Beiträge von Claudia Callista

    Eine golden silberne bemalte Kugel rollt über den Marmorboden. Das Geräusch ist zuallererst leise. Eine unbedeutende Irritation in der Kulisse aller Töne. Dem Plätschern von Wasser. Den Schritten der Sklaven in der Fern. Dem Zwitschern von Vögeln. Dem Gurren von Tauben auf dem Dach. Die Kugel erreicht das Atrium und rollte am Wasserbecken vorbei. Stetsfort auf den netten Mann vom Kundendienst zu. Die Kugel prallt gegen sein Schuhwerk. Und bleibt liegen. Ruhig und unschuldig.


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    Kinderleichte Schritte nähern sich dem Atrium. Am Gang bleiben sie stehen. Nero blinzelt neben einer Wand ins Atrium hervor. Versteckt sich im Schatten und betrachtet die beiden Besucher mit Argusaugen. Seine Murmel glänzt leuchtend vor den Füßen. Er will sie zurück haben. Das ist ein Geschenk seines Onkels und er liebt die Murmeln über alles. Sie entstammen wohl einem Grab oder einer versunkenen Stadt. Nero weiß es nicht mehr so genau. Der Junge presst die Lippen zusammen. Zu einem schmalen Strich in seinem Gesicht. Versucht die beiden Besucher einzuschätzen. Nein. Sklaven sind sie nicht. Nero rafft seine kleine Gestalt und stolziert in das Atrium hinein. Seine Finger spielen an der blauen Tunika, die er trägt. Ein goldfarbener Gürtel hält sie gerafft. Vor dem Mann vom Kundendienst bleibt Nero stehen. Er legt seinen Kopf in den Nacken. Um den Mann betrachten zu können. Ernst und stumm sieht Nero ihn an. Schließlich und endlich bricht Nero das Schweigen.
    "Ihr wohnt nicht in der Villa."
    Eine eindeutige und offensichtliche Feststellung. Nero weiß das. Aber er weiß auch. Fragen werden eher beantwortet, wenn man selber Informationen gibt.
    "Ich wohne in der Villa."
    Nero mit seinen gerade sechs Jahren ist vom Wuchs kleiner als seines Altersgenossen. Zierlicher. Darum meidet er auch den anderen Jungen in der Villa. Fürchtet von ihm verprügelt zu werden.
    "Darf ich meine Murmel haben?"
    Nero fragt sich. Sind das vielleicht Medici? Der Eine könnte der Medicus sein. Und der Andere sein Gehilfe. Nero hasst alle Medici. Sie piksen ihn. Schröpfen ihn. Geben ihm widerliche Dinge. Und verbieten ihm die leckeren Sachen. Süßes darf er nicht essen. Aber er stiehlt es sich heimlich aus der Küche. Ein Daumen gelangt in seinen Mund. Versunken nuckelt er daran. Selbstvergessen. Denn seine Mutter straft ihn deswegen. Er ist viel zu alt dafür.




    Erwartungsvoll betritt Callista mit all den anderen Frauen den Raum. Schön ist es auch hier her gerichtet. Suchend sieht sie sich um. Die erste Reihe gibt es nicht. Aber Plätze weiter an der Bühne. Ein Deuten mit ihrem Kinn. Benohé strebt auf eine der gemütlichen Plätze zu und setzt vorsichtig das Mädchen auf diesem ab. Callista tritt an einen der freien Sitzgelegenheiten. Schmiegsam nimmt sie neben Sisenna Platz. Und zur rechten Zeit. Schon beginnt das Stück.
    Der Vorhang wird zur Seite geschoben. Ein Räuspern und ein Hände klatschen zieht Callistas Aufmerksamkeit nach vorne.
    Cena pro uno? Davon habe ich noch nie gehört.
    Ein neues Stück, Callista.
    Elysisch. Endlich keine verstaubte Tragödie.
    Das Interesse ist geweckt. Ein Schmunzeln schon bei dem Titel.
    "Ein kontemporäres Stück? Von wem das wohl sein mag?"
    Gerichtet sind die Worte an die Frauen. Die noch im Tablinum in der trauten Runde standen. Jedennoch öffnen sich die Vorhänge. Callista wird still. Ihre dunklen Augen richten sich ganz auf die Bühne.
    Ein dunkelhäutiger Hausherr? Wie extravagant.
    Callistas Augen blitzen vergnügt. Das scheint wirklich eine Neuschöpfung zu sein. Gespannt verfolgt sie die Szene. Assoziationen weiß das Stück nicht zu wecken. Bis zu einem gewissen Punkt. Verblüfft betrachtet Callista die Gestalt des Claudus. Sie lehnt sich in den Kissen zurück und denkt nach. Das Stück nimmt indes seinen weiteren Lauf. Ihr Mund öffnet sich andeutungsweise. Sie betrachtet Ofella. Dann die Gestalt des Gastes.
    Ist das?
    Nein, Callista. Unmöglich.
    Beruhigt ist Callista hinwieder nicht. Schon ist die erste Szene vorbei. Wachsam späht Callista zu Ofella. Kann sie jedoch im Dunkeln kaum erkennen.


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    Benohé hat sich schon vor dem Beginn des Stückes neben Sisenna auf den Boden gekniet. Ein sanftmütiges Lächeln spielt auf den Lippen der Sklavin. Schwer war die kleine Sisenna für Benohé nicht gewesen. Ein zartes Mädchen ist die kleine Aurelierin. Aber Benohé ist stärker als ihre Herrin. Und größer.
    "Möchtest Du etwas Saft haben, Herrin? Und Trauben?"
    An Sisenna richtet Benohé die Frage. Callistas Bedürfnisse kann Benohé erahnen. Kennt sie doch ihre eigene Herrin sehr gut. Doch das kleine Mädchen ist für Benohé noch ein Rätsel. Still. Ernsthaft. Sie wirkt verschlossen auf Benohé. Zu früh der Leichtigkeit der Kinderzeit entrissen. Ein kleiner Erwachsener scheint auf dem Platz zu sitzen. Ein reizendes Wesen, was noch reifen muss. Aber schon zu viel vom Leben gesehen hat. Was für Kinderaugen nicht gut ist. Benohé erging es ähnlich in ihrer Kindeszeit. Aber sie hat niemals den Schutz einer noblen Familie genossen. Als Kind.
    Demütig ist ihre Haltung. Auch dem Kind gegenüber. Die Befehle ihrer Herrin sind eindeutig. Und so ist Sisenna für den Abend ihre Herrin. Das Theaterstück verfolgt Benohé nicht. Die Wünsche ihrer Herrinnen sind wichtiger.


    Von einem der vorbei rauschenden Sklaven lässt sich Callista einen Pokal mit Wein reichen. Behutsam nimmt sie einen Schluck.
    "Ein."
    Callista zögert und sucht nach dem richtigen Wort.
    "Ungewöhnliches Stück."
    Und doch. Es gefällt Callista. Es hat genau den Unterton, der bei ihr Zuspruch findet. So ist sie auf den weiteren Verlauf sehr gespannt. Und lange warten muss Callista nicht. Schon zu Anfang entschlüpft Callista ein vergnügtes Kichern. Unanständig und zweideutig. Ja. Das konverniert Callista. Es dauert nicht lange. Erneut kichert Callista erheitert. Lacht sogar schließlich. Das Grausen so manch eines anderen Gastes entgeht Callista. Gebannt ist sie von der Aufführung. Die ihr so viel Heiterkeit beschert. Ihr Glucksen und Lachen will nicht enden.
    Ob die anderen Figuren?
    Möglich. Allfällig, Callista.
    Nur wen könnten sie darstellen?
    Grübelnd beißt sich Callista auf ihre volle Unterlippe. Die zweite Szene ist zu Ende. Callistas Augen leuchten als sie sich zu den Frauen umsieht.
    "Exzeptionell. Findet ihr nicht auch?“"

    Die Resonanz entgeht Callista nicht. Ein Lächeln. Es wird erwidert. Frohgemut stimmt das Callista. Ihr Interesse wird sie indes wohl später verfolgen müssen. Denn der stattliche Fremde wird bereits von einem vermutlich Bekannten angesprochen. Es bringt sie hinwieder nicht in die Verlegenheit. Tugendhafte Verschämtheit vor zu gaukeln. Callista kann weinen, wenn sie es will. Schimmrige Tränen perlen dann über ihre Wangen. Auch in Ohnmacht kann sie fallen. Wenn sie es bedarf. Aber Röte auf die Wangen bringen. Nein. Das vermag sie nicht. Obwohl sie schon Wochen daran geübt hat. Es wäre auch nutzbringend.


    Erneut fallen Callista die artigen Manieren der jungen Sisenna auf. Dieses stille und liebliche Lächeln. Callista hätte das kleine Mädchen sofort mit nach Hause genommen. Die Frage vergnügt Callista ebenso.
    "Mit dem ersten Kaiser sind wir Claudier verwandt. Ebenso mit vielen späteren Kaisern, kleine Sonnenmaus. Somit fließt in den Adern meines Sohnes durchaus kaiserliches Blut. Aber der Kaisersohn ist ein Anderer. Er ist schon ein erwachsener Mann. Weit in der Fremde lebt jener Mann."
    Gerne würde Callista ihren Sohn als Kaisersohn sehen. Aber die glorreichen Zeiten der Claudier scheinen verblasst zu sein. Der Glanz leuchtet nicht mehr durch das römische Imperium. Indes hält Callista daran fest. Die Resonanz schwingt in jedem Claudier mit. Und eines Tages wird sich das Schicksalsblatt wenden.
    Dann könnte das Undenkbare möglich zu sein. Ihr innigster Wunsch kann erfüllt werden. Den sie schon als Kind gehegt hat. Aber der für sie noch verboten ist.


