Beiträge von Claudia Callista

    Gib das Tränklein, Thestylis, den Lorbeer,
    Um den Kessel schlinge rote Fäden
    Gerste birst im Feuer; streue Körner,
    Thestylis- wo sind deine Sinne
    - Die Zauberinnen, Theokrit


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    Die Toga praetexta bauscht sich um seine Beine. Die Bulla schlackert um den Hals hin und her. Menschen eilen um ihn herum. Unbeirrt läuft der kleine Junge die gepflasterte Straße entlang. Weicht großen Männern aus. Versteckt sich vor einer Patrouille von Soldaten. Die Tasche hat er fest an seinen Körper gepresst. Schatulle und Geld sind dort aufbewahrt. Beides wird er noch brauchen. Keine Sänfte begleitet den jungen Nero. Keine Sklaven säumen seinen Weg. Schützen ihn oder behüten ihn. Es ist noch früh am Tag. Die Sonne blinzelt erst seit wenigen Stunden vom Himmel. Auf die ewige Stadt. Dem Herzen des Imperiums. Mit jedem Schritt nähert er sich dem schlagenden Herzen. Dem Forum Romanum.
    Seine Mutter ist noch nicht erwacht. Seine Amme wieder unaufmerksam. Nero hat sie herein gelegt und schnell die Villa verlassen. In einem günstigen Moment. Als der Ianitor nicht an der Tür steht. Die Sklaven ihr Frühstück zu sich nehmen. Sodann eilt Nero durch die Straßen Roms. Ein Junge von gerade Mal sechs Jahren. Sein Ziel hat er vor Augen. Unbeirrt sind darum seine Schritte.
    Den Actium- Bogen erreicht der Junge. Staunend betrachtet er die Verzierungen. Seine Mutter erzählt es immer wieder. Dass sie doch verwandt sind. Mit dem Mann, der diesen Bogen erbaut hat. Nero fährt mit den Fingern andächtig über den Stein. Zaudern darf er nicht. Als ob er verfolgt wird. Immer mal wieder wirft er einen Blick über seine Schulter. Schnell läuft er unter dem Bogen weiter. Und auf das Forum Romanum. Über große Steinblöcke. Die die Straßen des Forum Romanums bilden. Den Saturntempel kann Nero schon erkennen. Weit weg ist er hinwieder. Am Ende des Forum Romanum.
    Unschlüssig bleibt Nero in mitten vieler Menschen stehen. Über dem Lapis Niger steht Nero. Ahnt nicht von dem Schicksal. Das hier begangen wurde. Ein grausiger Mord. An dem Gründer Roms. Von den Senatoren verübt. Die gleich in der Nähe die Curia bewohnen. Nero sucht mit den Augen nach seinem Ziel. Doch er kennt es nicht. Er ist noch nie auf dem Forum Romanum gewesen. Nur Erzählungen hat er darüber gehört. Sein Daumen wandert in den Mund. Er nuckelt und denkt dabei nach.


    Zwei Männer lehnen gegen eine Steinsäule. Sie warten gelangweilt. Auf den Dritten im Bunde.
    "Lucius kommt immer zu spät." -
    "Du kennst ihn doch, Vulpius." -
    "Schau ma'. Der Junge dort."-
    Der zweite Mann, Lucius, wendet sich zu Nero. Beide mustern ihn aufmerksam. Sehen den Elfenbeinmond auf den Schuhen.
    "Ein kleiner Patrizier. Ganz alleine?" -
    "Scheint so zu sein." -
    Vulpius stößt sich von der Säule ab. Langsam schlendert er zu Nero. Die muskulösen Arme hinter den Rücken verschränkt. Die grobe Tunika mit einem Ledergürtel geschnürt.
    "Na, Junge. Suchst' was?"
    Nero späht nach oben. Seine Augen verschmälern sich. Der Mann ist ihm unheimlich. Solche Gestalten kennt er. Sie sind manches mal auch in der Villa in Alexandria zu finden.
    "Den Tempel des Divus Romulus. Weißt Du es? Wo er ist?"
    Vulpius spitzt die Ohren. Das Genuschel des Jungen ist schwer verständlich.
    "Aber sicher doch, Junge. In die Richtung. Komm. Ich zeige es Dir."
    Grob packt er die Hand von Nero. Zieht ihn in eine gänzlich andere Richtung. Vulpius hat eine Gelegenheit gewittert. An schnelles Geld zu kommen.
    "Lass mich los."
    Nero hat den Daumen aus dem Mund genommen. Vulpius zerrt ihn hinter sich her.
    "Zier' Dich nicht, Jüngelchen. Ich zeige Dir doch nur den Tempel."
    Nero will seine Hand entziehen. Doch die Faust des Mannes ist fest um die Nämliche geschlossen.
    "Lass mich los."



    Sim-Off:

    Auch schon vergeben.



    Vom Himmel steige, Herrin Kalliope,
    herab, heb an zur Flöte ein langes Lied,
    auch – wünschst du's – nur mit heller Stimme
    oder zum Klange vom Phoebus' Leier!


    Da! Hört ihr's? Oder täuscht mich ein holder Wahn?
    Mir ist, als hört ich Klänge, als schweift ich selbst durch heil'gen Hain, wo sanft die Quellen
    rauschen und linde die Lüfte wehen.
    - Der Musen Macht, Horaz



    Euphonisch ist der Klang des Wassers. Lauter und rein das ungetrübte Plätschern des süßen Nass'. Aus einer Amphore aus Stein ergießt es sich. Gehalten von einer Nymphe. Aus Marmor. In einen Moos grünen See fließt das Wasser. Goldenen Sonnen similär. Erstrahlen die Seerosen. Umkränzt von zarter Morgenröte in der Form ihrer Blust. Rosa Blüten um goldene Dolden. Sie schweben ätherisch auf dem grünen Spiegel. Oleanderblüten malen sich auf der Oberfläche ab. Sachte wiegen sich die Zweige der Pflanze im Wind. Tanzen. Spielen. Frohlocken an diesem schönen Tag im Herbst. Den Nämlichen die Sonne den Menschen von Rom schenkt. Und Freude in die Herzen pflanzt. Sofern man die Muse hat. Die kostbare Zeit des Tages mit Frohsinn und Dolcefarniente zu begehen.
    Die Menschen in diesem Garten vermögen es. Poppaea Sorana hat geladen. Die Gäste strömen in den Garten ihres prachtvollen Anwesens. Ein Fest der Poppaea Sorana verpasst man nicht. Ausgewählt sind die wenigen Gäste. Die sie an solchen Tagen zu sich holt. Erlesen vom Geschmack. Erhaben in der Wortwahl. Nobel. Edelmütig. Geistreich. Mit Witz. Oder burlesk. Eines oder alles müssen die Gäste offerieren. Um von Poppaea Sorana geladen zu werden. Eine Einladung mit goldenen Lettern zu erhalten. Eine Nämliche schlägt man nicht aus. Es sei denn, man will Poppaea Sorana als Feindin haben. Zeit und Muse hat die Frau. Um ihren Feinden das Leben schwer zu machen. Das Geld ebenso. Eine reiche Eques ist sie. Mit jenem Vermögen weiß sie indes die Künste zu unterstützen. Oder ihre Freunde zu verwöhnen. Mal mit einem Fest in ihrem Garten. Aber auch anderen Vergnüglichkeiten. Manche davon scheuen das Tageslicht. Und suchen die Nacht.
    Nur der Genannte ist geladen. Kein Eheweib. Noch Gatte. Weder Bruder. Oder Vater. Keine Mutter. Auch nicht die Schwester. Genauso wenig die Geliebte. All jene sind nicht erwünscht. Auf diesem Fest. Nur der Geladene.


    Drei Tage Euphorie. Geschwelgt hat Callista. In dem Wissen zu diesem Fest eingeladen zu sein. Fortuna hat Callista geholfen. In der Werkstatt des Boethos von Athen ist sie auf Poppaea Sorana getroffen. Beiläufig haben sich die beiden Frauen unterhalten. Über Kunst. Über Schönheit. Die Perfektion in Stein gemeiselt. Die Natur bringt dies selten so vollkommen hervor. Wie die Hand des Menschen. Eine Stunde später erhällt Callista einen Brief. Mit goldenen Buchstaben. Erst da erfährt sie. Wen sie in dem Atelier des Künstlers getroffen hat.


    Geschmückt. Gesalbt. Wohlriechend. Adrett. Strahlend. Callista hat sich heraus geputzt für das Fest. Blauer Stoff umfließt ihren Körper. Als ob eine Nymphe aus dem Wasser entsteigt. Silbern der Schmuck. Aus etruskischer Hand geschaffen. Strahlend die Saphire. An ihren Ohrringen und den feinen Ringen ihrer beiden Händen. Elfenbein das Schuhwerk. In seiner Farbe. Aber ohne einen Halbmond. Heute möchte Callista nicht in ihrer Abstammung sogleich erkannt werden. Das Ritual findet erneut statt. Bevor sie zu dem Fest erscheint.
    "Bin ich schön?"
    Benohé lächelt still in sich hinein. Erwartet ihre Herrin eine andere Antwort?
    "Bezaubernd, Herrin. Wie immer."
    Zufrieden ist Callista. Das Fest ist gerettet.


    Harfenseiten erzittern. Unter den Fingern einer Sklavin. Melismisch schwingt die Melodie im Garten. Betörend ist das Weben mit den Tönen der Syrinx. Zudem der Stimme eines Knaben. Rein und vollkommen. Schön ist das Antlitz des Jünglings. Ebenmässig seine Züge. Seine vollen Lippen. Die schwarzen Locken. Die sich über seinen weißen Oberkörper ergießen. Andächtig sein Ausdruck. Versunken singt er. Ohne die Gäste zu bemerken. Einem jungen Gott gleicht er mit seiner Erscheinung.
    Gelächter übertönt immer wieder den Gesang. Es stört den Sänger nicht.
    "Eine Parodie auf ihre Familie? Im eigenen Haus. Äußerst peinlich. Man konnte wirklich alle wieder erkennen?"
    Eine Frau mit einer roten Perücke lacht entzückt auf.
    "Stehen nicht bald die Wahlen an?"
    Eine dünne Stimme wirft es in die Runde.
    "Keine Politik, Mamilius. Deine schönen Lippen sollten uns ergötzen. Nicht langweilen."
    Amüsiert ist das Funkeln in den Augen der Sorana. Türkisgrün leuchten sie. Die goldroten Locken türmen sich auf ihrem Haupte. Selbstsicher ist ihr Gehabe. Speisen werden heran getragen. Der See funkelt zu ihren Füßen. Edle Klinen bieten ihnen ein Lager.


