Beiträge von Claudia Callista

    Alsbald gewinnt Corvinus Callista für sich. Eine Göttin. Eine Grazie. Zu gerne sieht sich Callista in jener Gestalt. Verehrt und geliebt von den Menschen. Unsterblich und immer während schön dabei. Ein geschmeicheltes Lächeln umspielt ihre Lippen. Fingiert senken sich ihre Augenlider. Als ob Verlegenheit sie erfasst. Natürlich ist dem nicht so. Sie findet die Ansprache mehr als würdig für sich.
    Nero starrt Corvinus indes kühl an. Schon mit dem ersten Satz hat er es sich bei dem Jungen verscherzt. Nicht, weil er seine Mutter hoch lobt und höfelt. Sondern weil er den Namen des Jungen falsch wieder gegeben hat. Neros braune Augen bohren sich verhalten feindselig in Corvinus. Scheinbar desinteressiert wendet er sich ab und betrachtet die Menschen um sie herum. Die Schwerter der Soldaten und das Glitzern ihrer Rüstung.
    Indigniert bemerkt Callista das Verhalten ihres Sohnes. Denn den Gruß erwidert der Junge nicht. Brüsker Art. Ebenso vexiert der aurelische Sklave Callista. Erneut.
    Dummkopf. Zwei Mal wurde ihm mein Name genannt.
    Womöglich ist er der Narr des Aurelius.
    Traun. Aber ich würde ihn an die Krokodile verfüttern.
    Die Verstimmung zeigt sich nicht bei Callista. Fremde Sklaven sind nicht ihre Angelegenheit.
    "Aus dem Geschlecht der Claudier. Claudia Callista ist mein Name."
    Ungebührlich ist es eigentlich sich selber vorstellen zu müssen. Die Umstände verlangen es nun mal.
    "Mein Sohn und ich wären Dir sehr dankbar. Sollten wir durch Dich mehr von dem Opfer erblicken können."
    In facto. Die Sicht war bedeutend besser. Aber zu Calllistas Ernüchterung ist das Opfer schon verstrichen. Die Diener beginnen aufzuräumen.
    "Betrüblich. Das Opfer ist wohl schon vollendet."


    Eine Reminiszenz streift an Callista vorbei. Sie spürt es. Fühlt es ganze nahe. Sie vermag es jedoch nicht zu greifen, begreifen oder zu erfassen. Schleier umfassen den Gedanken. Das ahnende Sentiment. Verwirrt sind ihre Züge. Aber nicht lange. Ein Blick. Sie spürt ihn. Suchend sieht sich Callista um.
    Und wird der Kollision der kleinen Römerin und dem konsternierten Flavier gewahr.
    Köstlich.
    Das ist Rom, Callista. Ergötzend.
    Traun.
    Mühsam unterdrückt Callista ein vergnügtes Kichern. Die Worte sind ihr unverständlich. Aber es ist ihr allzu deutlich, worum es geht. Scheinbar eine verflossene Amouren.
    Callista wendet sich davon ab.


    Verborgen unter dem Deckmantel eines Lächelns betrachtet Callista ihr Gegenüber. Vingintivir also. Ein wenig enttäuscht ist Callista. Aber Magistrat ist immerhin Magistrat. Apart und ansprechend ist er. Schön und stattlich. Es gefällt ihrem Auge. Selbst wenn sie keinen Senatorenstreifen erblickt. Lieber einen berückenden jungen Römer. Als einen garstigen alten Senator.
    Womit beschäftigt sich ein Decemvir litibus iudicandis?
    Geld, Callista. Geld.
    Traun. Die Erbschaften.
    Callista selber ist schon in den Genuss einer solchen gekommen. Schwach erinnert sie sich an das Siegel eines Magistrats.
    "Ist es nicht schrecklich bedrückend, sich den ganzen Tag mit den Hinterlassenschaften von Verstorbenen zu beschäftigen? Verstorbene und Verblichene. Quotidian."
    Callista könnte das nicht. Nicht inbegriffen, dass Callista niemals arbeiten würde. Dafür ist sie zu sehr ein Schmetterling. Der nur von einem Tag zum Anderen leben kann.
    Das Gewoge und Gewimmel beginnt sich aufzulösen. Geraunt und gewispert wird um sie herum. Von der Morbidität des Flamen.

    Eine gefährliche Schiffahrt ist der Sterblichen Leben:
    Oft ergreifet der Sturm unser gebrechliches Schiff,
    Und das Glück am Ruder, es lenkt uns hieher und dorthin:
    Zwischen Hoffen und Furcht schweben wir wechselnd umher.
    Der hat glückliche Fahrt, unglückliche dieser, und alle
    Nimmt ein Hafen zuletzt unter der Erde uns auf.
    - Palladas



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    Sinister offeriert sich die Unterkunft der Servae. Die Tür stöhnt leise als sie auf schwingt. Schonungsvoll trägt Benohé die Mitsklavin in die Unterkunft. Bis zu ihrem Nachtlager. Der Geruch einer Sklavenunterkunft dringt in die Nase der Benohé. Sie mag ihn nicht. Sonach ist sie stets froh nicht hier nächtigen zu müssen. Nahezu jede Nacht verbringt sie in den Gemächern ihrer Herrin. Lediglich bei sehr privatimen Besuch schläft sie nicht an der Seite ihrer Herrin. Ansonsten fürchtet Callista die Einsamkeit. Das Schlafen in einem leeren Bett.
    Das Stroh knistert unter dem groben Laken. Fiona wird auf das Lager gebettet.


    Benohé orientiert sich in der Dunkelheit. Ihre Augen gewöhnen sich an die Schwärze. Sie tritt zu einem Tisch. Greift nach einer Öllampe. Schlicht ist diese geformt. Nicht derart aufwendig wie bei der Herrschaft. Sie erfüllt ihren Zweck. Und das genügt. Eine Flamme leckt aus der Öffnung. Der Schein erhellt den Raum. Benohé sieht auf schlafende Menschen. In so einer Unterkunft ist es nie still. Niemals vollkommen ruhig. Immer verlässt jemand den Raum. Kehrt spät in der Nacht zurück. Nur um den Wünschen der Patrizier nachkommen zu können.


    Ihr Gewand raschelt leise. Benohé nimmt neben Fiona Platz. Ihre Finger gleiten über den Hals von Fiona. Auch über ihr Gesicht. Und zu den Augen.
    "Erwärmt bitte etwas Wasser. Ich werde ein Remedium holen, womit es ihr besser gehen wird."
    Benohé erhebt sich. Soigniert ist ihr Lächeln. Das sie an Aintzane richtet.
    "Du setzt Dich klugerweise. Die Wunde eines solchen Stiches aus zu saugen ist nicht ratsam gewesen."
    Benohé wartet nicht. Sie verlässt den Raum. Ihre dunkle Gestalt verschmilzt mit der Nacht. Nur ihr helles Gewand leuchtet noch länger.


    Nicht lange ist sie fort. Bereits im Nu kehrt sie zurück. Eine unprätentiöse Kiste hält sie auf ihren Armen. Die Nämliche stellt sie auf den Tisch.
    "Hat sie erneut gesprochen? Und wie ist Dein Name, Du Tollkühne."
    Das milde Antlitz der Benohé wendet sich erneut an Aintzane.




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    SKLAVE - CLAUDIA CALLISTA

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    Pro die arbeitet Benohé an ihrem fein gliedrigen Körper. Stark ist sie. Aber nicht kräftig genug, eine Frau alleine durch die Flure zu tragen. Unbeweglich bemerkt sie das Erwachen der Fiona. Freut sie sich darüber, so offeriert sie es nicht. Derart timonisch wie Callista ist Benohé nicht. Oder womöglich doch? Hilft sie nur, weil Callista es ihr befohlen hat?
    Einer Satisfaktion kann sich Benohé nicht erwehren. Das degoutante Scheusal gegen die Wand geschmettert zu sehen. O, wie Benohé diese Tiere hasst. Und quotidian muss sie sich um all diese kümmern. Ihre Herrin genießt es sogar. Delektiert sich an ihrer Angst. Am Schlimmsten ist die große Spinne. Benohé ekelt sich vor ihr. Gleichermaßen sie sich graust.
    Fremd klingen die Worte der Baskin. Indes wartet Benohé bis sie ihr behilflich ist. Schlüpft dabei in das hauchzarte Gewand. Zusammen heben sie Fiona hoch.
    "Bitte öffne uns die Tür, Minna."
    Langmütig lächelt Benohé. Sie trägt die Tranquilität in sich, die ihre Herrin nicht besitzt. Später als ihre Herrin tritt Benohé in den Gang der claudischen Villa. Düster glimmen die Öllampen. Beschatten die Wände. Fresken starren wie nächtliche Laren den Sklavinnen entgegen. Benohé weiß nicht, wo die Sklavenunterkunft ist. Sie überlässt Aintzane und Minna die Führung in der Villa.









    SKLAVE - CLAUDIA CALLISTA

    Wo bist du, die mir zur Seite ging,
    Wo bist du, Himmelsangesicht
    Ein rauher Wind höhnt mir ins Ohr: du Narr!
    Ein Traum! Ein Traum! Du Tor!
    - Georg Trakl, Traumwandler


    Eine silberne Glocke läutet bei jedwedem Schritt. Fein kräuselt sich das Smaragdgrüne Nichts unter ihren Füßen. Solenn gleitet Callista über eine Immensität aus Malve. Schwarze Säulen ragen in die Höhe. Gräulicher Nebel zerfasert zwischen entseelten Gesichtern. Aus Stein.
    Callista, Callista, Claudia.
    Die Münder der Gesichter öffnen sich. Ihre Steinlippen formen den Namen. Callista neigt den Kopf zur Seite. Verhalten sinkt sie in die grüne Leere.
    Nero?
    Keine Antwort. Laut pocht Callistas Herz. Sie greift sich an die Brust. Einsamkeit. Leere. Vergänglichkeit. Sie kann es nicht ertragen.
    Ätherisch wehen ihre Gewänder in der Farbe von reinem Porzellan.
    Du. Du. Nur Du.
    Ich? Ich? Ich.
    Callista erträgt die stummen Vorwürfe nicht. Hurtig entschwebt sie.


    Blaue Berge. Wasser brandet gegen schwarzen Stein. Obsidian verschluckt das fahle Licht der Sonne. Gebieterisch leuchtet er auf dem Stein. Der das Licht zu fressen scheint.
    Es ist nicht Nero. Aber er ist auch willkommen im Wandeln ihres Geistes.
    "Nichts bleibt bestehen im Angesicht der Unendlichkeit."
    Grazil setzt Callista ihren schmalen und nackten Fuß auf den blanken Stein. Ihre Zehen wandeln den Stein. Weiße Mosaiksteine transformieren den Grund. Gieren nach dem Schwarz, verschlingen ihn und leuchten blendend auf.
    "Die Unsterblichen sind ewig. Die Unsterblichen sind perfekt. In der Perfektion liegt das Immerwährende. Die Schönheit ist die Perfektion. Darum ist die Schönheit nicht vergänglich."
    Ein schwarzer Skorpion kriecht über das strahlende Weiß. Ihre schwarzen Haare fallen weich über ihren Rücken. Verzehrend auch die schwarzen Augen der Callista.
    Zweisam, nicht einsam. Callista ist beseelt.


    "Der Tod ist fern. Das Nichts unmöglich. Lass uns den Vogel erklimmen. Ich habe Dir viel zu erzählen."
    Callistas Glück nimmt zu. Er gehört zu denen, die ihre Gedanken fortspinnen können.
    Ein blutroter Vogel verbeugt sich vor den Traumwandlern. Seine Füße sind Krallen besetzt. Sein Schnabel blutig und mit scharfen Zähnen.
    "Ist er nicht schön?"
    Olympisch verneigt sich der Feuervogel. Seine Schwingen breiten sich aus und bilden weiche Treppen.
    "Er ist Wahrheit und darum schön."
    Ein trockener Hauch umweht sie. Zerschnittene Berge fliegen unter ihnen vorbei. Eine Stadt aus blauem Lapislazuli manifestiert sich. Katapulte belagern die Stadt. Schwarzes Felsgestein zertrümmert Dächer und Mauern. Rote Flammenzungen lecken aus den öden Fensterhöhlen hinaus. Callista lacht entzückt auf. Die Schreie der Menschen mischen sich mit dem Brüllen der angreifenden Horden.


