Beiträge von Claudia Callista

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    Einer Künstlerin similär erscheint Tilla in den Augen von Nero. Mit ihren Händen malt sie. In der Luft. Wunderschöne Bilder, die seine Augen kaum zu verfolgen vermögen . Es fasziniert ihn indes. Sua sponte überlässt der Junge seine Hand der jungen Frau und folgt ihr ohne zu häsistieren. Vertrauensvoll hält sich Nero an Tilla. Lässt sich von ihr durch die Menge von Menschen treiben. Hinfort von dem Ort des Schreckens. Der grobe Männer und einschüchternde Bauten offeriert.
    Staunend öffnet sich der Mund von Nero. Eine fremde Welt haben sie betreten. Bunte Tücher wehen im Winde. Bauschen sich im zarten Spiel auf, um gleich darauf sich sanft über die Stände der nordischen Dafraudanten, etruskischen Wahrsager, ägyptischen Zauberer und nubischen Magier zu legen, die hier ihre Dienste anbieten. Die die Menschen an der Nase herum führen. All die Römer und Peregrini, die an Zauber und Magie glauben. An Mysterien und geheime Kulte. An das Überirdische. Und alle paar Wochen von hier von den Aedilen vertrieben werden.
    "Hier sind wir richtig, Tilla."
    Die Augen von Nero glänzen euphorisch. Glücklich. Denn hier wird er das Geheimnis des Todes lüften. Die Grenzen erforschen und das Unsagbare vollbringen. Aber dafür braucht er die Hilfe eines wahren Magiers. Eines Mannes, der sich noch mit den alten Künsten auskennt. Was die alten Künste sind. Das weiß Nero nicht. Aber er hat es oft von seiner Mutter gehört.
    Nero wendet sich zu Tilla und sieht zu ihr hoch.
    "Es muss ein guter Zauberer sein. Kein Scharlatan. Hier tummeln sich viele, die keine wahre Macht haben. Wir müssen uns in Acht nehmen."
    Ernst ist das Gesicht von Nero. Er glaubt an Zauberei. Er glaubt an alte Heldengeschichten und an Hexen, die die Helden bezaubern wollen. Circefrauen, Hekategestalten oder Herrscher über die verborgenen Künste. Seine Hand greift nach seiner Tasche. In der die Holzkiste ruht. Seine Mundwinkel heben sich ein kleines Stück.
    "Dort."
    Schon eilt er zu einem Stand. Schlecht gefärbte Tücher verbergen die Sicht. Wabernder Rauch dringt zwischen den Ritzen hervor. Durchdringender Odeur nach Rauschkräutern wehen ihnen entgegen. Nero schiebt das Tuch zur Seite. Licht fällt in die winzige Lokalität. Auf einem dicken Kissen sitzt eine voluminöse Frau mit langen schwarzen Flechten. Billiger Bronzeschmuck umhängt ihren dicken Hals. Ihr Gesicht ist grell geschminkt. Sie sieht auf und offeriert ein Lächeln mit schlechten Zähnen.
    "Ah. Kommt herein. Kommt herein. Wollt ihr eure Zukunft lesen? Aus den Gedärmen von liebreizenden Täubchen? Dem Blute von Ziegen? Nur fünf Asse für eure Zukunft. Tretet ein. Tretet ein."
    Nasal ist ihre Stimme. Nero schreckt zurück. Die Beleibtheit erinnert ihn an seine Amme. Und er mag seine Amme nicht.
    "Nein. Wir wollen unsere Zukunft nicht lesen lassen. Ich suche einen Magier. Der das Rätsel von Leben und Tod kennt."
    Die Augen der Frau verengen sich.
    "Dann verschwindet. Einen solchen Magier kenne ich nicht."
    Ächzend erhebt sich die Frau von ihrem Lager. Sie watschelt bis zu Nero. Reißt ihm das grüne Tuch aus der Hand und verschließt den Eingang.
    Nero seufzt und wendet sich um. Suchend. Verwirrt. Überwältigt von all den Eindrücken. Ein Bettler lümmelt neben dem Eingang zu dem hinteren Teil des Forum. Direkt an der Mauer zu dem Tempel des sagenhaften Romulus Divus. In seinen Händen hält er eine hölzerne Schüssel. Mit einem Auge späht er zu Tilla nach oben. Das Andere ist mit einigen schmutzigen Verbänden verdeckt. Seine Haare sind eine wirre Masse. Fettig und ungepflegt. Ein säuerlicher Geruch geht von ihm aus. Nach altem und verdorbenem Wein. Ihm fehlt zudem ein Bein. Durch einen grob geschnitzten Holzstumpf hat er das Nämliche ersetzt.
    "Na? Sucht ihr Beide etwas?"
    Die Frage richtet er an Tilla.





    Gülden erstrahlt die Sonne. Spielt mit den immergrünen Zweigen von Lorbeerbäumen. In den Ästen von Schirmpinien, an deren Zweige noch die Pinienzapfen hängen. Sanft erzitternd in dem euphorischen Spiel des Windes, der sich in den Garten verirrt. Einem übermütigem Kind gleichend. Er verlustiert sich mit den Blüten einer spät erwachsenen Rose. Mit einigen goldenen Blättern. Dem Wasser in einem Brunnen. Lacht über die warme Sonne und zerrt an den dunklen Haaren des Jungen, der in den Garten trottet. Hinter dem goldblonden Sklaven kommt Nero in den Hortus der Villa Claudia.


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    In seinen Händen trägt er einen Käfig aus feinen Goldstäben. In diesen flattern aufgeregt zwei Vögel. Ein Sommergoldhähnchen und ein Gartenrotschwanz. Mit ihren filigranen Füßen klammern sie sich an die Stangen. Kompensieren das Schaukeln durch das Schlagen mit ihren Flügeln.
    "Was soll ich im Garten?"
    Ungnädig mault Nero.
    "Deine Mutter verlangt Dich zu sehen, Herr. Dem Besuch wegen."
    Nero verzieht das Gesicht und trabt auf eine Marmorbank zu. Dort setzt er sich und streicht seine grüne Tunika glatt. Goldene Borten verzieren den Rand. Die Sandalen sind bis zu seinen schmächtigen Waden hoch gebunden.
    "Hier. Hänge das in die Zweige des Baumes, Servus."
    Nero findet es angenehm. Dass mal Sklaven im Haus sind, die ihm antworten können. In Alexandria sind sie stets stumm.
    Der Sklave ergreift vorsichtig den Vogelkäfig und streckt die Arme aus. Um den Käfig an einen besonders dicken Ast zu binden. In Kopfhöhe von dem Jungen.
    Neros Beine baumeln über dem Boden. Er hält seine Hände auf dem Schoß verschränkt und sieht gelangweilt in den Garten.




    Gold und Geschmeide. Prächtig gleitet der Schmuck durch Callistas Hände. Träumend liegt Callista auf einer Kline an der geöffneten Tür zum Garten. Zu ihren Füßen schlängelt sich eine braunschwarze Blindschleiche. Ihre Zunge schnellt aus dem geschlossenen Mund hinaus, ertastet den Odeur seiner Umgebung und schmiegt sich an die warmen Beine von Callista. Sonnt sich in den Strahlen der güldenen Himmelsscheibe. Dem Treiben der Wolken folgt Callista. Malt sich Bilder in den blauen Himmel. Träumt von fernen Abenteuern. Von schönen Männern. Mehr von zwei schönen Männern, denen sie in den letzten Wochen begegnet ist. An ihren Schultern spürt sie die warmen Hände eines claudischen Sklaven. Blonde Locken. Goldbraun warme Augen zieren sein schönes Gesicht. Callista gefällt auch seine Statur. Mithin ist er in ihre Gunst gestiegen. Für diese Tage. Ihre Sklavin Benohé ist schon seit Stunden absent. Es ist Callista nicht aufgefallen. Da der schöne Sklave sie unterhalten soll.
    Ein Klopfen. Callista winkt den Sklaven zurück. Er erhebt sich und stellt sich an die Wand. Ergreift die Tunika und streift sie über seinen golden, glatten Körper.
    "Herein!"
    Neugier verspürt Callista. Über die Natur der Störung. Aurelia Sisenna? Konsterniert betrachtet Callista das Mädchen. Sisenna. Erst ein längere Überlegen offeriert Callista die Erkenntnis. Das liebreizende Mädchen von der Feier.
    "Dann führe sie hinein. Ja, wohin?"
    Callista beißt sich zart auf die Unterlippe.
    "In den Garten. Ich komme sogleich."
    Liebevoll nimmt Callista die Schlange in ihre Hand. Das Tier schlängelt ihren Körper um ihren Arm. Geschmeidig erhebt sich die Patrizierin. Schwankt leicht. Denn an diesem Tage hat Callista noch keinen Bissen zu sich genommen. Dafür ein wenig von den verzehrenden schwarzen Perlen eingenommen. Die der schönsten roten Blüte entstammen.
    Wo ist Benohé?
    Fort, Callista.
    Traun. Wie kann sie nur? Jetzt, wo ich sie brauche.
    Callista wendet sich an den blonden Jüngling.
    "Geh. Suche meinen Sohn. Er soll auch in den Garten kommen."
    Devot neigt der Jüngling den Kopf. Er folgt dem Befehl. Dieweil Callista sich anschickt in den Garten zu eilen. Alsdann sie sich präsentabel gemacht hat.

    O Fortuna velut luna statu variabilis, semper crescis aut decrescis;
    vita detestabilis nunc obdurat et tunc curat ludo mentis aciem, egestatem, potestatem dissolvit ut glaciem.
    Sors immanis et inanis, rota tu volubilis, status malus, vana salus semper dissolubilis, obumbrata et velata michi quoque niteris;
    nunc per ludum dorsum nudum fero tui sceleris.*


    Götter, Fortuna, Iuno, das Schicksalslos, des Menschen sterbliches Leben, sein Fatum den Unsterblichen überlassend. Ahnungslos. Unwissend. Mal hinterlassen die Götter Zeichen. Anderer Stelle weben sie das Leben eines Menschen ohne ein Omen zu offerieren. Unbedarft ist darum Callista. Welcher Tyche sie gerade entronnen ist.
    Gefallsucht ist bei Callista ausgeprägt. Sie lächelt hochmütig. Natürlich glaubt Callista eine der höchsten Erfüllungen für einen Mann zu sein. Für die Männer, die sie sich für ihr Liebesspiel und der Fleischeslust ausgesucht hat. Denn Callista ist sehr wählerisch. Von Gestalt muss er in optima forma sein. Ebenso der Stimme und den Bewegungen. Ein Fluidum soll von seiner Ausstrahlung ausgehen. Ansonsten ist Callista eher gelangweilt. Schöne Männer gibt es genug. Aber Männer, die Callista zu einem solchen impulsiven Abenteuer verleiten, nicht.
    Ein Schnurren entfleucht ihren sachte geöffneten Lippen. Ein Laut der Behaglichkeit. Der Eudämonie. Als Aquilius mit seinen Händen durch ihr Haar gleitet, über ihre Haut hinweg und sie in der Umarmung umfangen hielt.
    Callistas dunkle Augen heben sich. Die Faunen sind entschwunden. Ihr göttlicher Tanz scheint beendet zu sein. Ein silberner Vogel sitzt in der Krone eines schwarzes Baumes. Strahlend ist sein Licht. Funkelnder Federbusch aus filigranen Filamenten weht im Winde. Eine Krone aus drei zarten Federn trägt der Vogel auf seinem zierlichen Kopf. Golden leuchten die Augen des edlen Geschöpfes. Callista lächelt. Ein gutes Omen. Traum oder Wirklichkeit. Callista kann das schon lange nicht mehr trennen.