    Verträumt liegt Callista auf einer großen Kline. Nicht alleine liegt sie. Zu zweit oder zu dritt liegen die Gäste auf den Klinen. Im Halbkreis vor dem See. Zu dessem Ufer sich die Musiker wiegen. Neben den Zweigen von weißen Rosen und purpurnen Oleander. In der Mitte des Sees ragt eine Insel empor. Mit einer lauschigen Laube. Ein vergoldetes Boot wartet am Ufer. Callista träumt sich auf dieses Boot. Fern trägt es sie. Zu einer entrückten Insel. Die Gespräche entgehen ihr.
    "Was meinst Du, Callista?"
    Entrissen wird Callista. Ihren Träumen. Sie hebt ihre dunklen Wimpern. Richtet sie auf die schöne Poppaea. Die schon zehn Jahre älter als Callista ist.
    "Liebend gerne."
    Was auch immer sie gefragt wird. Callista ahnt es nur. Sie hat mit halben Ohr zugehört. Poppaea lächelt erfreut.
    "So sind schon die Meisten für das Spiel. Faun und Nymphe."
    Erwartungsvoll sieht Sorana zu den Mann an der Seite von Callista.
    "Stimmst Du dem Vorschlag auch zu?"



    Sim-Off:

    Und eben jener wird schon erwartet. Reserviert.

    Einige Male blinzeln. Schon sind die Tränen bei Callista getrocknet. Die Tristesse gräbt sich an diesem Tag nicht übermäßig in Callistas Seele. Der Einsamkeit ist sie immerhin entflohen. Aber der Gram von Epicharis. Der bedrückt Callista. Nicht aus Mitgefühl für die junge Claudia. Stimmungen empfängt Callistas Gemüt leichthin. Euphorie. Glück. All das vermag Callista an zu stecken. Aber genauso Trauer und Trübsal.
    "Mumpitz. Irrtümer kommen oft vor in der Welt. Erst der Rat der Götter vermag uns Sicherheit zu geben."
    Bestimmt ist Callista. Aber so sicher ist sie nicht. Sie hat es oft versucht. Das Schicksal ihres Bruders in Erfahrung zu bringen. Jede Wahrsagerin. Jeder Zauberer. Alle haben sie ihr unterschiedliche Dinge offeriert. Auch die Sterne haben es nicht offenbart. Callistas Glaube ist hinwieder ungebrochen. An all all diesen Kokolores.


    Immerhin weint Epicharis nicht mehr. Zumindest nicht in ihr Gewand hinein. Ein Blick genügt. Sie sieht den dunklen Fleck auf dem Stoff. Callista unterdrückt ein Seufzen. Sie wird das Kleid wohl wechseln müssen. Dabei hat sie den halben Morgen verbracht. Mit der Wahl des Kleides. Zum sonnigen Tag muss es passen. Zu ihrem Gemüt dazu. Außerdem hat Callista die Muse dafür. Sich Stunden lang mit Kleidern und Schmuck zu beschäftigen. Was soll sie sonst am Tag tun? Die Ödnis währt ohnedem lange genug. In solchen Stunden. An den meisten Tagen. Die nicht mit Aufregung gespickt sind. Dort offenbart sich allweil die Leere ihres Lebens. Ohne Sinn. Ohne Relevanz. Den Nimbus erhält sie durch ihre Schönheit. Durch Anmut. Aber das ist mitunter nicht sonderlich befriedigend. Besonders wenn sie keinen Verehrer in ihrer Nähe hat.
    Somit trifft die Frage von Callista auf fruchtbaren Boden. Es keimt. Die Pflanze von Callistas Selbstverliebtheit.
    "Von mir erzählen? Jetzt, wo Du so gegrämt bist?"
    Lange ziert sich Callista nicht. Ihre Bedenken sind nicht ernst gemeint.
    "Schrecklich ist es mir ergangen. Mein Vater hat mich an einen alten Widerling verheiratet. Ein lüsterner Senator in Ägypten. Du wirst sicherlich davon gehört haben. Unerträglich war der Mann. Aber er ist nun tot. Den Göttern sei Dank."
    Oh. Das ist wohl nicht so passend jetzt.
    Hauptsache sie erzählt das nicht Deinem Herrn Papa, Callista. Lenke sie ab.
    Traun.


    Wofern spricht Callista schnell weiter.
    "Aber Ägypten ist wundervoll. Ich habe mich sofort in das Land verliebt. Eine wunderschöne Villa am Mareotis- See besitze ich. Jeden Tag glitzert die Sonne auf das Wasser. Die Rufe der Seevögel sind konsonant. Das Gefieder der Flamingos strahlend."
    Callista lächelt selig. Leider ist ihr die Villa zu einsam. Ohne ihren Bruder.
    "Die Stadt Alexandria ist voller betörender Verlockungen. Zerstreuung findet sich überall dort. Du musst unbedingt einmal dort hin kommen, Liebes. Sollte ich zurück kehren. Nach Alexandria."
    Was sie daran erinnert. Dass ihr Vater sie nach Rom holen möchte. Aber ohne ihren Bruder kennt Callista keinen Grund. Nach Alexandria zu segeln. Solange harrt sie im Schoße der Familie. Sicher vor den abominablen Aasgeiern. Die ihre Leber heraus reißen wollen. Da sie nun kein Geld mehr hat. Callista schaudert. Von ihren Sorgen spricht sie nicht. Es wäre zu blamabel.
    "Und Du lebst nicht mehr in Hispania, Süße? Hast sogar die Liebe entdeckt?"

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    Aller Illusionen beraubt ist er. Darum lässt Nero die Hand sinken. Dabei die Hand von dem Mann des Kundendienstes los lassend. Er kaut auf der Unterlippe herum. Ehe er seinen Daumen zurück in den Mund wandern lässt. Nero weiß nicht, was ihn mehr enttäuscht. Die Tatsache, dass er nicht zahlen darf. Oder dass der nette Mann nicht mit ihm spielen darf. Keine Zeit hat. Wie immer, denn die Erwachsenen sind oft beschäftigt. Kinder scheinen ihnen lästig zu sein.
    "Du willst mein Geld nicht? Weil ich zu klein bin?"
    Nero versteht es nicht. Aber wenn ein Erwachsener das nicht will. Dann will er nicht. Nero widerspricht da lieber nicht.
    "Ah so."
    Ein Murmeln. Gekniggt sieht der Junge aus. Schritte nähern sich. Das Rascheln von Gewändern. Zwei Frauen treten in das Atrium. Eine Sklavin. Eine Claudia. Die Claudia trägt ein rotes Gewand. Die Sklavin. Mit der dunkleren Haut. Und den exotischen Gesichtszügen. Sie trägt eine blau silbernes Gespinst. Was bis zu ihren Knien geht.
    "Nicht der Garten. Fatigant."
    Benohé hat erneut eine schwere Aufgabe. Callista langweilt sich.
    "Die Märkte?"
    Energisch schüttelt Callista ihren Kopf.
    "Stupide."
    Callista erspäht ihren Sohn. Ehe sie das Atrium durchquert. Sie stockt und bleibt stehen. Erst da erblickt sie die beiden Männer, die so ganz und gar nicht in Callistas Reminiszenzen passen. Callista wendet sich zu Benohé um.
    "Wer ist das?"
    Benohé muss nicht lange nachdenken. Die beiden Männer sind ihr unbekannt.
    "Ich weiß es nicht, Herrin."
    Callista wirkt beruhigt. Nicht verärgert, dass es ihrer Sklavin nicht möglich ist. Die Namen der beiden Männer zu nennen. Oder ihre Intention. Wofern kann es kein Verwandter sein, den Callista nicht präsent hat.


    Callista streckt sich. Würdevoll schreitet sie auf die beiden Männer zu.
    "Salve. Bist Du der Medicus?"
    Callista hat einen vorgestern ein bestellt. Noch hat sich der dreiste Hellene nicht zeigen lassen. Aber ein Medicus muss bald nach ihrem Jungen sehen. Die Reise war sicherlich sehr anstrengend für ihn.
    Nero verzieht das Gesicht. Als er das Wort hört. Medicus. Er presst die Lippen aufeinander. Ombrage steigt in ihm auf. Aber der Mann ist zu nett. Um ein Medicus zu sein. Er wirkt nicht so. Als ob er Nero rein legen will. Es wäre indes nicht das erste Mal. Dass ein Medicus das bei Nero versucht. Immerhin weiß Nero es sehr gut. Sich zu verstecken. Und erst heraus zu kommen. Wenn der Medicus wieder weg muss.
    "Nein, Mater. Das ist der Wassermann. Er will gucken. Ob das Wasser aus dem Berg kommt."
    Tadelnd ist der Blick von Callista. Nero verstummt, ehe er noch etwas anfügen kann. Seine Mutter mag es nicht. Wenn Nero sich in Gespräche einmischt, die Erwachsene führen. Darum überrascht es ihn nicht. Was sie ihm sagt. Außerdem zieht sie ihm den Daumen aus dem Mund.
    "Gehe auf Dein Zimmer, Nero."
    Nero nickt stumm. Treuselig sieht er zu dem Mann vom Kundendienst hoch.
    "Danke schön."
    Verbunden fühlt sich Nero. Für alle schönen Antworten, die er erhalten hat. Er lächelt.
    "Vale."
    Sodann dreht er sich um. Verlässt das Atrium.
    "Dann schickt Dich der Curator Aquarum?"