    "Dann eilen wir besser, mein hübsches Sternenlicht. Damit wir noch Plätze der ersten Reihe erringen können."
    Zögernd sieht Callista auf die ausgestreckten Arme. Callista hätte sie gerne hoch gehoben. Aber sie weiß. Callista ist nicht stark genug. Das Mädchen wäre wohl zu schwer für sie. Wenn sie auch recht zierlich auf Callista wirkt. Aber ihren eigenen Sohn kann Callista schon seit einem Jahr nicht lange halten.
    "O Süße. Gerne würde ich Dich tragen. Aber ich kann Dich leider nicht hoch heben."
    Hilfe suchend sieht sich Callista um. Kordial ist das Lächeln. Was sie Plotina schenkt. Länger betrachtet Callista die fremde Frau. Eine Amme scheint sie doch nicht zu sein. Dafür sind ihre Kleider zu vornehm. Zu schön. Der Ausdruck auf dem Gesicht zu wach und geistreich. Die Mutter gar? Callista hofft keine tödliche Beleidigung ausgesprochen zu haben. Aber ein Ähnlichkeit zu dem Mädchen kann sie in den Gesichtszügen der Frau nicht erkennen. Aber ein weiteres Mal möchte Callista die Fremde nicht herumkommandieren. Sollte sie nicht. Möchten womöglich doch.


    "Meine Benohé?"
    Still und mit einem wundermilden Ausdruck auf dem Antlitz tritt die dunkelhäutige Sklavin hinzu. Sie beugt sich hinab und hebt die hübsche Sisenna in die Höhe. Callista deutet auf ihre Sklavin.
    "Das ist Benohé, meine Sklavin. Was Du auch wünschst, meine Süße. Sie wird es Dir heute Abend erfüllen."


    Ofella schien verschwunden zu sein. Aber nein. Da ist sie schon wieder. Callista deutet ihre Zustimmung an.
    "Mir dünkt, es findet in dem Tablinum statt, liebste Ofella. Begeben wir uns doch dorthin."
    Gewänderrauschen. Das Theater wartet nicht und so macht sich Callista auf den Weg zu der Vorstellung. Darauf vertrauend, dass alle mitkommen würden.

    Schönheit und Tapferkeit zeichnen Heroen aus. Aber auch das Schicksal eines frühen Todes. Nireus. Hektor. Achilleus. Liegt ihre wahre Unsterblichkeit gerade in diesem Tod? Voll der Schönheit aus dem Leben gerissen. Keiner kennt einen alternden Achilleus. Unbedeutend. Schwach. Zu keiner Heldentat mehr fähig. Welk und vergangen. In der großen Geschichte und dem Fluss der Zeit. Nur einem Helden war ein anderes Schicksal vergönnt.
    "Die Zuversicht hege ich auch. Ist es das Schicksal, was uns bestimmt. So sollst Du mehr mein Herakles sein."
    Callista wäre dann gerne Hebe. Ewig währende Jugend und Schönheit. Ihre Gaben. Ihr Segen. Selig seufzt sie. Als Aquilius sie einer leichten Feder gleichend in die Höhe hebt. Die gestählte Schulter erspürt Callista unter ihren Fingerspitzen. Selber suchen sich ihre Finger einen Weg. Streichen am Rande der Tunika entlang. Weich fühlt sie den Haaransatz von Aquilius unter ihren Fingerkuppen.


    Andächtig verfolgt Callista die Bewegungen seiner verheißungsvollen Lippen. Melodisch ist der Klang der poetischen Verse. Wenn Aquilius sie ausspricht. Es entzückt Callista.
    Schmachtend sieht sie zu ihm hinauf.
    Ergötzt ist Callista. Von dem Vergleich mit der thebanischen Gattin. Der Tugendhaften. Der sittsamen Frau des Hektor. Treue und Keuschheit scheinen sie auszuzeichnen. Empfiehlt Ovidius zudem nicht das erotische Abenteuer außerhalb der Ehe zu suchen?
    Callista verschwendet keinen Gedanken daran. Andere Assoziationen kommen ihr in den Sinn. Bekannt ist ihr die Belehrung der Dione. Es regt sie an. Erhitzt Callista.
    "Tausend Arten gib es, der Venus zu dienen."
    Die Göttin im Rücken verspürt Callista. So ist es richtig. Ihr Atem geht schneller. Die Wallung pulsiert in Callista.
    Herb und männlich, wild und sinnenfroh erspürt sie die Lippen von Aquilius. Einladend öffnet sich ihr Mund. Schöpft das gustiöse Arom auf ihrer Zunge. Den von Aquilius.
    Die majestätischen Berge der Ostwüste.
    Der würzige Wind am Ufer des Nils.
    Der exotische Hauch der nordischen Wälder.
    Bilder vermischen sich in dem Kuss vor Callistas Augen. Sie erschmeckt dies an Aquilius. Webt Phantasiegespinnste.


    Der Garten wandelt sich in einen Tempel. Die Sterne sind die Kuppel. Die nächtlich umhüllten Bäume die Säulen des Tempels. Über allem thront Venus. Callista sieht das huldvolle Lächeln. Auf den Lippen der Göttin. Ein Opfer ist ihre Handlung. Ein Gebet ihr Unterfangen. Willig vereinigt sich Callista in dem heißblütigem Kuss. Ihr schlanker Körper. Einer Gerte gleichend. Ihr Leib schmiegt sich verzückt an Aquilius heran. Callistas Schenkel umfangen Aquilius Hüfte. Der Stoff ihres Kleides rutscht nach oben. Grasflecken zeichnen die bloßen Fußsohlen der Callista. Schimmernd und in einem hellen Bronze erscheinen ihre schlanken Waden. Bis anhin verfängt sich Callista in dem glutvollen Kuss mit Aquilius. Erst die Not zu atmen. Die Nämliche entreißt ihre Lippen denen von Aquilius. Glänzend schimmert es auf Callistas Lippen. Begehrlich in den dunklen Augen von Callista.
    Die Zweige der Bäume bewegen sich im nächtigen Wind. Sie spielen miteinander. Reigen. Tanzen. Ihre knorrigen Stämme verwandeln sich. In Gestalten schöner Frauen und Männer. Goldene Augen. Göttliche Gestalten. Walzend umspielen die schönen Wesen die beiden Menschen. Aquilius. Und Callista. Es ist als ob sie Callista anstacheln. Anstiften zu dem nächtlichen Abenteuer.
    Kann eine Sterbliche den göttlichen Wesen widersprechen?
    Nein. Ein Frevel wäre das, Callista.
    Callista bedarf es hinwieder keine Ausflüchte. Hat sie noch nie benötigt. Der lästigen Kleider will sich Callista entledigen. Den Göttern. Venus. Ihr huldigen. Sie verehren. Und im Spiel der sinnlichen Liebe sich ergeben. Allerdings trägt auch Aquilius noch zu viel sekkanten Stoff.
    "Eine Schickung ist dies. Eine Asebie sie auszuschlagen."


    Atemlos. Fieberhaft. Callista möchte die Tunika von dem Körper Aquilius gestreift sehen. Ihre Finger suchen danach. Kein züchtiges Unschuldslamm ist Callista. Sich selber entkleidet indes nur andere Männer oder ihre Sklavin. Ebenso schälten sich die Männer stets selber aus den Kleidern. Ein Gürtel wurde geöffnet. Eine Siegesetappe erreicht. Metall verziertes Leder berührt die Grashalme. Legt sich zu den Füßen von Aquilius.
    Sklaven. Bewohner jenes ominösen Hauses. Alles ist unerheblich. Eine andere Welt scheinen sie betreten zu haben. Die Sphären zwischen der der Götter und der Sterblichen. Unerreichbar. Fern. Entrückt.
    Getrieben. Callista zieht an einem dubiosen Band. Es ist das Richtige. Die Stola gleitet hinab. Nass klatscht sie auf den Boden. Ein hauchdünnes Untergewand umschmiegt ihren knabenhaften Leib.
    Ihre Lippen suchen noch einmal nach einem ungestümen Kuss.

    Die grünen Kulleraugen. Das schmale Gesichtchen. Die reizende Gewandung. Callista ist hingerissen von dem jungen Mädchen. Ingleichen von ihrem würdevoll kindlichen Benimm. Ein Funke Wehmut steigt in Callista auf.
    Sehr hat sie sich damals ein kleines Mädchen gewünscht. Einen kleinen Juwel. Das sie verhätscheln und vertätscheln kann. Schmücken und prachtvoll kleiden. Zudem liegt natürlich Hoffnung darin. Von einem weiblichen Wesen bedingungslos geliebt zu werden. Von ihrer möglichen Tochter.
    "Zweifellos, Süße."
    Dergestalt definitiv ist Callista nicht. Aber sie nimmt an, dass das junge Mädchen ihre Wünsche in einigen Tagen vergessen hat. Eventual erhören die Götter dieses drollige Mädchen dennoch. Je nach Naturell des Ersuchens.
    "Die Götter, meine Süße, vermögen jedes Flüstern zu erhören."
    Erst jetzt erkennt Callista. Ihre eigene Wortwahl hat das junge Ding wohl verwirrt. Callista lächelt huldvoll.
    "Nicht laut solltest Du sprechen. Sondern mit lauterem Gedanken. Lauter besitzt noch eine andere Bedeutung. Unverfälscht. Rein und ehrlich. Ohne einen Hintergedanken. Sorge Dich nicht. Du hast für die Götter richtig gesprochen, Liebes."
    Mit einer Hand spielt Callista an dem goldenen Armreifen an ihrem schmalen Handgelenk.
    "Sisenna, welch lieblicher Name. Passend für eine schöne junge Dame wie Dich. Es erfreut mich sehr, Deine Bekanntschaft zu machen, Sisenna."
    Womit leider noch nicht Callistas Frage geklärt ist. Wem gehört wohl dieses junge Mädchen? Einer der Gäste eventual.
    "Mein Name ist Claudia Callista."


    Welch vornehme Konduite. Welch liebreizende Gebarung.
    Vielleicht harmonieren Nero und Sisenna, Callista.
    Traun.
    "Ich würde mich sehr freuen, Sisenna. Wenn Du einmal in die Villa Claudia zu Besuch kommst. Ich habe auch einen Sohn. Er muss im selben Alter wie Du sein. Er würde Dich bestimmt gerne kennen lernen."
    Ihr Sohn ist zu sehr solitär. Er braucht mehr die Gesellschaft von Kindern. Kindern mit einem derart lieblichen Wesen wie Sisenna.
    Callista wird einer anderen Person gewahr. Sergia Plotina. Erwartungsvoll scheint die Frau zu sein. Callista entgeht indes das Malheur von Sisenna.
    "Bist Du ihre Amme?"
    Unverblümt ist die Frage an Plotina gerichtet. Apodiktisch. Nicht kühl hinwieder.