    "Es ist ein Epitheton ornans."
    Der heldenmütige Hektor. Seine schwarzen Locken umwehen sein schönes Haupt. Siegesgewiss steht er auf der Mauer. Sein stolzes Kinn erhoben. Sein Schwert ragt in die Höhe. Der blutige Kampf zeichnet seinen Körper. Ein Heroe ist er. Ein Held aus alten Zeiten.
    Wie sehr sie ihn liebt. Ihr Heroe, ihr Hektor.
    Und so endlos fern ist er ihr.
    Silberne Tränen gleiten an ihren goldenen Wangen entlang. Bittere Tränen des Wehmuts. Des Schmerzes. Krokodilstränen.
    Diamanten fallen an Tränen statt. Er fängt sie auf. Weiß schimmernd funkeln sie in seiner Hand.
    "Ich wünschte, ich könnte sie dir schenken, denn nichts gibt es hier, was mehr zum Geschenk dir gereichte, doch gleichsam ist nichts mein Recht hier zu nehmen."
    Das Schimmern zerfließt zwischen ihren Fingern. Liebkosend gleitet es an ihrem Arm hinauf. Tilgt den Schmerz. Lässt sie vergessen. Mondtränen.


    Ihre Hand deutet herrisch nach vorne. Der Vogel schwingt sich über das Nil-Blau. Rauschend nähert er sich dem großem Tempel.
    "Mein Geschenk ist das Erkennen selber. Mein Hirte der Seele."
    Grau wirbelt der Nebel vor ihren Füßen. Kerzen schweben in der Luft. Die Flammen tanzen munter. Milchig wehen sanfte Schleier. Sie schreitet langsam durch den grauen Dunst.
    Ein goldenes Bett. Ein schöner Mann erhebt sich von dem Bett.
    "Dir schenke ich, was niemand erfahren hat."
    Sie betrachtet ihn. Verschwörerisch, geheimnisvoll. Sie weiß nicht, seit wann er ihre Träume aufsucht. Aber er ist ihr vertraut geworden.
    "Der Gott unter den Göttern. Der Kaiser unter den Kaisern. Der Strahlendste. Der Vollkommenste. Und der Schönste."
    Neros schöne Lippen wölben sich zu einem maliziösen Lächeln.
    "Liebste. Du bist zurück gekehrt. Und einen Besucher hast Du mitgebracht?"
    Marmor schillert rein und makellos. Luxeriös ist das Zimmer. Blau glimmt es durch die Fensterhöhlen.
    "Du"
    Souverän verharrt Nero im Raum, schwebend in einem unendlichen Nichts aus Schwarz. Weiße Lichter umwirbeln das Gefilde.
    Betörend legen sich Callistas Finger auf seine goldene Brust. Makellos ist sein Leib. Wunderschön sein Gesicht. Callista legt ihre Lippen auf seine Schulter.
    "Er?"
    Weiß spiegeln sich die Sterne in Callistas schwarzen Augen. Sie saugt das Licht auf. Verzehrt das Schöne. Zerstört das Reine. Verlangt nach mehr. Fordert alles. Und gibt selber nichts.
    "Warum sie?"


    Frenetisch schmiegt sich Callista an Nero. Er liebt sie. Sie liebt ihn. Es war schon immer so gewesen. Seitdem Callista zu reisen vermag. In die Welt der Visionen. Nero hebt seine Hand. Der Marmor verblasst. Der Boden wandelt sich in Stein. Wände wachsen empor. Ein Amphitheater entsteht.
    Im Halbkreis des Koilon sitzen tausende Menschen. Schwarz und rot sind ihre Kleider. Ihre Gesichter helle Fratzen, ohne Gepräge. Ausdruckslos. Leer. Gleich und identisch.
    Nero steht im Mittelpunkt des Orchestra. Seine goldenen Augen sehen über alle hinweg.
    Weiß strahlt der Chor. Klangvoll sind ihre Stimmen. Nur Nero, er schweigt.
    "Suchende suchen. Verlorene werden gefunden. Sie hat mich aufgespürt. Weil sie mich finden wollte."
    Verzehrend zieht es Callista zu Nero. Ihre Gewänder rascheln. Sie nimmt neben ihm Platz. Zwischen all den Fratzen.
    "Erkennt das Theater des Lebens. Wir sind nur Puppen. Schatten der Götter. Sie lenken uns. Sie führen uns. Das Schicksal ist finit."
    Marionetten tanzen an langen silbernen Fäden. Ein grimmiger Jupiter hält sie in seinen Händen. Eine sorglose Venus zieht an den Fäden. Schön ist die Puppe der Callista. Sie tanzt. Tanzt die Liebe mit ihrem Heroe. Der Heroe reißt sich von ihr fort. Er flieht. Hört nicht auf ihre Rufe. Die kleine Callista weint goldene Tränen.
    "Keiner entrinnt dem Los, was uns beschieden wurde."
    Die Faust des Jupiters ergreift die Puppe des berückenden Heroen. Zerbricht sie und wirft sie in den schwarzen Abgrund. Callista seufzt entsetzt auf.
    "Deus ex machina."
    Thanatos umfängt ihn. Jupiter lacht laut. Callista will es nicht hören. Will es nicht sehen. Sie hält sich die Ohren zu und schreit markerschütternd.





    "Herrin? Herrin. So erwache doch."
    Den Schrei auf den Lippen schlägt Callista die Augen auf.
    "Wo sind wir, meine Benohé? Ist er hierselbst?"
    Sanft fährt Benohé mit ihrer Hand durch Callistas schwarze Haare.
    "In Rom, Herrin. Und er ist noch nicht zurück gekehrt."
    Schluchzend vergräbt Callista das Gesicht an der Brust ihrer Sklavin.
    "Er ist tot. Die Götter haben ihn mir entrissen."
    Die Vorhänge wölben sich im nächtlichen Wind. Silbernes Mondlicht fällt in das Gemach hinein. Lange hält Benohé die Patrizierin in ihren Armen. Bis sie darnach erneut entschlummert ist.

    Ein verborgenes Geplänkel. Ein unsichtbares Messen. Das vollzieht sich zwischen ihr und den beiden Sklavinnen. Callistas schwarze Augen bohren sich in die der aufmüpfigen Baskin. Stälern ist nun die Spiegelung der Callista. Renitenz kann sie nicht dulden. Unbotmäßigkeit muss im Keim erstickt werden.
    Ein Römer ist ein Stein im Meer von Kieseln. Ein Funkelnder. Ein Glänzender. Er herrscht über den Übrigen. Ihre Masse kann ihn leichthin erdrücken. Im Sturme der Flut verdecken.
    Einer einzelnen Rose in einem Hain gleicht die römische Herrschergewalt. Der Römer ist der Gärtner. Ohne drakonische Sanktionen schwindet die Zucht. Das Unkraut wuchert über den schönen Garten und erstickt die Ordnung. Das Gefüge der Welt zerbricht.
    Was ist Callista schon? Die Sklavinnen hätten sie mit Leichtigkeit überwältigen können. Ihr Leben entreißen. Ihre Macht berauben. Jedennoch beruht ihr Regiment auf der Konsequenz von Repressalien. Indessen ist das Nämliche nur ein silbener Faden der Gewalt. Fein und filigran. Dünn und dürftig.
    Callista strahlt hinwieder Gewissheit aus. Tötet ihr mich. Greift ihr mich an, so wird es euch übel bekommen.
    Wellen der Erregung pulsieren durch Callistas Adern. Es ist die Spannung zwischen Leben und Tod. Ihrem Eigenen oder dem der Sklaven. Es enttäuscht Callista darnach sehr wohl. Die Sklavinnen geben auf. Das Ringen ist beendet.


    Eine unmerkliche Spannung fällt von Callista ab. Emotionslose Unlust bleibt zurück. Eine distanzierte Ernüchterung gebietet über Callista. So hurtig der Jähzorn in Callista aufgeflammt ist, so schnell ist er liquidiert. Abgeklärt und gleichmütig sieht Callista auf Fiona hinab.
    Feine Schweißperlen glänzen auf ihrer Stirn. Die Agonie scheint zu schwinden. Callista betrachtet sie in extenso.


    "Meine Benohé, reiche mir das Tuch."
    Es raschelt leise. Sie spürt den Stoff an ihren Fingern. Barfuß tritt Callista über Fiona hinweg. Geschwind öffnet Benohé die Tür vor Callista. Mit dem Tuch um ihren Leib geschlungen dreht sich Callista um. Leidenschaftslos richtet Callista ihre Augen auf Minna und Aintzane.
    Mut und Bravheit zeichnet sie aus.
    Aber ihre Impertinenz und Emeute musst Du ihnen noch austreiben, Callista.
    Traun. Aber eventual sind sie noch gedeihlich.
    "Kümmere Dich darum, meine Benohé."
    Indolent deutet Callista auf Fiona.
    "Und danach erwarte ich Dich bei mir."
    Alsbald schreitet Callista aus dem Bad hinaus. Die Dunkelheit des Ganges frisst ihre knabenhafte Gestalt auf. Stille. Ein Wassertropfen verirrt sich auf den Marmorboden. Blut auf hellem Grund. Ein toter Skorpion. Eine mit dem Tode ringende Sklavin.


    Verhaltenen nähert sich Benohé der keltischen Sklavin. Sie kniet neben dem Körper hernieder. Ihre schlanken Finger umgreifen das Handgelenk. Ebenso prüft sie die Augen der Sklavin. Ihre Lippen schürzen sich bedenklich. Benohé vertut keine Zeit mit Vorwürfen. Oder Gesprächen. Das ist nicht der Zeitpunkt dafür. Zudem die Wunden noch zu frisch. Ob am Körper oder der Seele.
    "Geht mir zur Hand. Wir müssen sie andernorts bringen. Wo ist das Obdach der Sklavinnen?"
    Stoisch ist das Gepräge von Benohé. Nicht involviert. Anteillos. Als ob sie selber keine Sklavin ist. Der dasselbe Schicksal ereilen könnte. Benohé hat jedoch bereits zu viele unselige solcherlei Posteriora erlebt. Wenig vermag sie zu tangieren.

    Vergrämt muss Callista fest stellen. Sie findet keinen Makel. Wunderschön ist ihre Namensbase. Strahlend und einer Göttin gleichend leuchtet ihre Freundin. Sofern Claudia Callista die Nämliche überhaupt besitzt. Und derart scheelsüchtig die beiden Frauen aufeinander sind, scheint das ein kleines Wunder zu sein.
    Verwundert stutzt Callista.
    Weiß sie nicht von Marullus?
    Du wirst es wohl vergessen haben, Callista. Versäumt ihr zu erzählen.
    Traun.
    Tolldreist war es sicherlich. In der fabischen Villa in Ägypten den Besuch zu empfangen. Aber niemals den Ehegatten zu erwähnen. Dem das prunkvolle und weitläufige Anwesen am Mareotis-See gehörte. Nun ist es ihre Villa. Und sie ist ihren lästigen Gatten los geworden. Ein Gutes hatte die Ehe. Ihr verflossener Reichtum in Ägypten. Ihre neue Heimat Ägypten und die Villa. Ihr Vater hatte sie zu dem alten Fabius Marullus geschickt. Sonst wäre Callista immer noch in Italia. An der Seite eines römischen Senators allfällig.
    Ihren Bruder wird Octavia sicherlich noch in Erinnerung haben. Wer vergaß schon ihren Cethegus?
    "O, Liebes. Es erfüllt mich mit Pläsier. Dich wieder zu sehen. Die Reise muss sicherlich anstrengend gewesen sein."
    Gleisnerisch mitfühlend glänzen Callistas schwarze Augen.
    "Du siehst noch ein wenig mitgenommen aus."
    Pharisäisch ist auch Callistas Lächeln.
    "Ich lebe immer noch in Ägypten. Mein Vater braucht mich indes. Es geht ihm nicht sehr gut."
    Die Pest und Galle wünscht Callista immer noch ihrem Vater an den Hals. Aber nach außen hin spielt sie die liebende und sorgende Tochter.
    Lug und Trug. So gehört es sich.