    Entzückt ist Callista über den vertrauten Ton in der Stimme von Aquilius. Die Spitzen ihrer schwarzen Haare streichen an seiner Schulter entlang. Callistas Lippen berühren die noch hitzige Haut am Hals. Ihre Zunge spielt an seinem Ohr und ein Lächeln verfeinert die Form ihrer Lippen.
    Nero?
    Ganz vergessen hast Du ihn, Callista. Schäme Dich.
    Er wird es verstehen. Er, der die Liebesbotschaft über alles stellt.
    Ganz so sicher ist sich Callista nicht. In ihren Träumen wird der Kaiser erst offenbaren, ob sie seinen Zorn oder seine Belustigung erweckt hat. Denn ihr Vorsatz war die Ehrerbietung ihres Vorfahren. Ihres geliebten und göttlichen Nero. Callista seufzt leise. Wenn er erbost ist, dann ist Nero so schrecklich ungnädig. Grausam. Wie Callista selber. Und es bedarf viel, ihn gnädig zu stimmen.
    "Sind wir der Götter Marionetten? Spielen sie mit uns? Puppen similär? Vielleicht. In dieser Nacht bin ich es gerne. Ein Instrumentarium der Unsterblichen. Die so liebend wie eine Mutter sein können. Oder so grausam wie eine verlassene Frau."
    Amüsiert blitzen Callistas Augen. Sie neigt den Kopf zur Seite. Ein seltsamer Tonfall hat sich in die melodisch, angenehme Stimme von Aquilius geschlichen. Was ist es? Callista kann es nicht benennen. Ein Kuss hindert sie an weitere Gedanken darüber. Im Grunde ist es ihr gleich. Denn solange es nicht ihre Person betrifft, soweit ist Callista solchen Belangen gegenüber indolent.


    "Ein Bad? Eine vorzügliche Idee."
    Euphorisch erhebt sich Callista. Geschmeidig gleitet ihr Leib von Aquilius herunter und löst sich aus seiner Umarmung. Nonchalant lässt sie ihre Finger über seine Brust gleiten. Dann ist sie schon einen Schritt an den Brunnen heran getreten. Leichtfüßig springt sie auf den Rand und streckt ihren schlanken, zu schlanken Körper. Weiß beleuchtet der Mond ihre schmale Silhouette. Sanft geschwungen ist die Linie von ihrem Nacken zu ihrem gerade gestreckten Rücken und ihren schlanken Oberschenkeln. Callista streckt ihre zierlichen Arme aus. Flügel gleichend. Als ob sie sich einem Vogel similär in den dunklen Nachthimmel schwingen will.
    "O, Venus. Mein Opfer war Dein. Huldvoll ergebe ich mich in Deine Tränen. In den Schaum Deiner Geburt."
    Einen Zeh streckt Callista in das kalte Nass. Und erschaudert. Sehr kühl mutet ihr das Wasser an. Doch eine Claudia verzagt nicht. Sie tritt in den Brunnen hinein, dreht sich um und zwinkert Aquilius panurgisch zu.


    Gutmütig hechelnd sitzt der Wachhund am Rande des Haines. Seine Zunge stößt in die kalte Nachtluft, zieht sich zurück und leckt erneut von dem Geruch der Nacht. Seine Ohren spitzen sich und er erhebt seinen muskulösen Korpus. Denn schon lange vor den Menschen nimmt er die verhaltenen Geräusche von Schritten wahr. Ein Ast knackst und ein Licht leuchtet in den Garten. Ein Sklave illuminiert seinem Herrn den Weg. Thorius Apicius steht hinter dem Unfreien. Seine Augen sind auf die nackte Callista gerichtet. Er sieht eine Bewegung und erblickt auch Aquilius. Entsetzen keimt in dem Mann auf. Aber auch Ingrimm.
    "Was hat das zu bedeuten?"
    Laut tönt seine Stimme. Callista vernimmt sie. Ihr Kopf fährt zu ihm herum. Auch die Sklaven drehen sich überrascht zu dem Mann um.
    "Cafo, eile in die Villa. Rufe die anderen Sklaven zusammen. Zudem schicke nach der Stadtwache. Einbrecher. Übles Gesindel. In meinem Garten."
    Schon rennt ein Sklave im Schatten seines Herrn davon. Der Andere leuchtet immer noch seinem Herrn.





    *O Fortuna! Wie der Mond So veränderlich, Wachst du immer Oder schwindest! - Schmähliches Leben!
    Erst mißhandelt, Dann verwöhnt es Spielerisch den wachen Sinn. Dürftigkeit, Großmächtigkeit Sie zergehn vor ihm wie Eis.
    Schicksal, Ungeschlacht und eitel! Rad, du rollendes! Schlimm dein Wesen, Dein Glück nichtig, Immer im Zergehn!
    Überschattet Und verschleiert Kommst du nun auch über mich. Um des Spieles Deiner Bosheit Trag ich jetzt den Buckel bloß.
    - Carmina Burana

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    Voller Erstaunen weiten sich Neros braune Augen. Wallnußbraun sind sie. Ein warmer Schimmer liegt darin. Und nun glänzen seine Augen. Denn er wird selten so angenehm umarmt. Seine Amme drückt ihn immer wieder an ihren breiten Busen. Doch das widert Nero mehr an. Schreckt ihn zurück. Benohé wahrt immerzu eine kühle Distanz zu ihm. Seine Mutter nimmt ihn nur bei Zeiten in die Arme. Und gerade das vermisst Nero. Er sehnt sich oft danach. Doch seine Mutter verweigert es ihm. Aus Gedankenlosigkeit. Selbstsucht. Was Nero nicht weiß. Denn er liebt seine Mutter abgöttisch. Noch. Womöglich wird sich das eines Tages ändern. Die knabenhaft zierliche Gestalt von Tilla umfängt ihn warm. Angenehm. Gänzlich ungewohnt. Eine Welle des Glücks durchdringt den jungen Nero.
    Ein zartes Lächeln zeigt sich auf seinen Lippen. Einer zierlichen Knospe gleicht es. Langsam entfaltet es sich. Blatt für Blatt, Strahlen für Strahlen. Ein Leuchten geht über das fein geschnittene Gesicht des Jungen hinweg. Seine schwarzen Haare bleiben verwurschtelt zurück. Es stört Nero nicht.
    Neugierig betrachtet er das Gestikulieren. Er versteht den Sinn da nicht. Aber viele Erwachsene reden auch über ihre Hände. Wenn sie Worte setzen. Nur offeriert die junge Frau kein einziges Wort.
    Inquisitiv beobachtet er ihr Tun. Das Schreiben auf der Tafel. Und nimmt sie anschließend entgegen. Zögernd beißt sich Nero auf der Unterlippe herum. Und sieht auf die Zeichen. Sicherlich. Nero kann seinen Namen schreiben. Nero kann schon einige Buchstaben und viele Wörter. Er hat es sich von Benohé beibringen lassen. Weil er nicht warten will. Bis er endlich einen Lehrer bekommt. Und in die Schule mit anderen Kindern darf er nicht. Seine Mutter meint, dass er dafür zu krank ist. Außerdem würde er dann mit zu vielen Plebejern zusammen sein. Nero würde gerne andere Kinder kennen lernen. Die nicht wie er sind. Keine Patrizier. Aber er lebt stets in dem Gefängnis der Villa. Wie seine Vögel.
    "Ich kann nicht so gut lesen. Ich bin noch nicht so alt."
    Gesteht Nero ein und sieht zu Tilla hoch.
    "Kannst Du nicht sprechen?"
    Es wäre nicht das erste Mal, dass Nero einem solchen Menschen begegnet. Sogar oftmals passiert es ihm, denn seine Mutter umgibt sich mit stummen Sklaven. Die mit einem heißen Eisen ihrer Stimme beraubt wurden. Langsam versuchte er die Buchstaben zu entziffern.
    "Tiffa? Ist das Dein Name? O, nein. Tilla. Verzeih."
    Manche Buchstaben kennt Nero noch nicht. Er schüttelt den Kopf und reicht die Tabula zurück.
    "Ich kann nicht gut lesen. Und Du wohl nicht gut sprechen. Oder? Das ist ein Dilemma. Aber Herausforderungen müssen gemeistert werden. So sagt mein Großvater jedenfalls."
    Nun wandert der Daumen in Neros Mund. Die Gefahr ist schließlich gebannt. Seine Rede wird etwas undeutlicher.
    "Du kannst ja mit dem Kopf nicken. Wenn Du Ja meinst. Und Schütteln, wenn Du Nein meinst. Ja?"
    Nero sieht gebannt nach oben.
    "Bist Du auf dem Forum, um zu den Wahrsagern zu gehen? Ich suche nämlich einen Zauberer. Hinter dem Tempel des Divus Romulus. Weißt Du, wo das ist?"