    Ein Fanfarenstoss verhindert jedes weitere Wort von Callista. Sie sucht nach der Quelle. Einige der Gäste nimmt sie wahr. Erneut Aquilius. Hat er ihr nicht vorhin eine Geste des Erkennens offeriert? Callista ist zu entzückt bei religiösen Angelegenheiten. Aber womöglich ist das auch besser so. Zudem scheint er um Gesellschaft nicht verlegen zu sein. Es wundert Callista nicht. Schön wie er ist.
    Länger indes verweilt sie mit ihren Augen auf einem anderen Mann. Stattlich. Großgewachsen. Von sehr ansprechendem Körperbau. Muskulös. Selbst unter der Toga. Das meint Callista zu erkennen. Das markante Gesicht sticht ihr sofort ins Auge. Ein Mann in den besten Jahren augenscheinlich. Callista betrachtet Vinicius Hungaricus mit Wohlgefallen.
    Perikulös ist das Glühen in ihren Augen. Das Nämliche in dem Augenblick aufglimmt.
    Dann die Worte des Sklaven. Callista dreht sich zu diesem um. Erfreut ist Callista von der Ankündigung.
    "Das Theaterstück. Vorzüglich."
    Strahlend sieht Callista zu den drei Frauen. Von blutjungem Alter bis zu dem einer Matrone. Von Sisenna über die junge Plotina zu der reifen Ofella.
    "Lasst uns das Amüsement suchen. Folgen wir dem Sklaven?"

    Eigen traumverloren steht Callista zwischen all den Menschen. Gespräche und Gelächter. All die Nämlichen wogen um sie herum. Ein Mosaikmuster schlängelt sich zu ihren Füßen. Lauter und ungetrübt ist der Glanz der Steine. Die Farben.
    Apfelblüte? Was für eine vulgäre Pflanze.
    Sie scheint nicht sehr redegewandt zu sein, Callista.
    Traun. Aber sie muss andere Tugenden haben.
    Menecrates fällt Callista auf. Und die junge Frau neben ihr. Das ist also die neue Tochter ihres Vetters. Callista sucht danach den erwähnten Schein zu durchdringen. Wo war das Signum? Das Symptom für die Diskrepanz? Callista spürt dem nach. Und findet nichts. Doch die Frau ist unvertraut für Callista.
    "Ich sehe kein Fünkchen davon."
    Unzusammenhängend sind die Gespräche mit Callista manchmal. Zu jenem Zeitpunkt auch.
    "Allfällig ist es der Schein. Der trügt. Der Schein um das wahre Gefühl. Das Glück. Die Freude. Ist es nicht der Neid der Götter? Den wir Sterblichen fürchten sollen. Wenn sie unsere Beseligung erfahren. Dann rauben sie es uns. Ganz schnell."
    Spekulativ und akademisch sind diese Worte. Callista ist die Letzte, die ihre Wonne verbergen würde.
    "Ein Theaterstück? Exzeptionell. Ein humoristisches Spiel wäre famos."
    Callista lacht gerne. Oft und viel. Wenn ein Stück ihr das bieten kann. Dann ist sie selig.
    Entzückt klatscht Callista in die Hände.
    "Superb. Ein formidabler Einfall, liebe Ofella. Unbedingt musst Du mich in Alexandria besuchen. Ich werde Dir alles zeigen. Die Sphinx. Die Pyramiden südlich des Nils. Die Krokodile. Und wir fahren dann auf meinem Schiff."
    Sollte es noch dort sein, Callista. Diese Geier werden es sich geholt haben.
    Hoffentlich nicht.
    Zuversichtlich. Strahlend. So ist Callista. Keine Spur von Entsetzen zeigt sich bei der jungen Frau.
    "Die Märkte von Alexandria. Die darfst Du nicht verpassen. Die schönsten Stoffe findest Du dort. Die edelsten Geschmeide."
    Träumerisch ist der Glanz in Callistas Augen.


    Gedanken scheinen den Köpfen zu entschweben. Sich einen Weg zu suchen und wie leuchtende Farbbänder zu ihnen zu deuten. Einem Wegweiser gleichend. Menecrates und seine neue Tochter nähern sich ihr und Ofella. Angelockt von ihrem Gespräch?
    Bis anhin ist Menecrates ein großer und stattlicher Mann. Wenn er auch in Callistas Erinnerung noch deutlich größer ist. Die Nämliche stammt natürlich aus ihrer Kinderzeit. Callista war schon als Kind klein und zierlich gewesen.
    "Salve Menecrates. Es stimmt mich ingleichen froh. Ich sehe die Familie leider zu selten. Und ich erfahre zu wenig von der Verwandtschaft. Von Deiner neuen Tochter. Deinem kleinen Sohn. In diesen Tagen sehe ich sie auch zum ersten Mal. Und es freut mich sehr."
    Die Unvertrautheit mit dem jüngeren Anteil der Familie. Es ist die Verantwortung ihres Vaters. Ob Menecrates davon weiß? Warum ihr Vater sie nach Ägypten geschickt hat? Zu diesem alten Senator?
    Bitte nicht.
    Denn es kann Menecrates sein. Den sie noch um Beistand bitten muss. Wenn ihr Vater dies verwehrt. Eine Bangigkeit steht in Callistas Gesicht geschrieben. Doch Menecrates wendet sich bereits seinem Eheweib zu. Die subtilen Anspielungen. Der kleine Ehekrieg. Callista entgeht er vollauf.
    Deandra wird gesichtet. Die neue Tochter.
    Schön ist sie. Und größer als ich.
    Aber keine wirkliche Claudia, Callista.
    Traun. Aber anmutig wie eine Claudia.
    Womöglich versucht es Callista doch mit der Rosskur eines alexandrinischen Medicus. Sie hat die Hoffnung eigentlich aufgegeben. Sieht keinen Silberstreifen mehr am Horizont. Für ihre kleine Größe. Einmal es noch versuchen?
    "Salve Deandra. Viel wurde mir von Dir berichtet. Aber es sind alles leere Phrasen. Eine schöne Helena haben sie niemals erwähnt."
    Schon eilt die junge Frau davon.
    Ihre Manieren sind nicht die Besten. Kein Gruß?
    Der Schein? Der trügt? Oder sie hat es eilig, Callista.
    Trotzdem.
    Callista wendet sich in Gedanken der nächsten Sache zu. Familienangelegenheiten werden nicht auf Festen durchdacht. Zumal Callistas Gedanken ein Feld aus flüchtigen Wolken ist. Ein Nebel über ihrem Geist. Der sich langsam lichtet und sie zu dem Fest zurück holt.
    Callista erspürt einen Blick. Sie sucht danach. Entdeckt ihn von Corvinus. Zwinkert er ihr zu? Mitten auf einem Fest? Überrascht ist Callista. Ein Lächeln gibt sie zurück. Dann wendet sich der Magistrat schon anderen Gästen zu.


    Alsbald tapste ein junges Mädchen hinein. Nein. Eine junge Dame im Kindesalter. Enthusiasmiert verfolgt Calllista die Opferung des jungen Mädchen. Der Wein schwappt über den Rand. Die feine Stimme des Mädchen vernimmt Callista.
    "Drollig. Goldig. Wonnig. Was für ein herziges Mädchen. Wem sie wohl gehört?"
    Callista sieht in Kindern nicht viel mehr als Spielzeug. Kleine Püppchen. Mit denen man sich als erwachsene Frau abgeben darf. Auch ihr eigener Sohn muss darunter leiden.
    Callista lächelt zu dem jungen Mädchen. Sie steht auch in ihrer Nähe.
    "Aber nein, Süße. Nicht nur das Opfer selber zählt. Oder die Perfektion des Nämlichen. Die Götter sehen in das Herz eines Menschen und erkennen die Absicht. Ist das Opfer ehrlich. Dein Gedanke lauter. Dann werden sie Dich erhören."
    Haben sie deshalb meine Wünsche nie erfüllt?
    Womöglich, Callista.

    Fluten aus tosenden Wogen vermischen sich mit dem Funkeln vieler Lichter. Unentwegt rauschen sie um Callista herum. Kleine Nachen tummeln sich in dem blutroten Gewässer. Sirenen säuseln ihr todbringendes Lied. Mit jedem Ruderschlag nähert sich Callista dem schönen Gesang. Odysseus gleichend kann sie dem Nämlichen nicht widerstehen. Ihre schwarzen Augen glimmen voller Verlangen. Sehnen. Ziehen. Verlangen.
    "Drei Boote auf dem Tiber."
    Ein seltsam entrückter Wortfetzen dringt bis zu Callista auf dem mächtigen goldenen Schiff.
    "Oliven."
    Callista seufzt entzückt.
    "...noch nie hat mir jemand derart zugehört, holde Callista."
    Die Wellen aus tiefem Rot verschwinden. Es werden profane Stoffbahnen. Das liebliche Schaukeln. Weg. Ebenso der wundervolle Gesang der Sirenen. Konsterniert sieht Callista zu ihrem Gesprächspartner. Übertrieben ist das. Der junge Mann bestreitet die Rolle ganz alleine. Und das mit einem großen Eifer. Callista hat keinem Wort zugehört. Seitdem er von seinen Geschäften spricht
    Fadheit und Stumpfsinn. Das kann Callista beinahe weniger ertragen als die Ungestalt.
    "Ich habe noch nie eine Frau getroffen wie Dich, Callista. Die meisten Römerinnen interessieren sich nicht für die Olivenpreise. Und all die Widrigkeiten. Die man bei dem Transport und dem Verkauf erdulden muss. Aber dieses Entzücken in Deinem Gesicht. Sag, Teuerste. Bist Du schon verheiratet?"
    Schweigen. Das Entsetzen dringt bis in Callistas schwarze Augen. Gefällig ist der junge Mann. Aber leer und hohl. Im Höchstfall angefüllt mit seinen Obliegenheiten. Schon wenige Minuten seines Geredes haben sie in eine andere Welt versetzt. Länger kann sie es mit diesem Mann nicht ertragen.
    Eine Rettung muss her. Oder ich kratze ihm die Augen aus.
    Nicht auf einem Fest, Callista.
    Leider. Er hat es verdient. So eine bodenlose Unverschämtheit.


