich dagegen an, doch ich konnte es nicht durchdringen.


    Schweisgebadet erwachte ich, neben Aquilius liegend. Er war auch eingeschlafen. Sein Arm lag noch immer um meine Hüfte.
    Langsam begann ich, seinen Arm von meinem Körper zu heben, damit ich mich unbemerkt davon schleichen konnte.
    Etwas in mir trieb mich fort. Severus! Ich mußte mit Severus sprechen. Jetzt!
    Leise verließ ich das cubiculum, ohne dabei zu ahnen,vielleicht nicht mehr wiederkehren zu können.
    Ich schlich mich hinab, zum Sklavenquartier, um Severus zu finden. Aber er war nicht da.
    So beschloß ich, nach draußen auf den Hof zu gehen. Wenigsten könnte ich dort etwas frische Luft schnappen. Aber vielleicht würde ich ihn dort auch treffen. Wenn er nicht schlief, würde ich ihn hier sicher irgendwann treffen, auch wenn ich noch die restliche Nacht warten müßte. Die Aussprache mit ihm konnte ich nicht länger aufschieben. Jetzt war die Zeit gekommen!

    Wem sollte ich schon fehlen? Mich würde doch niemand vermissen, wenn ich nicht mehr da bin... begann ich gleichgültig.


    ...,ja vieleicht dein Onkel, wenn er keine Wärmflasche mehr in seinem Bett hat. Doch dann findet er sicher eine andere! ergänzte ich etwas spöttisch.


    Ja, es wäre mein größter Wunsch als alte Frau auf meinwer Insel zu sterben, doch das wird nie passieren Luca! Das wird für mich immer verwehrt bleiben.


    Er gab sich wirklich die allergrößte Mühe, um mich wieder aufzubauen und ich müßte ihm sicher auf ewig dankbar sein, daß er mich gerettet hatte, doch im Augenblick war ich so fertig mit der Welt und gänzlich ohne Kraft.

    Der arme Micipsa hatte überhaupt keine Ahnung, worüber wir uns unterhielten. Woher sollte er auch? Schließlich hatte er zu dem Zeitpunkt, da Tilla und Luca sich getroffen hatten, auf dem Podest des Sklavenhändlers gestanden.


    Nein, kein Sklave. Das ist Cnaeus Flavius Lucaus, genannt Luca. Tilla hat ihn an dem Tag kennengelernt, an dem Aquilius dich gekauft hat. begann ich ihm zu erklären.


    Luca war einer der wenigen Flavier die durchweg verträglich waren. Es gab zwar einige Irre in diese Familie, doch glücklicherweise auch Menschen die den Blick für die Realität behalten hatten.

    Dieses Recht verstand ich nicht und würde es sicher niemals verstehen. Es war zwecklos, darüber zu streiten, denn das führte zu nichts.
    Ich war im wahrsten Sinne des Wortes darin gefangen und es gab nur zwei Möglichkeiten, sich zu fügen und dadurch Vorteile zu erlangen oder zu rebellieren und eines Tages daran zu Grunde gehen. Wofür würde ich mich entscheiden? Zum reberllieren hatte ich nicht die nötige Kraft. Nicht jetzt! So fügte ich mich und ich haßte mich dafür, daß ich dies tat. Damit würde ich ein stück von mir selbst verlieren.


    Ich ließ mich wieder zurückgleiten. Sein Unbehagen zu diesem Thema hatte ich in seiner Stimme bemerkt.
    So hatte ich ein Einsehen mit ihm und beließ es dabei. Es war ja schon gut zu wissen, daß er Verständnis für mich hatte. Hätte ich ihm nur irgendwie sagen können, daß ich dafür so dankbar war. Was ich mit Worten nicht meistern konnte, wollte ich dann wenigstens mit meiner Zuneigung tun.
    Wieder kuschelte ich mich an ihn und wollte einfach nur die Nähe spüren. Vielleicht gäbe es jetzt endlich die Möglichkeit, noch etwas Schlaf zu finden, auch wenn mich die Sache mit Severus immer noch beschäftigte. Doch es hatte keinen Sinn, noch weiter darüber nachzudenken. Nur ein klärendes Gespräch könnte hier Abhilfe schaffen.

    Mit roten Haaren? Verständnislos schaute ich wieder zu Luca hinüber.


    Das sind alles nur Klischees! Wie du siehst, sind wir nicht alles rothaarig.
    In unserer Vorstellung ist alles unendlich. Das Ende ist der Anfang und der Anfang das Ende. So auch der Tod. Deshalb muß man keine Angst davor haben. Und glaube mir, ich hatte keine! Ich habe mehr Angst davor, was mir jetzt im Leben passiert.


    Sein Vorschlag, was die Male in meinem Gesicht betrafen, ließen mich auf´s neue erschaudern. Ich sollte sagen, Furianus hätte das getan?


    Nein, auf keinen Fall! Das würde zu einer Katastrophe führen! Dein Onkel ist, was Furianus betrifft, sehr empfindlich!


    Seinen Wutausbruch, als ich ihm die Sache mit Furianus gebeichtet hatte, war mir Warnung genug. Nicht auszudenken, was passieren würde, wenn ich ihn diesbezüglich auch noch anlog.