    Erwartungsfroh richten sich zwei dunkelbraune Augen auf den Mann vom Kundendienst. Solchermaßen dunkel, dass sie samtiger Kohle gleichen. Wenn kein Licht auf die schimmernde Iris fällt. Sittsam gefaltet sind Callistas Hände. Ihre Lippen einen Hauch geöffnet. In der Erwartung Sensation, Ondit und Klatschgeschichten zu erfahren. Ihr zarter Körper scheint angespannt zu sein. Ihre Pupillen ein wenig erweitert. Doch die Erwartung ist zu hoch gegriffen.
    Die Prudentier interessiert Callista nicht. Sie sind nur die Ablenkung gewesen. Aber die Vinicier. Ein Vinicier. Von diesem will Callista mehr erfahren. Oder vielmehr von seinen Lebensumständen.
    Ein enttäuschtes Seufzen entfleucht ihren weichen Lippen, die zart rosé gefärbt sind und im Schein der Sonne glänzen. Ihre Lippen schließen sich. Callista lehnt sich in dem Sessel zurück. Spürt den weichen Stoff an ihrem Rücken. Sie betrachtet Cerealis nachdenklich.
    Womöglich will er nichts verraten.
    Dann scheint er sehr diskret zu sein, Callista.
    Traun. Aber bedauerlich ist es dennoch.
    Ihre nächsten Fragen sind verflogen. Leuchtenden Schmetterlingen gleichend. Die eine andere Blume gefunden haben. Eine Schönere und Buntere. Wirklich für die Arbeit des Mannes interessiert sich Callista nicht. Das ist ihr zu profan. Zu weltnahe. Zu sehr Arbeit eben. Eine Angelegenheit, mit der sie nichts zu tun haben will. Es gehört sich schließlich auch nicht für eine Frau ihres Standes. Zumindest ist das die einzige Forderung der Gesellschaft, der Callista leichthin entsprechen kann. Ahnt sie doch nicht, dass dies zu ihrer Leere und Monotonie beiträgt.
    "Dann kommst Du sicherlich viel herum. Und wirst wohl noch viele Häuser besuchen müssen."
    Callista hat das Interesse schlagartig verloren. Sie ist nicht von dem Drang nach Wissen erfüllt. Ihr Sohn und sie sind sich da völlig fremd. Auch Callista ist ein wankelmütiger Schmetterling. Und sie hat genug Nektar hier getrunken.
    "Dann möchte ich Dich nicht länger aufhalten. Bediene Dich so es Dir mundet. Der Sklave wird Dir beizeiten den Ausgang zeigen. Und zögere nicht, noch nach mehr zu fragen, sollte Dir etwas nicht zusagen."
    Callistas Lippen lächeln. Sie erhebt sich geschmeidig.
    "Einen schönen Tag, werter Ennius. Vale."
    Schon rauscht Callista von dannen. Ihre Leibsklavin bleibt nur einen Moment länger. Vergewissert sich, dass den beiden Herren an nichts mangelt. Ergeben neigt sie das Haupt vor ihnen und folgt sodann ihrer Herrin. Die schon im Garten nach weiterer Zerstreuung sucht und nicht findet.

    Wogen. Wellenreitend. Wallend. Hitzig flammt das Temperament in Callista. Heiß der Hochgenuss der Vereinigung. Leib an Leib bewegt sich. Durchwogend und beseelend erspürt Callista ihn tief in sich. Spürt jede kleine Bewegung. Sensitiv und intensiv erlebt sie das langsame Gleiten. Das genußsuchende Vereinigen, was Callista eine Wonneschauder nach dem Anderen durch ihren Leib treibt.
    Das Brennen an ihrer Schulter kontrastiert mit den süßen Empfindungen in ihrem Leib. Grenzt sich ab. Komplettiert es gleichermaßen. Lust und Schmerz. Eine wunderbare Symbiose. Callista liebt sie. Genießt sie. Zeigt es durch wollüstiges Stöhnen.
    Callista nimmt wahr. Spürt. Fühlt die Hände von Aquilius, die ihren Leib erkunden. Mit seinen warmen Händen über ihre Haut streichen. Süße Pein lässt Callista aufstöhnen. Gleichsam drängt sie sich in dem Moment enger an Aquilius, um die Vereinigung stärker zu erspüren. Sie beißt sich auf ihre Lippen. Spürt das schnellere Wogen. Ihre Finger kommen seinem Wunsche nach. Scharf streichen sie über die Haut von dem schönen Marspriester. Ihrem Mars. Ihrem Gott der Nacht. Tief dringt sie mit ihren Nägeln ein. Similär und stärker vollbringt er es mit jeder Bewegung bei ihr. Das Spiel ihrer Finger ist stark genug, um einige feine Blutperlen an seiner Haut zu hinterlassen. Darnach hinwieder sanfter. Neckisch und aufreizend. Die Geißel nur sparsam verwendend.


    Gleichsam schlingen sich die Arme fest um Callista. Ergeben muss sie sich. Kann sich nicht mehr entziehen. Sie will es auch nicht. Callista genießt die Bewegungen ungemein. Sie fühlt sie losgelöst von allem, dem Rausch immer näher getragen. Das Verschmelzen von Lust und Erlösung währt in einer Immensität. Vergehen Sekunden? Stunden? Callista vernimmt ihre eigene Ovation an die Lust und den Gipfel des Liebesaktes nicht. Spürt dafür umso deutlicher die tiefe Frohlockung von Aquilius Körper. Den vergehenden Schmerz als er noch eindringlicher sich in ihr bewegt. Callista ist in ihrer Zierlichkeit begrenzt, aber willig alles in sich zu vereinnahmen.
    Die Resonanz seiner Lusterfüllung und der Ihren spürt Callista als einen wohlklingenden Nachhall. Sie erzittert leicht. Stöhnt leise. Wohlig und wonnevoll. Spürt ihn noch mit jeder Faser ihres Korpus. Ihr Atem stößt schnell zwischen ihren Lippen hervor. Ihr Herz tanzt. Ihre Gedanken schwindeln. Ihr Körper und Sentiments erleben den kleinen Tod sinnefroh. Schwelgen sich in der Empfindung, die in der Herrlichkeit das Leben in neuen Farben wieder gebiert. Nach den Höhen des menschlichen Daseins. Welch Wonne haben die Götter den Menschen damit geschenkt. Einfacher es nicht sein kann. Prekär nur durch das Zaudern der Menschen. In ihrem Zieren, das Geschenk anzunehmen.


    Callista weiß nicht. Wie lange sie Aquilius noch derart an sich spürt. Zeit verstreicht. Ruhe kehrt ein. Ihr Herz schlägt langsamer. Ihre Gedanken klären sich. Ihr Körper fühlt sich träge an. Als ob sie Tage in der Vereinigung verbracht hat. Mehr widerwillig löst sich Callista aus der engen Umarmung. Löst die Verbindung zwischen ihnen. Rollt sich indes auf Aquilius herum. Um auf ihm zu liegen. Von Angesicht zu Angesicht. Ein Film von Salz und feinem Schweiß perlt auf Callistas Körper. Ihre Haare sind ungezähmt. Derart wie ihr Liebesreigen noch jüngsthin. Ihre Finger streichen Aquilius über die Brust. Durch das salzige Zeugnis ihres Beilagers. Ihre Lippen folgen den Fingern. Sanft küsst sie Aquilius hinauf bis zu den Lippen. Um erneut mit den Nämlichen einen Kuss zu suchen. Ein pesantes Spiel mit den Zungen zu beginnen.


    Als darauf sich zu lösen und Aquilius zu betrachten.
    "Göttlich."
    Ein Hauchen. Den Nämlichen schickt sie über Aquilius Lippen.
    "Extraordinär ist diese Nacht."
    Es ist, als ob die Götter sie für ihr Liebesspiel erwählten. Hat Venus sich nach Mars gesehnt? Ist Callista darum alleine in die Nacht gestrebt? Hat Mars ihren Ruf gehört? Den schönen Marspriester an seiner statt geschickt? Damit Mensch mit Mensch sich vereinigt. Erfüllt von Höherem.
    Gerne würde sich Callista in diese träumerische Vorstellung ergeben. Aber höchst irdische Gelüste plagen sie. Durst. Ihre Zunge fühlt sich trocken an. An dem Zustand lässt sich nichts ändern. In dem Augenblick. Sinnend betrachtet Callista das schöne Antlitz des Priesters.
    Was für eine Fügung.
    Dabei kennst Du ihn noch nicht mal eine Stunde, Callista.
    Traun. Umso aufregender.
    Es schauert Callista. Der Flavier hätte alles behaupten können. Dass er ein Tiberier ist. Ein Aurelier. Ein Fabier oder sonst ein Patrizier. Ein wohlhabender Eques. Womöglich ist er kein Patrizier. Ein Aufschneider. Die Vorstellung behagt Callista. Macht die Begegnung noch aufregender. Ein Abenteuer ist das Unbekannte. Das Unwägbare. In das man sich begibt. Callista tut es mit offenen Armen und in die Arme der Aventüre. Mit Namen Flavius Aquilius. Ohne Zögern. Callista wurde belohnt. Beglückt und beseelt. Erfüllt mit unnachahmlicher Lust und Befriedigung.
    "Caius?"
    Schelmisch glitzern die Augen von Callista.
    "Darf ich Dich so nennen?"
    Betörend senkt Callista ihre Wimpern. Küsst ihn bittend auf die Lippen.
    "Du bist zweifelsohne der Retter meiner Nacht. Mein Leben verdanke ich Dir. Sodann erfülltest Du mich mit ambrosischen Vergnügen."

    Ein Tanz auf Eiern. Jedes Wort muss bedacht werden. Jede Mimik streng bewacht. Jede Geste gut studiert sein. Das Entsetzen in Callista ist ihr nicht anzusehen. Nicht in diesem Augenblick. Nebstdem möchte Callista die Ignoszenz nicht ruinieren. Töchterlich brav nickt Callista. Ergibt sich ad interim in diese Tyche. Es bewahrt sie zudem vor den garstigen Geldhaien. Die in Alexandria auf sie warten. Außerdem kann sie so ihren üblichen Lebensstandard erhalten. Üppig leben und heimlich ihren Leidenschaften nach gehen.
    "Natürlich, Pater meus. Du bist so großzügig zu mir. Ich danke Dir, Pater."
    Callista faltet ihre Hände auf dem Schoß. Bewahrt Ruhe und Würde. Überlässt ihrem Sohn die Konversation mit ihrem Vater.


    Mein Spatz.
    Das gefällt Nero nicht. Vögel liebt Nero. Aber andererseits sind sie auch minderwertige Gegenstände. Schön in ihrer Gestalt. Frohlockend in dem Gesang. Aber eine unbedachte Tat und schon ist ihnen das Genick gebrochen. Sie singen nicht mehr. Sie können nicht mehr fliegen. Wenn Nero auch das Mysterium ihrer Wiedergeburt fasziniert. Erbost ist Nero jedoch nicht. Schließlich hat sein Großvater Callista auch mit einem Vogelnamen als Kosewort bedacht.
    Imponiert ist er ebenso von den Worten seines Großvater über das claudische Blut. Ähnliche Ansichten hat Nero von seinem Onkel erfahren. Den Stolz auf die eigene Familie. Die Herkunft. Die Taten, die sie vollbringen können. Neros Lippen formulieren stumm die Worte. Er wiederholt sie. Ohne einen Laut von sich zu geben. Aber er verinnerlicht sie und prägt sie sich gut ein. Dünkelhaft ist Nero indes schon. Derart gelobt zu werden. Ein Lächeln ziert das erste Mal sein Gesicht. Flüchtig, aber es hat sich offenbart.
    "Das werde ich mir merken, Avus."
    Nicht lange später würden ihm die Worte im Kopf wieder hallen. In einem Tempel auf dem Forum Romanum. Doch das ist eine andere Geschichte. Die noch erzählt werden wird.
    Erfreut ist Nero. Einen Menschen gefunden zu haben, der sich nicht sofort an seinen Fragen stört. Aber er hat auch oft die Erfahrung gemacht, dass die Erwachsenen zuerst entzückt sind von seiner Art. Aber nach einigen Minuten entnervt von dem Drang all die Geheimnisse der Welt zu lüften. Die in ihren Augen banal und ordinär erscheinen.
    Andächtig nickt Nero. Dann wird er vielleicht doch noch schwimmen lernen. Außerdem entgeht Nero das Zwinkern nicht. Er hat seine ganze Aufmerksamkeit auf den gerichtet, der sich die Zeit für ihn nimmt. Erneut zeigt sich ein Lächeln bei Nero.
    "Dann bist Du über alle Meere gesegelt? Mit dem Schiff? Warst Du auch am Ende der Welt?"
    Leuchtend sind die Augen von Nero. Wissbegierig auf das Gesicht des älteren Mannes geheftet.
    "Hast Du den großen Wasserfall gesehen? Die Seeungeheuer? Die Unterwelt?"
    Nero weiß diffus, dass die Unterwelt am Rande der Erdenscheibe beginnt. Mehr nicht.