    Die Errettung naht. In Gestalt einer rothaarigen Patrizierin. Das Bild verschwimmt vor Callista. Grün umfließen Smaragd farbene Fluten die rothaarige Frau. Eine Sirene? Überrascht sieht Callista ihr entgegen. Seit wann kommen die Sirenen zu Odysseus? Ein Becher wandert in Callistas Hand. Sie trinkt davon. Benohé wird ihr diesen gegeben haben. Doch Callista sieht sie nicht. Überhaupt. Sie ist recht zerstreut.
    "Oh."
    Ein Hauchen. Der Name? Callista beißt sich auf die Unterlippe und erstrahlt.
    "Ofella. Wie schön Dich zu sehen. Hinreißend siehst Du aus. Eine Nymphe ist aus dem Wasser gestiegen. Zu diesem Fest. Traun. Er ist mein Vater."
    Sie hat viel von mir vernommen? O je.
    Eventual auch Gutes, Callista.
    Von meinem Vater? Eher nicht.
    Der Trank brennt auf Callistas Zunge. Pelzig fühlt die Nämliche an. Immer noch glänzt die Claudierin vor Callista. Die Fluten ziehen sich träge zurück.
    Sehr viel Schminke für eine Nymphe.
    Das Fest, Callista. Auch eine Nymphe richtet sich her.
    Ungelogen?
    Callistas Sinne gaukeln ihr Widersprüchliches vor. Eine Stimme zieht ihren Blick von Ofella.
    "Ist er nicht schön?"
    Auf Corvinus ruht Callistas Augenmerk.
    "Er ist mit Deandra verlobt? Bestimmt ist sie glücklich."
    Benohé hat all jenes Callista vermeldet. Callista kann mit dem Namen Deandra nicht viel anfangen. Aber Ofella hat Callista auch erst vor wenigen Tagen das erste Mal erblickt.
    "Parenthetisch. Wo ist Dein Gatte?"
    An Menecrates entsinnt sich Callista dunkel. Es ist schon viele Jahre her. Ein großer und ernsthafter Mann war er. Er hat die kleine Callista sehr beeindruckt. Wenn ihre Lebensfäden sich trafen.


    Die halbe Rede lang flüstert Callista ihre Fragen an Ofella. Bei dem Opfer verstummt sie indes. Kontemplation und Ästimation ergreifen Callista. Schön wie er die Worte spricht. Der Flavier fällt Callista ein. Ein Priester des Mars. Gemeinsam könnten die beiden Männer ein vortreffliches Opfer darbringen. Callistas Geist sucht sich erneut einen Weg in das Land der Phantasie. Ofella verhindert ein Entschweben.
    "Von Herzen gern, Ofella."
    Callistas Hände sind leer. Was soll sie der Göttin bieten? Verzagt hebt sie die Hand. Ein Gleiten. Eine sanfte Berührung. Sie hält die Amphore in der Hand. Der Becher ist hinfort. Glückstrahlend lächelt Callista.
    "Erweisen wir den Göttern unseren Respekt, liebste Ofella."
    Ein weltverlorener Zug auf dem Gesicht. Ihre Gewänder rascheln verhalten. Ihr Schmunk klimpert als sie den Wein in der Amphore anhebt. Ein roter funkelnder Bach ergießt sich in die Schale.
    "O Heilerin, Göttin der blauen Perlen und Gönnerin des optimen Weines. Eine Gabe für Dich."
    Raunen. Flüstern. So ist ihre Stimme. Der letzte Rest des Rebsaftes vermischt sich mit dem Anderen.
    "O Jupiter, Vater aller Götter. Auch ein Opfer für Dich."
    Verklärt wartet Callista ab. Bis der letzte Tropfen sich mit dem wunderschönen Rot vereint hat. Damit jeder Bruder zu seiner Schwester findet. Ein melancholischer Ausdruck manifestiert sich um Callistas roten Mund. Sie wendet sich ab. Kann den Anblick des Weines nicht ertragen. Es erinnert sie erneut an ihn. Bis zu den anderen Gäste geht Callista. Und wartet bis Ofella ihr Opfer den Göttern vermacht.

    Nein, kein andres Gewächs, heiligen Wein, Varus, bau an zuerst
    dort, wo sonnige Flur Tiburs sich dehnt, Catilus' Stadt erstand.
    Denn dem Nüchternen stellt alles der Gott schwierig und düster hin,
    nur vorm Wein allein weichet der Druck nagender Kümmernis.
    - Lob des Weines, Horaz


    Sentiment wohliger Art hüllt Callista ein. Eine Flut aus wohltuendem Rot umfängt sie. Liebkost ihre Sinne. Reizt vortrefflich ihren Geist. Angetan strahlt Callista. Ihre Freude über die wohlgeratene und aparte Zier offeriert sich deutlich auf ihrer Face.
    Sie verharrt im Fauces. Umschattet von den Wänden des Ganges. Callista schließt ihre Augen. Atmet tief ein. Die Aufregung prickelt in ihr. Lässt sie erschaudern. Ein Fest. Wie sie solche Lustbarkeiten liebt. Sodann ist sie bereit. Sich den Blicken zu stellen. Sich in das Getümmel zu begeben. Das Parkett der hohen Gesellschaft und Hautevolee zu betreten. Die Gestalt hehr erhoben.
    Schmeichlerisch ist das Licht. Das entzückt Callista ungemein.


    Zart Elfenbein farben ist ihr Untergewand. Satt Granatrot ist die Stola. Aus der weit gereisten Seide erschaffen. Goldbestickt die Instita an der Stola. Ihre grazilen Schritte offerieren den Anblick Elfenbein farbener, filigraner Calcei muliebris. Besetzt mit einem Edelstein. An ihrem splendidem Dekolleté funkelnde Monilia aus ungetrübten Rubinen und glänzendem Gold. Der Händler hat Callista versichert. Die Rubine entstammen aus Simhala. Die Inaures aus Rom indes harmonieren perfekt zu der ägyptischen Halskette. Ebenso aus Rubinen gefertigt und mit Gold veredelt. Ein Vermögen hat das ihren Vater gekostet. Schon allein die Vorstellung seines entsetzten Gesichts ergötzt Callista. Jedes Mal, wenn sie die Ohrringe betrachtet und trägt. Golden sind die ägyptischen Brachialia und Armillae an ihren zierlichen Armen. Die Stola wird von einer goldenen Fibel in Gestalt einer Wasserpython gehalten. Dunkles und helles Gold imitieren das Muster der Schlange. An ihren Fingern macht der Schmuck nicht halt. Zwei prunkvolle wohlgeformte goldene Anuli zieren ihre kleinen Hände.
    Flagrant und offenkundig kann gesagt werden. Nach dem Gesetz der Lex Oppia wäre Callista schuldig. Die halbe Unze an Gold überschreitet sie dezisiv.
    Am liebsten würde Callista nur Schmuck tragen. Diese lästigen Gewänder sind ihr unlieb. Auch die aufwendigen Frisuren würde sie unterlassen. Doch es gehört sich nicht so. Nicht hier. Nicht in Rom.
    So trägt Callista auch ihre Haare nach der Art der Crispina. In sieben Scheiteln geteilt sind die Haare zu einem runden Zopf nach hinten geflochten. Goldene Bänder und Rubin besetzte Spangen halten ihre Haare. Ihre Stirn wird von einem gewunden Haarzopf umkränzt. Zierlicher erscheint ihr Gesicht unter den tief schwarzen Haaren. Wie aus Porzellan ihre kleine schmale Gestalt.


    Fulminant ist das Atrium. Eine traumhafte Ausstattung.
    Sicherlich aus Frauenhand, Callista.
    Traun. Oder von einem erlesenen männlichen Geschmack.
    Das Kräuterwerk ihrer Sklavin belebt Callistas Geist. Effiziert sie. Lässt ihr Temperament aufleben. Gleichsam verzehrt es ihre Sinne. Intensiver sind die Farben. Eindringlich die Düfte. Geschärft sind auch die anderen Sinne. Und Callista nicht immer ganz urteilsfähig. Souverän schreitet Callista in den Raum hinein.
    Alle Anwesenden werden gemustert. Dezent und diskret. Viele schöne Männer. Beglückt bemerkt Callista. Keine verstaubten alten Senatoren. Keine feisten Eques.
    So viele gut aussehende Männer.
    Aber auch viele strahlende Gegenspielerinnen, Callista.
    Traun. Und wie herrlich hoch gewachsen sie doch alle sind.
    Mit Neid muss Callista fest stellen. Sie sind alle nahezu größer als sie. Und beweisen zudem einen erlesenen Geschmack in der Wahl ihrer Kleider.
    Eine Herausforderung, Callista.
    Traun.
    Zudem ist es ein Wohlgefallen für Callistas Augen. Von einer Reihe schöner Männer und Frauen umgeben zu sein. Zwischen ihnen fühlt sich Callista selber wie eine leuchtende Blume. In einem Garten vollkommener Blüten.


    Corvinus bemerkt Callista zuerst.
    Der schöne und höfliche Magistratus. Der Blond gelockte.
    Erfreut lächelt sie. Ein bekanntes Gesicht in der Menge. Und scheinbar ist er nachher der Gastgeber. So wie alle auf ihn zuströmen.
    Sodann erblickt sie Aquilius.
    Der schöne Heroe ihrer seltsam entrückten Nacht. Die Erinnerung verschwimmt. Ist kaum greifbar. Wie viele Tropfen der Mondtränen hatte sie zu sich genommen? Zu viele. Entzückt seufzt sie.
    Die restlichen Menschen erscheinen ihr unbekannt. Auf einem Fest darf man nicht zaudern. Am Ende steht Callista alleine in der Ecke und fühlt sich ganz verlassen. Das will sie natürlich nicht. So tritt sie auf eines der unbekannten Gesichter zu.
    "Salve, o Du serener Fremder. Meine Rettung kannst Du sein. Fremd sind all jene Menschen in diesem Raum. Womöglich möchtest Du mir helfen? Einen Fremden weniger zu erblicken. Eventual einen Freund zu finden?"
    Schmeichlerisch ist ihr Lächeln.