    So stand ich da in meiner Trübsal und konnt mich an nichts erfreuen. Plötzlich fingen meine Augen ein überschwengliches lächelndes Gesicht ein. Tilla, gefolgt von einer mit unbekannten blonden Frau, kam auf mich zu gelaufen und umarmte mich herzlich. Ich wußte erst nicht, wie mir geschah und sie packte all ihre Freude in ihre Gebärden. Dabei stellte sie mir auch ihre Begleiterin vor, Caelyn. Gleich darauf begann auch Caelyn zu sprechen.


    Salve Caelyn! Ja, Tilla und ich sind uns schon einige male begegnet.sagte ich kurz und versuchte zu lächeln.


    In diesem Augenblick kam uns der Hausherr entgegen und begrüßte uns auf ungewohnt freundliche Art und Weise. Dann beehrte er uns auch mit einem kleinen Geschenk. Ich bedankte mich freundlich und nahm es entgegen. Gleich darauf entschwand er auch schon wieder und wendete sich den anderen Gästen zu.
    Dieses Fest war so eigenartig. Gestern noch wäre all dies nicht möglich gewesen. Das war so unbegreiflich für mich und sicher würde ich dies auch nie ganz verstehen.


    Ist Cadhla auch hier? fragte ich Tilla, um ein Gespräch aufzubauen.

    Eigentlich wollte ich diesem Fest fernbleiben. Ich hatte alles andere, als einen Grund zum feiern! Doch ich wollte durch meine Abwesenheit niemand vor den Kopf stoßen.
    So kleidete ich mich an diesem Tag mit einer besseren Tunika, die in nachtblau gehalten war. Am Saum hatte ich eine schmückende Bordüre angebracht. Mein Haar trug ich wie gwohnt, hochgesteckt. Ich sah so aus wie immer. Nur das Gesicht, das mir im Spiegel entgegenschaute, würde wohl niemandem gefallen.
    Mein Teint war blaß, meine Wangen eingefallen. Die letzten Tage hatte ich kaum gegessen. Ich brauchte nichts, ich wollte nichts.


    Wie ein Dieb, schlich ich mich durch die Villa, bis ich schließlich das Atrium erreicht hatte. Es waren schon einige der geladenen Gäste anwesend. Einige kannte ich noch von den beiden letzten Festen in der Villa Aurelia. Doch ich wollte unbemerkt bleiben und regte mich nicht, machte keine Anstalten, jemanden zu begrüßen. Ich wollte unsichtbar bleiben, nur kurz vorbei schauen, um dann auch ganz schnell wieder zu verschwinden. Bridhe, der Geist.
    Doch meine größte Sorge war, wie ich reagieren sollte, wenn ich Severus zufällig sehen würde. Eigentlich war ich darauf bedacht, ihm nicht über den Weg zu laufen. Doch hier, bei der Masse der Mesnschen konnte man leicht die Übersicht verlieren.

    Als Tilla wieder begann zu gebärden, schaute ich wieder auf. So, Cadhla war wohl auch zur Leibsklavin aufgestiegen. Ich mußte über Tillas kindliche Naivität schmunzeln, als sie sich wunderte, warum die anderen jetzt wohl sauer auf Cadhla waren. Das war schließlich der Preis den man bezahlen mußte. Mir ging es doch genauso. Doch das störte mich nicht mehr. Mir war alles so furchtbar egal geworden. Eigentlich lebte ich gar nicht mehr.
    Luca? Was er macht? Er rettet lebensmüde Sklavinnen aus dem Gartenteich, wollte ich ihr schon antworten, doch ich besann mich noch rechtzeitig.


    Luca geht´s gut. Ja, ab und an spricht er von dir und ja ich glaub schon, daß er dich mag.


    Wieder versuchte ich zu lächeln. Sie war noch so jung und so unschuldig . Mir kam es in diesem Moment so vor, als wäre ich schon steinalt. Was war nur passiert? Was hatte ich getan, das all dies über mich hereinbrechen mußte?

    Erst stutzte ich ein weing, da ich nicht so recht verstand, was sie meinte. Ob er mich nach Hause bringen würde?
    Natürlich!


    Es war mir peinlich, in Micipsas Gegenwart über ihn zu sprechen. Ich empfand so etwas als sehr hochmütig und ich hatte wirklich keinen Grund, ihm gegenüberhochmütig zu sein. Schließlich teilten wir das gleiche Schicksal.
    Sie betrachtete ihn immer noch mit einer gewissen Skepsis. Aber ganz ehrlich, war es mir nicht auch so gegangen, als ich ihn zum ersten mal in der Villa gesehen hatte? Doch wenn ich mir Micipsa so betrachtete, war mir auch klar, daß er über diesem Verhalten stand.


    Doch dann wandte ich mich erst wieder Tilla zu und beantwortete ihre Frage.


    Ich bin für das cubiculum meines Herrn zuständig und alles, was damit zu tun hat.
    Ich seufzte. Irgendwie wollte heute meine schlechte Stimmung nicht schwinden.