    Die Fragen bringen Nero in eine Bredouille.
    Ich möchte Philolodos werden.
    Das würde Nero antworten. Das Wort Philologos kann er sich nicht merken. Aber beeindruckt haben ihn die Gelehrten am Museion. Ein bärtiger Mann. Diesen hat Nero vor Augen. Wenn er daran denkt, dass es Menschen gibt, die auf alles eine Antwort wissen. Erdgebundene Vögel. Fliegende Fische. Schmetterlinge. Tiere mit seltsamen Formen. Insekten. All das möchte Nero erkunden. Aber das gehört sich für einen Patrizier nicht. So sagt seine Mutter.
    Sie würde ihn gerne als neuen Kaiser sehen. Sein Vater wollte ihn zum Senator machen. Nero will Beides nicht. Sinnend sucht er nach einer Antwort. Beißt dabei genauso auf die Unterlippe. Das Verlangen, den Daumen in den Mund zu stecken, wird sehr groß.
    "Ich möchte auch segeln. Auf großen Schiffen."
    Zu fremden Ländern. Unerforschten Tieren. Die Lust am Entdecken hat Nero von seinem Onkel, aber auch seiner Mutter geerbt. Zudem denkt er sich. Das wird seinen Großvater sicherlich freuen.
    "Ja. Ich habe vier Vögel. Zwei Kleine. Zwei Große. Sie sterben oft. Aber sie werden immer neu geboren."


    Aber schon hat seine Mutter die Aufmerksamkeit von seinem Großvater. Neros Daumen wandert zu seinen Lippen. Im letzten Moment senkt er ihn. Callista hebt ihre feucht glänzenden Augen. Verzweiflung hält sie umfangen. Die Angst um ihren geliebten Lucius. Der für sie verloren scheint. Sie atmet tief ein. Doch das Zittern in ihrer Stimme ist zu hören.
    "Ich."
    Sie verstummt. Holt noch mal tief Luft.
    "Verzeih mir. Es berührt mich lediglich so sehr. Die Familie ist wieder vereint."
    Eine Träne löst sich und gleitet über ihre güldene Wange. Gelogen sind ihre Worte. Aber kann sie die Wahrheit sagen? Ausgeschlossen. Ihr Vater würde sie sofort verstoßen.

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    Triumph spiegelt sich in den braunen Augen von Vulpius. Er hat das Mädchen. Sie wird nun für die Dreistigkeit büßen. Das schwere Scheppern hinter sich ignoriert Vulpius. Der Dolch will herunter sausen. Die junge Frau verletzen. Ihr Schmerz bereiten. Im nächsten Augenblick. Da explodierte es in Vulpius. Ein kehliges Keuchen und er wird blass. Derart wie die Mauer neben Tilla. Das Drohen mit dem Dolch entgeht Vulpius. Das Deuten ihrer Hände kann er nicht verstehen. Wie auch? Ein Ächzen entfleucht seiner Kehle. Langsam sinkt er zusammen auf die Knie. Greift sich in die Gegend seiner Lenden.
    "Sen."
    Ein Keuchen. Er kann das Schimpfwort nicht über die Lippen bringen.
    "Senti."
    Ein zweiter Versuch.
    "Sentina."
    Endlich gelingt es ihm. Mittlerweile ist er gänzlich auf den Boden gesunken. Laut kreischt das Metall. Der Kerzenständer kratzt über den Steinboden. Wütend funkeln die Augen von Nero. Sein Großvater, der hat ihm das Floh ins Ohr gesetzt. Was sagte er noch?
    Ein Claudier zaudert nicht, er verzagt nicht. Er stellt sich seinen Ängsten und selbst den höchsten Anforderungen.
    Das hat Nero vor. Mit all der Kraft in seinen schmalen Ärmchen hebt er den Kerzenleuchter hoch. Will ihn auf den Angreifer herunter schleudern. Ihn zu Boden schlagen, damit er sie nicht weiter angreifen kann. Zoll für Zoll hebt sich der Kerzenleuchter. Der genauso lang, wie Nero groß ist. Schon schwebt er in der Luft. Dann über Neros Kopf. Gefährlich wankt der Junge mit dem schweren Gegenstand in seiner Hand. Gerade will das Metall herunter sausen und auf Vulpius Kopf. In dem Augenblick pflückt der Priester den Kerzenständer aus den Händen des Jungen. Nero torkelt und fällt auf den Boden. Als ihm die Waffe entrissen wird.


    Zorn sprüht der Priester mit jeder Faser seines Körpers aus. Leuchtend Rot ist die Farbe seines Gesichtes. Entschlossen stellt der Priester den Kerzenständer an den Platz zurück.
    "Was hat das hier zu bedeuten?"
    Kalt ist das Kolorit seiner Stimme. Sie hallt im Tempel wieder.
    "Das ist kein Circus. Raus hier. Aber sofort. Wehe ich sehe einen von euch jemals wieder in diesem Tempel."
    Drohend hebt der Priester seine Hand. Mit den Fingern der anderen Hand deutet der Sacerdos auf den Ausgang.
    "Verzeihung, ehrenwerter Sacerdos. Wir wollten nicht frevelhaft sein."
    Eine artige Verbeugung. Nero rennt schnell um den keuchenden Vulpius herum. Der sich mit Zornesmiene langsam erheben möchte. Nachdem der aller schlimmste Schmerz überwunden ist. Die Hand von Tilla. Die ergreift Nero.
    "Hurtig. Lass uns laufen."
    Drängend zieht Nero die junge Frau hinter sich her. Goldenes Sonnenlicht erwartet sie. Der Blick auf das Forum Romanum. Tempel. Die Curia. Menschen auf Rednertribünen. Propagieren den Untergang des Imperiums. Ein dicker Ausrufer. Er verkündet die neuen weisen Worte. Die des Senats. Manch ein Römer bleibt stehen. Andere gehen einfach weiter. Nero interessiert sich auch nicht dafür. Eilig drängt sich Nero mit der jungen Frau durch die Menschen. Erst neben der Curia bleibt Nero stehen. Schwer geht sein Atem. All die Aufregung hat den Jungen erschöpft. Schließlich ist er nicht der Kräftigste, noch sonderlich gesund. Er schluckt und wendet sich zu Tilla um.
    "Danke."
    Ehrlichkeit steht in seinen Augen. Chevaleresk verbeugt sich Nero.
    "Wenn ich mich vorstellen darf? Mein Name ist Nero Fabius Damio. Ich stehe tief in Deiner Schuld, werte Dame."
    Nero imitiert. Von seinem Onkel hat Nero viel gelernt. Das höfliche Verhalten Frauen gegenüber zweifellos.




    Nicht gänzlich weltfremd ist Callista. Ihre Abenteuer haben sie schon an mannigfaltige Orte gebracht. Auch in das Elendsviertel von Alexandria. Namentlich auch als Rhakotis bekannt. Schlimmere Orte als der schmucklose Raum. Die sind Callista durchaus bekannt. Natürlich wird sie das nicht zugeben. Es würde ein extraordinäres Licht auf ihre Person werfen. Ein dezentes Lächeln ziert Callistas Lippen. Als sie die Worte im Atrium vernimmt. Ambigue ist die Diktion. Mit einer Botschaft zwischen den Zeilen. Oder auch nicht. Eine derartige Einschätzung kann Callista nicht vornehmen. Sie kennt den Mann nicht gut genug. Sie geht indes davon aus, dass eine solche Kunde verschleiert vorhanden ist.
    "Meine Benohé?"
    Mehr Worte verschwendet Callista nicht. Ihre Ansprüche an ihre Sklavin sind hoch. Benohé dient ihr schon sehr viele Jahre. Sie kennt ihre Herrin profund. Kann jede Regung aus ihrem Gesicht deuten. Lesen in dem Spiegel ihrer Augen. Schon eilt die Sklavin davon. Einladend deutet Callista auf die Sitzgelegenheiten im Atrium. Benötigt werden sie für den Empfang von Gästen und Klienten. Die die Männer der Claudier besuchen. Callista hat naturgemäß keine. Callista nimmt ebenso dort Platz. Wenig Gemeinsamkeiten hat sie mit dem Mann. Sie sind Beides Römer. Sie leben in Rom. Sie atmen dieselbe Luft. Und natürlich trinken sie das Wasser aus den römischen Leitungen. Aber um ein Gesprächsstoff ist Callista selten verlegen. Neugier herrscht bei ihr auch. Aber eine Andere. Als bei ihrem Sohn.
    "Dann gehst Du von Haus zu Haus, um die Wasseranschlüsse zu inspizieren?"
    Redundant ist die Frage. Callista kann sich die Antwort bereits denken. Doch sie ist der Auftakt, um einige pikante Details zu erfahren. Womöglich kann Callista sie dem netten Herrn entlocken.
    "Womöglich auch die Villen der anderen Patrizier? Oder der edlen Nobilitas?"
    Grübelnd denkt Callista über die Nobilitas nach. Wer gehört noch dazu?
    "Die Prudentier?"
    Callista hat von dem Begräbnis erfahren. Natürlich ist ihr die Familie egal. Aber einen verstorbenen Consul besitzt sie. Hinwieder will Callista auf eine andere Familie hinaus. Dezent indes.
    "Die Vinicier?"
    Herzensgut wirkt ihr Antlitz. Eventual kindlich. Benohés leichte Schritte führen sie in das Atrium zurück. In ihren Händen trägt sie Kost und Trank. Roter Wein, verdünnt, wird den Männer kredenzt. Edler Massiker. Dazu eine leichte Speise aus diversen Käsearten, gefüllte Eier und geröstetes Brot.