    – Sim-Off: Nur keine Eile
    schöne Beiträge brauchen Weile
    Nimm Dir immer so viel Zeit, wie Du brauchst. Das ist allein ein Spiel. –


    Prickelnd ist diese Nacht. Gefüllt von einem deliziösen Geschmack. Dem Hauch eines verwegenen Abenteuers. Wahrhaftige Aventüren hat Callista bereits erlebt. Die Erregung von Gefahr und Tod erlebt. Wilden Tieren ins Auge geblickt. Niemals indes alleine. Immer an der Seite ihres Bruders. Zwei Körper. Eine Seele. In dieser Nacht ist das anders. Sie alleine erlebt das Vabanquespiel. Mit dem wagemutigen Aquilius.
    Glückseligkeit und Hochgefühl strahlt sie aus. Dispute liegen ihr fern. Mit einem Lächeln gibt sie Aquilius Recht. Dem Retter der Nacht. Dem Geschenk der Götter. Der sie aus der drückenden Trübsal befreit. Einen Kokon zerreißt er. Und endlich ist Callista befreit. Bereit. Ihre Flügel auszubreiten und zu fliegen. Für eine Nacht. Auf der Straße der Mondtränen.
    All die schönen Worte an Callista entzücken sie. Lassen sie schwelgen. Die Preisung füllt sie aus. Die Stellen der endlosen Leere ihres Seins.
    Eine geheuchelte Verlegenheit. Ein holdseliges Lächeln folgt.


    Rosen? Der schöne Aquilius hat sie wahrgenommen?
    So waren wohl seine Worte, Callista.
    O, tatsächlich?
    Bereits im Brunnen steht Callista. Ihre Aufmerksamkeit ist nicht beständig. Die Worte fliegen um sie herum wie verwandte Seelen eines Schmetterlings. Ein roter Falter schwebt vor ihrem Gesicht. Er trägt die Worte von Aquilius mit sich. Dann ein leuchtend Güldener.
    Kein Ehrenmann?
    Auch das lässt Callista auf sich ruhen. Sie wird es noch erfahren.
    Ein Blauer. Ein samtig Schwarzer. Callista greift danach. Sucht sie zu fangen. Sie würden ihm gefallen. Sie würde ihm die zarten Schönheiten schenken. Dann entsinnt sie sich. Er hat sie verlassen. Die Schmetterlinge werden wütend angesehen. Sie schnaubt empört. Aufspießen will sie die Schmetterlinge. Zertreten unter ihren bloßen Füßen.
    Mars und Venus?
    Vergessen sind die grazilen Sommervögel.
    Er. Ein Priester des Mars.
    Und sie? Sie. Callista lässt die Finger über die Venus streichen. Eine Liebende der Liebe? Eine Verehrerin allem Schönen? Ist sie dann nicht ingleichen eine Priesterin? Callista seufzt melancholisch. Ungebührende Bilder tauchen in ihrer Phantasie auf. Callista beißt sich auf die volle Unterlippe.
    Mühsam hält sie ihre Gedanken zusammen. Die Bilder zerfasern bereits. Wollen sich verflüchtigen. In den nächtlichen Himmel steigen. Ein Knurren dringt an ihr Ohr. Verträumt sieht Callista zu Venus auf.


    Aquilius Stimme zieht sie einem goldenen Faden gleichend an. Bis zu ihren Schenkeln hat sich das Wasser gesogen. Schwer gleitet der Stoff hinter ihr her. Lädiert ist er ohnehin. Schwarz ist der Schatten. Cerberus. Der Tod. Der Eingang zu der Unterwelt? Callista hebt die Hand erschrocken zu ihrem Mund. Der spitze Schrei entfleucht ihr gedämpft.
    Knurrend nähert sich der Hund. Die donnernden Worte von Aquilius lassen ihn zögern. Er knurrt weiter. Fletscht die Zähne. Und zaudert. Seine Hundeaugen starren nach oben. Zu den braunen Patrizieraugen. Callista sieht den Machtkampf. Mensch über Tier. Heroe gegen Ungeheuer. Bang schlägt ihr Herz.
    Der Hund jault auf. Wedelt mit dem Schwanz. Sein Maul sucht versöhnend nach Aquilius Hand. Leckt ihm darüber hinweg.
    "Oh."
    Frohlockt Callista. Bis zum Rand des Brunnen nähert sie sich. Welch eine Freude. Als sie erkennt. Aquilius hat sich zwischen ihr und den Höllenhund gestellt. Garstig erscheint ihr das Getier. Viele Köpfe gaukelt ihr die nächtliche Imagination vor.
    "Wahrhaftig. Ein Heroe bist Du, mein mannhafter Nireus."
    Am Ende ihres Weges strauchelt Callista. Verspritzt Wasser nach oben. Die Gunst einer solchen Ungeschicklichkeit weiß Callista zu nutzen.
    Erneut finden ihre Hände den Weg zu Aquilius Schultern. Nass wie sie ist. Entzückt wie sie sich fühlt. Die Nacht lässt das Feuer in ihr Erglimmen. Wie die Leichtigkeit der Seligkeit.
    "Was tun wir nun, mein bezaubernder Hektor?"
    Unschuldig sehen ihre schwarzen Augen zu Aquilius hinauf. Lauterkeit findet sich in Callista bestimmt nicht. Verschlagenheit und das Sehnen intensiv zu leben eher.

    Namenslos. Inkognito. Dahergelaufen. Das ist Callista auf dem gesellschaftlichen Pflaster von Rom. Natürlich kennt man sie hier nicht. Sie hat all die letzten Jahre in Ägypten verbracht. Die Gesellschaft dort mit so manch einem pikanten Gerücht gefüttert. Ihren Namen in die Münder der Menschen gebracht. Aber nicht in Rom. Noch nicht zumindest.
    Natürlich missfällt das Callista. Aber das wird sie noch zu ändern wissen.
    "Aber natürlich darfst Du das fragen, Magistratus. Geboren wurde ich in der italischen Stadt Misenum. Mein Vater ist Claudius Myrtilus. Womöglich hast Du schon von ihm gehört? Er ist einer der Auguren."
    Ihr Vater hat ihr noch besser in der Rolle des Soldaten gefallen. Aber die Zeit ist vorbei. Er ist welk und schwach geworden. Somit ist wohl das Auguren-Dasein das Beste für ihn.
    "Die letzten Jahre habe ich hinwieder in Ägypten verweilt."
    Callista erspürt eine Unruhe bei ihrem Sohn. Ihre Hände liegen indes auf seinen Schultern. Stumm verfolgt der Junge das Gespräch. Scheinbar desinteressiert. Doch Nero vernimmt jedes Wort. Lauscht sorgsam ihrem Wortwechsel.
    Es freut ihn daher, meine Bekanntschaft zu machen? Weil er meinen Namen zum ersten Mal hört?
    Floskeln, Callista. Er denkt sicherlich gänzlich divergent.
    Traun. Höflichkeiten. Schein. So muss es sein. Und die Courtoisie beherrscht er aufs Vorzüglichste.


    Der Feiertag ist bereits vergessen. Callista ist gläubig. Verehrt die Götter sehr. Dennoch kann sie einer Angelegenheit nur flüchtig ihre Aufmerksamkeit schenken. Zu flatterhaft ist ihr Wesen. Ein Vorteil solcher Festivitäten war indes die möglichen Bekanntschaften. Die Callista im Begriff ist zu machen.
    Das vermag sie mehr zu fesseln als die Enttäuschung. Über das Nicht-Sehen des Opfers.
    Callista hört ihm zu. Ohne zuzuhören. Amtsangelegenheiten ennuyieren sie realiter. Die Worte rauschen an ihr vorbei. Aber sie findet es schön. Wie er spricht. Die Worte entschlüpfen gekonnt seinen wohlgestalteten Lippen. Außerdem ist Callista selber Schuld. Immerhin hat sie der Konzilianz wegen gefragt. Ertappt lächelt sie.
    "Aber nein. Natürlich langweilst Du mich nicht. Es ist höchst faszinierend. Von der Arbeit eines Magistrat zu erfahren."
    Hoffentlich befragt er mich nicht zu seinen Worten.
    Schnell weiter reden. Dann wird er Deine Entrückung nicht bemerken, Callista.
    Traun.


    Es ist jedoch die Villa Claudia. Zu der Callista nicht zurück kehren möchte. Fadheit erwartete sie dort. Ein sich in die Unendlichkeit dehnender Tag. Verschönert nur von den Tränen des Mondes.
    "Notabene war es mein Bestreben in der Stadt zu verweilen. Der Tag ist zu schön. Zu lind für die Zeit allein im Hortus."
    Die Wolken am Himmel stören Callista nicht. Es ist noch warm genug. Und die Luft tut ihr sehr gut. Obschon des abominablen Odeur der Urbs.
    "Mein Ziel indes ist indefinit. Zu gerne würde ich die pittoresken Gegenden der Stadt sehen. Den Aventin? Die großen Tempel zudem."
    Ein Blick. Der Aufruhr in der Nähe hat sich gelegt. Enttäuschung. Aber es steht somit einem Aufbruch nichts im Wege.
    "Als Magistrat ist Dir Rom ohne Zweifel ein vertrautes Pflaster. Würdest Du mir die unvergesslichen Ansichten der Stadt preisgeben? Was sollte ich mir unbedingt ansehen?"
    Güldene Haare. Gelockt. Braune Augen dazu. Gefällig und berückend ist er ungelogen.