    Einem Fisch auf dem Trockenen. So dünkt in dem Moment Callista. Ihr Mund öffnet sich. Schließt sich. Und öffnet sich erneut. Erschrocken hält sie die Luft an. Ihr Vater ist welk geworden. Das hat Callista durchaus bemerkt. Mit Degout. Aber der Anblick schockiert sie. Schon als Kind hat sie daran geglaubt. Ihr Vater ist unsterblich. Er wird immer da sein. Solange auch Callista auf Erden wandelt. Dieses Ringen mit dem Tod. Mit dem Alter. Es zerstört Callistas Illusion. Und rückt den grausamen Segen Plutos näher an ihr Bewusstsein. An ihr eigenes Leben. Ihre Unterlippe erzittert. Starr bleibt sie stehen. Verfolgt den weiteren Zug der Salier nicht mehr. Besieht die anderen schönen Männer nicht.
    "Pater."
    Ein Hauchen. Die Flamme lodert ein Quäntchen höher. Tränen treten ihr in die Augen. Für sie selber gemeinhin. Aber dieses Mal auch einige Wenige für ihren Vater. Erstaunt wirkt Benohé. Callista bemerkt es nicht. Schon eilt sie auf ihren Vater zu. Die kleine Patrizierin drängt sich energisch durch die Nachzügler. An Gaffern vorbei. Sie gleitet neben ihrem Vater auf den Boden. Das kostbare Gewand wird beschmutzt. Es ist Callista gleichgültig. Ihre Finger ergreifen die Hände ihres Vaters. Kalt sind ihre schmalen Finger. Aber noch kälter erscheinen ihr die schwieligen Hände ihres Vaters.
    "Pater meus."
    Sie presst seine Hand an ihre Wange. Blass ist diese. Vom Schrecken. Hilfe suchend. So sieht Callista zu dem Sklaven von Myrtilus. Dann zu Benohé. Die einem Schatten gleicht. Hinter Callista steht.
    "Einen Medicus. Schnell, Benohé."
    Geschmeidig gleitet Benohé in die Reihen der Zuschauer.


    "Pater. Es wird alles gut."
    Was tue ich da?
    Wenn er stirbt. Dann bist Du ihn los, Callista. Dann kannst Du alles tun. Wozu Du Lust hast.
    Traun. Aber...
    Die Stimmen verstummen. Im Angesicht des Zwiespaltes. Hass kämpft gegen die kindliche Zuneigung. Tränen rinnen über ihre Wangen.


    Die Entscheidung wird ihr abgenommen. Ein grauhaariger Grieche tritt hervor. Hinter der Sklavin.
    "Einen Medicus hast Du gerufen?"
    Ein Blick. Der Hellene erkennt die Faktizitäten. Zu Benohé gewandt.
    "Besorge eine Sänfte, Serva. Lasse sie bis hierher bringen."
    Sanft drängt der Grieche Callista zur Seite. Greift nach einer Tasche.
    "Einen Becher. Mit Wasser."
    An Zahir sind die Worte gerichtet. Oder auch an Callista. Benohé hat sich in die Menge begeben. Um die Sänfte der Callista zu holen. Nicht lange und der Medicus erhält den Becher. Callista kniet weiter neben ihrem Vater. Hält die Hand fest. Einem rettenden Anker similär. Ängstlich sieht sie zu ihrem Vater hoch. O, wenn er sie doch beruhigen würde. Sagen. Dass es ihm schon gut gehen wird. Bis in alle Ewigkeit.
    Dunkle Tropfen vermengen sich mit dem klaren Wasser. Der Medicus verrührt den Trank. Reicht ihn an Myrtilus.
    "Trink dies. Das wird Dir gut tun."

    Sonnenbeschienen ist der Tag. Munter das Spiel zweier Sumpfmeisen. Die braun grauen Vögel. Mit den schwarzen Köpfchen. Grazil und zierlich. Sie planschen in einem kleinen Becken in der Nähe. Wasser funkelt auf ihrem Federgewand. Sie plustern sich auf. Lassen sich von dem Schluchzen nicht beeindrucken. Callista betrachtet die filigranen Flugwesen. Beneidet sie. Um ihr munteres Spiel. Callista ist keine gute Trösterin. Geduld oder Mitleid sind ein fremder Zug in ihrem Wesen. Epicharis zu Liebe. Für ihre Familie bemüht sich Callista.
    Es erstaunt sie. Dass Epicharis für einen Verlobten Tränen vergießt.
    "Du Arme. Unglückseliges Schätzchen."
    Sanft streicht Callista über die Wangen. Die von Grameszeugnis feucht sind. Mit Schrecken bemerkt Callista. Die Tränen näßen ihr Kleid. Ärgerlich runzelt sie die Stirn. Aber nur einen geringfügigen Moment lang. Nach und nach versteht Callista. Die Worte sind schwer zu deuten. Aber nach vielen Tränenschluchzern ergeben sie einen Sinn. Ihr Verlobter ist tot. Gefallen in der Schlacht im Osten.
    Warum freut sie sich nicht?
    Es sind echte Tränen, Callista.
    Liebt sie ihn womöglich?


    In Gedanken erwägt Callista. Was sie erwidern soll. Aufmunterungen. Dass es doch viele schöne Männer gibt. Die mit Freuden Epicharis ehelichen würden. Dass die Ehe nicht derart erstrebenswert ist. Sondern voller Zwänge. Dass Callista tot unglücklich war. Als sie mit dem Senator verheiratet war. Es erscheint ihr alles nicht passend zu sein. So greift Callista zu den Sentiments. Die ihr näher sind. Den eigenen Verlust. Ihn hatte sie verloren. Und er würde nicht mehr zurück kehren. Callista denkt an ihn. Es steigen ihr selber Tränen in die Augen.
    "Liebes. Ist es sicher? Kein Irrtum? Es ist doch so weit von Parthia. Bis nach Rom. Vielleicht ist auch ein anderer Flavier damit gemeint. Es gibt sie doch zu Hauf. Die ganzen plebejischen Flavier. Meine ich."
    Callista seufzt. Sie kaut an ihrer Unterlippe herum. Schwesterlich legt sie die Arme um Epicharis. Dabei denkt Callista nach. Irrtum oder nicht? Lügt die Acta? Oder sagt sie die Wahrheit? Callista beobachtet das Schaukeln eines Lorbeerzweiges. Sieht ihn indes nicht.


    Ein Einfall kommt ihr.
    "Es gibt nur einen Weg, Liebes. Das heraus zu finden."
    Callista löst sich von Epicharis. Die Nähe wird ihr mitunter zu viel. Zu einem anderen Zeitpunkt wäre das womöglich anders. Aber nicht mit Tränen auf den Wangen. Bei Epicharis. Das bedrückt Callista. Stattdessen greift Callista nach den Händen von Epicharis.
    "Wir müssen den göttlichen Willen erfragen. Sie werden es uns offenbaren."
    Keinen Widerspruch würde Callista zu lassen. Sie winkt Benohé heran.
    "Gehe auf das Forum Romanum, meine Benohé. Hole die Zauberin. Die hinter dem Tempel des Divus Romulus. Sie ist die Beste. Sie soll uns die Wahrheit verkünden. Eile, meine Benohé."
    Benohé neigt ergeben das Haupt. Und schreitet davon.

    Schwebend sind ihre Sentiments. Der Trank der Sklavin brennt noch in Callistas Körper. Versetzt ihre Gestimmtheit in imponderablere Launen. Euphorisch ist sie. Ein Fest schmeichelt ihren Sinnen. Schöne Menschen treiben in dem Meer von Luxus und Pracht. Lachen und Gespräche umgeben sie. Ihre Acht ist in extenso auf Hungaricus gerichtet. Doch nimmt sie auch noch die anderen Eindrücke wahr. Die sie für einen Abend aus der Tristheit ihres Lebens heraus reißt.
    Die blaue Weinbeere wandert in ihren Mund. Deliziös ist der Geschmack. Callista ergibt sich in den einfachen Genuss. Der Traube.
    Noch sehr viel mehr in dem Kompliment. Das Schicksal ihrer Namensgeberin. Das möchte sie nicht teilen. Unsterblichkeit ist erstrebenswert. Aber nicht in weiter Ferne. Als ein nebulöses Licht am Himmel. Aber Galanterie entzückt Callista. Ungemein. Geschmeichelt ist Callista. Das drückt sie mit dem passenden Lächeln aus.
    Der Perfektion des Abends fehlt nur noch eines. Die Gesellschaft eines stattlichen und schönen Mannes genießt Callista. Das Aroma der köstlichen Speisen steigt ihr in die Nase. Die anderen Gäste sind erlesen. Aber absent ist es. Die Musik. Keine Laute wird angeschlagen. Keine Stimme erhebt sich. In euphonischem Klang. Trivial irritiert das Callista.
    Es erfreut Callista jedoch. Dass sie in ihrer Einschätzung nicht gänzlich fehl geht. Praefectus Urbi also. Die rechte Hand des Kaisers. Callista ist enthusiasmiert. Mischt sich wahre Macht mit Charisma. Noblesse mit Schönheit. Das empfindet Callista als voluptuös. Besonders erotisch.
    Bestimmt ist er verheiratet.
    Davon kannst Du ausgehen, Callista. Mächtig und attraktiv.
    Umso besser.


    Verheiratete Männer und Callista haben oft viel gemein. Der Ödnis ihres Heimes wollen sie entgehen. Aber die Abenteuer müssen verborgen bleiben. Callista hat auch kein Interesse. All die verbotene Dinge ihres Tuns. An die Öffentlichkeit getragen zu sehen.
    "Es ist mir eine unvergleichliche Pläsier. Dich kennen lernen zu dürfen, Vinicius Hungaricus."
    Schnell sucht er sie zu ergründen. Einen untrüglichen Sensorium besitzt Hungaricus. Aber überrascht ist Callista nicht. Es ist ein Fest mit sehr vielen Patriziern. Als Gäste. In einem patrizischen Haus. Zudem bildet sich Callista viel ein. Auf ihre Herkunft. Sie glaubt. Es mit jeder Faser ihres Körpers aus zu strahlen. Ihrer Haltung. Ihrem Geschmack. Womöglich sind es aber auch nur all das goldene Geschmeide. Die Überreichlichkeit an goldenem Prunk. Zur Bestätigung klimpern ihre Rubininaures. Ihr Arm hebt sich. Die goldenen Armillae klirren piano. Ein Wink. Benohé ahnt den Wunsch. Wartete bereits seit geraumer Weile. Callista achtet nicht auf die Sklavin. Ihre nahezu schwarzen Augen ruhen auf den Antlitz von Hungaricus.
    "Aus der Familie der Claudier entstamme ich."
    Es ist nicht nur der Stolz auf die noble Herkunft. Die aus Callista spricht. Auch das Wissen. Dass zahlreiche ähnliche Frauen diesem Geschlecht entsprungen sind. Ihr gleichend. Bedacht auf die Herkunft. Sorgsam um einen einwandfreien Ruf bedacht. Leider stellen sich dem stets große Widrigkeiten entgegen. Die Persönlichkeit von Callista. Denn sie ist gleichsam von dem Verruchten angezogen. Simlär vielen Claudiae zuvor. Was mitunter an der Monotonie einer solchen Herkunft liegt.