    Still ist die Nacht. Rom schläft. In der schwarzen Finistere. Die Menschen schlafen. Eingehüllt in Düsterkeit. Entlockt aus der Welt durch Hypnos Schwingen. Umschmeichelt von den Armen des Morpheus. Callista indes benötigt es in dieser Nacht nicht, die Augen zu schließen. Um einen Traum zu erleben. Entführt ist sie schon längst. Entrückt fühlt sie sich. Gestalten ihrer Phantasie walzen im Garten. Ein Garten, der schon lange kein Garten mehr ist. Sie sind nicht mehr. Indes sind sie umso eindringlicher.
    Callista schwelgt und huldigt all den Empfindungen, die sie beherrschen. Halb geschlossen sind ihre Augen. Die dunklen Wimpern umkränzen die schwarzen Augen. Ihr Mund ist jedoch eine Nuance geöffnet. Stößt den keuchenden Atem aus. Das sanfte Flüstern ohne Worte, dass ihre Lust und ihr Verlangen beschreibt. Die Wonne, die sie verspürt. Ihre Brust hebt und senkt sich im gleichen Rhythmus. Dem Heben ihrer Hüften. Dem wiegenden Schaukeln ihres Liebesreigen.
    Den Kopf in den Nacken gelegt sieht Callista die leuchtenden Sterne über ihren Köpfen. Ein tiefes Seufzen entschlüpft ihr. Sodann ein Stöhnen. Die Lust vermag das Leben in Callista zurück zu bringen. Die Lethargie ist vertrieben. Die Trauer für zumindest diese Nacht. Sklaven vermag Callista haben wie sie will. Männer in ihr Bett zu locken ist nicht schwer. Aber ein derartiges Liebesreigen ist erlesen. Eine solche entzückende Nacht. Callista lebt. Lebt die Leidenschaft aus. Ungezügelt. Als ob es ihre letzte Nacht ist. Genauso wie sie von Tag zu Tag lebt. Niemals sich Gedanken über die ferne Zukunft macht.
    Lebend und intensiv fühlt sich Aquilius unter ihr an. Sie richtet ihre vor Verlangen brennenden Augen auf Aquilius. Ihre Finger gleiten über seine Brust hinweg. Im Einklang senkt sich ihre Hüfte und wölbt sich dem schönen Marspriester entgegen. Ein inbrünstiger Ritt. Flammend. Dithyrambisch. Callista liebt das Reiten. Und das Nämliche außerordentlich.


    Wollüstig stöhnt Callista. Lauter, als die Fingernägel über ihre Haut fahren. Die süße Qualen an ihrem Rücken hinter lassen. Callista liebt fraglos auch das rauhe Liebesspiel. Die Lust am Schmerz in der Wollust. Callista drängte sich in dem Augenblick näher an ihn. Ein brünstigliches Gurren stößt sie aus. Lacht gleichermaßen. Leise und genüsslich. Die Wogen tragen sie hoch. Immer höher. Ihre Finger graben sich fester in Aquilius Schultern herein.
    Zentrovertiert ist Callista. Auf ihr eigenes Wohlbehagen stets bedacht. Auf die Wonne. Callistas Mundwinkel heben sich entzückt. Sie beugt sich vor. Ihre schwarzen Haare streichen über Aquilius Brust. Einen langen Kuss schenkt Callista ihm. Als Antwort. Ehe sie sich erhebt und weiter über ihm den Tanz vollführt.
    Sensitiv ist Callista. Den Tränen des Mondes wegen. Es vergnügt sie noch mehr. Berauscht sie. Aphrodisiert sie und führt sie zu der ersehnten Höhe. Callistas Stöhnen wird inbrünstiger. Einem entzücktem Frohlocken gleichend. Ohne Bedingnis ergibt sich Callista der Wallung. Heiße glühende Stiche rasen durch ihren Körper. Angenehm. Göttlich. Lustbetont.


    Ein Knurren. Callista wird herunter gezogen. Spielerisch sucht sie danach sich dem Zugriff zu entwinden. Ergibt sich dem. Ihre Zunge gleitet an Aquilius Hals entlang. Callista küsst ihn beißend am Kinn. Sucht nach seiner Unterlippe. Um sie mit den Zähnen zu ergreifen. Überlässt ihr Ohr dem Marspriester. Immer noch schaudert es über Callistas Körper. Sie erbebt in seinen Armen und will die Nacht nicht zu Ende gehen lassen. Ihre Hüften bewegen sich sachte weiter. Ihr Körper schmiegt sich eng an ihren Mars heran. Ihrem Gott der Nacht. Der sie so göttlich verwöhnt. Volle Lippen, die sich mit ihren Vereinigen. Ein traumhafter Körper, der den Ihrigen mit solcher Sinnlichkeit versetzt. Callista und Aquilius. Sie kennen sich kaum. Und doch teilen sie bereits das Verlangen. Nach gegenseitigen Berührungen. Dem Erkunden des Fremden. Den Genuss des Lebens. Ihre Gier aufeinander.
    "Hm."
    Ein Säuseln an ihrem Ohr. Ein Biss. Callista seufzt.
    "Fester, mein Mars."
    Zimperlich ist Callista nicht. Liebt die Zärtlichkeit. Aber eben auch das Grobe. Beglückt und beseelt ist Callista. Vergnügt über das neuerliche Ansinnen. Bereitwillig löst sich Callista. Bedauert den Moment der Trennung.
    Was für ein Mann.
    Ein Gott ist er, Callista.
    Traun.
    Fantastisch ist nicht nur die Liebeskunst. Die Ausdauer ihres Mars. Auch die Wahl der Positur. Callistas Lippen ziert ein amüsiertes Lächeln. Es erinnert sie an die Schule ihrer Sklavin.


    Ein Zyklon von heißen Wellen durch fährt ihren Körper. Als sie sich mit ihm nochmals vereinigt fühlt. Jede Bewegung ist nun ein Genuss. Weniger von der Gier geleitet. Vom Verlangen zu Verzehren. Zu Vereinnahmen. Sinnlich ist es und entlockt Callista spitze Schreie. Verhalten in der Nacht. Aber ungezügelt.
    "Mein Mars."
    Faunisch ist ihre Stimme. Anfeuernd und begehrend. Selten hat Callista dergestalt Fleischeslust erlebt. Nur bei einem einzigen anderen Mann. In jenem Augenblick denkt Callista nicht. Spürt nur ihren Mars. Sein Drängen in sie. Leidenschaftlich ist sie. Ihre Antwort auf die Bewegungen. All die schönen und köstlichen Empfindungen. Jede Nuance. Jedes Erbeben und Erzittern. Callista schließt die Augen und lässt sich erneut nach oben tragen. Erfährt einen Flug derart, wie selten gespürt. Seine athletischen Arme spürt Callista. Die warme Haut seines Körpers. Sie vermeinte das Schlagen seines Herzens zu spüren. Als Resonanz ihres eigenen Herzens. Schnell. Wild. Dahin jagend. Auf ein Ziel zu, dessen Weg das Ambrosische ist. Indessen unifizieren Weg und Ziel. In dem Sensus ist Callista gefangen. Derart selbstvergessen, dass sie ihre eigenen Lustlaute nicht vernimmt. Lasziv und lüstern sind die Töne. Callista vermengt sie. Mit dem Namen von Aquilius. Aber auch mit der Benennung ihres Gottes. Woge um Welle erzittert es in Callista. In Callista. An Callista. Allerenden an ihrem Körper. Ein Schaudern geht über ihren Körper. Ein Keuchen. Callistas Finger graben sich in die Erde. Hinwiederum ihre Fingernägel auch in die Seite von Aquilius. In dem Taumel der Ekstase. Abermals vermengt sich der Name Caius mit dem Namen des Kriegsgottes, der die Venus beglückte.
    Callista lässt sich weiter tragen. Im Verschmelzen des Höhepunkts, mit dem Wiegen der Wonne.

    Das Manko drückt immer mehr. Es ist das Ausbleiben von Unterhaltung. Callista sieht sich suchend um. Nach Musikanten. Keine sind zu finden. Indessen kann Callista nicht ihre Sklavin mit der Distraktion beauftragen. Superb sind hinwieder die Speisen. Die edle Kost. Sparsam ist Callista ungeachtet. Jede Sünde zu viel wird bestraft. Ein gebratener Tintenfisch findet den Weg von dem Löffel zu ihrem Mund. Ebenso der Löffel zum zweiten Mal in ihr Kleid. Benohé unterdrückt ein Augenrollen. Niemals würde sie sich ein derartiges Zeugnis in Gegenwart ihrer Herrin leisten. Als Callista sich vorbeugt, um eine weitere Speise zu kosten. In dem Augenblick greift Benohé in die Falten. Nimmt den Löffel und legt ihn zurück auf den Tisch.
    Callista spürt die Hand ihrer Sklavin. Konfus ist der Blick von Callista. Mit dem Nämlichen sie die Sklavin betrachtet. Devot ist indes die Haltung der Sklavin. Callista lässt sich nicht lange davon ablenken.
    Was ist ein Gustostückerl?
    Eine besondere Art des Verbrechens, Callista. Vielleicht ein Mörder?
    Mysteriös.
    Callista denkt über das Wort nach. Dreht es in ihrem Geiste hin und her. Gusto. Lust? Stückerl. Damit ist Callista überfordert. In keiner Schrift hat sie dereinst dieses Wort gelesen. Aber es gefällt ihr. Es hat etwas ungemein reizvolles. Vielleicht liegt es daran wie Hungaricus es ausspricht. Im Sinnen isst sie noch eine Olive. Ein drittes Mal. Der Löffel wandert zwischen die Stoffbahnen ihrer kostbaren Gewänder. Er glitzert auch zu schön. Zu funkelnd. Benohé greift möglichst unauffällig dazwischen und legt ihn zurück.


    Es kommt ganz auf die Beute an?
    Mit einer derartigen Antwort hat Callista gerechnet. Äquivok war die Frage dazu. Das schelmische Lächeln in seinem Gesicht. Das erfreut Callista außerordentlich. Es verleiht ihm einen anziehenden und panurgischen Glanz in den Augen.
    Soll ich es wagen?
    Warum nicht, Callista? Dieser Ort eignet sich sonst nicht dafür.
    Traun.
    Gerade legt ihre Sklavin das vierte Mal den Löffel zurück. Callista bemerkt es nicht. Will es womöglich nicht perzipieren.
    Schalkhaft ist das Glitzern in Callistas Augen.
    "Auf die Beute? Eventualiter erahne ich sie."
    Callista stützt ihr Kinn auf den Fingerspitzen ab. Ihre Augen ruhen auf den Nämlichen von Hungaricus.
    "Hätte ich eine derartige Beute. Wärst Du dieser geneigt?"
    Callista liebt das Spiel. Mit dem Feuer. Der Gefahr. Der Aufregung. Zudem des Liebesreigen. Sie riskiert gerne. Verliert durchaus etliche Male. Zuweilen gewinnt Callista indes.

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    Gülden leuchten die Kerzen in dem Tempel. Das Raunen dringt durch die Hallen. In Andacht ist eine alte Frau versunken. Die den Tag zu einem Opfer nutzt. Der Lappen des Priesters gleitet persistent über den Stein. Graue Dunkelheit wird nur durch spärliches Licht durchbrochen. Weihrauch schwängert die Luft. Verbrannte Opferschwaden. Kekse. Kräuter. Duftendes Öl. Wein. Kerzenhitze. In der Stille sind schlurfende Schritte zu hören. Ein lautes Kreischen. Als Metall über den Steinboden fährt. Gülden leuchten die Kerzen.