    Erleichterung ergreift Besitz von dem jungen Sklaven. Die Tür öffnet sich. Und die Herrin ist noch nicht angekommen. Pelops lächelt genierlich. Ehe er sich versieht trägt er bereits die Amphore in den Händen. Das Rauschen von Gewändern nähert sich. Das melismische Klimpern der Leibsklavin. Pelops tritt zur Seite und neigt das Haupt.
    Callista lässt ihren Blick über den Nubier schweifen. Stattlich ist der Dunkelhäutige. Ebenso gefällt Callista sein Kostüm. Ihre Lippen kräuseln sich zu einem feinen Lächeln. Sie tritt in die Villa hinein.
    "Was hat er gesagt, mein Nearch?"
    Hurtig folgt Pelops. Pelops bleibt stumm. Callista runzelt die Stirn. Erst da begreift Pelops. Er ist gemeint.
    "Er."
    Pelops räuspert sich. Seine Stimme versagt ihm. Der Aufregung wegen.
    "Er sagte: Geklopft hast du nun hier,
    so gewähre ich auch Eintritt dir.
    Tritt hinein, fühl dich zu Haus'
    und leb' heut diesen Festtag aus. "

    Ein wenig stockend ist sein Vortrag. Callista stört sich im Moment nicht daran. Um ihre Mundwinkel zuckt es.
    "Reizend. Eine superbe Eingebung. Ein Gedicht zur Begrüßung. Sonst noch etwas?"
    Pelops hält die Karaffe in die Höhe.
    "In dem Haus findet ein Opfer statt, Herrin. Folgen wir dem Jüngling. Dann stoßen wir hinzu, Herrin."
    Den zierlichen Heranwachsenden betrachtet Callista nicht sehr lange.
    "Wir? So?"
    Erschrocken hält Pelops den Atem an. Callista ist indes nicht an Sklavenzüchtigung interessiert. Sie folgt in die Villa hinein. Die Schultern eines ägyptischen Leibwächters streifen die Zierde. Einige Trauben fallen auf ihn herab. Überrascht sieht der Ägypter auf die runden Fruchtperlen. Der Sklave an der Porta hält ihn jedoch ab eine zu ergreifen. Seine Herrin ist zudem nicht sehr gnädig. Stumm. Demütig. Einem Schatten gleichend folgt er seiner Herrin. Eine Sklavin, Phyllis ist ihr Name, wendet sich noch mal im Gang um. Sie hält sich ihre Hand vor die Lippen. Ein Kichern dabei unterdrückend. Frech zwinkert sie Leone zu. Dann entschwindet sie mit dem Tross.

    Jedes Jahr zur selben Zeit
    ist es wieder mal soweit
    viele Leute stehen „stramm“
    denn die Traubenernte fängt an


    Die ernsten Gesichter fallen
    hört man überall Korken knallen
    die Rebenernte geht voran
    es fängt ein Dorf zu singen an.


    Ein fröhlich, freudiges Gejohle
    juckt es so Manchen in der Sohle
    und die grimmigsten Emanzen
    fangen nun auch an zu tanzen.
    - Weinernte



    Ziieh. Ziieh. Der klare Zik-Ruf eines Rotkehlchen erklingt über den Dächern Roms. Er schwingt sich in die Höhe. Fliegt über die Sänfte hinweg. Zwei hoch gewachsene Ägypter gehen der Sänfte voraus. Ihre Körper sind balsamiert mit glänzendem Öl. Ihre Muskeln schimmern in der Goldocker gefärbten Abendsonne. Drei Servae und drei Servi flankieren die Sänfte. Wippend wird die Sänfte durch die Straßen getragen. Auf das Anwesen der Aurelier zu.
    Milde leuchtet das güldene Licht durch die hellen Vorhänge. Träge liegt Callista auf den Polstern der Sänfte.
    Wehmütig sieht sie dem Vogel hinter her. Öffnet sogar die Vorhänge. Sie liebt auch den Gesang des Rotkehlchen. Melancholisch und schwermütig ist er.
    "Sehe ich schön aus, meine Benohé?"
    Die Mattigkeit hält Callista umfangen. Seit zwei Tagen hat sie fast nichts zu sich genommen. Um nicht zu dick zu wirken. Wahnhaft wie sie ist. Nur das Rauchwerk und einige Tinkturen ihrer Sklavin hält Callista noch aufrecht. Wirr sind jedoch die Worte von Callista. Schon seit dem Morgengrauen.
    "Bezaubernd, Herrin."
    Stetsfort antwortet Benohé ihrer Herrin. Niemals wird eine Andere über Benohés Lippen kommen. Auch wenn es schon viele Male an diesem Tag geschah.
    "Ich bin müde, meine Benohé."
    Ein silberner Pokal wird gefüllt. Benohé reicht den Trank an ihre Herrin weiter. Kachektisch nimmt Callista Schluck für Schluck zu sich. Der Becher fällt aus ihrer Hand. Benohé fängt ihn auf.
    Die Sänfte schaukelt weiter. Lullt die Patrizierin ein. Bis sie verharrt. Benohé gleitet aus der Sänfte. Sie sieht zu einem der männlichen Sklaven. Er weiß Bescheid. Er eilt voraus.


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    Der Sklave saust über den Weg. So hurtig es noch geht. Ohne vollends würdelos zu wirken. Prachtvoll erstrahlt die Villa der Aurelier im Licht der verklärenden Sonne. Der junge Pelops achtet jedoch nicht darauf. Er will nichts falsch machen. Den Unmut der Callista erwecken. Und ihren Zorn. In einem Elfenbeinweiß ist der junge Sklave gekleidet. Seine Haut mit einem Braungoldenen Balsam eingerieben. Seine schwarzen Haare geölt und er trägt einen feinen goldenen Reif im Haar. Seine Hand erhebt sich. Er klopft gegen die Porta. Die Herrin wird bald die Tür erreichen. Der Sklave hat akribische Anweisung. Sie hat offen zu sein. Wenn Callista heran naht.


    Seine Eile ist indes ein wenig unnötig. Langsam erhebt sich Callista. Mit der Hand ihrer Sklavin entsteigt sie der Sänfte. Der Trank hilft bereits. Sie fühlt sich munter. Bald wird sie gänzlich aufgekratzt sein. Was die Ingredienzien des Trankes sind? Callista weiß es nicht. Es interessiert sie nicht. Ihre Sklavin könnte sie jederzeit vergiften. Callista weiß hinwieder um ihre Liebe. Sie ist sich ihrer Sklavin sicher.
    Benohé richtet die Granatroten, Elfenbeinweißen und goldenen Gewänder der Callista. Prüft ihre Frisur. Callista betrachtet einen glänzend goldenen Armreif an ihrem schlanken, beileibe schon mageren Handgelenk.
    "Ist er an der Tür, meine Benohé?"
    Würdevoll soll ihr Auftritt sein. Auf den Schein legt Callista sehr viel wert. Was blieb ihr auch anderes übrig? Unter dem Schein glotzt nur Leere dem Betrachter entgegen. Wenn er genauer in ihr suchen würde.
    "Das ist er, Herrin."
    Callista schreitet. Den Weg zu der Villa entlang. Wohlgefällig betrachtet sie das ansehnliche Anwesen. An ihrer Seite folgen ihr die anderen Sklaven. Denen Callista noch keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt hat. Nur schön. Das müssen sie sein. Aber Callista vertraut auf Benohé. Die alles für Callistas Tag und nun an diesem Abend richtet. Noch ist Callista einige Schritte entfernt. Doch ihr Sklave hat bereits geklopft.

    Traun und wahrlich Recht hast Du. Ich spezifiziere. Eine phönikische Siedlung. ;)


    Die Trennung sakral und profan ist mitunter nicht so einfach zu ziehen. Und verschwimmt zuweilen. Womöglich hat es nicht die breite Masse derart zu sich genommen.
    Aber man kann nicht ausschließen, dass ein "Missbrauch" durchgeführt wurde.
    Mohn und Opium wurde auch zu profanen Zwecken benutzt. Dann ist der Schritt zum Rauchen auch nicht zu groß.


    Ich glaube, es ist die heutige Shisha, die von den Osmanen weiter getragen wurde. Aber eine frühere Form der Shisha war schon vorher im arabischen Raum verbreitet. Eine etwas Einfachere.

    Verzeih, werter Theodoros, wenn ich Dir widersprechen muss. Opium wurde geraucht (bei Aphrodite und Dionysos zum Beispiel) oder auch in Wein getrunken. Die besagte Opiumpfeife stammt aus dem phönizischen Reich und ist vor 3000 Jahren nachgewiesen worden. Ein Katzensprung bis nach Ägypten.


    Das mit der Shisha hatte ich auch so ausgedrückt. Frühestens ab dem Mittelalter im europäischen Raum. ;) Im arabischen Raum wird es deutlich früher gewesen sein.

    Leider ist mein Fund diesbezüglich auch kärglich und kümmerlich. Doch einige Dinge vorweg.
    Die Shisha, auch die oben erwähnte Wasserpfeife, ist indisch-arabischen Ursprungs. Und tritt in Europa erst frühestens ab dem Mittelalter auf. Auch in Ägypten taucht sie nicht vor der Eroberung durch die Araber auf.


    Mohn und Opium ist die stärkste Droge, meines Wissens nach. Cannabis halte ich für unwahrscheinlich was Visionen anging. Die Droge der Mysterien war Opium. So hat König Pyrrhus von Epirus auf einer Münze die Demeter mit Opiumkapseln geprägt. Auch beim elusinischen Kult sind das hervorstechende Zeichen. Ich könnte noch einige andere Beispiele nennen.


    Es diente auch als Aphrodisiakum.
    Opium wurde vielseitig in der Antike eingesetzt und galt als kleines Wundermittel.
    Der Leibarzt von Nero entwickelte das Theriak. Kindern wurde es verabreicht, damit sie still sind. Und noch vieles mehr.


    Opium wurde häufig getrunken oder gegessen. Doch gibt es auch Funde von einer bronzezeitlichen Opiumpfeife.
    Meine Vermutung daher. Auch später noch wurde Opium geraucht.
    Diesbezüglich noch ein anderes Bild, was mir vorschwebt. Wenn es auch nicht wissenschaftlich ist. Kleopatra in der Serie Rome hatte ebenfalls eine sehr schöne Pfeife. Ich kann mir vorstellen, dass dort Opium enthalten war.



    Das waren gröblich meine Recherchen. Schließlich ist das Thema für mich genauso von Interesse. Für meine Figur zumindest.