    Geschmeidig und diskret bedient Benohé. Sie reicht Speisen an. Benohé besieht sich die Köstlichkeiten. Die für ihre Herrin bestimmt sind. Aber auch für Hungaricus. Ihre Nase erschnuppert. Ob ein verdächtiger Geruch anhaftet. Im Schatten kostet sie auch die Speisen. Ob ihr Arom der Claudia gerecht wird. Und sie unverdorben sind. Callista ist stets ein wenig besorgt. Wenn sie nicht in den eigenen vier Wänden speist. In natura sollte sie sich dort noch mehr fürchten. Es wäre nicht das erste Mal. Das Sklaven versuchen sie zu vergiften. In Alexandria war das gleich drei Mal vorgekommen. Ebenso unscheinbar sorgt Benohé dafür. Dass Hungaricus mit einem deliziösen Wein versorgt ist.
    "Ich muss sagen. Mittlerweile überrascht es mich nicht. Dass die Stadt mir derart sicher erscheint. Sogar des Nachts kann man ungestraft die Straßen Roms betreten."
    Callistas Augen blitzen vergnügt. In der Nacht wäre die Gefahr eigentlich ein Reiz gewesen. Aber Callista verklärt diese gerne. In ihrer Phantasie.
    "Dann sind die Tage sicherlich sehr aufregend für Dich, Vinicius Hungaricus. Die verdorbene Elemente dieser Stadt beseitigen, das Verbrechen in ihrem Sumpf austrocknen und über das Schicksal vieler Menschen entscheiden."
    Aufregend findet Callista die Vorstellung. Sie hat auch keine Ahnung. Was die tatsächliche Arbeit eines Praefectus Urbi angeht. Erneut tanzt die Phantasie auf den Wogen ihrer Wunschträume.

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    Mit geschwellter Brust richtet sich Nero auf. Stolz ist er. So viel Geld gespart zu haben. Nero weiß. Erwachsene können nicht mit Geld umgehen. Seine Mutter nicht. Sein Onkel nicht. Es zerrinnt ihnen zwischen den Fingern. Wie Sandkörner. In Alexandria hat seine Mutter ihn fragen müssen. Wo er das Geld aufbewahrt. Damit sie überhaupt noch eine Reise bis nach Rom machen konnten. Natürlich hat Nero nicht alles seiner Mutter gegeben. Er weiß. Dann ist es sofort weg. In Rom hat er die Schachtel aufgefüllt. Zum Teil mit Münzen von seinem Großvater. Es ist erstaunlich. Wie spendabel Erwachsene werden. Wenn man lieb und artig ist. Ihnen aufmerksam zuhört. Immer lächelt. Das Geld braucht Nero. Um die Sklaven zu bestechen. Die auf ihn aufpassen sollen. Auch, damit er die Medizin nicht immer nehmen muss.
    "So viel Geld habe ich. Alles selber gespart. Ich passe gut auf das Geld auf."
    Fröhlich lächelt Nero. Das Geld will er holen. Er fühlt sich dadurch flügge. Erwachsen. Das machen die großen Leute. Er nun auch. Aber der nette Mann will sein Geld nicht haben. Warum nur?
    "Dem das Haus gehört?"
    Groß sind die Augen von Nero. Enttäuscht fühlt er sich. Er denkt nach. Dann strahlt er alsbald. Ein weiteres Mal.
    "Da musst Du Dich nicht sorgen. Du hast doch selber gesagt. Das ist mein Haus. Also von mir. Nero. Als Du mir die Murmel zurück gegeben hast. Ich kann Dir das Geld sonach geben."
    Nero greift vertrauensvoll nach der Hand des Mannes.
    "Und danach? Spielen wir ein wenig? Oder zeigst Du mir? Wo das Wasser raus kommt?"





    Die Gier zu Leben. Die Lust sich dem Moment zu ergeben. Keine Zwänge. Keine Regeln. Keine Exigenzen. All das lässt Callista hinter sich. Sucht nach einem Traum gleichenden Abenteuer. Mit offenen Augen. Berauscht von Mondestränen. Göttlich. Fern. Immateriell. Nichts ist verboten. Alles ist erlaubt. Callista hat gesucht. In jener Nacht. Und sie hat es gefunden. In Gestalt des Aquilius. Göttlich erscheint er ihr in dem Schein des Mondes. Unter den Augen der Venus. Freudig ergibt sich Callista in den leidenschaftlichen Küssen.
    Kühl liebkost das Gras ihre Schenkel. Als Aquilius sie mit zu Boden zieht und über sich. Milchig taucht der Mond sie in ein phantasmagorisches Licht. Callistas Sinne sind verklärt. Sie entrückt noch mehr. Der Garten schwindet. Es schwindelt um sie herum. Ihr einziger Halt ist die Leidenschaft. Die verzehrenden Küsse, das Spiel ihrer Lippen. Das Forschen ihrer Zungen. Das Kupido wird erwidert. Callista wird es gewahr.
    Schon erspürt sie den milden Wind. Auf ihrer nackten Haut. Das Untergewand raschelt. Liegt einem Schleier gleichend auf dem dunklen Boden. Als wäre es das letzte Zeugnis ihrer Unschuld. Die sie schon vor vielen Jahren verschenkt hatte. Ihm dar geboten. Nicht ihrem verstorbenen Gatten.


    Callista richtet sich auf. Über Aquilius thronend. Ihr barer Körper im Lichte enthüllt. Nichts mehr am Korpus. Ihre schwarzen Haare fließen um ihre Schultern. Liebkosen bis zu ihrem schlanken Rücken hinab. Selene selber ergötzt sich am schönen Körper des Priesters. Der Mondschein küsst den Leib. Callista betrachtet ihn andächtig. Und lächelt. Sie lässt sich bereitwillig auf das Spiel ein. Um die Götter. Als Göttin will sich Callista gerne betrachten.
    "Nur Deine Augen machen mich schön, mein Mars."
    Kühl ist das Licht des Mondes. Frisch der Wind der Nacht. Aber Callista brennt. Die Sinnlichkeit wärmt sie. Rot goldene Flammen lodern um sie herum. Zwischen ihnen erscheinen die Gesichter der Nymphen. Satyre gesellen sich zu ihnen und verschlingen ihre Leiber. Ihre Phantasie lebt mit der Gier immer stärker auf.
    Ihre Fingerspitzen gleiten über den Brustkorb von Aquilius hinweg. Sie beugt sich hinab und legt ihre Lippen auf seinen Hals. Intensiv riecht sie seinen Duft. Männlich. Herb. Lockend. Callista amtet tief ein. Küssend gleitet sie tiefer. Ihre schwarzen Haare kitzeln über seine bloße Haut. Seide gleichen die Haare. Weich folgen sie der Bewegung von Callista. Ihre Lippen erforschen die männliche Brust. Sanft küsst sie ihn. Kitzelt mit ihrer Zunge. Beißt ihn keck. Gleichsam schmiegt sie sich mit ihrer Haut enger an ihn heran.


    Unschuldig ist Callista gewiss nicht. Unerfahren auch nicht. Sie erschmeckt Aquilius Arom genüsslich. Wonnevoll. Sinnbetäubend ist dieser. Da Callista keine verführte Jungfer ist. Sondern die Liebe gleichsam kennt. Venus similär. Darum gleitet sie tiefer. Explorierend. Küssend. Aquilius als Vorbild. Eifert sie ihm nach. Befreit ihn von dem letzten redundanten Stoff. In einem faunischen Spiel. Neckend. Auch nur ein Band. Callistas Zähne umgreifen das Nämliche. Sie zieht daran. Die letzte Grenze fällt herab.
    Sanft umgreifen ihre Lippen die Libido. Verwöhnend. Aufpeitschend ihr Gebärden. Es erotisiert Callista sodann. Ihr Atem ist schwer. Ihre Haut erschaudert immer wieder. Glatt ist indes ihr Leib. Kein Haar ziert ihren Körper. Außer an ihrem Haupte. Doch ist das Schaudern deutlich zu spüren. Und es rührt nicht von der Kälte der Nacht. Alleine vom Leibe des Aquilius. Unendliche Zeit scheint zu vergehen in diesen Augenblicken. In denen Callista erneut zu Leben beginnt. Die Tristesse und die Traurigkeit sind lange verflogen. Die Wollust durch fährt sie immer stärker.


    Sie erzittert und vermag nicht länger zu warten. Sie richtet sich auf und sucht mit ihren Lippen. Nach einem verzehrenden Kuss. Ihr Körper gleitet von Aquilius hinab. Fordernd zieht sie ihn über sich. Sie möchte ihn über sich verspüren. Unter ihrem Rücken perzipiert sie das Gras. Den Boden. Die Blätter rauschen in den Bäumen. Sie verweben sich im Laut. Mit dem Lachen der Faune. Dem lauten Stöhnen der Nymphen. Dem Frohlocken der Venus. Derer wegen sie das Opfer in der Nacht abhalten. Ihre Zunge umspielt die Seinige. Atemlos haucht sie.
    "Lass uns eins werden, mein Mars. Ehe die anderen Götter erwachen. Bevor Jupiter uns straft. Das Netz Vulcanus' uns einfängt."
    Ihre Beine schlingt Callista um Aquilius. Fiebrig drängt sich Callista an ihn enger heran. Begehrend. Doch sie überlässt es Aquilius. Ganz ergibt sie sich seinem Tun. Ohne Bedingung. Willfährig.