    Fasziniert betrachtet Nero die Bewegungen ihrer schönen Hände. Sie scheinen zu malen. In der Luft. Ohne Farbe und Pinsel. Ist das ein Tier? Das sie andeutet. Sie legt ihren Finger gegen ihre Brust. Verstehen. Das tut Nero nicht. Aber das Nicken zur nächsten Säule. Das wird Nero deutlich. Bedauern verspürt der Junge. Von dem schützenden Umhang getrennt zu sein. Schnell erhebt er sich. Hastet mit leisen Schritten auf die nächste Säule zu. Seine Schühchen tapsen über den Steinboden.
    Hinter sich spürt Nero die junge Frau. Darnach den garstigen Ton über den Stein. Nero schaudert. Eine Gänsehaut bildet sich auf seinen Armen. Er wirft einen Blick über seine Schulter zurück. Braune Augen sehen ihn an. Kalte und brutale Augen. Nero erstarrt. Einer Maus similär. Sodann rennt er panisch los.


    Es ist das Geräusch. Das Vulpius untrüglich herum fahren lässt. Seine Augen fixieren den flüchtenden Jungen. Die Sonnenstrahlen. Von einem Fenster aus tanzen sie um Vulpius. Feine Staubkörner walzen mit dem warmen Schein. In seiner Hand spielt er mit dem Dolch. Seine breite Nase bebt vor Wut. Blut ist an seinem Handgelenk. Tropft langsam auf den Steinboden. Es stammt von dem Stich, den Tilla ihm versetzt hat. Geschwind tritt Vulpius zwischen die Säulen. Das Licht auf dem Metall erlischt. Die Ombrage der Säulen umfasst Vulpius.
    "Vipera. Ich erwische Dich schon."
    Ein Knurren sind seine Worte.
    "Ich schneide Dir Deine Finger ab."
    An der nächsten Säule ist Vulpius vorbei. Da. Er sieht Nero rennen. Dahinter Tilla. Mit einem wütenden Keuchen stürzt sich Vulpius auf die junge Frau. Der Dolch will sich in sie bohren.
    Er trifft hinwieder nur die Säule. Metallfunken stoben auf. Eine Hand umgreift die Schulter von Tilla.
    "Hab ich Dich."
    Triumphierend grinst Vulpius.
    "Das wirst Du büßen, Kleines."
    Drohend erhebt sich der Dolch.


    Zwei Säulen weiter ist Nero. Er hört die Worte. Schnell dreht er sich um. Er sieht den Dolch und die junge Frau. Die Gefahr, in der sie schwebt. Nero beißt sich in die Unterlippe. Was tun? Sein Onkel, der wüsste es. Er würde sich auf den Mann stürzen. Heldenhaft ihn nieder ringen. Sein Onkel kann das. Was würde seine Mutter tun? Wenn sie ohne Hilfe ist? Ohne Wehrmöglichkeit?
    "Advoci. Hilfe. Sacerdos."
    Hastig sehen sich Neros Augen um. Einen Kerzenständer erblickt er. Schnell greift er danach. Hebt ihn hoch. Wird beinahe von dem schweren Ständer zu Boden gerissen. Die Kerze poltert über den Boden. Nero schleift den Kerzenhalter hinter sich her. Um damit auf den Mann einzuschlagen. Er ist schließlich ein Claudius. Ein Nämlicher flieht nicht. Wenn eine Frau in Not ist. Zumindest glaubt Nero das.
    Der Priester indes dreht sich verwundert um. Lässt das Tuch herunter sinken. Erblickt das Szenario.
    "Asebie."
    Ein Hauchen. Entsetzen offenbart sein Gesicht. Blut wird in seinem Tempel vergossen. Er sieht ihn als seinen Tempel an. Eigentlich ist er ein unbedeutender Priester. Jung und unerfahren. Er klettert von dem Schemel herunter. Rafft seine Priestergewänder, um auf den Kampf zu zu eilen.




    Ad interim Ennius Cerealis mit Werkzeug und Instrumentarium den Wasseranschluss revidiert, inspiziert Callista das Unterfangen von Cerealis. Nicht, um ihn zu überwachen. Ennius könnte Callista alles erzählen. Jegliches Ammenmärchen. Lug und Trug. Callista würde es ihm glauben. Nicht aus Dummheit. Aus Unwissen. Es ist das erste Mal. Dass sie einem Mann des Curator Aquarum begegnet. Ihn bei der Arbeit beobachten kann.
    Die Hände von Ennius. Sie gefallen Callista. Von einem Mann, der arbeitet. Von einem Nämlichen erwartet sie hässliche Hände. Ostensiv nicht bei Ennius. Hinwieder hat sie auch nicht solcherlei Courtoisie erwartet. Bei einem solchen Mann anzutreffen. Doch sie ist untrüglich vorhanden. Sie nimmt die Finger in Augenschein. Als die Nämlichen den Wasseranschluss abmessen. Ihre Mundwinkel heben sich trivial.
    Als Ennius die Worte an sie richtet, wird Callista aus der Betrachtung aufgeschreckt. Mit der Größe kann Callista nichts anfangen. Aber sie nimmt das schlechterdings hin.
    Die Summe erscheint Callista viel. Für das Wasser. Wasser gibt es doch überall. Aber sie könnte sich nur zwei Kleider für das Geld kaufen. Eine Monilia und Inaures. Vielmehr mehrere Anuli. Zwei Sklaven womöglich. Callista kräuselt die Nase. Als sie darüber nachdenkt. Schließlich nickt sie huldvoll. Desgleichen ihres Sohnes in dem Gehabe.
    "Das Geld soll Dir ausgehändigt werden, werter Ennius."
    Benohé tritt vorsorglich an die Seite ihrer Herrin. Schon richtet Callista das Wort an sie.
    "Meine Benohé, eile zum Verwalter. Er soll das Geld abzählen für den hoch geschätzten Herrn."
    Devot neigt Benohé das Haupt. Geht davon.


    Erfreut lächelt Callista.
    "Wunderbar. Gehen wir doch in das Atrium zurück. Hier ist es ein wenig ungemütlich."
    Callista sieht sich in dem kleinen Raum um. Unprätentiös. Schmucklos ist er. Sie ahnte bis anhin nicht. Dass es solche Räume in der Villa gibt. Sie hat auch noch nie die Sklavenunterkünfte besichtigt. Geschweige denn die Culina.
    Ihre Gewänder rauschen. Der Gang zieht vorbei. Schon sind sie im Atrium zurück gekehrt.
    Es währt nicht lange. Da tritt Benohé in das Atrium. In den Händen trägt sie einen Sack aus dickem Leder gefertigt.
    "13 Aurei, Herr."
    Submiss ist ihr Haupt geneigt. Als sie die Goldmünzen an Ennius reicht.
    Munter ist das Antlitz von Callista.
    "Fabelhaft. Kann ich sonst noch etwas für Dich tun, werter Ennius? Eventualiter noch eine Stärkung? Ein Wein?"

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    Es sind nicht die heiligen Gänse des Iuno-Tempels. Noch befinden sie sich auf dem Kapitol. Doch auch dieses Mal sind die Tiere der Göttin der Geburt und Ehe hilfreich in der Not. Mehr als nur mit ihrem Geschnatter sorgen sie dafür die Römer zu retten. Nein. Einen Römer. Einen sehr kleinen Römer entreissen sie der Gefahr. Nero. Den Sohn der Callista. Kleiner Ausreißer und schier Entführter. Flatternd stoben die Vögel um die Beine der Männer.
    "Verschwindet."
    Vulpius tritt nach einer Gans. Der Vogel beißt ihm kräftig in die Wade hinein. Jaulend schreit Vulpius auf. Nero sieht sich zwischen all den aufgeregten Gänsen umher. Die mit ihren gelben Schnäbeln auch nach ihm schnappen möchten. Schon spürt Vulpius den Stich. An seinem Handgelenk.
    "Sordes."
    Es hilft. Vulpius lässt los und umgreift sein Handgelenk. Nero sieht verwirrt zu der unerwarteten Hilfe hinauf. Zu Tilla. Befremdet ist er durch die Gestik der jungen Frau. Was will sie ihm deuten? Nero weiß es nicht. Doch das wütende Brüllen von Vulpius. Das macht Nero Beine.
    "Ich bring Dich um. Caenum. Ambubaia."
    Unflätige Worte rauschen um Neros Ohren. Fasziniert ist er davon. Aber von der Haßmiene. Dem verzerrten Gesicht. Davon ist er abgeschreckt. Vertrauensvoll folgt Nero Tilla. Nero ist ein kleiner Junge. Aber dumm ist er nicht. Und Tilla hat ihm geholfen. Vor dem Rekel. Schwere Schritte folgen den Beiden. Hohe Säulen fliegen an Nero vorbei. So schnell ihn seine kurzen Beine tragen können. Derart rennt Nero. Ein Tempel. Eine Statue. Schnell zieht Nero Tilla in die Richtung.
    "Hier lang. Dort haschen sie uns nicht. Schnell."
    Seine Füße tragen ihn über die Stufen des Tempels. Hinein in das dunkle Heiligtum.
    "Dort."
    Nero deutet auf eine Statue. Eine große Götterstatue. Einer der Hauptgötter. Den Dei Consentes. Schwere Schritte folgen. Nero duckt sich hinter dem Sockel. Schließt ganz fest die Augen. Als ob das helfen würde. Den Mann von der Welt verschwinden zu lassen.
    "Putt. Putt. Wo seid ihr?"
    Vulpius Stimme hallt im Tempel wieder. Unverfroren geht er hinein. In seiner Hand hält er einen Pugio.
    "Ich bring euch ganz bestimmt sicher nach Hause. Kommt schon. Seid lieb. Seid brav."
    Martialisch ist indes der Ausdruck von Vulpius. Er sieht sich suchend in dem Tempel um. In den er die Beiden hat fliehen sehen. Am Ende des Tempels ist ein Priester. Seine Hände polieren eine Statue. Mit einem weichen Lappen. In feinem kostbaren Öl getränkt. Er hört den Mann nicht. Ebenso hat er den Jungen und die junge Frau nicht bemerkt.
    Nero atmet keuchend. Das Rennen hat ihm zu schaffen gemacht. Er ist das nicht gewöhnt. Er öffnet ein Auge. Dann das Andere.
    "Was sollen wir tun? Laufen?"
    Ängstlich ist der Junge. Derart sieht er zu Tilla hinauf. Vulpius legt den Kopf zur Seite. Er meint, etwas vernommen zu haben. Langsam nähert er sich den Beiden.