    Ephemer beschäftigt sich Callista mit ihren Sklaven. Die Sänfte benötigt sie nun nicht mehr. Darum entlässt sie die Sänftenträger. Nur ihre Leibwächter, Benohé und ihr Sohn dürfen sie noch begleiten. Demgemäß entgeht Callista das leise Geraune mit den octavischen Sklaven.
    Prüfend betrachtet Callista Octavia. Callista ist sich oftmals nicht sicher. Wann flunkert ihre Freundin. Oder spricht freimütig im Sinne von Veritas.
    Schöntuerei bleibt bei Callista nicht ohne Wirkung. Antichambriert lächelt Callista. Es gelingt ihr sogar Verlegenheit zu perludieren.
    "Liebes, eine Claudia übertreibt niemals. Nein."
    Wie ein adrettes Püppchen wird nun Callistas Sohn vorgeschoben.
    "Das ist mein Sohn Nero. Nero Fabius Damio. Aus dem Geschlecht der patrizischen Fabii."
    Sicher war sicher. Es kann nicht schaden auf die edle Herkunft zu verweisen. Callista hält sich sicherlich für etwas Besseres. Aber nicht weil sie eine Patrizierin ist. Nein. Weil sie eine Claudia ist. Eine Nachkommin des göttlichen Augustus. Ingleichen des wundervoll strahlenden Nero. Ansonsten pflegt Callista gerne sich genauso mit Plebejern oder Patriziern zu umgeben. Es ist ihr gleich. Hauptsache die Menschen sind schön. Und sie vermögen es, Callista zu erheitern.
    Und Octavia ist ohne Zweifel eine schillernde Frau. Extravagant und interessant. Zudem höflich und äußerst klug. Natürlich fühlt sich Callista wie ein filigraner Nachtfalter von einem solchen irisierenden Licht angezogen.
    "Nero, Liebling. Das ist die noble Octavia Callista. Eine geschätzte und liebe Freundin von mir."


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    Artig wie Nero ist deutet er eine Verbeugung vor der Dame an. Wenn er es auch hasst von seiner Mutter hin und her geschoben zu werden.
    "Salve Octavia."
    Adult wirkt der Junge von höchstens sechs Sommern in seinem Benehmen. Frühreif und sehr ernst. Kein Lächeln ziert seine blassen Lippen. Kein Funkeln in den Augen. Aber eine tiefe Klugheit offerieren die braunen Augen.
    "Es freut mich sehr, Dich kennen zu lernen."
    Erfreut ist seine Mutter. Immer wenn er sich wie ihre chevalereske Marionette verhält. Nun weckt etwas anderes seine Aufmerksamkeit.
    "Mater? Darf ich mir die Vögel ansehen gehen?"
    Der Junge deutet auf einen Stand mit mondänen Singvögeln.
    "Zweifelsohne, mein Schatz."


    Callista beachtet ihren Sohn nicht mehr. Er läuft davon und betrachtet mit glücklichen Augen eine Lerche.
    "Wie ich sehe, suchst Du nach feinem Tuch. Lass uns doch gemeinsam die Märkte plündern. Derweil erzähle ich Dir gerne, was in den letzten Jahren passiert ist. Und Du berichtest mir von Deinen Reisen. Sie müssen höchst aufregend gewesen sein."
    Ennuyiert gleiten Callistas Finger durch dunkelgrüne Seide. Rot und weiß stehen Callista sehr viel besser. Sie hebt den Stoff etwas an. Er würde hervorragend zu den schönen Augen von Octavia passen. Auch zu ihrem Teint und den schimmernden Haaren.
    "Hässlich. Er würde Dir nicht gerecht werden, Liebes. Komm. Lass uns zu dem Schmuck gehen."
    Schon eilt Callista auf das Geschmeide zu. Schimmernd lachen ihr schöne Perlen entgegen. Und ein großer Rubin.
    O, wie ist er schön.
    Mehr beiläufig sind ihre weiteren Worte.
    "Liebes, habe ich Dir niemals meinen Mann vorgestellt? Fabius Marullus. Senator und früherer Magistrat von Rom. Aber er ist vor einiger Zeit verstorben. Die Götter haben ihn mir geraubt. Welch ein Jammer. Er war so ein guter Ehemann."
    Lüge. Callista hat ihn gehasst. Abgrundtief.
    Sie hebt ein Diadem aus zahllosen feinen Edelsteinen in die Höhe. Das Sonnenlicht bricht sich funkelnd in den Steinen.
    "Aber Süße. Mach Dir mal keine Sorgen. Die edelsten Männer Roms werden Dir zu Füße liegen. Und sie werden Dich auf ihren Händen tragen. Wie eine Göttin."
    Habe ich das gerade gesagt?
    Das hast Du, Callista.
    Traun.
    Erstaunt über sich selber ist Callista sprachlos.
    "Oder hat Dein Vater Dir schon einen Gatten ausgesucht?"

    Einer ihrer Sklaven macht Anstalten auf die Kniee zu gehen. Damit Callista auf seinen Rücken steigen kann. Derartige Demutsbezeugungen zu erweisen sind ihre Sklaven gewöhnt. Und viel wiegen tut Callista hinwieder nicht. Ebenso schickt sich Nero bereits an den Rücken des Sklaven zu besteigen. Indessen gefällt das Callista nicht. Das ist ihr zu blamabel.
    "Nein."
    Scharf schneidet ihre Stimme durch die Luft. Der Sklave zuckt unmerklich zusammen. Jeddenoch gehorcht er. Raffinessen und Schlachtpläne werden entwickelt. Damit auch Callista noch das Opfer bestaunen kann.
    "Mater, ich will nach Hause. Bitte."
    Flehentlich sieht ihr Sohn Callista an. Gestreng blickt Callista zu ihm hinab.
    "Hör auf zu quengeln, Nero. Du weißt. Ich bekomme davon nur Kopfschmerzen."
    Simultan streichelt sie über seine blasse Wange. Seine Augen wenden sich ab. Umschattet sind seine Augenhöhlen. Der kleine Nero fühlt sich heute wieder nicht gut. Und das Gros der Menschen verstört ihn.


    "Herrin?"
    Mit ihren tiefen und satten braunen Augen macht Benohé ihre Herrin auf den Sklaven aufmerksam.
    Perplex lauscht Callista seinen Worten. Zumindest versucht sie es.
    "Was für eine Sprache spricht er?"
    Als ob der Sklave nicht anwesend wäre. Aber ein Sklave ist in Callistas Augen nur ein Ding.
    "Latein, Herrin. Aber er lispelt."
    Callistas schönes Gesicht verzieht sich angewidert. Ein solcher Makel an einem Sklaven findet sie abscheulich. Sie hätte ihm längstens die Zunge raus schneiden lassen. Wenn es ihr Sklave wäre. Wie ein widerliches Insekt wird der Sklave gemustert. Abfällig begutachtet. Wenigstens ist sein Äußeres ansprechend.
    Abominabel.
    Womöglich hat sein Herr zu sehr gefallen an ihm gefunden, Callista.
    Denn die Prozedur einem Sklaven die Stimme zu nehmen ist nicht ohne Risiko. Viele sterben dabei. Das ist Callista bewusst.


    "Und was will er?"
    Benohés Lippen wölben sich zu einem spöttischen Lächeln. Ihre Herrin sieht das nicht. Benohé steht hinter Callista.
    "Sein Herr, Magistratus Aurelius Corvinus, lädt Dich ein, seine Bekanntschaft zu machen. Zudem so die Festivität besser zu beobachten. Er scheint eine gute Sicht zu haben."
    Der lispelnde Sklave ist vergessen. Ein freudiges Lächeln huscht über ihr Gesicht. Magistratus und Aurelius. Womöglich am Ende aus dem patrizischen Zweig. Geschenke und Schmeicheleien locken. Da kann Callista natürlich nicht widerstehen.
    "Sage dem Sklaven, meine Benohé, folgendes."
    Callista bemerkt auch das süffisante Lächeln hinter ihrem Rücken nicht. Scheinbar erwartet Callista eine Übersetzung in ein von Lispeln geprägtes Latein.
    "Claudia Callista wird der Einladung des geschätzten Magistratus Aurelius mit Pläsier nachkommen. Und so gehe er. Wir werden folgen."
    Benohé sieht mit würdevollem Ernst zu dem Sklaven.
    "Meine Herrin, Claudia Callista, lässt ausrichten. Sie wird der Einladung des geschätzten Magistratus Aurelius mit Pläsier nachkommen. So gehe hin fort. Meine Herrin und ihr Tross werden sogleich folgen."


    Callista nickt erfüllt. Sich durch die Haare zu streichen ist unter ihrer Würde. Auch an ihrer Frisur noch einmal herum zu zupfen.
    "Bin ich schön genug, meine Benohé?"
    Kein Zögern. Kein Zaudern von ihrer Sklavin.
    "Makellos, Herrin. Bezaubernd."
    Benohé würde das immer sagen. Selbst jetzt. Denn die Blässe ziert unpässlich die sonst goldbeigen Wangen der Callista. Die Mondtropfen verzehren immer mehr die kleine Patrizierin.
    Mit den Leibwächtern und ihren Sklaven nähert sich Callista dem Magistratus. Ihre weinrote Stola raschelt leise. Ihre Goldohrringe klimpern. Der zahlreiche Schmuck an ihrem zarten Körper funkelt im Licht.
    Callista schenkt Corvinus ein strahlendes Lächeln.
    "Magistratus Aurelius. Voll der Frohmut mache ich Deine Bekanntschaft. Das ist mein Sohn, Nero Fabius Damio."
    Für was er wohl Magistratus ist? Das kann immerhin viel heißen. Für einen Consul sieht er zu jung aus. Schön. Aber zu unerfahren. Ein Aedil womöglich? Prätor gewiss nicht. Sie sieht keine Liktoren.

    Insurrektion. Sedition. Meuterei. Fassungslos starrt Callista die Sklavinnen an. Sie ist maßlos entgeistert. Verstört. Darum fehlt auch der Zorn in ihr. Eben hält sie noch den Korb in der Hand. Ergötzt sich bis anhin am Anblick der dolorosen Fiona. Im anderen Augenblick wird sie zur Seite gestoßen. Ihr geliebtes Tier wirbelt durch die Luft. Sein Körper liegt zerschmettert auf den hellen Fließen des Bades. Ihre traute Nofritari. Ihre Schöne vom Nil.
    Callistas Mund steht offen.
    Ich träume.
    Nein. Der Schmerz der Glasscherbe ist zu echt, Callista.
    Traun.
    Erst jetzt merkt Callista das winzige Fragment der Phiole in ihrem Fuß. Sie ist selber in eine liegen gebliebene Fiolascherbe getreten.
    "Au."
    Kein Geschrei, kein Gezeter. Callistas Augen füllen sich mit Tränen.
    Es entgleitet ihr. Die Kontrolle. Die Macht. Erst die Auflehnung von Fiona. Die Dreistigkeit. Die Todesverachtung. Und nun rebellieren die anderen Sklavinnen offen gegen sie. Und zu guter Letzt blutet sie am Fuß. Schmerzen kann Callista nicht ertragen. Aber noch mehr nicht die Ohnmacht.


    Nebstdem kommt die Tobsucht. Ihre Lippen erbeben. Sie wischt sich die Tränen von der Wange.
    "Merda."
    Ihre Finger graben sich in Benohé schmale Schultern. Sie stützt sich an ihrer Sklavin ab. Fluchend zieht sich Callista die Scherbe aus dem Fußballen. Indigniert wirf sie ebendie zur Seite. Humpelnd tritt sie auf Aintzane zu. Sie hat keine Peitsche. Darum muss sie sich anders behelfen. Mit der flachen Hand schlägt Callista zu. Ihre scharfen Fingernägel reißen dabei die Haut des Baskin auf.
    "Impertinentes Ding. Habe ich Dir erlaubt, Dich der Sklavin zu nähern?"
    Callista fühlt sich im Nu abermals hilflos. So viel Unverschämtheit ist ihr noch nicht untergekommen.
    Das wird Konsequenzen haben.
    Aber welche? Dein Vater ist zu weichherzig.
    Weichherzig. Wie sie das Wort schon hasste. Weichherzig, schwachherzig, klein, zerbrechlich. Ohne Mut, Kraft- und Saftlos. Gnade. Mildtätigkeit. Voller Erbarmen.
    Das ist ein Wesenszug für die schwachen Menschen.