    Warm steigt die Luft über den Öllampen empor. Sanft kräuselt sich der Zierstoff neben einer Lampe in Callistas Nähe. Harmonisch passt sich Callista in ihrer farblichen Erscheinung dem Triclinium an. Devot verharrt Benohé zu den Füßen von Callista. Sie kniet auf dem harten Boden. Hat den Blick auf den Boden gesenkt. Wartet. Ob ihre Herrin einen Wunsch verspürt. Saftig zergeht eine fruchtig süße Traube auf Callistas Zunge. Der Saft rinnt köstlich ihren Hals hinab. Der Stimulus ihrer Sinne fliegt in ihr auf. Die Tage des Fastens machen die Traube zu einer numinosen Ambrosia. Ihren maliziösen Gedanken hängt sie nach. Langmütig harrt Callista aus. Hast und Unrast, aber auch Zaudern sind in solchen Momenten unangebracht. Ausgiebig betrachtet sie die Speisen. Auch manch einen vorbei gehenden Gast.
    Ob er kommt?
    Bestimmt, Callista.
    Unter halb gesenkten Augenliedern sondiert sie. Evident. Er rückt in ihre Nähe.
    Gewandt. Es wirkt arbiträr.
    Ist es indes nicht, Callista.
    Womöglich doch?


    All die Zweifel und Vagheit verfliegen. Blätter im herbstlichen Wind gleichend. Sonnig und golden wirkt das Lächeln von ihm. Verheißend wie die ersten Strahlen im Frühling. Das die noch kahlen Bäume durch dringt. Und den Boden mit dem warmen Schein beleuchtet. Worauf hin zarte Knospen treiben. Ob jener Schein hinwieder was zum Knospen bringen würde. Das sollte sich wohl noch erweisen. Zumindest gibt es bereits ein Echo. Ein unbeschwertes und frohgemutes Lächeln von Callista. Ihre Augen blitzen beseelt.
    Nichts macht Callista glücklicher als Aufmerksamkeit. Negiert zu werden trifft Callista maßlos.
    "Salve."
    Mit den Blicken würde Callista den Fremden verschlingen. Es gehört sich jedennoch nicht. Das, was sie erheischen kann. Das gefällt ihr ausnehmend gut.
    "Mit Vergnügen."
    Untertrieben ist das. Aber bei einem Spiel offenbart man nicht alles. Nicht bei dem ersten Zug. Und die Partie hat justament erst begonnen. Das ganze Leben ist indes für Callista nur ein Spiel. Das sie jeden Tag zu bestreiten hat. Oder genießt. Je nachdem. Wie in dem nämlichen Moment.
    Mit dem Blick versucht Callista es. Abzuschätzen. Aus welcher Gens der Mann wohl stammt. Weltmännisch verhält er sich in der Toga. Doch haftet seiner Bewegung auch noch anderes an.
    Ein kompliziertes Modus Procedendi ist die Vorstellung oftmals in diesen Kreisen. Das langweilt Callista jedoch. Beiläufig greift sie nach einer dunkelblauen Weintraube. Spielt mit der Nämlichen zwischen ihren Fingern.
    "Callista ist mein Name."
    Ungeniert ist Callista. Jedoch gibt sie erst einen Teil von sich preis. Das Andere wird er ihr noch entlocken müssen. Sofern er es überhaupt wissen möchte.


    "Darf ich?"
    Mit einem schneidigen Lächeln auf den Lippen beugt sich Callista vor. Sanft nimmt sie die Hand von Hungaricus und dreht sie um. Die Innenfläche seiner Hand betrachtet sie.
    "Die Hände verraten viel über einen Menschen. Nicht den Namen. Natürlich. Aber die Profession."
    Eine Fingerspitze gleitet über Hungaricus Handballen. Schwielen sind zu spüren.
    "Einen Senator offerieren meine Augen. Einen Soldaten meine Finger."
    Langsam hebt Callista die Augen und sieht Hungaricus länger an.
    "Ein Legat?"
    War es die Art der Bewegung? Seine Augen voller Selbstsicherheit? Die Autorität?
    Callista lächelt vergnügt und gibt Hungaricus die Hand zurück.
    "Mit wem habe ich die Ehre? Wenn ich das fragen darf?"

    Dem Gewoge folgend kommt Callista in das Triclinium. Gefällig offeriert sich dieses ihren Augen. Auch hier ist der Raum sehr schön geschmückt. Einladend und mit gutem Geschmack eingerichtet. Die ambrosischen Speisen steigen ihr in die Nase. Verlockend. Verführerisch. Callista schluckt einige Male. Denn ein Bauchgrimmen ist zu blamabel. Der Hunger will seinen Unmut äußern. Sie zwingen sich auf die Speisen zu stürzen. Glücklicherweise für Callista wird sie abgelenkt. Breite Schultern. Ein männlich markantes Gesicht zeigt sich ihr.
    Das Essen ist unwichtig. Callistas Mund zeigt ein genüssliches Lächeln. Ihre Augen blitzen erfreut auf. Hätte es sich der Mann auf einer Kline bequem gemacht. Callista hätte nicht gescheut sich einen Platz neben ihm zu erobern.
    Auf welche Weise spreche ich ihn an?
    Stoße gegen ihn, Callista.
    Nein. Wie banal. So nicht.
    In unbeschwerten Jugendjahren hätte Callista ein solches Instrumentarium gewählt. Um den Mann kennen zu lernen. Der sie interessiert. Aber nicht mehr heute. Nicht als erwachsene Frau.
    Callista hebt ihr Kinn an. Die Jahre an Übung zahlen sich aus. So lange hat sie an ihrem Gang geübt. Nun schreitet sie. Nein. Schwebt geschmeidig in den Raum hinein. An Vinicius Hungaricus vorbei. Ihre Augen sind gesenkt. Doch neben ihm. Dort heben sich die langen dunklen Wimpern. Beiläufig wirkt es. Dann wiederum nicht. Der Blick. Den sie Hungaricus schenkt. Ist er einladend? Lockend? Mit einem Hauch von Witz gemischt? Aber eindeutig auch bewunderndem Interesse. Ein Lächeln umspielt Callistas roten Lippen.
    Callista vergewissert sich. Dass sie Hungaricus Augen erfassen kann. Seinen Blick erheischt. Das befindet Callista genug der Zeichen. Sie tritt auf die Ehrenplätze zu. Die es so zahlreich an diesem Abend gibt. Durch und durch einstudiert sind ihre Bewegungen. Aber mit Natürlichkeit gepaart. Der Art nimmt sie auf einer Liege Platz. Huldvoll winkt sie einen Sklaven heran. Der sie bedienen darf.
    Den Impuls auf ihre Unterlippe zu beißen. Diesen kämpft Callista erfolgreich herunter. Denn es ist ein aufregender Kitzel. Das Spiel um verführen und verführt werden.

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    Heilfroh wirkt der Junge am Boden. Einen Anhaltspunkt hat Nero nun. Eine Eingebung ebenso. Womöglich würde Nero doch noch auf des Rätsels Lösung kommen. Zufrieden schiebt er die Tasche mit dem toten Vogel näher an sich heran. Später würde er dem auf den Grund gehen. Aber dafür würde er in das Zimmer seiner Mutter schleichen müssen. Wenn sie in der Stadt ist. Oder im Garten verweilt. Aber am Besten außer Haus. Und erneut keine Lust verspürt. Ihn mit zu nehmen auf einer ihrer Erkundungsgänge. Die sie unternimmt, um ihre Fadheit zu bekämpfen. Neros dringende Fragen indes sind geklärt. Zufrieden lächelt er und steckt den Daumen zurück in den Mund.
    Groß sieht Nero den netten Mann über sich an. Denkt nach. Auch seine Augen suchen nach einer Öllampe. Gleichfalls entdeckt er keine. Mit einem Finger fängt er an. Auf dem Boden zu malen. Nachdenklich und nur imaginäre Bilder.
    "Ich weiß nicht so genau. Ich habe mir so was nicht so sehr angesehen."
    Er bekennt dies schließlich kleinlaut. Verlegen. Er kaut an seiner Unterlippe herum. Das hat er von seiner Mutter übernommen. Und lutscht abwechselnd weiter an seinem Daumen. Viele Dinge entgehen Nero. Nicht alles erregt seine Aufmerksamkeit. Wenn er auch voller Wissensdrang ist. Der Eifer sprüht aus seinen Augen. Wenn er ein Rätsel zu lösen vermag. Was ihn beschäftigt. Was ihn umgibt. Und doch ist er nur sechs Jahre alt. Dennoch ist Nero etwas verschämt. Denn vielleicht hätte er das wissen müssen.
    "Aber es ist gut. Wenn die Götter atmen können. Ohne sie sind wir verloren. Das sagt meine Mutter immer."
    Dann muss es wohl so sein. Befindet Nero. Aber manches Mal wundert er sich schon. Über das, was seine Mutter sagt. Denn es widerspricht sich häufig. Aber Nero widerredet nicht. Würde er auch bei dem netten Mann vom Kundendienst nicht wirklich tun. Aber dessen Antworten klingen plausibel.


    Nero legt den Kopf zur Seite. Der Sänger ist doch zurück gekommen. Nero ist sich hinwieder darüber nicht ganz sicher. Es ist schon ein Jahr her. Dass der Ianitor die Geschichte erzählt hat.
    "Niemand? Oh."
    Das findet Nero schade. Denn wie soll man wissen, wo man hingeht. Und besonders, was man mitnehmen soll.
    Nero merkt. Der nette Mann hat nichts zu der Frage der Fragen gesagt. Ob sie ihn stören. Aber auf wen er wartet. Jemand, der ihm Geld gibt. Nero denkt nach. Dann nickt er ernsthaft.
    "Das verstehe ich. Für gute Dinge muss man zahlen."
    So hat er es gehört. Oftmals erlebt. Nero erhebt sich. Nimmt die Tasche über die Schulter. Würdevoll versucht er zu wirken. Ernsthaft ist er. Sodann strahlt er glücklich.
    "Ich kann Dir das Geld für das Wasser geben."
    Mit einem Nicken unterstreicht er die Bereitschaft.
    "Ich habe Geld gespart. Sehr viel Geld."
    Nero hebt die Finger. Scheint mit ihnen etwas ab zu zählen. Sogar der Daumen wird zu Rate gezogen. Dann senkt er seine Händchen erneut.
    "Ich habe zweihundert Sesterzen. Reicht das?"
    Wohlgemut strahlt Nero. Sieht den netten Mann erwartungsvoll an.