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    Unruhe entsteht in der Sklavenunterkunft. Der Lärm rüttelt so manch einen Sklaven aus dem Schlaf. Manche maulen leise. Andere beobachten die Szene zwischen den Sklavinnen. Keiner schreitet ein. Außer Minna. Benohé ist auch versucht. Minna kann jedoch Aintzane der Gefahr entreißen. Auch Aintzane scheint nicht zu zart besaitet zu sein.
    Keine Regung. Benohé scheint gleichmütig zu sein. Selbst als Fiona ihre Herrin bedroht.
    Benohé weiß indes die Bedeutung solcher Worte. Fieberwahn kann die Wahrheit ans Licht tragen. Oder auch die unsinnigsten Fantasien hervor beschwören.
    Einem Geysir gleichend ist Fiona ausgebrochen. Wild und brodelnd. Und nun scheint die Oberfläche gänzlich ruhig zu sein. Trügerisch ruhig. Benohé sieht auf die schlafende Sklavin hinab.


    Benohé vergewissert sich. Aber schlimmere Verletzungen scheint Aintzane nicht von diesem Anschlag mitgenommen zu haben.
    "Zürnt ihr nicht. Das ist das Gift in ihrem Körper."
    Benohé bereitet den Trank zu. Sie stellt ihn in dem Becher auf dem Tisch ab.
    "Fiona soll das zu sich nehmen. Sobald sie wach ist. Für morgen bringe ich erneut ein Remedium vorbei."
    Unwilliges Gemurmel von weiter hinten. Ein Sklave ruft leise.
    "Könnt ihr uns nicht schlafen lassen. Seid mal ruhig."


    Benohé räumt die Phiolen in ihre Kiste. Sie klappt sie zu. Ihre Worte sind nun flüsternd.
    "Meine Herrin erwartet mich."
    Ein Zögern. Benohé betrachtet die Sklavinnen. Indes hofft Benohé; Fiona schläft durch. Und kein Wahn wird mehr aus ihr sprechen. Dennoch glaubt Benohé. Die Sklavinnen werden sicherlich auch damit alleine fertig. Und ihre Herrin wird ungeduldig werden. Wenn Benohé zu lange hier bleibt.
    "Gute Nacht."
    Benohé wendet sich um. Leichtfüßig schreitet sie aus der Sklavenunterkunft.







    SKLAVE - CLAUDIA CALLISTA

    Du füllst mich an wie Blut die frische Wunde
    und rinnst hernieder seine dunkle Spur,
    du dehnst dich aus wie Nacht in jener Stunde,
    da sich die Matte färbt zur Schattenflur,
    du blühst wie Rosen schwer in Gärten allen,
    du Einsamkeit aus Alter und Verlust,
    du Überleben, wenn die Träume fallen,
    zuviel gelitten und zuviel gewusst.
    - Gottfried Benn, Abschied


    Echo. Stimmen. Lachen.
    Gülden erstrahlt die Sonne. Brennt. Schmerzt in den Augen. Kinderlachen schwingt durch einen Garten. Silberne Diamanten funkeln im Blätterwerk aus feinem Gold. Eine schwarze Mauer erhebt sich um den Garten. Zu hoch und unüberwindlich ist sie. Kalt und bitter ist jeder Stein aus Granit. Aus dem die Mauer erschaffen wurde.
    Im Tau von goldenen Grashalmen sitzt Callista. Klein ist sie. Jung ist sie. Unbedeutend ist sie. Gefangen in einem Meer aus goldener Pracht.
    Atemlos sieht sie einem davon laufenden Jungen hinter her. Ihr Fuß schmerzt. Er ist gebrochen. Sie kann ihm nicht folgen. Er läuft zu schnell. Ihre flehenden Rufe bleiben ungehört.
    Sie sinkt ins Netz von feinen Perlen hinab. Schmuck. Pracht. Was nützt ihr das? Das Unglück hält sie dennoch umfangen. Die Einsamkeit.
    Höhnisch starren die Gesichter der Männer auf sie hinab. Sie stehen auf der Mauer. Bunt sind ihre Gewänder. Grell. Ihre Gesichter weiß geschminkt. Ihre Münder zu hässlichen Fratzen verzerrt. Blut tropft von ihren Fingern. Ihren Klauen. Sie warten darauf. Dass Callista noch schwächer wird. Dann werden sie Callista zerreißen.
    "Jeder ist einsam. Egal womit er sich täuscht."
    Die Wahrheit. Callista kann sie nicht ertragen. Sie vergräbt ihr Gesicht und schluchzt leise. Die Tränen. Sie gelten nur ihr. Callista. Claudia. Nur sie zählt. Für Callista. Claudia. Schritte. Seine Anwesenheit. Endet die Einsamkeit? Callista sieht auf. Vertraut ist er. Sie lächelt.
    "Träget das Schicksal dich, so trage du wieder das Schicksal.
    Folg ihm willig und froh; willst du nicht folgen, - du mußt."


    Gütig ist er. Einem Vater similär. Die kleine Callista hebt er auf seine Arme. Konsolation suchend vergräbt Callista ihr Gesicht an seiner Brust. Beflügelt erklimmt er die Demarkation ihres Kerkers. Das Gold zerfällt zu Asche. Die Bäume vergehen zu Staub. Strahlend ist sein Licht. Und er vertreibt die Klauenmänner. Sie flüchten vor dem güldenen Leuchten von ihm. Er hat sie gerettet. Callista erfüllt tiefe Dankbarkeit.
    "Muss ich."
    Ein Feld aus Feuer brandet vor ihnen. Rauch steigt zum Himmel. Rom. Es brennt. Calllista lächelt. Zwischen den Ruinen tanzen sie. Die beiden Männer, die sie liebt. Und die Callista lieben. Verlangend streckt Callista die Hand nach ihnen aus.
    Rom. Es wird zu einem Bild. Auf einer steinernen Mauer. Die Flammen erstarren.
    "Viel tiefer nur ist zu finden, was des epiphanen Minotaurus' Esprit verbarg und ein einziger Faden nur führt durch das Labyrinth, an dessen Ende des Damokles' Schwert auf uns wartet. Es ist dir überlassen, ob du ihn spinnen, bemessen oder durchtrennen willst."
    Kalt ist der Stahl in ihrer Hand. Leuchtend der Faden. Rostig rot ist das Meer aus Steinen vor ihnen. Kleine Menschen irren herum. Schwarze Spinnen jagen sie. Callista ergötzt sich daran. Der Faden läuft. Verläuft und verliert sich zwischen all den Steinen. Sie findet nicht. Sie irrt. Wo ist er? Der Faden. Er reißt.
    "Komm. Wenn der Morgen Gestern wäre, so könnten wir das Heute genießen, doch es bleibt nicht die Ewigkeit beständig."


    Blaue Wolken wehen von Callistas Lippen hin fort. Botmäßig ist sie ihrem Traumwandler gefolgt. Eisblau glitzert die Welt. Kalt ist das Meer aus ewigem Eis. Mit einem lauten Tosen donnert das Eis in das Meer. Wirbelt Wassermassen nach oben. Feiner Nebel. Callista erschaudert. Unter ihren Füßen gleiten blaue Schemen entlang. Fische mit vielen Köpfen. Kraken mit hundert Armen. Teufelsrochen aus glänzenden roten Schuppen.
    Ein magerer Mann steht im Eis. Seine Hacke schlägt in das Gefrorenes. Es splittert. Verbissen schlägt er erneut zu.
    "Leid ist das Leben. Nur die Würdigen erheben sich darüber hinweg. Sind wir würdig?"
    Es klopft in Callistas Brust. Verwundert öffnet sie ihr Kleid. Ein Schlüssel leuchtet über ihrem Herzen. Sie öffnet ihn. Eine Nachtigall entspringt ihr. Trillernd erhebt sie sich in die Höhe. Jauchzt und frohlockt. Elegisch sieht Callista ihr hinter her. Ist ihr auch das letzte Schöne abhanden gekommen?
    "Vollendet ist der Mensch. Schön ist er. Wenn er rein und lauter ist. Einem Vogel verwandt erhebt sich seine Seele über die Götter. Sie neiden uns. Weil wir größer als sie sind. Darum strafen sie die Sterblichen."
    Niemals hat sie das einer Seele anvertraut. Außer ihrer verwandten Seele. Und nun ihm.


    Die Wahrheit.
    Die Lüge.
    Beides sucht Callista. Und findet nur das Eine.
    Die Klarheit des Eis trübt sich. Der Glanz entschwindet. Das Eis splittert unter ihren Füße.
    "Nicht neiden, nicht strafen kann das Prinzip, denn von Emotio ist es frei. Es ist wahrhaftig, nicht mehr, nicht weniger. Wie kann Schönheit über Schönheit sich erheben, wie kann Wahrheit wahrer sein denn wahr? Einzig der unbedarfte Mensch drängt die Götter in eine Hülle, gibt Stimme und Zorn, denn der unbedarfte Mensch ist es, der die Götter braucht, nicht die Götter den unbedarften Menschen."


    Bitterkaltes Wasser umschlingt Callista. Timide sind ihre Augen geweitet. Sie sinkt. Sinkt stetsfort. Eine silberne Villa leuchtet vor ihr. Schwarze Haare umwehen Callista. Sie braucht keine Luft zu atmen. Der Schrecken ist hinfort. Ein Fisch ist sie. Sie gleitet durch das klare Blau. Ein Rot getupfter Katzenhai schwimmt vorbei. Kleine schwarze Fische tummeln sich um ihre langen Flechten.
    Callista verharrt in der silbernen Villa. Ein Garten aus blauen und roten Algen windet sich zwischen silbernen Säulen. Strahlend steht er inmitten all der Farbenpracht.
    "Lupus est homo homini, non homo, quom qualis sit, non novit.* Nicht Emotio leitet noch den Episit, denn einzig der Drang nach Leben, ein jener Drang, welcher gänzlich unbekannt der Wahrheit ist."
    Eine Nymphe gleitet vorbei. Ihr güldenes Haar wogt in der unendlichen Tiefe. Ihre azurblauen Augen schillern unter dem Wasser. Kritisch wirkt sie. Prüfend. Zweifelnd. Darnach ist sie entschwunden.