    Ein Nachdenken offenbart es Callista. Säkular ist das Anliegen des Mannes. Aber es reiß sie aus der desolaten Monotonie heraus. Vermag ihren Tag zu erhellen und mit Abwechslung zu füllen. Der Art, die sie selber nicht suchen würde. Konziliant stimmt sie die Erkenntnis.
    Wie das wohl ist? Zu Arbeiten?
    Vielleicht amüsant. Wohl eher anstrengend, Callista.
    Traun. Zudem sehr banal.
    In ihrer Vorstellung passt nicht das Bild. Was Arbeit wirklich bedeutet. Dass es notwendig ist. Denn Callista würde nie im Traum daran denken, selber tätig zu werden. Auch nur einen Sesterzen zu verdienen. Nein. Dafür waren die Männer da. Früher ihr Ehemann. Zurzeit wiederum ihr Vater.
    Lange muss Callista nicht sinnen. Ob sie nur ihre Sklavin schickt.
    "So soll es sein, werter Ennius."
    Callista gibt ihrer Sklaven ein Zeichen.
    "Meine Benohé. Führe uns zu dem Quell unseres kostbaren Nass'."
    Vergnügt leuchten Callistas Augen.
    "Wenn Du mir folgen möchtest?"


    Das Atrium verlässt Callista. Ihrer Sklavin nachfolgend. Im hinteren Teil der Villa können sie fündig werden. Der Wasseranschluss wird enthüllt. Callista betrachtet ihn. Findet ihn recht puritanisch. Callista streckt die Finger aus. Streicht darüber hinweg. Einladend deutet sie auf den segensreichen Spender. Der ihr einen Wohlgeruch und Behaglichkeit zu schenken vermag. Im warmen Bade. Oder mit dem kühlendem Wasser am Morgen.
    "Was kostet so ein Wasseranschluss?"
    Callista kann sich nicht vorstellen. Wie hoch sich der Preis für Wasser belaufen kann. Wasser gibt es überall hier in Italia. Derart kennt es Callista. In der Wüste in Ägypten ist es kostbarer. In Alexandria indes genauso reichlich.

    Glühende Eifersucht. Sie glimmt in den Augen der Sklavin Benohé. Eine Eissäule scheint die Sklavin zu umgeben. Ihre Finger sind ineinander geschlungen. Ihre Fingernägel graben sich in ihre eigene Haut. Ein einzelner Blutstropfen löst sich von der dunklen Haut der Inderin. Fällt in das grüne Gras und versickert ungesehen. Im Erdenreich. Kühl sind ihre Fingerspitzen. Die nach dem Dolch tasten wollen. Benohé stellt sich vor. Wie die Dolchspitze sich in den Rücken des Flaviers bohrt. Verheerend das tut, was er mit seiner Liebeskunst vollführt. Benohé presst ihre Lippen zusammen. Der Wind spielt mit ihrem hauchzarten Gewand. Fährt über ihre nackten Arme. Sie wendet den Blick ab. Das Haus fixiert sie mit ihren braunen Augen. Die frostige Präsenz der Sklavin. Sie unterdrückt jegliches Grinsen bei den Leibwächtern. Beide Männer lassen sich indes keine Einzelheit entgehen.
    Lethe umfließt Callista. Die Welt ist versunken. Vergessen. Banal und akzidentell erscheint sie in ihrem Rausche. Den sie in diesem Moment erlebt und sich dem ganz ergibt. Jegliche Beherrschung gibt Callista auf. Erfühlt. Erspürt. Erlebt. Genießt diese kostbaren Stunden. In der Dunkelheit von Nox. Beleuchtet von Luna. An einem verzauberten Orte mitten in der großen Stadt Roma. amoR. Die Liebe. Lust. Leben. Eine Einheit bildet diese Triade für Callista. Jedwede Fühlung von Aquilius Händen an ihrem Leibe. Sie lösen ein wohliges Erschaudern und Wonne aus.


    Voluptuös erspürt sie das Gewicht von Aquilius über sich. Verlangend suchen ihre Lippen. Nach einem begehrlichen Kuss. Im selben Atemzug spürt Callista ihn. Intensiv. Ein Keuchen entfleucht Callistas Lippen. Gemachsam spürt sie das Vordringen. Lustbetont schließt Callista die Augen. Presst sich gegen das grüne Gras. Ihre Hüfte hinwieder fester an Aquilius, drängt ihn tiefer zu kommen. Ihre Lippen öffnen sich verhalten. Ein Stöhnen löst sich von ihnen. Bereitwillig schenkt Callista ihm ihr Bein. Sie schmiegt es an seinen Oberkörper und presst sich fester an ihn heran. Schwarz glänzen die Augen. Als Callista sie öffnet. Einem See in den Bergen similär. Wenn die Nacht ihr sanftes Tuch auf das Wasser legt. Glutvoll leuchten sie jedennoch im silbernen Licht Lunas. Der Göttin Selene. Lodernd sind die weißen Flammen. Die Selene vom Himmel schickt. Sie tanzen um die Gestalt von Aquilius. Liebkosen sein Haupt. Springen über. Callista erzittert in Erwartung. Wird nicht enttäuscht. Ein Schauder der Wonne durchströmt ihren Leib. Ein zartes Kribbeln durchfährt ihren Körper. Noch sanft ist das Wiegen auf den Wogen des Beilager. Callista schwelgt in den Bewegungen, die ihr mit jedem Mal einen stärkeren Schauer schenken.


    Die knabenhafte Hüfte wölbt sich Aquilius entgegen. In dem Verlangen ihn stärker zu fühlen. Ihn noch mehr zu vereinnahmen. Sinnlich spürt Callista die Hand von Aquilius an ihrer Haut. Sie brennt an den Stellen. Wo Aquilius Finger sie berühren. Ihre Zungenspitze gleitet über Callistas Unterlippe. Ein feuchter Glanz bleibt zurück. Entzückt erschaudert Callista. Ihr Körper beweist ihre Empfindung. Das Herz pocht in Callistas Brust. Vernehmlich. Laut. Frohlockend. Drängend. Callistas Gier steigt. Berauscht sie und erfasst sie vollkommen. Ihre Hüfte bewegt sich stärker. Ihr Brust hebt und senkt sich geschwinder. Ihr Körper wölbt sich harmonisch im Liebesreigen. Aquilius entgegen. Ihre Beine umschlingen ihn fest. Halten ihn und würden ihn nicht mehr fort lassen.
    "O, mein göttlicher Mars."
    Keuchend haucht Callista das.
    "Verzehre mich. Verschlinge mich."
    Verlangend. Fordernd sind ihre Worte. Wilder ihr Drängen. Ihr Körper entzieht sich ihm. Um sich gleich darauf ihm ungebändigt entgegen zu drücken. Zeitlos ist die Lust. Nächte. Tage können schon vergangen sein. In der Ekstase des Genommen-werdens. Des Gebens. Und der Vereinigens. Feiner Schweiß perlt auf ihrer Haut. Hauchzart. Callistas Atem geht stoßend. Ihre Brust wölbt sich Aquilius entgegen. Ihre schwarzen Haare gleiten über ihren Rücken. Sie schlingt ihre Arme um seine Schultern. Küsst ihn verlangend. Salzig. Ihre Lippen kosten an seinem Hals und beißen ihn zart. Salz auf seiner Haut.
    "Lass mich Dich reiten, mein Mars."
    Verlangend. Flehend nachher ist ihre Stimme. Heiser vor Verlangen.


    Lüstern beißt sich Callista auf ihre Unterlippe. Sie löst sich von Aquilius. Zieht ihn sanft. Bestimmt. Voller Gelüste zum Boden. Leuchtend strahlt der Mond auf ihrem Körper. Offenbart glitzernd die salzigen Perlen auf ihrer Haut. Reiner als jeder Schmuck es sein kann. Von ihrer Halsgruppe gleitet eine Salzperle hinab. Zwischen ihren Brüsten entlang und um ihren Bauchnabel herum. Ihre Hand legt sich auf Aquilius Brust. Perikulös glühen die Augen von Callista. Genuß verspürt sie. Über Aquilius zu thronen. Langsam gleitet sie auf ihn und empfängt ihn abermals. Callista legt ihren Kopf in den Nacken und stöhnt laut. Bewegt sich stetig. Reitet Aquilius. Gefangen in der Passion. Die Bäume brennen lichterloh. Der Himmel gleisst voller roter Flammenzungen. Lächzt danach sie zu verbrennen. Callista gibt entzückte Laute von sich. Sie spürt die Lust immer stärker. Verzehrend. Kribbelnd. Tausend Ameisen umspielen ihre Beine. Breiten sich über ihren gesamten Körper aus. Die Faune lachen. Die Nymphen stöhnen.

    Gülden bebt das Blattwerk einiger morgenländischer Platanen auf, die am Rande des Gartens wachsen. Hoch und mit noch dichter Krone. Sind die Tage noch von Schönheit und goldenen Sonnenstrahlen geprägt. So sind die Nächte in der Hand der herbstlichen Kälte. Der nämliche Tag ist von milder Wärme bestimmt. Verträumter Stimmung ist Callista. Mit Labsal vernimmt sie die Stimmen um sich. Superb ist die Wahl der Term. Die Schönheit im Worte. Das schätzt Callista ebenso hoch ein.
    Wohltönend ist die Stimme an ihrer Seite. Callista legt den Kopf zur Seite. Eine schwarze Strähne an der Schläfe fällt über ihre Wange. Ihre dunklen Augen betrachten den Mann. Bekannt sind die Züge seines Antlitz. Traut. Altvertraut. Woher Callista diese Empfindung verspürt, vermag sie nicht zu benennen. Dessen ungeachtet meint sie. Ihn auf einem Feste gesehen zu haben. Halb gesenkt sind Callistas Wimpern. Zwischen ihnen mustert sie Gracchus prüfend. Fährt mit ihren Augen an seinen aristokratischen Zügen entlang. Den schimmernden dunkelbraunen Haaren. Springt zu den wohl geschwungenen Lippen. Zu dem männlichen Kinn. Die gepflegten Hände. Sehr schmuck sind sie. Erstaunlich umsorgt für einen Mann. Das gefällt Callista. Schließlich erleuchtet es sie.
    Das Weinfest.
    Mit Antonia war er dort, Callista.
    Traun?
    Greifbar ist die Erinnerung nicht. Beschäftigt war sie an jenem Abend. Callistas Mundwinkel heben sich bei der Retrospektive.
    Exquisiter Wohlgeruch umschmeichelt Callistas Sinne. Dem Essen wendet sie sich zu. Eine schlanke Sklavin. Mit goldenen Locken. Sie stellt eine Auswahl von Gaumenschmaus vor Callista. Unter Thunfisch und Gartenraute sind gefüllte Eier versteckt. Mit Käse und Oliven umrahmt. Seeigel in Olivenöl gebraten und in Fischsauce durchzogen. Glires, gebratene Haselmäuse. Aufgeschlitzt. Mit ihrem Fleisch , Nüssen und nordafrikanischen Fenchel gefüllt. Knusprig gebraten. An Speisen scheint es kein Ende zu nehmen. Callista ist sich unschlüssig. Ob sie von den Zungen kosten soll? Von dem mit Zerebrum des Bos gefüllten Tintenfisch?
    Purpurschnecken lässt sich Callista reichen. Mit einem silbernen Zängchen ergreift sie die Schale. Mit einem silbernen Spieß zieht sie das Fleisch hervor. Lässt es sich degustieren. Verwöhnt ihren Gaumen mit der Sinnesfreude.
    Selektiert. Erkürt. Superbe Köstlichkeiten.