    Schwer hebt sich die Brust von Callista. Perikulös glühen ihre schwarzen Augen. Mordlust stehen in ihr geschrieben. Und doch ist Callista konfus. Wen soll sie zuerst bestrafen? Aintzane oder Minna? Wenn doch nur ihr Bruder hier wäre. Er würde das für sie nun regeln. Er würde die Sklavinnen dem Tode übereignen. Da ist sich Callista sicher.
    "Zurück."
    Ungehört ist ihre Stimme.
    "Weg von der Sklavin. Oder meint ihr, ich mache meine Drohung nicht wahr?"
    Ihre Stimme schallt laut von den Marmorwänden wieder.
    "Sehnt ihr euch desgleichen nach dem Tod? Wie dieses dumme Ding?"


    Hinter Benohés ausdrucksloser Firnis arbeitet es. Wie kann sie ihre Herrin ablenken? Wie sie aus dem Raum hinaus locken? Kalt ist der Zorn der Callista nicht minder gefährlich. Aber derart hitzig ist er tödlich. Für alle Sklaven in ihrer Umgebung. Geschmeidig gleitet die dunkelhäutige Sklavin an die Tür. Sie sieht durch den schwarzen Spalt.
    "Herrin?"
    Benohé bleibt bei Callista ungehört. Unhold ist all ihre Aufmerksamkeit auf die Sklavinnen gerichtet.

    Dreißig Sommer und vier darüber, glaub' ich,
    Hat mein Julius schon mit mir verlebt nun,
    Deren Freude mit Leiden untermischt war.
    Doch der liebliche Teil war wohl der größre,
    Und wofern ich die hell' und dunklen Steinchen
    Alle sondre, sie dahin, dorthin werfe,
    Überwindert der weiße Trupp den schwarzen.
    Willst Du, vieler Bedrängnis auszuweichen,
    Manchen nagenden Kummer zu verhüten,
    Keinen Menschen zu sehr zum Freund dir machen,
    Hast du weniger Leid- doch minder Freude.
    - Martial, Echte Freundschaft


    Verhalten schaukelt die Sänfte. Die Menschen drängen sich in einem Fluss zusammen. Vereinigen sich aus vielen kleinen Gassen zu einem breiten Strom. Und sie alle streben von dem Forum Augustum zu dem neuen Forum Traiani. Das schlagende Herz. Wenn es um Handel, Luxus und Kaufrausch geht.
    Gier schlägt in Callistas Brust. An der Stelle des menschlichen Herzens. Es dürstet sie nach neuem Schmuck. Gold, Geschmeide, Edelsteine. Opale, Lapislazuli, sie kann nicht genug davon bekommen. Eventual kann sie nur die Ausladen betrachten. Jedoch nichts erwerben.
    Der schnöde Mammon. Mir fehlt das Geld.
    Schicke die Rechnungen Deinem Vater. Er soll Dich glücklich machen, Callista. Wenn schon kein Mann Dich sonst beschenkt.
    Traun.
    Callista lächelt glücklich. Eine famose Eingebung. So wird sie es umsetzen.
    Schläfrig liegt ihr Sohn auf ihrem Schoß. Die Schwäche quält ihn. Aber in der Villa will ihr Sohn nicht bleiben. Hingebungsvoll streichelt Callista seine seidigen Haare.


    Die Sänfte durchquert den imposanten Arcus Traiani. Leuchtend sind die Farben. Zahlreich die Waren. Auf dem Forum strotzen die Stände mit ihrer Pracht und Auswahl. Ebenso dicht beladen ist die Exedra des Forums. Fesselnd und intensiv die Gerüche.
    Aufgeregt späht Callista nach draußen. Vorbei an ihrer ägyptischen Leibwache. Exquisit ist die Auswahl hier noch nicht. Aber schon die Aussicht ihren Kaufrausch aus zu leben beseelt Callista.
    Die steinern reservierte Miene von ihrer Sklavin straft Callista mit Nichtachtung. Sie weiß schon was Benohé denkt. Nein. Heute würde alles gut gehen. Es wird ein vergnüglicher Tag. Und am Ende geht sie mit wunderschönen Schmuck nach Hause. Sie wird sich im Silberspiegel betrachten. Den ganzen Abend. Bis sie dann die Mondtränen zu sich nimmt. Und in das Reich der schönsten Träume entflieht. Was für ein Tag könnte perfekter als jener sein?
    Wenn ER hier wäre.
    Er hat Dich verlassen, Callista.
    Er kommt zurück. Er liebt mich doch.
    Leise schnieft Callista. Ihre Sklavin reicht ihr ein Seidentuch. Geziert tupft sich Callista eine Träne hin fort.
    Ein Jauchzen entfleucht ihr. Die Trauer ist vergessen.
    "Dort."
    Beglückt deutet sie auf die Auslagen von einem Schmuckhändler. Die edlen Waren fangen auf dem Teil des Forums an. Seide mischt sich mit Schuhen aus Krokodilsleder. Daneben tummeln sich Bernsteinketten mit Diamantendiademen. Es ist das Paradies für Callista.
    Was sehe ich da? Wer? Nein. Ich glaube es nicht.


    Erstaunt öffnet sich Callistas Mund. Undamenhaft wirkt ihr Ausdruck.
    Doch.
    Hastig deutet sie ihren Sklaven bis zu einem Seidenstand zu eilen. Sie hat dort eine liebe und langjährige Bekannte entdeckt. Schnell und prüfend mustert Callista die andere Frau.
    Neid erfüllt sie. Immer wenn Callista ihre Freundin sieht. Denn Callista hat das Gefühl, die andere Frau ist ein wenig schlanker als sie selber.
    "Liebchen, meine Süße."
    Callistas Sänfte verharrt neben ihrer Freundin.
    "Was für eine superbe Überraschung. Du? In Rom?"
    Grazil gleitet Callista aus der Sänfte. Immerhin ist ihre Freundin nicht größer als sie selber. Höchstens einen Finger breit. Küsschen rechts, Küsschen links. Callista strahlt. Natürlich falsch und ränkesüchtig.
    "O, Süße. Du siehst wunderschön aus. So voller Leben. Hast Du geheiratet?"
    Und den Seitenhieb kann sich Callista nicht sparen.
    "Bist Du schon in guter Hoffnung?"
    Nero streckt hinter ihr den Kopf aus der Sänfte und sieht teilnamslos die Freundin von Callista an.
    "O, wie viele Jahre ist es her, Liebes? Zwei? Drei?"



    Sim-Off:

    Reserviert.

    Prekär ist es. Muss Callista sich schon zu Fuß unter die Menge mischen, so sind zudem alle auch noch größer als sie. Die Menschen jubeln. Sie lachen. Es ist ein Feiertag. Nur Callista sieht nichts. Aber auch ihr kleiner Nero nicht. Seitdem sie die Sänfte verlassen haben, hängt er an ihrer Hand. Aufmerksam mustert er die Menschen um sich. Stetsfort weicht er einem Römer aus. Der ihn nicht sieht.
    "Mater, müssen wir uns das ansehen?"
    Weltentrückt tätschelt Callista den dunklen Schopf ihres Sonnes.
    "Ohne Zweifel, Nero. Wir sind Römer. Römer huldigen ihren Göttern. Das hebt uns von den Barbaren ab. Wie alles andere Zivilisierte auch."
    Sie reckt sich. Immer noch kann sie nichts erheischen. Apodiktisch winkt sie ihren Leibwächtern zu. Rüde drängen sich die Männer durch die Menge. Sie bahnen Callista einen Weg. Empörte Rufe begleiten Callistas Schreiten. Es stört sie nicht. Sie ist immerhin eine Claudia.
    "Nein, Nero. Ein Patrizier hebt nichts vom Boden auf."
    Enttäuscht lässt Nero die Süßigkeit fallen. Sie ist in einem hohen Bogen vor seinen Füßen gelandet. Fangen kann der Junge nicht. Wie er auch stets das Werfen von Bällen nicht meistert. Mit langem Gesicht trottet er an der Seite seiner Mutter entlang.


    Dann ist kein Weiterkommen.
    "Was passiert dort?"
    Callista späht zwischen Lücken hindurch. An Menschen vorbei. Vergeblich. Sie ist nur ein Tropfen im römischen Ozean der Menschen. Schweigend erwidern die Sklaven ihre Frage. Wie sollen sie auch antworten? Sie können es nicht. Stumm wie sie sind.
    "Meine Benohé?"
    Quängelnd ist Callistas Tonfall. Sie möchte doch auch sehen, was die Priester tun.
    "Nimmst Du etwas gewahr von dem Geschehen?"
    Größer als Callista ist Benohé gewachsen. Über einen dicken Mann kann sie hinweg sehen.
    "Herrin, es ist der Flamen zu sehen. Sein Eheweib ebenso. Zudem Diener und die Statue der Göttin. Und sie beginnen mit dem Opfer."
    Enttäuscht erbebt Callistas Unterlippe.
    "Ist sie schön? Die Statue."
    Bejahend ist Benohés Deuten.
    "Wunderschön, Herrin. Möchtest Du auf den Rücken eines Sklaven steigen?"

    Weich perlen die Hundert Wassertropfen von Callistas Leib. Funkeln. Glänzen im Schein des Öllampen. Eine Lache aus dem öligen Nass bildet sich um Callistas Füße. Voller Hingabe betrachtet sie den Skorpion. Viele Füße bewegen sich geschwind in dem Korb. Ihre Schöne ahnt von ihrem Auftritt. Drohend ist ihr Stachel erhoben. Callista lächelt und sieht in Fionas Gesicht.
    Der Triumph schwindet. Die Siegesfreude verbrennt lodernd zu einem Haufen von schaler Asche.
    Keine Angst in den Augen der Sklavin zu sehen verunsichert Callista. Wo bleibt das Vergnügen der Bestrafung? Ohne den Schrecken?
    Sie lügt immer noch.
    Nein. Es ist echt. Sie möchte sterben.
    Und wenn schon. Was interessiert mich das?
    Die Apathie von Fiona treibt Callista zur Weißglut. Verstört sie gleichermaßen. Und die scheinbare Dankbarkeit verstimmt Callista.
    Schmollend verzieht sie ihren Mund. Ärgerlich blitzen ihre Augen.
    "Verhöhne mich nicht, infames Ding."
    Womöglich meint es Fiona ernst? Callista sieht sie prüfend an. Die Serva ist ihr hinwieder ein Änigma. Undurchschaubar. Verworren.
    Soll ich dem Einhalt gebieten? Mit der Peitsche strafen?
    Sie werden Dich nicht mehr ernst nehmen, Callista.
    Traun. Das werden sie nicht.
    Giftig lächelt Callista Fiona an.
    "Nur zu, meine Liebe. Greife hinein. Erfreue Dich an dem Kuss des Todes. Labe Dich an dem Gift der Vergänglichkeit."