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    Verwirrt sieht Nero den Mann vom Kundendienst an. Er glaubt fest daran. Dass man alles heil machen kann. Wenn eine Vase zu Bruch geht. Am nächsten Tag steht sie wieder auf ihrem Sockel. Wenn ein Vogel tot ist. Dann hat er im Käfig bald darauf einen Neuen. Den Gleichen. Nero ahnt nicht. Dass es Sklaven sind. Die das Zerbrochene mit einer Xerokopie austauschen. Einem Imitat ersetzen. Oder einen neuen Vogel kaufen. Nur Sklaven. Die Schadhaften. Die Toten. Sie kommen nicht zurück. Nachdenklich lutscht Nero an seinem Daumen. Sklaven sind Dinge. Also kann man wahrhaftig nicht alles heil machen. Nero nickt verstehend.
    "Das stimmt."
    Huldvoll ist sein Einverständnis. Aber er will es doch heraus finden. Warum der Vogel heil wird. Wer das macht. Einen Vogelmedicus hat er noch nie in der Villa gesehen.
    "Gibt es einen Vogelgott?"
    Ganz hat Nero das nicht aufgegeben. Denn er spürt. Hier kann er auf den Grund des Sees kommen. Von Unverständnis und ungeklärten Fragen. Cerealis führt ihn.


    Auch die folgende Erklärung leuchtet Nero ein. Der Rauch ist Schuld.
    "So ist das? Ach so."
    Ein Murmeln. Ein Daumenlutschen. Nero saugt seine Lippen in den Mund. Wölbt sie nach vorne. Und zurück das Spiel.
    "Weil der Qualm nach oben geht. Kann man deswegen noch Luft holen? Und wie bekommen die Götter Luft? Sie wohnen doch oben. Atmen Götter?"
    Nero nimmt auf dem Fußboden Platz. Denn er mag nicht mehr stehen. Seine Beine über kreuzen sich. Die Tasche legt er neben sich auf den Marmorboden. Die Murmeln klimpern. Der Kasten klappert. Nero liebt schaurige Geschichten. Der Ianitor in Alexandria hat sie ihm erzählt. Vom bösen Hund am Eingang der Unterwelt. Bis hin zu Pluto. Von dem Sänger. Der in die Unterwelt ging. Und dort nach seiner Frau gesucht hat. Genüsslich erschaudert Nero. Bei der Erwähnung des Fährmannes.
    "Kommt das Wasser von der Unterwelt auch aus einem Berg? Kann man mit einem Boot dorthin fahren? Warst Du schon mal dort? Kommen Vögel auch in den schönen Garten?"


    Nero merkt. Seine Fragen sind vielleicht dem Mann nicht Recht. Denn seine Mutter stört sich daran. Wenn er zu viel fragt. Die Antworten des Mannes erscheinen Nero wie ein Schatz. Golden und silbern glänzende Murmeln. So schön ist die Auskunft.
    "Frage ich Dich zu sehr?"
    Treuherzig blinzelt Nero nach oben. Er nimmt sogar den Daumen aus dem Mund. Ein Lächeln hilft oft. Das hat Nero gelernt. Deswegen zeigt er ein Nämliches.
    Nero schüttelt den Kopf.
    "Nein. Die Sklaven sind noch da. Und Mama. Mein Onkel ist weg. Mein Großvater ist vielleicht auch da. Er ist krank. Meine Amme schläft. Der Gärtner ist noch da. Sonst weiß ich nicht. Wartest Du auf jemanden?"




    Ein Antagonismus ist es. Was Ofella bei Callista auszulösen vermag. Denn Callista ist sich nicht definitiv. Ob die Inszenierung auf der Bühne humoristischer ist. Oder das Gehabe der an geheirateten Verwandten. Im Dunkeln ist es Callista vergönnt. Ofella immer mal wieder zu mustern. Und vergnügt in sich hinein zu lachen.
    Sie hat schon eine unprätentiöse Nuance an sich.
    Ofella ist keine echte Claudia, Callista.
    Ergötzlich ist sie.
    Callista kommt immer öfter in den Genuss. Sich über ihr drolliges Verhalten zu ergötzen. Denn die Anspielungen auf der Bühne werden Callista zu eigen. Sie versteht sie nicht immer. Und findet sie darum nicht mehr ganz so erheiternd. Die Einlagen, die in ferner Zukunft einen Schlagstock als Unterstützung der Schauspieler bedürfen, sind indes ansprechender. Aber erneut erheitert die Resonanz des Publikums Callista. Sie sucht mit ihren Augen nach dem lauten Lachen. Und gluckst vergnügt. Menecrates wird ihr im dem Moment sehr sympathisch. Sehr viel Humor muss der Mann besitzen. Anders kann sich Callista das Echo nicht erklären.
    "Überhaupt nicht, liebe Ofella. Auf keinen Fall genierlich."
    Ein Flüstern zu Ofella.
    "Souverän. Wenn ich das so behaupten darf."
    Nicht nur das Missgeschick der Sklavin erheitert Callista. Erneut ist es Ofella. Vergnügt kichert Callista. Eine Mimin hätte Ofella sein können. Die offenbarte Vertraulichkeit lässt jegliche Hemmung in Callista weg brechen. Callista lacht heiter auf.
    "Ungelogen? Dein Gatte? Aber wie kommst Du nur darauf?"
    Ein Heucheln ist die Nachfrage. Zwischen jedem dritten Wort keimt das Lachen auf. Sucht sich einen Weg. Zwischen ihren roten Lippen und aus ihren dunklen Augen hervor.


    Der weiteren Darbietung kann Callista einen neuen Reiz abgewinnen. Eine der Sklaven hat sie anvisiert. Betrachtet seinen muskulösen Körper. Sein ansehnliches Gesicht. Ausgiebig verfolgt Callista den Darsteller von Upsus mit ihren Augen. Ihre vollen Lippen deuten ein genussfreudiges Lächeln an. Die Handlung des Stückes rauscht an Callista vorbei. So bemerkt Callista das Endes des Stückes nicht. Erst als Prisca ein weiteres Mal auf die Bühne schreitet. Callista schenkt den Sklaven Applaus. Ihre Hände sinken herab. Als Prisca spricht.
    Verwundert hört Callista die Worte. Gibt die Aurelia das Nämliche wahrlich zu? Dass die Sklaven derart seditiös sich über ihre Anweisungen hinweg gesetzt haben.
    Eine Auspeitschung auf der Bühne?
    Welch vortrefflicher Einfall.
    Traun.
    Natürlich deutet Callista dieses Urteil an. Par force ist Callista enttäuscht. Über das Endergebnis. Einen Schmollmund zieht Callista.
    "Schade."
    Aber das Einleiten des Mahls behagt ihr sehr wohl. Sie vergeht vor Hunger. Der Trank ihrer Sklavin hilft nicht mehr. Wo wohl der stattliche Mann vom Opfer ist? Callista sucht ihn. Geschmeidig erhebt sie sich. Den Becher gibt sie einem vorbei laufenden Sklaven. Den Vortritt überlässt Callista dem Hausherrn. Den Aureliern. Ebenso der Weiblichkeit dieses patrizischen Geschlechts.

    Dem Feiertag wegen hat sich Callista früher erhoben. Aus dem weichen und warmen Bett. Das ihr selige Träume schenkt. Das Vergessen und an manchen anderen Tageszeiten auch andere Vergnügungen. Die morgendlichen Schmeicheleien ihrer Sklavin hat sie nicht abgewartet. Es war schon reichlich spät gewesen. Eilends hat sich Callista aufgemacht. Rechtzeitig erkämpfen ihr die Sklaven einen Platz. In der ersten Reihe der Zuschauer. Ihr Vater selber erscheint zum heiligen Tanze. Er wird sich sicherlich freuen. Sie unter den Zuschauern zu sehen. Aber das ist nicht der einzige Grund. Für Callistas Erscheinen. Nicht nur Greise sind unter den Saliern. Nein. Auch schöne und athletische Männer. In der Blüte ihrer Kraft. Und nichts könnte Callista abhalten. Diesen zu zu sehen. Bei ihrem traditionellen Tanz. Archaisch. Kraftvoll. Stolz. Verwegen. Alles, was die Männer noch begehrenswerter macht.
    Nicht zu lange muss Callista warten. An dem Platz, den sie sich auserkoren hat. Für ihre Admiration. Für die schönen männlichen Körper.
    Callista hat schon früher die Auftritte der Salier geliebt. Heutigentags kann sie sich für die Salierzüge noch mehr enthusiasmieren.
    "Meine Benohé?"
    Die Sklavin tritt näher an Callista.
    "Siehst Du den schönen Mann?"
    Benohé fixiert die Salier. Und weiß nicht, wen Callista dieses Mal meint. Nur ihr Vater dürfte ausgeschlossen sein. Ebenso zwei andere ältere Männer. Die den Ansprüchen von Callista nicht genügen. Auch der dürre Bursche in der hintersten Reihe. Der würde Callista nicht gefällig sein.
    "Ja, Herrin."
    Zustimmung. Mehr braucht Callista nicht.
    "Wie wundervoll sie tanzen. O wie schön. Erhaben. Edel und dem alten Blute entsprechend. Nur die Salier können diese Würde ausstrahlen."
    Den anderen Bruderschaften schenkt Callista niemals so viel Aufmerksamkeit. Die Ährenkränze wirken etwas albern auf Callista. Natürlich sagt Callista das nicht. Denkt es nicht. Immerhin sind diese auch von großer Bedeutung. Aber die Waffentänze beeindrucken Callista jedes Jahr. Sie seufzt hingebungsvoll. Kann sich nicht an den schönen Männern satt sehen.
    "Oh."
    Aquilius betrachtet Callista länger.
    "Schön ist er. Eines Marspriesters würdig."
    Sie streift über ein anderes bekanntes Gesicht. Nein. Sie betrachtet mehr die schönen Waden. Und beißt sich auf die Unterlippe.
    "Eine Schande. Dass der Aurelier stets die Toga trägt. Wenn man ihn sieht."
    Eigentlich findet Callista es auch schade. Dass dieser überhaupt etwas am Leibe trägt. Callista lächelt vergnügt. Ein drittes Gesicht wird ihr gewahr. Sie sieht den Mann länger an. Auf dem Fest hat sie ihn gesehen. Aber doch ist eine andere Vertrautheit zu spüren. Anziehend. Betörend. Callistas Brust hebt sich schneller. Unwillig schüttelt Callista den Kopf. Sie mag es nicht. Wenn sich ein Rätsel auftut. So sieht sie lieber dem weiteren Tanz zu.
    "Da möchte man flagrant eine bezahlte Tänzerin sein, meine Benohé. Wenn es sich schicken würde. Tragisch."
    Mit einem Deuten zeigt sie ihren Sklaven. Sie will den Zug noch weiter verfolgen. Und das Straucheln ihres Vaters entgeht Callista. Auch die Erschöpfung auf seinem Gesicht.
    "Herrin? Ich glaube, Deinem Vater geht es nicht gut."
    Überrascht reißt sich Callista von den schönen Männern los. Besieht sich ihren Herrn Papa.
    "Oh."
    Ein menschlicher Funken erhebt sich in Callista. Als Kind hat sie ihren Vater geliebt. Verehrt. Der Hass ist an diese Stelle getreten. Ein Quäntchen Zuneigung ist ihr dennoch geblieben. Und dieser kämpft mit dem Hass in ihr. Sucht nach Luft. Um heller zu strahlen.