    Eine blasse Schönheit kichert vergnügt. Zart golden sind ihre langen Flechten. Farblos ihre Augenbrauen. Durchscheinend die langen gläsernen Wimpern. Ihre Lippen sind in einem Rosé geschminkt. Inkarnat die Kleider. Ihre Himmel blauen Augen strahlen. Offenbaren ihr Amüsement.
    "Marmilius darf nicht den Percussor spielen. Er gibt sich allweil selber preis."
    Der Angesprochene rümpft die Nase. Illuster ist jene. Springt nach vorne, um einen scharfen Kurvenverlauf zu nehmen. Volle und weiche Lippen. Sinnliche besitzt er unter der Nase.
    "Das stimmt nicht, Fausta. Das ist schnöde von Dir."
    Giftig sieht Marmilius zu der Angesprochenen. Spöttisch ist das Strahlen in den auffallend hellen Augen der Fausta. Die Dame mit der roten Perücke. Dasia ist ihr Name. Sie ergreift eine Nachtigallenzunge.
    "Marmilius. Bleibe bei Deiner Feder. Und Du, Fausta, bei der Maske und Mimik."


    Callista bewundert die schöne Gestalt des Sklaven. Bronze die Haut. Die Augen so schwarz. Ihren Eigenen similär. Behutsam ergreift Callista die Tafel. Glatt ist das Holz. Glänzend poliert in dem Schein des Tageslichtes. Callista öffnet die Tafel. Ihre Lippen wölben sich. Zu einem ergötzten Lächeln. Ihre Wimpern erheben sich. Sie schließt die Tafel. Legt sie zurück auf den Tisch. Die anderen Gäste haben ihre Rollen eruiert.
    Dunklem Honig similär. Dergestalt ist die Stimme des Sklaven zu vernehmen. Marmilius ergreift eilends ein Ei und verspeist es. Alle schließen die Augen. Sollen es. So sind die Regeln.
    "Es ist Nacht geworden. Sanft legt sich die Dunkelheit über die ewige Stadt. Rom. Die honorigen Bürger des Stadt. Sie legen sich zur Ruh'. Morpheus Arme erwarten die züchtigen Menschen der Stadt. Aber nicht alle Sterblichen sind von diesem Naturell. Nein. Auf dem Aventin fängt das wahre Leben erst an. Aus den Löchern der Cloaca. Den herunter gekommenen Insulae strömen die Männer. Deren Handwerk am Tage nicht gerne gesehen wird. Verfolgt vom rächenden Schwerte des Gesetzes. Dem Willen des Kaisers. Doch schreckt es diese Gesellen nicht ab. Ihre Profession blüht im Schatten Lunas auf. Denn sie sind..."
    Alexis verstummt. Der Spannung wegen.
    "...Mörder. Ehrenhafte Römer sind ihr Ziel. Ihre Messer sind gewetzt. Lächzen nach dem Blute der Römer. Wollen sich in wehrlose Leiber bohren. Die Fäden des Lebens zerschneiden. Plutos Hallen noch mehr füllen. Ruchlos begehen sie ihre Verbrechen. Und unter all jenem Gesindel tun sich die Männer des Milo besonders hervor. So erwachet. Ihr Mörder vom Aventin."
    Verschlossen sind Callistas Augen. Entzückt lauscht sie der Stimme des Sklaven. Melodisch dringt sie an ihr Ohr. Gespannt beißt sie auf ihrer Unterlippe herum. Schließlich heben sich die dunklen Wimpern, die von Kohle umrahmt sind.

    In kühles Wasser tunkt Callista ihre Fingerspitzen. Das von Sklaven angereicht wird. Sie trocknet ihre Finger an einem feinen Tuch ab. Alsdann kann sich Callista all der deliziösen Kost widmen. Der Blick, den Hungaricus schweifen lässt. Der entgeht Callista nicht. Beiläufigkeit. Zufälligkeit. Das will er wohl ihrem Gespräch verleihen. Callistas Augen verschmälern sich. Sodann erkennt Callista. Auch ihr kommt das zu Gute. Sie ist gnädig gestimmt über die Unaufmerksamkeit. Alldieweil sieht Callista zu den anderen Gästen. Sie streift Antonia mit ihren Augen. Natürlich kennt sie ihre Cousine noch von früher. Die Jahre haben Antonia verändert. Ein würdevolles Strahlen umgibt sie. Befindet Callista zumindest. Gerüchte sind Callista ans Ohr gedrungen. Dass Antonia geheiratet hat. Einen Flavier? Einen Tiberier? Callista ist nicht definitiv. In dem nämlichen Wissen.
    Hinter einem Becher mit Wein verbirgt Callista das Lächeln. Das von dem Blick der Antonia geweckt wird. Das Nämliche sie Hungaricus schenkt.
    Callista wähnt einen andere Aufmerksamkeit auf sich zu spüren. Als sie danach sucht unterhalten sich die beiden Flavier und Antonia bereits angeregt. Callista sieht nicht lange zu den drei Patriziern. Es könnten sonst noch unanständige Gedanken aufkeimen. Bei dergleichen schönen Menschen.
    Nachdenklich betrachtet Callista die zwei jungen Schönheiten der Aurelier. Haben sie eben nicht noch um die Aufmerksamkeit des Flaviers gebuhlt? Jetzt scheinen sie in extenso die verschüchterten jungen Frauen zu mimen. Eventualiter geben sie sich noch einen Anstoß. Schließlich lohnt es sich bei dem Flavier. Callista wendet sich von ihrem wohlgestalteten Antlitz ab. Das Callista ebenso als sehr ansprechend empfindet.
    Desgleichen scheint Callistas Gesprächspartner die Inspektion der Gäste abgeschlossen zu haben. Silbern glitzert der Pokal in ihren Händen. Als sie ihn eine Nuance anhebt.
    "Auf einen berückenden und beflügelnden Abend, Vinicius Hungaricus."
    Anziehend findet Callista die Gesichtszüge des Hungaricus. Schwer fällt es ihr. Die Augen von ihm abzuwenden. Sie beneidet indes den Wein, der die Lippen von Hungaricus kosten darf.
    Wie sie wohl schmecken?
    Ambrosisch, Callista. Es kann nicht anders sein.
    Traun.


    Ihre eigenen Lippen bekommen davon nichts zu kosten. Sie müssen sich mit einem Hühnerei begnügen. Mit Fischeiern ist das Ovum gefüllt und getränkt in der gelben Fischsoße. Langsam kaut Callista die Vorspeise und genießt es.
    Nochmalig ein Kompliment an Callista. Einer welken Blume ist sie similär. Wenn sie nicht genug Galanterie erhält. Die Flatterie tut Callista gut. Ihrem Narzissmus. Vergnügt blitzen Callistas Augen. Das Lächeln ist vollmundiger. Callista blüht auf. Einer roten Rose ähnlich.
    "Deine Worte offerieren mir deutlich. Ich darf die Gesellschaft eines exzeptionellen Mannes genießen."
    Gewinnend. Berückend. Verführerisch. All das möchte Callista ebenso erwähnen. Aber noch ist es nicht so weit. Das Spiel noch am Anfang. Aber ihre schwarzen Augen offenbaren ein Quäntchen von ihren Gedanken. Ein goldener Löffel wandert in Callistas Hand. Funkelnde Steine verzieren den Griff. Kunstvolle Ornamente den Stiel. Glitzernd erscheint er in dem Licht der Öllampe. Callista ergreift ein zweites Ei. Es ist ein kleines Taubenei. Mit einer Olivenpaste gefüllt. Die Speise zergeht in Callistas Mund. Der Gold glitzernde Löffel jedoch. Der wandert ganz woanders hin. Nämlich in die bauschigen Falten ihres Kleides. Einer diebischen Elster similär bemächtigt sich Callista des Löffels. Ein unwiderstehlicher Goldglanz ist jener Löffel. Callista kann nicht an sich halten. Ohne es zu bemerkten steckt sie den Löffel ein.
    Ihre Sklavin indes bemerkt es. Dezent fasst sie in die Falten des Kleides. Benohé zieht den Löffel hervor. Legt ihn zurück auf den Tisch.


    "Ich stelle mir das so aufregend vor. Verbrecher zu jagen. Mörder zu überführen."
    Callista strahlt. Abenteuer liebt sie. Sie sucht danach. Lechzt nach Aufregung und Gefahr. Ihrem Bruder gleicht sie darin
    "Sklaven waren schon meine gewählte Beute. Aber Verbrecher. Das ist doch eindeutig etwas anderes. Sind sie nicht oft gewitzter und verschlagener? Sklaven sind nur wie Vieh, das man zusammen treiben muss."
    Das stimmt nicht so ganz. Callista entsinnt sich an sehr hartnäckige Entflohene.
    "Es sei denn, es sind Meroer. Die Sklaven."
    Callista lächelt vergnügt. Sie sollte dem Vergnügen mal wieder nachgehen. Aber ohne ihren Bruder ist das sicherlich nur halb so kurzweilig. Blass und langweilig womöglich.
    "Jagst Du gerne, Vinicius Hungaricus?"
    Ein stattlicher Römer. Verwegen. So scheint er Callista. Gut gebaut. Sicherlich frönt er dieser Freizeitbeschäftigung. Wenn man als Praefectus Urbi noch Mußestunden besitzt. Nicht ohne Doppeldeutigkeit ist ihre Frage hinwieder. Ihre Augen funkeln panurgisch.

    Säkular und profan ist das. Den Wasseranschluss kontrollieren und das Geld dafür in Empfang nehmen. Callista ist durchaus klar, dass solche Dinge im Leben vorkommen. Das Leben und der Komfort müssen geregelt sein. Selten muss sich Callista hinwieder damit auseinander setzen. Allzeit stürzt es Callista in eine Malaise. Auch Callista weiß nicht, wo der Wasseranschluss ist. Similär ihrem Sohn beißt sie sich auf die Unterlippe.
    "Den Wasseranschluss inspizieren?"
    Callista sieht zu Benohé.
    "Weißt Du, wo sich dieser befindet?"
    Benohé nickt. Callista lächelt erleichtert. Unverzagt kann sie sich Ennius Cerealis zu wenden.
    "Salve. Mein Name ist Claudia Callista. Ich bin die Cousine des Hausherrn."
    Die formelle Begrüßung holt Callista nach. Unschlüssig ist sie indes. Über das Prozedere.
    "Möchtest Du Dir zuerst den Wasseranschluss ansehen? Oder das Geld entgegen nehmen?"
    Nicht gänzlich weldfremd ist Callista. Aber in dieser Hinsicht unbedarft. In Alexandria geht das alles anders von statten. In Rom hat Callista nicht länger als einige Wochen verbracht. Zudem kümmert sich sonst ein Hausverwalter darum. Glaubt Callista zumindest.