    Medisant lacht Callista. Sie dreht sich zu den anderen Sklavinnen um.
    "Meint ihr, ich tue das nur bei mir unliebsamen Sklaven? Meine Benohé, trete vor."
    Humil verneigt sich Benohé vor Callista. Zärtlich streicht Callista über das schwarze Haupt ihrer Sklavin.
    "Ist sie nicht schön? Und stets so gehorsam. Aber ich dulde keine Fehler. Makel sind mir ein Grausen. Meine Benohé darf nicht fehlen."
    Perfektionistisch ist Callista nur bei anderen. Nicht bei sich selber.
    "Berichte, meine Benohé. Wie fühlt sich das Gift der Schönen vom Nil an?"
    Ins Nichts wandert der Ausdruck von Benohé.
    "Anfangs brennt es nur. Als ob eine Biene den Stich verursacht hat. Aber der Schmerz breitet sich aus. Feuerstiche bohren sich durch den Körper. Der Schmerz erreicht das Herz. Verkrampft es. Unerträglich wird es. Selbst wenn man glaubt, es nicht mehr aushalten zu können. Es wird schlimmer. Und überdies bringt die Bewusstlosigkeit keine Erleichterung. Tage hat mich das Fieber gemartert. Die Träume waren das Schlimmste. Aber man fühlt sich neu geboren. Überlebt man den Stich."
    Zufrieden ist Callista. Sie musterte verhohlen Fiona. Erschreckt sie dabei?
    "Und Benohé ist meine liebste Sklavin."
    Callista wartet. Den Korb in ihren Händen. Sie sieht Menschen gerne beim Sterben zu. Und wenn Fiona es überlebt, soll es ihr auch recht sein. Die Qual kommt. Ohnedem.

    Furor flammt in Callista auf. Die sonst angenehmen Berührungen ihrer Sklavin bändigen nicht den Unmut in ihr. Gänzlich sind alle anderen Sklavinnen vergessen. Ihre Finger schließen sich gedankenlos um die Phiole. Bebend erhebt sich ihre Brust.
    Dieses freche Luder.
    Ein Biest ist sie.
    Dafür wird sie bestraft.
    Indessen ist Callista noch stumm. Nur die Schritte von Aintzane sind zu hören. Und das sanfte Plätschern von Wasser.
    "Herrin, die Fiola?"
    Benohé versucht Callista auf den gelinden Mohnsaft zu lenken. Dieser versetzt Callista in eine andere Gemütslage. Vermag sie zu beruhigen. Aufgebracht schüttelt Callista den Kopf. Sie schleudert die gläserne Phiole auf den Boden des Bades. In Tausend Scherben zerspringt das Glas. Klirrend. Der erlesene Mohnsaft verteilt sich auf dem Boden.
    Das Wasser kräuselt sich zu feinen Wellen. Die kleine Patrizierin erzittert vor Jähzorn. Und doch ist sie auch aus dem Konzept gebracht. Die Todesverachtung verunsichert Callista.
    Wie soll sie eine Sklavin dann bestrafen? Sie würde den Tod nicht fürchten. Alle Strafen wären sinnlos. Callistas Augen verengen sich. Bohrend sucht sie in der Sklavin zu lesen. Womöglich lügt ihr die Sklavin ins Gesicht? Gehört das noch zum Spiel? Nein. Diese Renitenz in den Augen der Sklavin ist echt. Zu genuin. Das hat Callista schon zuvor gesehen.
    "Du."
    Atemlos ist Callista.
    "Meine Großmut nutzt Du aus. Schamlos sprichst Du. Versuchst Du gar, Dich über mich lustig zu machen, unverschämtes Ding?"
    Tatsächlich sieht Callista in Sklaven kaum mehr als Objekte. Die ihr Wohlgefallen bereiten sollen. Ihre Geneigtheit ist verspielt. Callistas Grausamkeit geweckt.
    "Dann wollen wir doch sehen, ob Du tatsächlich den Tod nicht fürchtest, dummes Ding."


    Bestialisch ist das Lächeln von Callista. Sie deutet Benohé vor sich zu treten. Auch ihre eigene Sklavin hat Callista verärgert.
    "Hole Nofritari. Geschwind, meine Benohé. Und über Deine Strafe sprechen wir später."
    Reumütig senkt Benohé ihre langen Wimpern. Das Wasser teilt sich vor der Sklavin als sie auf die Treppen steigt.
    "Und, meine Benohé. Weiche nicht den Scherben aus."
    Die Sklavin bleibt stehen und nickt ergeben. Ohne den Schmerz zu zeigen tritt sie über die scharfen Glasreste hinweg. Auf dem Marmorboden verbleiben ihre Blutspuren.
    Grausam glüht der Funke der Hartherzigkeit in Callistas schönen, schwarzen Augen.
    "Mein Urteil war verfrüht. Euer Benehmen geziemt sich nicht. Selbst im Spiel darf nie der Respekt vor den Herrschaften vergessen werden. Mir dünkt, das rechte Maß der Erziehung wurde bei euch versäumt."
    Insgemein ist nun Callistas Judikat.
    "Eventual habt ihr die Peitsche gespürt. Womöglich auch nicht. Aber, Servae, ich dulde keine Insolenz von Sklaven. Demut, Gehorsam und Devotion verlange ich. Wenn ihr glaubt, meine Imagination endet bei der Peitsche, dem Kreuz oder den Löwen, so irrt ihr."


    Genug des Bades. Callista bewegt sich durch das träge Medium. Ihre Füße setzen sich auf die blanken Stufen. Vor den Scherben bleibt Callista stehen. Das rote Blut auf dem hellen Stein gefällt ihr. Ihr Mundwinkel hebt sich verlustierend.
    "Du. Serva."
    Schöne Nymphen, Neráida, Limnaden. All das scheint vergessen zu sein. Callistas Anrede wendet sich an Minna.
    "Räume die Scherben fort."
    Ihr Blick gleitet zu Leah.
    "Reiche mir ein Tuch."
    Fiona scheint eine Gefallene zu sein. In der Gunst von Callista. Sie beachtet sie nicht mehr.


    Stillschweigend trägt Benohé das Verlangte zu der Tür. Sie wird Aintzane ansichtig. Mit einer Bewegung ihres Kinns deutet sie Aintzane ihr zu folgen. Benohé tritt in das Bad.
    "Herrin, die Schöne vom Nil."
    Callista streckt die Hände dem Korb entgegen.
    "Komm aus dem Wasser heraus, törichtes Mädchen."
    Ungeachtet ist das Alter von Fiona. Callista öffnet den goldgeflochtenen Korb.
    "Erblicke Deine Strafe, Serva."
    Goldbraun glänzt der Panzer des ägyptischen Skorpions. Träge liegt das Tier am Boden seines Heimes.
    "Greife hinein und nimm meine Nofritari. Sie wird Dich mit all ihrer Liebe begrüßen."
    Süffisant sind die Worte von Callista.
    "Gegebenenfalls überlebst Du ihren Stich. Er ist nicht immer tödlich. Vielleicht kannst Du jedoch Deinen Geschwistern folgen."
    Callista lächelt zynisch.
    "Ist es immer noch Dein Wunsch in die Unterwelt zu treten? Hast Du mir am Ende die Wahrheit gesagt, Serva?"

    Ein Welle von einem Schluchzen nach dem Anderen schüttelt Callista durch. Gekonnt spielt sie die verzweifelte Tochter. Doch ihr echtes Weinen ist divergent von jenem Zeugnis ihrer Verzweiflung. Sie bekommt allweil Schluckauf bei allzu vielen Tränen und langem Gejammer. Mit jedem Beben ihrer Schulter fügt sich Callista in ihre Rolle.
    Sie hebt ihr Gesicht an. Ein feiner Schleier liegt auf ihren golden schimmernden Wangen. Ihre Unterlippe zittert sanft. Eine Träne perlt an ihrem Kinn.
    Sieht ihr Vater nicht gütig auf sie herab? Callista meint das zu erkennen.
    Noch ein Mal vermag sie nicht seine Hand zu küssen. Dessen ungeachtet hält sie seine alte Hand. Flehend sehen ihre Augen zu ihm hinauf. Keine Worte der Ignoszenz kommen von seinen Lippen.
    Nun verzeih mir schon, Du alter Narr.
    Gemach, Callista, gemach. Nicht zu schnell. Sonst glaubt er Dir nicht.
    Früher war es doch einfacher.
    Das war vor...
    Ja, ja, ich weiß.
    "O, Pater meus! Ich wusste es einfach."
    Was auch immer. Denn Callista hat nicht den blassesten Schimmer, wovon ihr Vater spricht. Womöglich vermag sie das noch auszunutzen. Zuerst muss sie nur erfahren, was er meint.
    Zaghaft lächelt Callista und lässt sich aufhelfen.
    "Nero ist mit mir gekommen, Pater. Es geht ihm gut. Die immerwährende Schwäche macht ihm noch zu schaffen. Aber er ist ein kluger Junge geworden."
    Einmal hat Callista ihrem Vater geschrieben. Vor Jahren. Und nur der Geburt ihres Sohnes wegen. Ansonsten hat sie jeden Kontakt zu ihrem Vater vermieden.


    Anmutig nimmt Callista neben ihrem Vater Platz. Sie versucht die reumütige Tochter zu plagiieren. Aber der Funke des Triumphes schleicht sich in ihre Augen. Als ihr Vater nach ihrem Mann fragt. Etwas zu spät senkt Callista die Augen. Scheinbar ringt sie mit ihren Händen. Das Beben in ihrer Stimme klingt nun falsch.
    "Pater meus, Marullus ist entschlafen. Sein Geist in die Gefilde der Seligen eingekehrt."
    Cnaeus Fabius Marullus war nur wenige Jahre jünger als ihr Vater. Und zudem mal sein Freund. Unsicherheit mischt sich in Callistas Gedanken. Sie vermag nicht zu ahnen, was ihr Ehemann an ihren Vater berichtet hatte. Hoffentlich weiß er nicht um ihren Bruder in Ägypten.
    Ohne Cethegus hätte Callista all die letzten Jahre nicht ertragen.


    Vorsichtig späht sie nach oben. Ob sie genug an vermeintlicher Trauer offeriert hat? Und am Besten lenkt sie sodann von Marullus ab.
    "Möchtest Du Deinen Enkelsohn sehen, Pater meus?"
    Schon klatscht Callista in ihre Hände. Benohé verbeugt sich demütig. Sie hat den Spinnenkorb zurück gebracht und wartet bereits auf die Befehle ihrer Herrin. Nun verlässt sie lautlos den Raum. Der kleine Sohn von Callista ist in einem Nebenzimmer untergebracht. Mithin schreitet die dunkelhäutige Sklavin mit dem jungen Sohn zurück in den Raum.


    [Blockierte Grafik: http://www.imgnow.de/uploads/nerend1bafgif.gif]
    Ernst ist das kleine Gesicht des Fabiers. Nero trägt die kindliche, purpurgesäumte Toga und eine Bulla um seinen Hals. Einen Schritt hinter der Sklavin betritt er den Raum. Suchend sieht er zu seiner Mutter. Ratlos ist seine Miene als er Myrtilus entdeckt. Und noch deutlich sieht er die Spuren von Tränen auf den Wangen seiner Mutter. Misstrauisch blitzen seine dunkelbraunen Augen auf. Der Junge geht zu seiner Mutter.
    "Salve Mater."
    Sein Gruß ist artig. Seine Mutter verlangt das von ihm. Und er möchte sie nicht unglücklich machen. Zudem ahnt sie dann nicht, was er sonst tut. Und alle sind zufrieden. Verbergen und Lügen. Den Schein wahren. So gehört es sich in einer guten Familie. Das weiß bereits der kleine Nero.


    Callista strahlt auf.
    "Mein Liebling. Da bist Du ja. Nero, das ist Dein Großvater."
    Nero sieht von den großen dunklen Augen seiner Mutter zu dem fremden Mann. Er weiß, was seine Mutter von ihm erwartet.
    "Salve Avus."
    Nero hat viel von seinem Großvater gehört. Und immerfort Schlechtes. Reserviert ist er. Und er weiß nicht so recht, was er tun oder sagen soll. Er macht darum eine manierliche Verbeugung. Ganz als ob er Respekt vor dem älteren Mann verspüren würde.