    "Wann war je der Mensch schön und lauter, der er seinem Gegenüber einzig neidet, weil es größer ist, als er? Wann war rein der Mensch, der zerfressen von Gier und Neid die Schönheit vor seinem Auge nicht zu denken vermag, die Wahrheit aus seinem Ohr vertrieb und die Wahrhaftigkeit aus seinem Munde spuckte?"
    Ein Spiegel funkelt in seiner Hand. Willenlos ist Callista. Kann den Blick nicht abwenden. Kann sich nicht rühren. Im Silber zeigt sich ihr Angesicht. Schön ist es nicht. Zerfressen. Von Gier und Neid. Sie kann dem Bild nicht standhalten.
    "Die Wahrheit kann ohne die Lüge nicht leben."
    Callista hebt ihr Kinn an. So ist es.
    "Das Schöne besteht nicht ohne das Hässliche. Licht ist blass ohne die Dunkelheit. Die absolute Wahrheit ist eine Lüge. Ein obligates Paradoxon."
    Blut tropft an Callista hinab. Erstaunt betrachtet sie einen Tropfen an ihrer Hand. Stumm folgt sie dem Fluss. Eine Alge streichelt sie liebkosend. Schwarz färbt sich das Wasser. Giert auch nach dem kleinen Paradies ihres Gartens. Callista streckt ihre Hände aus. Umfasst die Seinen.
    "Die Vögel tanzen. Die Fische fliegen. Wollen wir ihnen folgen? In das Reich der ewig Lebenden."
    Sylphidenhaft entschweben sie aller Arglist und Infamie. Wonne und Entzücken laben Callista. In einer uferlosen Farbvielfalt offeriert sich die Welt. Sie gleiten hinweg. Über Sonnenstrahlen und Wolkenfetzen.
    Sie fliegen.
    Sie stehen.
    Alles ist leuchtend weiß: weiß umschweben sie das Wolkenfeld. Er nähert sich ihrem Ohr.
    "Ich bin die Wahrheit. Ich bin die Lüge. Ich bin die Dunkelheit. Ich bin das Licht. Ich bin der Tod. Ich bin das Leben. Ich bin der Fluch. Ich bin die Hoffnung."
    Claudia Callista erkennt.
    Calllista versteht.
    Sie ist.



    Sim-Off:

    * Plautus: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf, kein Mensch, wenn er nicht weiß, welcher Art [sein Gegenüber] ist.

    Nein, Demosthenis, nein! Dein Spiegel, glaube mir, trüget;
    Sähest du dich, wie du bist, sähest du nimmer hinein.
    - Lukillios


    Flaumenweich leuchten die rotbraunen Haare. Ein Bein streckt sich nach oben. Sonnt und wärmt sich im Lichte der Mittagssonne. Träge wandelt die Spinne der Callista über die Fensterbank. Vögel zwitschern munter. Der Brunnen plätschert vor sich hin. Und Callista langweilt sich. Tristesse und Substanzlosigkeit füllt ihre Zeit. Leert sie mehr. Offenbart die Plattitüde ihres Lebens. Auf ihre Hand stützt sich Callista ab. Sie liegt auf dem Bett und sieht hinaus in den Sonnentag. Decouragiert seufzt sie auf. Und noch einmal. Ein drittes Mal.
    "Ich sterbe. Der Tod ereilt mich. Wenn ich noch eine Minute länger diese Trivialität ertragen muss."
    Vorwurfsvoll wirkt Callista. Der Tadel ist an Benohé gerichtet.
    Ihre Sklavin sitzt neben Benohé. Weicher goldener Stoff umfließt ihren Leib. Sanft breiten sich die schwarzen Haare auf Benohés Schultern aus. Sie ist nicht überrascht. Solche Worte hört die Sklavin alltäglich. Callista ist oft gelangweilt.
    "Delektiere mich, meine Benohé. Beglücke mich."
    Eine Bewegung von Benohé. Callista hebt die Hand.
    "Nein, nicht so. Später wieder. Bring mich zum Lachen, meine Benohé."


    Ein Klopfen. Benohé ist vor den Launen ihrer Herrin gerettet. Callista reckt sich.
    "Herein."
    Die Tür öffnet sich. Eine junge Sklavin streckt ihren Kopf einher. Angst und Sorge ist in ihr Gesicht geschrieben. Hat sich gar die Angelegenheit im Bad schon herum gesprochen? Callista verzieht säuerlich ihren vollen Mund. Geliebt will sie werden. Verehrt und angehimmelt. Furcht ist auch erstrebenswert. Aber Bewunderung möchte Callista noch mehr erfahren.
    "Was willst Du, Serva?"
    Unsicher ist das Gehabe der jungen Sklavin.
    "Eine Einladung, Herrin. Für alle Claudier."
    Callistas Achtsamkeit ist geweckt. Benohé erhebt sich und nimmt die Einladung entgegen. Mit einer sorglosen Geste entlässt Callista die Sklavin.
    "Was steht dort, meine Benohé?"
    Benohé entfaltet das Schriftstück. Und liest es ihrer Herrin vor. Ein Strahlen gleitet über Callistas Antlitz.
    "Eine Lustbarkeit? Die Elegie ist vorbei. Die Monotonie durchbrochen. Rom. Die Stadt der Feiern und des ausschweifenden Vergnügens. Endlich."


    Tage sind noch bis anhin. Doch eifriges Treiben bricht aus. Kleider müssen ausgewählt werden. Schmuck ausgesucht. Und letztendlich ist Callista nie zufrieden. Naserümpfend wirft sie ein türkisgrünes Kleid in eine Ecke. Benohé sammelt es stumm auf.
    "Hoffentlich sind nicht nur biedere Senatoren dort und langweilige Eques. Welche Sklaven nehme ich mit? Aus der Villa womöglich?"
    Callista betrachtet sich im jüngst erworbenen Spiegel. Sündhaft teuer ist er. Die Rechnung geht an ihren Vater für das Silberwerk. Er ahnt sicher noch nicht von all der Akquise der Callista. Alles zu seinen Lasten. Genauso hochpreisig sind die Smaragdohrringe. Callista hält sie an sich heran. Damit ist sie zufrieden.
    "Rot. Gold. Weiß. Elfenbein."
    Benohé ergreift das Gewünschte.
    "Mich deucht, ich sollte eine Antwort verfassen. Hole Tinte, meine Benohé. Die Blaue. Und ein Papyrus vom Nil. Ob es noch seinen Geruch an sich trägt?"
    Das Karmesinrot eines Kleides verwirft Callista. Zu grell.
    Nicht lange danach sitzt sie an dem zierlichen Tisch. Die Spinne streicht um ihre Hand. Sorgsam verfasst Callista ein Antwortschreiben.

    Die Kiste klickt leise. Benohé öffnet sie. Auch sie enthält zahlreiche Phiolen. Kleinere Behälter und kleinformatige Tontöpfe. Wasser gluckert in einen Tonbecher. Sanft vermengt sich eine dunkle Flüssigkeit mit dem Wasser. Mit jedem Tropfen aus einer grünen Phiole mehr. Ruhevoll und ohne Hast reicht sie den Becher an Aintzane.
    "Nimm davon zu Dir. Es wird Dich stärken."
    Glas trifft auf Glas. Als Benohé die Phiola zurück stellt und eine Andere ergreift.
    "A-int-zzane. Ruhm. Womöglich erscheint es vorerst Ironie zu sein. Dieweil Du den Sinn davon noch nicht erkannt hast?"
    Deutlich wiederholt sie den Namen. Verleiht ihm einen Hauch fremdartiger Betonung.
    "Be-nó- heei."
    Leise moduliert sie ihren eigenen Namen.


    "Ich stamme aus der Stadt Arikamedu. Weit unter den Saken. Doch all jene Orte und Länder werden Dir nichts bedeuten. Sie liegen fern im Osten von Ägypten. Du wirst davon sicherlich nicht gehört haben. Womöglich hast Du schon von dem Griechenkönig Alexander vernommen?"
    Tropfen um Tropfen verteilt Benohé in einem weiteren Becher. Vermengt und verrührt. Fiona belässt sie in ihrem unruhigen Schlaf. Noch hat es keinen Sinn, sie zu wecken. Benohé sucht in dem Gesicht von Aintzane nach Erkennen zu lesen.
    "Der König und seine Mannen sind bis in das Reich der Kuschana vorgestoßen. Von dort drangen sie in den Süden. Bis nahezu in das Land meiner Eltern."
    Benohé senkt den Kopf. Versunken rührt Benohé mit einem Holzschaft. Scheint von Gedanken befallen zu sein. Nach einem Schweigen.
    "Und wo bist Du geboren worden, Aintzane? Deine Sprache klingt für mich sehr fremd. Ungehört bis dato."
    Von Heimat spricht Benohé nicht. Ihre Heim ist das ihrer Herrin. Und so nimmt sie es auch bei allen anderen Sklaven an. Selbst wenn Benohé sich oft an das Land entsinnt, welchem sie entstammt. Von ihm träumt und von der langen Reise bis nach Ägypten. Als sie noch ein Kind war. In Fesseln und dem langen Sklavenzug. Sie lässt die Erinnerung nicht an sich heran. Nicht in diesem Moment.


    Jählings eine Bewegung. Benohé legt die Phiola zurück. Greift nach dem Dolch. Den sie oft bei sich trägt. Ein Schemen gleitet an ihr vorbei. Eine nächtliche Erscheinung. Schlingt ihre Finger um den schlanken Hals der Baskin. Erst dort erkennt Benohé. Es ist Fiona. Benohé lässt den schmalen Griff des Dolchs los. Benohé macht einen Schritt nach vorne. Ihre Herrin beschützt Benohé zuweilen. Darum eilt sie auch Aintzane zu Hilfe.




    [size=6]- Sim-Off: Soigniert = (franz. soigné, pflegen) gepflegt, gediegen, seriös, gesittet, lady-like, apart, elegant, kultiviert, distinguiert, fein
    unprätentiös = schlicht - [/size]



    SKLAVE - CLAUDIA CALLISTA