    Hast du alles bekommen, was du gesucht hast? fragte ich schließlich Micipsa, als ich mich zu ihm umgewandt hatte.

    Ich schwieg eine Weile, denn ich konnte verstehen, warum er so argumentierte. Schließlich war sie ja seine Verwandte. Doch hatte je jemand danach gefragt, was Severus, oder ich oder jeder andere Unfreie durchgemacht hate, wie wir gelitten hatten und immer noch litten? Konnte er sich überhaupt in diese Situation hineinversetzen?



    Nein, es war nicht rechtens, sie mit hinein zu ziehen. Doch was würdest du an seiner Stelle tun, wenn man dir die Freiheit nehmen würde, dich zum Sklaven machen würde, dich demütigen würde? Würdest du nicht auch jede Chance ergreifen, die sich dir bieten würde, dies wieder zu ändern? Es gibt immer zwei Seiten, die man beachten muß. Aus deiner Sicht ist es ein Verbrechen, wenn sich dein Eigentum aus dem Staub macht, doch aus meiner Sicht ist es ebenso ein Verbrechen, was man mir oder Severus angetan hat.


    Es war wirklich eigenartig, wie sehr sich die Thematik unseres Gespräches in kürzester Zeit geändert hatte. Doch das bewieß doch wieder ganz klar, das der Grund für all dieses Übel, die Sklaverei war. Gäbe es sie nicht, wäre all das nicht passiert. Doch das würde er sicher nie einsehen und auch nie akzeptieren, denn das würde ihn schließlich selbst in Frage stellen.

    Mit offenem Mund saß ich kerzengerade im Bett und konzentrierte mich auf das, was er zu erzählen begann. So langsam wurde mir einiges klar! Warum er diese Familie so sehr haßte, warum er ihm verpflichtet war, warum er nicht über seinen alten Namen sprechen wollte. Ein Unrecht sollte mit einem anderen vergolten werden.
    Diese Geschichte war einfach unfassbar! Doch ich konnte es Severus nicht verübeln, als er an eine Flucht gedacht hatte. Jeder, der etwas verloren hatte, war doch bestrebt, dieses wieder zu finden! Die Tatsache, daß er dafür eine Geisel genommen hatte, war vielleicht notwendig, doch verursachte das wieder neues Leid.
    Die Vorstellung, wie er wieder eingafangen worden war, die Zeit des Eingesperrtseins und dann der Gang zur Hinrichtung bescherten mir ein eiskaltes Grauen, das über meinen Rücken hinwegzog.


    Du hast ihn umgebracht? Erdrosselt? Mit eigenen Händen?


    Davon mußte die Narbe an Severus Hals herrühren, die er immer zu verdecken versuchte.
    Ich atmete hörbar schwer aus und schüttelte nur noch den Kopf.
    Warum nur, hatte er mir das niemals anvertraut? Ich hatte ihm doch auch immer alles erzählt. Gut, ich hatte nicht eine solch spektakuläre Geschichte hinter mir.
    Aber das konnte ich einfach nicht verstehen.


    Ob er nun ein Recht hatte, mich zu verurteilen oder nicht, war einmal dahin gestellt. Das alles war vor meiner Zeit passiert. Doch wenn sich herausstellen würde, daß er dieses Mädchen immer noch liebte, dann...
    Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen. Doch das, was ich gerade gehört hatte,hätte ich mir auch nicht vorstellen können. Severus erschien mir plötzlich als ein ganz anderer Mensch. Ein Mensch, dem man großes Leid zugefügt hatte und der nur noch an Rache denken konnte.


    Es tut mir leid, doch ich kann sehr gut verstehen, daß er so gehandelt hat! Er hätte viellecht nicht dieses Mädchen mitnehmen dürfen. Doch er wollte nur das zurück, was man ihm geraubt hatte. Auch wenn dir diese Antwort nicht gefällt, hätte ich die Möglichkeit, wieder zurück in meine Heimat zu gelangen, ich würde sie nutzen!


    ...koste es, was es wolle!

    Das was Straton sagte, war ja eigentlich einleuchtend. Sicher gab es kein besseres Versteck, als Aquilius Chaos. Das wäre wirklich reiner Zufall, würde man den Halsreif dort finden. Doch irgendetwas sträubte sich in mir, bei dem Gedanken, das Schmuckstück aus der Hand geben zu müssen.


    Ich weiß nicht so recht! Kann ich dann auch über den Halsreif verfügen, wenn ich ihn einmal bräuchte?


    Unschlüssig sah ich Straton an. Sicher hatte ich Vertrauen zu ihm, doch machte ich mir eher über die Zugänglichkeit zum Schmuck, sorgen.
    Ich hatte eigentlich nicht vor gehabt, den Halsreif in der Öffentlichkeit zu tragen, noch wollte ich ihn zu Geld machen. Eigentlich wollte ich damit gar nichts zu tun haben, denn ich wurde den Gedanken nicht los, daß Severus dafür eine Dummheit begangen hatte.
    Doch hatte ich mit bereits überlegt, den Schmuck zu tragen, wenn ich wieder zu ihm gehen würde. Denn unser Streit hatte schon zu lange gedauert.