    Sorglich scheint das Wasser Callista zu umspülen. Träge und genüsslich bewegt sie sich zurück in die Mitte des Beckens. Belustigt bemerkt Callista das Zögern von Minna. Zart gleitet der Schwamm über ihren Körper. Er wäscht alles prekäre von ihrem Leib. Träge verschließen sich Callistas Augen. Ihre Wimpern sind von feinen Tropfen benetzt. Der Dampf perlt an ihrer Haut ab. Sammelt sich zu feinen Gerinnen an ihrer Schulter. Sie vermengen sich mit dem öligen Wasser aus dem Schwamm. Phlegmatisch heben sich Callistas Augenlieder. Aintzanes Frage beirrt Callista. Hinwieder fällt Callista ein. Sie sind nicht in Ägypten. Eine Sklavin in ihrer Villa hätte keine Scheu nackt die Gänge entlang zu gehen. Schließlich tut Callista das hin und wieder selber. Indolent zuckt Callista mit der Schulter.
    "Sicherlich, schöne Limnade."
    Die fröhliche Stimmung fällt von Callista ab. Melancholie schleicht sich in ihr Herz.
    "Und reiche mir vorher die rote Fiola."
    Die einzige Phiole, derer sich Callista vollauf sicher ist.


    "Elfa."
    Auch diesen Namen vermag Callista nicht tadellos zu wiederholen. Womöglich gibt sie sich auch keine Mühe dafür.
    Die Vorstellung indes von einem solchen Wesen gefällt Callista. Sie könnte auch eine Elfa sein. Zumindest wäre sie das gerne. Aber lieber möchte sie eine Göttin sein. Die Ambrosia ist erstrebenswerter als eine nordisch barbarische Geistfrau zu sein.
    "Draccus."
    Seltsam sind die Worte von Fiona. Schwer kann Callista sie mit ihrer Zunge aussprechen. Zischend wie eine Schlange scheint die Sprache des Nordens zu sein.
    "Eine Feuer spuckende Echse. Wie reizvoll."
    Verwundert sieht Callista zu der blonden Nymphe, Minna, und zu Fiona. Warum taten die Beiden so extraordinär? Callista kann ihre Gesichter nicht interpretieren. Jedoch verspürt Callista auch keinen Drang dazu. Sie senkt erneut ihre Augenlieder ehe die letzten Worte bei ihr einschlugen. Einem Peitschenhieb gleichend.
    "Was?"


    Benohé legt den Schwamm bei Seite. Sie beobachtet unablässig die anderen Sklavinnen. Auch sie bemerkt einen seltsamen Funken. Ebenso die Ungehaltenheit der Anderen. Welche Callista zu entgehen scheint. Zum Glück. Denn Benohé weiß um die Empfindlichkeit ihrer Herrin. Kritik verträgt sie nicht. Ganz besonders nicht von Sklaven. Selbst Benohé würde das nicht wagen. Auch in Gestik und Mimik nicht. Erschrocken sieht Benohé von dem ranken Rücken ihrer Herrin auf. Tod und Unterwelt sind keine Themen für die Ohren ihrer Herrin. Angst durchflutet ihre Herrin. Immer wenn sie an ihren eigenen Tod denkt. Jedenfalls wenn sie ihn nicht romantisch verklärt. Geschwind legt Benohé den Schwamm zur Seite und legt ihre Finger an den Nacken ihrer Herrin. Deutlich spürt sie die angespannten Muskeln. Das Aufwallen von Wut in ihrer Herrin. Die Leibsklavin ist bemüht mit sanften Berührungen die Wut zu mildern. Benohé gefällt die Elegie von Fiona. Die Eleganz ihrer Geschichte und die feinsinnige Art. Das Naturell der Geschichte ist Callista jedoch entgangen.


    Dementsprechend erbost ist sie.
    Wie kann diese Sklavin es wagen.
    List und Lüge, Callista. So ist das Spiel.
    Dennoch. Sie verbirgt etwas.
    Wahrheit?
    Oder die Lüge.
    Callistas Augen strahlen den Unwillen aus. Callista will keine schlimmen Geschichten hören. Ihr Leben ist ein einzige Misere. So befindet sie immer wieder. Und mit Fabeln möchte sie erheitert werden.
    "Du scheinst ein Sehnen nach dieser Unterwelt, Inus Avalaccus, zu verspüren. Ist das so, Serva?"
    Distanziert und schneidend richtet sie die Worte an Fiona.

    Die Hatz der Tiere ist ein ausgelassenes Ergötzen für Callista. Sie liebt blutige Spiele. Sklaven, die hingerichtet werden. Aber ganz besonders Christen in der Arena eines Circus. Vorzugsweise im Ringen mit ausgehungerten Löwen. Bedauerlicherweise kommt das in gegenwärtiger Zeit selten bis niemals vor. Sie entsinnt sich indes an eine private Vorstellung. Entzückt ertönte ihr Lachen. Als der Löwe den erbärmlichen Christen getötet hatte.
    Ein laues Lüftlein spielt mit ihrem Gewand. Vergnügt lächelt Callista in sich hinein. Erst oben auf der Mauer angekommen vermag sie wieder Atem zu holen.
    "In allem, Flavius Aquilius, akklamiere ich Dir. Nur in einem möchte ich Dir widersprechen. Sofern Du mir dieses verzeihst."
    Vorsichtig erhebt sich Callista. Da ist er. Ob er sie auffangen würde? Gewiss ist es so.
    Noch ist ihr Herz gefüllt mit Wonne. Denn jeder Hauch einer Schmeichelei tut ihr gut. Aus dem Munde von einem Fremden insbesondere. Hat er doch nicht ihren Zorn zu befürchten. Er kennt diesen noch nicht.
    "Die wahre Schönheit bedarf keiner Maskierung, um ihre Geltung hervor zu heben. Und eine Frau mitunter auch nicht."
    Callista würde sich durchaus anbieten den Beweis anzutreten. Natürlich schickt sich das nicht. Das Erklimmen von fremden Mauern des Nachts auch nicht. Aber darum macht sich Callista keine Sorgen.
    Selbst wenn Callista wie ein Püppchen wirkt. Sie ist es nicht. Ihre Sklavin gleitet geschmeidig an ihre Seite. Immer darauf bedacht Callista zu halten. Sollte sie ein weiteres Mal die Balance verlieren.


    Callista beißt sich auf die Unterlippe. Ein Baum. Vortrefflich. Sie greift nach einem dicken Zweig. Die Pappel streckt ihre Äste bis zu Callista. Gewand und nicht ungeübt klettert Callista auf den Zweig.
    "Was für ein Glück für mich, Flavius Aquilius. Ein Ehrenmann wie Du sieht mir sicherlich nicht unter die Gewänder."
    Belustigt gluckst Callista. Sie späht hinab und erkennt nun Aquilius ganz in der Nähe. Unter ihrem feinen Lederschuh spürt sie die Borke des Baumes. Ein Vogel erschreckt im dunklen Geäst. Mit einem Kikiki erhebt er sich in den Himmel. Katzenartig steigt Callista auf den nächsten Zweig unter ihr. Nur ihre granatrote Stola verfängt sich an einem Ast. Ein helles Geräusch. Der Stoff reißt.
    Callista ist zu sehr mit dem Abstieg beschäftigt. Sie merkt es nicht. Immer wieder riskiert sie einen prüfenden Blick nach unten. Zuletzt stößt sie sich sachte vom Baum ab.
    "Huch."
    Ein Versehen vorgaukelnd gleitet Callista abermals in die Arme von Aquilius. Ihre Finger legen sich sachte auf seine Schultern. Stattlich ist er. Das gefällt Callista besonders. Große und derart ansehnliche Männer finden bei Callista wohlgefälligen Anklang.
    "Unstreitig. Ein Nachtgeschöpf einzig möchte ich nicht sein. Und am Tage keine unscheinbare Nachtigall. Selbst Benu könnte mir nicht die menschliche Gestalt streitig machen."
    Verwirrt sind Callistas Gedanken. So auch ihre Rede.
    Callista reckt sich. Das silbern kühle Licht des Mondes spiegelt sich in den Augen von Aquilius wieder. Dunkel und anziehend sind die Tore zu seiner Seele. Für Callista scheinen sie indes verschlossen zu sein. Callista schwebt einen Moment dicht vor seinem Gesicht. Sodann tritt sie einen Schritt zurück. Der Schalk und die Lust am Spiel stehen in ihr Gesicht geschrieben.


    Der Schleier der Ekstase verzückt Callistas Augen. Verwunschen ist der Garten. Verzaubert das Licht. Saftiges Grashalme umschmeicheln ihre Knöchel. Callista bückt sich und zieht an den Riemen ihres filigran gearbeiteten Schuhwerks.
    "Was da schön ist, ist lieb, was nicht schön aber, ist unlieb."
    Melodiös entschlüpft ihr eine Zeile des Gesangs der Musen. Unter ihren nackten Fußsohlen spürt sie die dichten Gräser. Mit einem heiteren Lachen auf den Lippen wirft sie die Schuhe zur Seite. Und mit der Unbedarftheit einer verwöhnten und verhätschelten Patrizierin läuft sie in den Garten hinein.
    "Flavius Aquilius, hast Du schon die Rosen erblickt?"
    Rank erreicht Benohé den Garten. Seufzend ergreift sie die beiden Schuhe. Unauffällig und im Schatten der Bäume folgt sie ihrer Herrin.


    Das Halbdunkel der Bäume lichtet sich. Ein Brunnen steht in der Mitte. Geziert von einer vergoldeten Statue der Venus. Offenen Mundes bleibt Callista stehen. Erstarrt sieht sie an der gefälligen Gestalt hinauf.
    "Ist das nicht die Venus von Apollodor?"
    Gerüchte sind bis zu Callista gedrungen. Angeblich soll sich der Bildhauer in Rom aufhalten.
    "Ist sie nicht wunderbar?"
    Harmonisch plätschert Wasser um die Füße der Venus. Dahinter erhebt sich der Schatten eines Atriumhauses. Gebannt tritt Callista auf den Brunnenrand und in das glitzernde Wasser. Der Stoff ihres Kleides saugt sich voll. Ihre Finger gleiten über das Steingewand der Statue. Nur wenig verhüllt den grazilen Körper der Göttin.
    "Er ist ein virtuoser Meister."
    Ein Hauchen ist ihre Stimme. Zudem werden ihre Worte von einem tiefen Knurren übertönt. Dunkle Augen glänzen zwischen Büschen hervor. Die gedrungene Gestalt eines Wachhundes zeichnet sich ab. Weiß blitzt das Gebiss des Tieres auf als er seine Zähne bleckt.

    Vereinsamung und Verlorenheit sind Callista ein Gräuel. Sie erträgt es nicht alleine zu schlafen. Zu keiner Stunde dürfen die umsorgenden Sklaven fehlen. Von der Stunde ihrer Geburt an ist Callista von Menschen umgeben. Ob zu der Zeit Lunas Glänzen oder wenn Sol die Erde beglückt. Eine vollkommene Stille um sie herum erschreckt Callista. Verunsichert sie zutiefst. Erst das Atmen eines anderen Menschen weiß sie wieder zu beruhigen. So blüht sie regelrecht der vielen Aufmerksamkeit wegen auf. Wonnetrunken taucht sie bis zu ihren Schultern in das Wasser. Sanft kräuselt sich die Oberfläche. Wasserringe breiten sich aus und verschmelzen an den Körpern der Sklavinnen. Callista lächelt. Indes ist sie erstaunt. Nicht die feinen Schritte ihres Sohnes sind zu hören. Auch erblickt sie nicht seine kleine, zierliche Gestalt. Oder das kränklich blasse Gesicht. Zwei Sklavinnen betreten den Raum. Die pietätvolle Art der Sklavinnen gefällt Callista hingegen. Ebenso ihr ansehnliches und gefälliges Aussehen.
    Nur schöne Frauen.
    Der Hausherr ist ein Ästhet, Callista. Oder ein Genussmensch.
    Callista erfreut die Vorstellung. Umso mehr es ihren Augen Wohlgefallen bereitet. Schemenhaft ist ihre Erinnerung an Menecrates. Doch wer wohnt noch in dieser Villa? Callista will es noch erfahren. Jener Augenblick ist aber noch den Geschichten geweiht.