    Die Lossprechung. Die Begnadigung. In drei Worten erfolgt sie. Ich vergebe Dir. Drei winzige Trivialitäten. Jedes einzelne farblos. In ihrer Zusammenstellung strahlend. An Callista gerichtet heilbringend. Und von ihrem Vater ein Segen. Nicht die Gefühlswallung. Die sich hinter diesen Worten verbergen. Callista ist nach der Absolution ihrem Ziel näher. Die Hilfe. Die sie braucht und nach der sie sich sehnt. Die Aasgeier kreisen über ihr Schicksalslos. Und kein Streiter ist in Sicht. Kein Bruder. Der sie rettet. Somit bleibt Callista nur ihr Vater übrig. Und somit kriecht sie den Gang nach Canossa. Mit ähnlicher Ehrlichkeit. Zudem gleicher Gefühlslage. Doch stets ist sich Callista genauso bewusst. Edler Herkunft ist sie. Gleichermaßen ihr Leidensgenosse in späterer Zeit.
    "Ich danke Dir, Pater meus."
    In effectu. Callista ist den wenigen Worten von ihrem Vater verbunden. Es erhebt sie aus dem würdelosen Stand. Den einer Bettlerin. Einer vor dem Kreuz Kriechenden. Im Grunde glaubt sie indes anderes. Ihr Vater muss sich bei ihr entschuldigen. Ihr halbes Leben hat er ruiniert. Zerstört und sie ins Unglück gestoßen. Zumindest fühlt sie das in den letzten Monaten derart. Auch die ersten Jahre der Ehe waren eine Tribulation.
    Mithin fallen die Worte nicht auf fruchtbaren Grund. Den ewigen Tartarus wünscht Callista ihrem verstorbenen Mann. Qualen. Ödnis. Folter. Monotonie. All das soll der Mann erfahren. Der sie viele Jahre lang drangsaliert hat. Mit den zu häufigen Begehrlichkeiten. Nämlich mehrmals im Jahr. Geschickt hat sich Callista dem allzeit entzogen. Sklavinnen hatten ihm genügen müssen. Dann seine Vorwürfe. Sein Misstrauen. Die Erpressungen und das Entziehen jeglicher Geldquellen. Es wurde von Jahr zu Jahr immer schlimmer.
    "Ja."
    Emotionslos ist Callista. Mehr Worte will sie zu ihrem verstorbenen Gatten nicht verlieren. Er soll keinen Platz mehr in ihrem Leben haben. Das ist vorbei. Sein Lebensfaden zerschnitten. Das Schicksalsband von Callista strebt in eine andere Richtung. Wird anders gewebt und verknüpft.


    Verwundert blinzelt Callista.
    "Meine Habseligkeiten? Nach Rom?"
    Callista versteht ihren Vater nicht. Warum sollte sie derartiges tun? Oder weiß er schon von ihrer Misere in Alexandria? Callistas Mund öffnet sich geringfügig. Ist das eine subtile Anspielung darauf? Dass ihr so viel genommen wurde? Nervös kaut Callista auf ihrer Unterlippe. Ehe sie sich entsinnt. Es gehört sich nicht für eine erwachsene Frau. Schon die alleinige Anwesenheit ihres Vaters wirft sie zurück. In alte Angewohnheiten. Immerhin kaut sie noch nicht auf einer Haarsträhne. Wie zu Kinderzeiten.
    Die Klarsicht kommt nicht. Schon hört sie das Getrippel ihres Sohnes. Seine Artigkeit entzückt Callista. Sie zieht ihn näher an sich heran. Umarmt ihn liebevoll.


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    Die Liebkosung gefällt Nero. Der ernste Ausdruck auf seinem Gesicht weicht. Er legt seine Ärmchen um Callistas Taille. Sieht den fremden Großvater erst scheu an. Doch mit der Berührung an der Schulter bricht das frostige Eis. Auf der Oberfläche seiner Gefühle. Wenn seine Mutter mit dem Mann hier sitzt. Dann ist er womöglich doch nicht so schlimm. Wie Nero es aus all den Erzählungen heraus gehört hat. Er reckt sich. Denn er ist für sein Alter recht klein.
    "Sechs Jahre, Avus."
    Nero nickt. Bedeutungsvoll. Denn er fühlt sich schon sehr viel größer als vor einem Jahr. Wenn auch nicht vom Wuchs. Die Striche an seiner Zimmertür in Alexandria sind nicht signifikant höher geworden. Darum ist der Medicus besorgt. Immerzu verzieht er sein Gesicht in tausend Falten.
    "Ja. Ich habe sie gesehen, Avus. Wir sind mit einem Schiff nach Ostia gekommen. Durch einen Sturm sind wir gefahren. Oder gesegelt?"
    Fragend sind Nero von Callista zu seinem Großvater. Callista lächelt und fährt ihm mit einer Hand über die Wange. Die Antwort gibt sie ihm nicht. Selten hört sie auf die Fragen ihres Sohnes. Sie scheinen ihr nicht belangreich zu sein.
    "Der Mann hat gesagt. Der das Schiff fährt. Das war kein schlimmer Sturm. Aber alle hatten Angst. Nur ich nicht."
    Dabei kann Nero nicht schwimmen. Aber die dunklen Wolken am Himmel. Sie haben Nero beeindruckt. Das wilde Schaukeln war aufregend. Auch seine Mutter hat sich nicht gefürchtet.
    "Kannst Du Schiffe fahren? Mater hat das gesagt. Bei der Flotte hast Du gearbeitet? Gedient? Wie heißt das? Kannst Du schwimmen? Bringst Du mir schwimmen bei, Avus?"
    Das Eis ist realiter gebrochen. Die Fragen fließen nur so hervor. Callista seufzt.
    "Nero. Stelle nicht zu viele Fragen. Außerdem weißt Du doch. Du darfst nicht schwimmen. Der Medicus hat Dir das verboten."
    Enttäuscht ist Nero. Presst die Lippen aufeinander. Aber widerspricht nicht. Mit einem Kopfschütteln verneint Nero die Frage.
    "Wer ist Lucius? Wie alt ist er? Spielt er auch gerne mit Vögeln? Ich mag Vögel. Lebende."
    Bislang denkt Callista nach. Über die Angelegenheit ihrer Besitztümer. Ihrem Sohn lauscht sie dabei nicht. Die Eingebung kommt ihr. Möchte ihr Vater sie nach Rom holen? Hätte Callista von neuerlichen Heiratsplänen geahnt. Die Verzeihung würde in den Wind geschlagen werden. Sie würde wütend keifen und sofort abreisen. Wohin auch immer. Aber so denkt sie nur über ihre Möglichkeit nach. Vielleicht sollte sie nach Rom ziehen.
    Aber was ist mit Lucius?
    Er kommt nicht zurück, Callista.
    Nein. Er muss. Er muss.
    Callista senkt die Augen. Feucht wird der Glanz. Verzweiflung umgreift ihr Herz.

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    Freudig strahlen die Augen des Jungen. An einen Vogelmedicus hat er zuvor nicht gedacht. Nero weiß schon. Der Vogel ist tot. Aber ein Ding kann repariert werden. Ein Mensch bleibt tot. Soweit geht die Erfahrung des Jungen. Ein Sklave ist indes auch ein Ding. Nero saugt an dem Daumen. Er denkt nach. Können Sklaven auch wieder heil gemacht werden?
    Er will die Frage stellen. Seine Mutter kann er so etwas nicht fragen. Sie lächelt. Schüttelt den Kopf über seine seltsamen Fragen und tätschelt ihm den Kopf. Dann widmet sie sich erneut anderen Angelegenheiten. Eine Antwort erhält er nicht. Seinen Onkel kann er all das fragen. Der kennt sich mit der Welt aus. Aber der ist nicht hier. Nero vermisst ihn oft. Fühlt sich bei seiner Mutter immer alleine gelassen.
    Es wird genuckelt. Es wird sinniert.
    "Alle Dinge kann man wieder heil machen. Oder?"
    Auch die Erklärung mit dem Wasser. Die gefällt Nero. Er späht nach oben. Verstehend. Ein Berg ist groß. Da passt wohl ganz viel Wasser hinein. Das mit dem Wasser vom Himmel. Das leuchtet Nero nicht ein. Stumm überdenkt er die Worte von Cerealis. Einen Moment später kommt schon die nächste Frage.
    "Warum ist das Wasser der Quellgötter besser? Das Wasser vom Himmel kommt doch von Jupiter. Und der ist doch mächtiger als die Götter. Er ist doch der Vater der Götter. Oder?"
    Geschichten lauscht Nero sehr gerne. Manche Dinge kann er sich gut merken. Andere vergisst er schnell wieder. Sein Onkel spricht anders von den Göttern. Als seine Mutter. Nero verwechselt darum gerne die Geschichten.
    Nero bejaht die Frage. Mit einem schnellen Nicken.
    "Meine Mutter hat mich so genannt. Aber ich heiße nicht Nero Claudius. Sondern Nero Fabius. Vielleicht heiße ich mal Nero Claudius. Denn mein Vater ist tot. Menschen kann man nicht mehr heil machen. Wenn sie tot sind. Meine Mutter hat deswegen große Angst. Ist es schlimm tot zu sein? Weißt Du das? Meine Amme hat gesagt. Man geht von einer Welt in die Andere."
    Nero findet Gefallen daran. Sich mit dem Mann vom Kundendienst zu unterhalten. Der ist freundlich zu ihm. Und beantwortet alle Fragen. Ohne zu lachen. Oder ihn abzuwimmeln.
    "Cerealis? Es ist mir eine Pläsiiieer. Dich kennen zu lernen."
    Artig ist die Verbeugung. Seine Mutter hat Nero dazu dressiert. Auch zu der Wortwahl. Sie strahlt beglückt auf. Wenn er sich so benimmt. Und dann erhält Nero Liebeszuwendungen von ihr. Er lernt aus dem Grund schnell. Was sie glücklich macht.
    "Dann darf ich Dich in die Villa führen. Sollen wir den Wasseranschluss jetzt suchen gehen? Um zu sehen. Ob er heil ist."