    Infolgedessen legt Callista einen Zeigefinger auf ihre weichen Lippen. Gespannt hörte sie der keltischen Sklavin zu. Feen und Drachen sind für Callista fremdartig. Die Namen klingen rau und exotisch in ihren Ohren. Sie gefallen Callista.
    Feucht glänzen Callistas Augen. Der Tod der Geschwister erinnert sie an ihren geliebten Bruder. Auch er ist fern und scheint für immer verloren zu sein. Callistas Unterlippe erzittert.
    Dankbar greift sie sich an die Brust. Sie sind doch nicht tot!
    Zudem weckt die Sklavin mit ihrer Erzählung schlagartig ihr Interesse. Eine Insel der Unsterblichen? Ein Ort der ewigen Jugend und Schönheit?
    "Oh."
    Ungeteilt ist nun die Aufmerksamkeit von Callista. Ein Ungeheuer, ein gefährlicher See und eine Aufgabe. Das scheint Callista angemessen für den Preis der Unsterblichkeit. Sie selber würde das Wagnis eingehen für die Ambrosia und die immer währende Schönheit. Ebenso um mit ihrem Bruder vereint zu sein. Sofern er sich noch bei Callista entschuldigt.
    "Inus Avalacus?"
    Nicht einmal ansatzweise bringt Callista den fremdartigen Namen hervor.
    Doch was ist das? Ein strenger Geruch steigt in Callistas höchst empfindliche Nase. Ihre Nase kräuselt sich angewidert.
    "Wer verströmt diesen garstigen Odeur?"
    Kleine Wellen werden aufgeworfen als Callista an den Rand des Beckens tritt. Dort. Sie hat den ihrer Nase ungefälligen Duft ausgemacht.
    "Widerlich."
    Maßlos übertreibt Callista. Doch sie verbringt viele Stunden des Tages mit der Reinigung ihres Körpers. Selbiges erwartet sie von den Sklaven in ihrer Umgebung. Und Aintzane haftet noch der Geruch der Küche an.
    "Serva, gehe zu den Tinkturen meiner Sklavin. Entkleide Dich und werfe die abscheulichen Kleider auf den Gang. Dann nimmst Du die grüne..."
    Zögernd sieht Callista zu ihrer Leibsklavin.
    "Blau, Herrin."
    Das Zaudern entschwindet. Callista hebt herrisch ihr Kinn an.
    "...die blaue Fiola. Zerbreche nicht das ägyptische Glas. Damit reibst Du Deinen Körper von oben bis unten ein. Erst dann bist Du für meine Nase wieder erträglich. Dann darfst Du Dich zu uns begeben."


    Derartige Unpässlichkeiten in dem Ablauf verwirren Callista. Konfus sieht sie zu den anderen Sklavinnen. Hatte die blonde Schönheit sie nicht etwas gefragt? Callista legte den Kopf in den Nacken. Bunte Fresken stechen in ihre Augen. Mythische Gestalten tummeln sich über ihrem Haupte. Callista vermag sich nicht an die Worte von Minna zu entsinnen. Aber es ist kein claudischer Name, noch der ihres Vaters gefallen. Somit kann es nicht zu schlimm sein.
    "Schöne Najade, geselle Dich zu uns."
    Callista fühlt sich als Artemis. Um sie herum tummeln sich die schönen Nymphen. Callista liebt die Mythen. Zudem die Vorstellung eine Göttin zu sein. Niemals würde der Tod sie grausam anlachen.
    "Tochter des Nordens, was ist eine Elfe und ein Drache?"
    Vergessen ist Lüge und List. Begierig will Callista mehr von der Insel der Unsterblichkeit erfahren. Doch nur ihre Ohren sollen das vernehmen. Callista wird Benohé darauf ansetzen. Damit das Geheimnis flüsternd den schönen Mund verlässt und verschwiegen bis zu Callistas Ohren dringt.
    "Wohl getan hat der Herr dieser Villa. Seine Sklavinnen sind anmutig und elegant in Sprache und Auftreten. Getraut sich noch jemand einer solchen Fabel?"

    Ein Quell ergötzender Leutseligkeit und sprudelnder Fröhlichkeit sind die Sklavinnen nicht für Callista. Eingedenk unterzieht sie der Gestalt einer jeden Sklavin einer genauen Begutachtung. Doch sie sieht keine Peitschenspuren. Auch sonst keine Zeichen von körperlicher Strafe. Doch womöglich verbirgt das schummrige Licht die unschönen Male. Jene wären auch keine Entschuldigung gewesen. Eine Erklärung womöglich.
    Callista möchte jedoch unterhalten werden. Fröhliche Gesichter sollen sie umgeben. Insbesondere wenn sie diesen Frohsinn bedarf. Callistas schwarze Augen glühen gefährlich.
    Aber beschwichtigt ist Callista dennoch. Denn Leah hat sie beruhigt. Die Oberfläche ihres innere Vulkans glättet sich. Nur ist sie des Gesangs überdrüssig.
    "Meine Benohé, höre auf."
    Alsbald verstummen die Oden an die Heimat der Sklavin.
    "Schließe Dich uns an, meine Benohé."
    Ergeben erhebt sich Benohé. Sie streift sich den Hauch von einem Gewand vom Körper. Ihre nussbraunen Füße gleiten in das warme Wasser hinein. Ihr schlanker, athletischer Körper wird von dem Nass umspielt. Ohne Zaudern nimmt sie Fiona den Schwamm ab und tritt hinter ihre Herrin.
    Callista will einen Tadel über die Sprachlosigkeit der claudischen Sklavinnen aussprechen. Aber als der Schwamm über ihren Rücken gleitet vergisst sie diesen. Sie lächelt und legt den Kopf in den Nacken.
    "In Sicherheit."
    Das Flüstern wird durch den Raum getragen. Die Nebelschwaden verschlucken die Worte.


    "Ich weiß."
    Callista lacht heiter auf und sieht zu den drei Sklavinnen.
    "Ein musengleicher Funke erhellt meine Gedanken, meine Schönen."
    Originär ist das kein neuer Einfall. Demungeachtet glaubt Callista dies stets aufs Neue.
    "List und Lüge."
    Erwartungsvoll sieht Callista in die Gesichter der Frauen. Benohé kennt das Spiel bereits. So wirkt die Sklavin nicht überrascht.
    "Den Geschichten soll die Freiheit geschenkt werden. Jeder von uns darf frei sprechen. Und sorgt euch nicht. Hütet nicht eure Zungen. So die Seele und die Musen uns leiten. Eine Regel indes gibt es. Kein Wort darf der Wahrheit entsprechen. Nur die bunte und farbenprächtige Lüge soll die Fabel schmücken. Offeriert den boshaftesten Spott und die unverschämtesten Lügen. Ungeheuer, Kastelle in den Wolken, Götter in Menschengestalt, es ist alles erlaubt."
    Selbstredend erwartet Callista kein Einverständnis. Wohlig gurrt sie. Denn der Schwamm hüllt sie in Behagen. Lullte sie ein.
    "Meine Benohé. Du beginnst. Womöglich sind meine Worte für unsere schönen Nymphen sonst unverständlich."


    Zart lässt Benohé den Schwamm über den claudischen Rücken gleiten. Unzählige Male hat sie das Spiel bereits mitgestaltet. Sie schließt die Augen. Nachdenklich verharrt sie.
    "Mein Name ist Prinzessin Diamantenstaub. Bewandert in den vierundsechzig gesellschaftlichen Künsten bin ich. Doch boshaft ist meine Natur und mein Gemüt düstergrau.
    Einst herrschte ich auf der Insel Serendip. Tausend Stufen reichten bis zu dem Thron auf der Zinne meiner Himmelsfestung. Hundert Apsarasen dienten mir als Ganikas. Und tausend Gandharwas als himmlische Liebhaber. Indra selber wurde jedoch neidisch als er von Amarawati, der Stadt der Unsterblichen, meine tausend Mal schöneren Haine und Gärten betrachtete.
    Nachdem ich hundert und zwei Jahre über mein Land herrschte wurde er meines Übermutes überdrüssig. Er sandte seine acht Welthüter, um mich heraus zu fordern. Acht große Prüfungen sollte ich bestehen. Würde meine Klugheit und meine List mich zum Erfolg führen, wollte mir Indra die Unsterblichkeit schenken und mich zu seiner göttlichen Gemahlin machen.
    Ich bezwang den Windgott Waju, fing den Menschen fressenden Rakschasa ein und webte aus Gold einen himmlischen Sari. Alle sieben Prüfungen überwand ich. Doch die Letzte sollte meine Schwierigste werden."

    Benohés Finger gleiten durch die schwarzen Haare von Callista. Sanft verteilt sie einen wohlriechenden Duft in der Haarpracht.
    "Der weiße Elefant Airawata trug mich in ein fernes Land. Jenseits der Sonne und voller bedrohlicher Wunder. Dort sollte ich die Demut lernen. Einer hässlichen und krummbeinigen Wesenheit von garstiger Seele wurde ich als Dienerin übereignet. Scheußlich war ihr geifernde Stimme und hasserfüllt ihr Wesen. Grausamkeit und Wahn zeichnet ihr Naturell. Und so lernte ich nie die Demut und die Unsterblichkeit bleibt mir verwehrt."


    Callistas Augen blitzen zornig auf. Selbst im Scherz möchte sie nicht als grässlich und greulich bezeichnet werden. Indes dreht sie in Gedanken die Worte herum. Schließlich sollte es alles ein Schwindel sein. Gleichwohl ist Callistas Stimme schneidend.
    "Meine Benohé. Du hast gegen die Regeln verstoßen. Eine Dienerin bist Du wahrhaftig. Wo ist darin die Erfindung?"
    Demütig senkt Benohé den Kopf. Nicht alles ist gelogen. Benohé schweigt natürlich darüber. Wie immer.
    Sicherlich wird Callista noch ihre Sklavin für die Dreistigkeit strafen. Doch nun will sie sich nicht damit belasten, sondern schönen Geschichten lauschen. Vergnügt spritzt Callista mit dem Wasser um sich. Infantil wirkt ihr Gehabe.
    "Und wer möchte es von euch wagen? Meine schönen Neráida, sprecht frei und fürchtet euch nicht."

    Hold zwitschert ein Rotkehlchen in den immergrünen Zweigen einer Eibe. Rote Beeren schwanken im Wind. Eine Hand umgreift eine Beere und zupft sie vom Zweig. Nachdenklich sieht Callista auf die Frucht hinab, die einem Menschen den Tod bescheiden kann.
    "Von Sardes oft
    lenkt sie den Geist zu uns herüber.
    Als sie bei uns noch lebte, da pries Arignota
    Dich einer Göttin gleich,
    Und sie lauschte am liebsten deinen Liedern."

    Callist vernimmt die Worte und seufzt schwer. Es ist ihr an dem Tag nicht nach Gedichten. Pein und Wehmut schmerzen ihr Herz. Der Tag scheint zu trist zu sein. Selbst die warmen Sonnenstrahlen auf ihrem Gesicht heben nicht Callistas Stimmung.
    "Genug, meine Benohé. Sing mir lieber etwas vor. Nein, auch nicht. Bringe mir meinen Liebling."
    In all den vielen Jahren hat ihre Sklavin gelernt die Wünsche ihrer Herrin zu erahnen. Ein Liebling konnte bei Callista viel bedeuten. Mal ihr Sohn, dann wieder ihre Tiere. Doch die Schritte der Sklavin entfernen sich aus dem Hortus. Callista legt die rote Beere auf ihre Lippen. Sie kostet von der Vorstellung des ewigen Schlafes. Leidlos und ohne Schmerz. Unachtsam wirft sie die Frucht davon. Ihr Gewand aus dunkelblauer Seide berührt sanft den Boden. Callista schlendert zwischen den Pflanzen entlang. Sie sichtet allhier eine Statue eines bunt bemalten Jünglings oder eines geflügelten Pferdes. Doch was war das? Ein flehender Ruf? Bleib da?
    Erstaunt sieht sich Callista im Garten um. Herzschmerz, Leid und Pein sprechen aus diesen Worten.


    "Herrin?"
    Callista dreht sich zu Benohé um. Die Sklavin hält in ihren Händen einen Korb. Callista kann das sadistische Lächeln nicht unterdrücken.
    "Reiche sie mir!"
    Callista ergötzt sich jedes Mal an den Schrecken in den schönen Augen ihrer Sklavin. Sie weiß um die Panik vor ihrem Liebling. Doch die Angst vor Callistas Strafen scheint größer zu sein. Oder die Liebe ihrer Sklavin. Callista sucht diese immer wieder zu prüfen.
    Benohés Hand erzittert. Langsam öffnet sie den Korb. Es kostet sie stets große Überwindung. Ihr Atem geht gepresst. Ihre Finger fühlen sich klamm an. Unendlich vorsichtig greift sie in den Korb und holt das Tier hervor.
    Acht Augen sehen Callista entgegen. Liebevoll betrachtet Callista das vielbeinige Tier. Sie nimmt es ihrer Sklavin ab und legt die große Spinne auf ihre Handfläche. Bis vor ihr Gesicht nähert sie die Vogelspinne. Weich und flauschig ist ihr Fell. Die rote und braune Färbung von großer Leuchtkraft.
    "Meine Süße, meine Sinuhe. Geht es Dir gut?"
    Zu ihren Tieren ist Callista gnädiger als zu ihren Sklaven. Die Spinne reckt ein Bein und wärmt sich an Callistas Haut.


    "Hörst Du das Flehen, meine Benohé?"
    Einen Schritt weit hat sich die Sklavin entfernt. Sie hasst die Tiere von ihrer Herrin.
    "Ja, Herrin. Eine junge Claudia."
    Callista sieht konsterniert auf.
    "Eine Claudia? Ist sie im Garten? Wer ist sie?"
    Natürlich ist es Benohés Aufgabe alles über einen Ort zu erfahren. Damit Callista stets gut informiert ist.
    "Am Rande des Garten, Herrin. Claudia Epicharis, Herrin. Die Tochter von..."
    "Menecrates. Natürlich. Ich kenne sie. Das kleine Mädchen."
    Callista hat die jüngere Epicharis nur so in Erinnerung. Das nervige, kleine Mädchen, das mit den Großen mitspielen wollte. Wenn sie mal zu Besuch war. Aber alle jüngeren Kinder sind für die Älteren wohl derartiger Natur. Hin und wieder haben die älteren Kinder sie auch mitgenommen. Zu allerlei Unfug und Abenteuer.


    Callista ist entschlossen den Quell der Pein zu erfahren. Qual und Seelenschmerz sind ihr vertraut. Sie sind ein ständiger Begleiter von Callista. Wenn sie sich nicht den warmen Schwingen des Mohnes hingibt. Ihre Gewänder rauschen über den Boden. Callista streicht einige Zweige beiseite. Eine ernste Statue sieht Callista entgegen. Bewachsen von trockenen Flechten. Aber auch ein Häuflein claudischen Elends. Baß erstaunt betrachtet Callista die Frau.
    Das kleine dürre Ding ist eine schöne Frau geworden.
    Und so groß, Callista. Größer als Du selbst.
    Ein Stich Eifersucht geht durch Callistas Herz.
    "Liebes."
    Callista tritt auf Epicharis zu. Erst spät entsinnt sie sich an die Spinne. Benohé hält ihr vorsorglich den Korb entgegen. Sanft bettet Callista die Spinne auf ihr Nachtlager.
    Soeben nimmt sie neben Epicharis Platz.
    "Herzchen, Epicharis. Was ist der Grund Deines Grams?"
    Mitgefühl und ähnliche empathische Empfindungen halten sich bei Callista stets in Grenzen. Aber ihr eigenes Martyrium macht sie in den Tagen empfänglich. Für diese doch mehr ungewohnten Regungen in ihr. Doch womöglich freut es sie auch nur, dass jemand anders noch schlimmer leidet als sie selber.

    Sim-Off:

    Ebenso gerne und natürlich :)




    Die Marter der Reise scheint vorbei zu sein. Warm und wohltuend umschmiegt das Wasser des Bades die junge Patrizierin. Nicht die Schiffsreise ist ihr unangenehm gewesen. Callista hat die Schiffsreise mitunter am Angenehmsten empfunden. Ihr Leiden hat einen anderen Ursprung. Es ist die Einsamkeit. Callista braucht Menschen um sich herum. So sehr wie das Atmen selber. Ohne die Aufmerksamkeit vergeht Callista. Eine vertrocknende Blume wäre sie. Ihre Finger spielen mit dem warmen Nass. Ohne jedoch die Sklavinnen aus den Augen zu lassen. Schön. Ihre Ästhetik hat eine angenehme Wirkung auf Callistas Sinne.
    "Herius Claudius Menecrates. Mein Vetter?"
    Callista denkt nach. Der Name klingt vertraut. Und doch ist kein Gesicht vor ihren Augen. Das konfundiert sie. Aber eines weiß Callista bereits. Menecrates bevorzugt schöne und sinnliche Frauen. Ein Wesenszug, der ihr gelegen kommt. Einen solchen Mann kann Callista einschätzen. Glaubt sie. Zudem scheint Menecrates weichherzig zu sein. Warum sonst dürfen seine Sklaven ihre Namen behalten?
    "Ist Claudius Menecrates der Herr dieses Hauses? Oder ist das mein Vater?"
    Vor jeder Antwort taucht Callista in das Wasser hinein. Dunkel zeichnet sich ihr Schattenriss unter der bewegten Oberfläche ab. Das Wasser wölbt sich nach oben. Callistas dunkles Haupt durchbricht das Wasser. Tropfen spritzen in alle Richtungen. Mit beiden Händen streicht sich Callista ihre dunklen Haare zurück.
    In ihrer Villa hätte sie das nicht ohne weiteres in Gesellschaft getan. Auch in der von fremden Sklavinnen nicht. In den heimatlichen Gefilden trägt sie oft die Schönheitszeichen einer ägyptischen Frau. Die betörend undezente Schminke des Orients. Verlaufene Schminke sieht hässlich aus.


    Der Name der anderen Sklavin erweckt in Callista eine Erinnerung. Argwohn und der Hauch von Indignation keimt in Callista.
    "Leah? Ist das auch Dein ursprünglicher Name? Bist Du womöglich eine Christin?"
    Christen, Juden und alle ähnlichen Sekten wirft Callista gerne zusammen. Sie mag sie alle nicht. Aber insbesondere die Christen.
    Widerliche kleine Insekten sind sie.
    Zertreten muss man sie.
    Ausnahmsweise scheinen sich ihre inneren Stimmen in der Angelegenheit einig zu sein. Trüge Callista die Zeichen der Macht in ihren Händen. Kein Christ wäre mehr im Imperium sicher. Ohne Gnade würde sie alle jagen lassen. Sodann würden sie im Circus zur Freude der Römer nieder gemetzelt werden. Callista wäre sich sicher. Ihr geliebter Nero wäre hell auf begeistert.
    Zudem würde Callista niemals das Bad mit einer Christin teilen. Callista würde sich beschmutzt fühlen. Ohne zu zögern würde sie die Sklavin töten lassen. Und danach Menecrates entschädigen. Aber womöglich ist der Name der Sklavin auch gegeben worden. Allfällig von Menecrates selber? Ein Claudier und ein Christ? Undenkbar.
    Aber doch möglich.
    Callista erschaudert. Nicht wohlgefällig. Sondern mit echtem Schrecken. Ihre Haut offenbart dies. Nur kein Haar stellt sich auf. Denn Callistas Körper ist vollends glatt.


    Eine Bewegung an der Tür weckt Callistas Aufmerksamkeit. Ob es ihr kleiner Nero ist? Bestimmt fühlt er sich schrecklich einsam in der Villa.
    "Komme herein. Und schließe die Tür hinter Dir."
    Fröhlichkeit schwingt in Callistas Stimme mit. Die Frage um die Christenheit scheint ein Moment vergessen zu sein. Und die Sprunghaftigkeit von Callista offenbart sich erneut. Sie klatscht ihre Hände gegeneinander. Dabei verspritzt sie etwas Wasser.
    "Lasst uns ein Spiel spielen."
    Callista liebt Spiele. Jeglicher Coleur. Wobei sie die Grausamen bevorzugt.
    "Doch was?"
    Das Frage und Antwort Spiel ist langweilig. Sklaven müssen ihr ohnehin alles sagen. Callista hebt ihre Arme. Scheinbar erwartet sie etwas von den Sklavinnen. Nur flüchtig sieht sie zu dem Schwamm.
    "Womöglich habt ihr einen Einfall, Nymphen des Menecrates?"

    Keine finstere Nacht, üble Gestalten oder wilde Tiere fürchtet Callista. Unerschrocken reitet sie auf Kamelen oder Elafanten. Sie liebt die Gefahr und das Abenteuer. Und doch fühlt sie sich hundelend. Förmlich blümerant und kläglich ergeht es nun der jungen Frau. Konsterniert und entsetzt ist sie zudem. Ein Jahrhundert scheint vergangen zu sein. Ihr Herr Papa ist um viele Jahrzehnte gealtert. Obwohl nicht mal zehn Jahre vergangen sind. Es scheint ein flüchtiger Blick auf ihre Zukunft zu sein. Verblichen, verblüht und vertrocknet ist er.
    Ich will nicht alt werden. Isis bewahre.
    Du wirst immer jung und schön bleiben, Callista.
    Ich will nicht vergehen wie eine trockene Blume.
    Callistas Unterlippe erzittert. Tränen steigen in ihr hoch. Womöglich kann man es dem Wiedersehen zu schreiben. Doch in facto bemitleidet sich Callista nur. Die Angst vor dem Altern ist beinahe noch stärker in ihr als die vor dem Tod. Callista schluckt und wirkt erstarrt.


    Nach dem ersten Schock keimt zudem Wut auf. Callista hat diese noch immer nicht überwunden. Und der Hass in ihr ist genauso stark wie vor Jahren. Drei Jahre Einsamkeit hat sie ihrem Vater zu verdanken. Und noch mehr Jahre in einem Gefängnis. Einem prächtigem Käfig. Aber die Ehe war nicht mehr für sie. Und wie sie ihren Mann gehasst hat. Abgrundtief. Verabscheut hat sie ihn. Stets hat sie ihren Körper dem Fabier verweigert. Und freudestrahlend hat sie bei seinem Tod gelacht. Gefeiert hat sie seine Bestattung. Die Freiheit hat sie mit ihren Armen und ihrem Strahlen begrüßt. Nie wieder würde sie diese hergeben. Leider hat ihr Vater immer noch ein Wort bei dieser Angelegenheit.
    O, wie gerne würde ich ihm die Augen auskratzen.
    Callista, Du brauchst seine Hilfe.
    Gedemütigt fühlt sich Callista. Ein Bettelweib scheint sie zu sein. Sie! Eine Claudia. Ihr Stolz will sie lähmen. Doch Callista löst sich davon. Sie ist eine gute Schauspielerin. Wenn sie will. Und sie muss all ihre Künste verwenden. Für ihren Vater.
    Gekünstelt schnieft sie auf. Womöglich hat ihr Vater die Tränen bemerkt. Anmutig geht sie auf ihn zu.
    "Pater meus."
    Verzweiflung und Rührung schwingt in ihrer Stimme mit. Er würde sie durchschauen. Doch ihr Vater kennt Callista schon lange nicht mehr.


    Bis vor ihren Vater tritt sie. Die weißen Haare und die Falten schockieren Callista noch mehr. Auch die Zeichen des Todes nimmt sie auf seinem Antlitz wahr. Die Tränen sind nun echt. Aber nicht für ihren Vater. Erneut für sich selber.
    "Pater meus, bitte verzeih mir."
    Schluchzend und formvollendet sinkt Callista zusammen. Sie umgreift die welke Hand ihres Vaters. Nur mit Mühe kann sie ihre Lippen auf die alte Haut legen. Ihre Tränen benetzen seine Knöchel. Callistas Schultern zucken heftig.
    "Ich war so dumm und töricht. Damals."
    Ihr Gesicht ist von ihm abgewandt. Als ob sich Callista schämen würde. Doch noch hat sie sich nicht unter Kontrolle. Sie möchte nicht von ihrem Vater bereits durchschaut werden.
    "Pater meus, kannst Du Deiner infantilen Tochter verzeihen?"
    Bettelweib.
    Still!
    Mühsam kämpft Callista die gehässige Stimme in ihr nieder.