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    Enttäuscht sieht Nero in das Kästchen. Der Sklave im Garten konnte ihm auch nicht helfen. Der die Blumen schneidet und das Laub fegt. Der Mann für das Wasser kann Nero ebenso nicht behilflich sein. Deutlich hat er das gesagt. Nero kräuselt seine Nase. Er kaut auf seiner Unterlippe herum. Ein Medicus kann den Vogel nicht ganz machen. Anklagend hebt Nero die Kiste hoch. Offeriert noch mal den Anblick des kleinen Wesen.
    "Ein Medicus kann da auch nichts machen. Wo soll er ihn pieksen? Wo das Blut wegnehmen? Der Vogel ist zu klein. Der macht ihn nur noch mehr kaputt."
    Altklug nickt der Junge. Das Kätschen wird zu geklappt.
    "Gibt es denn einen Vogelmedicus?"
    Vorsichtig stellt Nero die Frage. Denn Erwachsene mögen es nicht. Wenn Nero tut, als ob er es besser weiß. Die Erwachsenen wollen es wohl immer genauer wissen als ein Junge. Bedachtsam steckt Nero die Kiste in seine Tasche zurück. Er knotet sie zu und rückt sie auf den Rücken. Die Murmeln klimpern leise bei der Bewegung. Die Hände sind frei. Der Daumen wandert zurück in den Mund. Gedämpfte Schmatzgeräusche ertönen. Wenn Nero an seinem Daumen nuckelt.
    Grübelnd sieht Nero zu dem Wassermann hinauf.
    "Und wer tut das Wasser in die Berge? Bekommt jedes Haus seinen eigenen Berg? Wo liegt unser Berg? Ist das weit? Kann ich ihn sehen? Wie kommt das Wasser aus dem Berg?"
    Reichlich genuschelt. In einem Wasserfall aus Wörtern plätschern die Fragen hervor. Ernsthaft und aufmerksam blinzeln die dunklen Augen nach oben.
    "Soll ich Dir den Wasseranschluss zeigen?"
    Nero will schon nach der Hand des Mannes greifen. Um ihn zu führen. In die Villa hinein. Da fällt ihm ein. Seine Mutter will nicht, dass er mit fremden Männern spricht. Nero denkt einen Moment nach.
    "Ich bin Nero. Wie heißt Du?"
    Wenn er den Namen kennt. Dann ist der Mann kein Fremder mehr.




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    In einer schnurgeraden Linie rollt die Murmel zu dem jungen Nero zurück. Hurtig bückt sich der Junge und ergreift die Murmel. Sein Daumen ist weiterhin in seinem Mund. Nachdenklich mustert er die Männer. Keine Medici. Das war eine gute Nachricht. Seine Mundwinkel heben sich deutlich.
    "Die Wasseranschlüsse?"
    Genuschelt sind die Worte des Jungen. Denn der Daumen verhindert eine klare Sprache.
    "Warum kontrollierst Du die?"
    Nero fragt sich niemals nach dem Wasser. Wo es herkommt. Wer es in die Häuser bringt. Und warum es immerzu fließt.
    "Kannst Du sie auch heil machen?"
    Jetzt zieht er doch den Daumen aus dem Mund. Denn dem kleinen Nero ist etwas eingefallen. Er ergreift die lederne Tasche, die an seinem Rücken baumelt und zieht das Lederband auf. Die Murmel verschwindet darin und gesellt sich zu seinen kleinen runden Kameraden. Eine kleine Kiste kommt hervor. Aus hellem Buchenholz gemacht und hauchdünn. Goldene Schlangen sind darauf gemalt und goldene Riegel halten sie verschlossen.
    "Kannst Du das auch heil machen?"
    Nero öffnet die Kiste, die nicht größer als seine Hand ist. Er dreht sie um und hebt sie zu dem netten Mann vom Kundendienst hinauf. Ein Sommergoldhähnchen ruht in dem Behältnis. Der winzig zierliche Vogel mit dem goldenen Scheitelstreifen auf dem dunklen Köpfchen ist tot. Der filigrane Hals ist gebrochen. Die fragilen Beine zertrümmert.
    Erwartungsvoll sieht der Junge zu Ennius hinauf. Seit einer Stunde trägt Nero den Vogel mit sich rum. Zu einem Medicus wollte er ihn zuerst bringen. Aber dann kam ihm in den Sinn. Der Vogel ist kein Mensch. Tiere sind Dinge. Und Dinge werden nicht von Medici heil gemacht.
    "Weißt Du, wie er singt? Wenn er lebt? Ich weiß es."
    Nero strahlt. Er spitzt seine Lippen.
    "Zü zi zi zi zi zi zi zi zirrr."
    Er pfeift leise zwischen seinen Lippen hindurch.
    "Schön singt er. Er heißt Regulus ignicapillus. Wo kommt das Wasser her?"




    Unwissend ist Callista über all die Anspielungen. Die Allusion erkennt sie nicht. Ihre Aufmerksamkeit ist erneut auf Sisenna gerichtet. Die geflissentlichen Bewegung der Sklavin beachtet Callista dabei nicht. Benohé stellt der jungen Dame einen Saft neben ihren Platz.
    Tante Callista?
    Liebreizend, Callista.
    Traun.
    Sisenna könnte das kleine Mädchen von ihrem Bruder sein. Die Vorstellung gefällt Callista sehr gut. Die krauseligen Locken harmonisieren mit den schwarzen Locken ihres Bruders. Callista lächelt. Entrückt. Ihr Ohrring klimpert leise als sie den Kopf zur Seite wendet. Und aufmerksam die junge Sisenna besieht.
    Verständnislos ist die Mimik von Callista bei der Frage. Mitten in eine Stille hat das Mädchen sie gestellt. Sicherlich müssen viele ihre Worte vernommen haben.
    "Welcher Flavius?"
    Sie sieht sich um. Sitzt ein Flavier neben ihnen? Hat er nachher das kleine Mädchen angesprochen? Dem ist indes nicht so.


    Ein Kind scheint die Evidenz zu erkennen. Deutlicher als Callista. Alsdann dämmert es Callista. Ihre Augen weiten sich ostensiv. Ihre Wangen färben sich ein wenig dunkler. Bronze unter der ägyptischen Schminke. Ihr Mund öffnet sich vor Verwunderung.
    Claudus. Claudius?
    Falivus. Flavius?
    Flavius Castus? Ein Nämlicher ist Callista nicht bekannt. Doch welche Gentes hier mit Sticheleien versehen werden wird immer deutlicher. Callista schluckt. Im Nu ist Callista neuerdings erheitert.
    Ein verschmitztes Lächeln unterdrückt sie. Solange ihre Person unangetastet bleibt kann Callista Spott ertragen. Nein. Sie ergötzt sich daran sogar. Nur ihre Persona und Nero sind sacrosancta.
    "Er hat viele griechische Wörter benutzt, Liebes. Er beschwert sich. Nichtige Sklaven gibt es nicht in seinem Anwesen. Und er möchte von dem Saucefleck wieder befreit werden. Ich glaube, Süße, es ist gar nicht wichtig was er sagt. Sondern wie er es von sich gibt."
    Callista ist sich dessen nicht gänzlich sicher. Befremdlich ist ihr die Ausdrucksweise indes. Nicht ganz passend die Wörter gewählt. Aber ein Theater ist ein Theater. Und Satiren müssen überzogen werden.


    Wen sie wohl damit ansprechen?
    Einen Blick kann sich Callista nicht sparen. Sie muss in die Runde sehen. Fühlt sich gar einer der Anwesenden betroffen? Flavier sind auch anwesend. Einer zumindest. Von dem Callista weiß. Doch sie sieht nicht, wo er sitzt. Und Menecrates? Auch ihn findet Callista mit ihren Augen nicht.
    Etwas enttäuscht lehnt sie sich zurück. Aber nach dem Theaterstück wird eventual einige des Änigma gelöst. Sensationslüstern ist Callista. Sie begnügt sich aber erneut mit dem Part der Spektaktorin.
    "Gefällt Dir das Stück, Liebes?"
    Schon geht es weiter. Gebannt nimmt Callista noch etwas Rebensaft zu sich. Gefesselt ist sie von der Handlung des Stückes. Ein vergnügliches Kichern folgt. Ein Lachen. Und ein Glucksen. Stellenweise entgeht Callista der Witz. Sie erkennt nicht die humoristische Pointe. Das mit der Erbse entzieht sich Callistas Verständnis. Die Andeutung erscheint ihr zu diffizil. Indessen lacht sie über die verdutzten Gesichter von einigen Gästen. Die ruchlosen Anspielungen konvenieren ihr nochmals.