Beiträge von Paullus Aurelius Pegasus

    Ewig schien sich diese Begegnung hinzuziehen, doch Pegasus sollte der letzte sein, der das bedauerte. Er war solche… ‚Gespräche’ nur nicht gewöhnt, genauer gesagt hatte er sie in solch einer Form noch nie erlebt. Obwohl dieses Aufeinandertreffen zweier Patrizier bereits ein wenig seiner kostbaren Zeit in Anspruch genommen hatte, hatte er das Gefühl, nicht länger als nur einen Augenblick inmitten dieser abstrussen Szenerie aus niederen Menschen und Sklaven zu stehen und dem einzigen Lichtblick tief in die Augen zu schauen. Nicht selten schaffte es Paullus, die Unannehmlichkeiten der urbs zu ignorieren – was in Sänften auch deutlich besser funktionierte – doch selten war der Auslöser ein solch ansehnlicher. Wie viel dieser Begegnung war noch ein Spiel? Was war der andere Teil dieser Zusammenkunft?


    Der forschende Blick des Aureliers nahm vieles war. Eine herausfordernde Frage? Wollte sie wissen, was das ganze sollte? Das Verschränken der Arme? Die gespielte Distanz oder diese ganze Situation? Ein Versteckspiel war es nicht, eher… verschleierte er Details, die sie durch kunstvolle oder betörende Mittel wieder ans Tageslicht fördern sollte. Interessanterweise tat sie es ihm aber fast gleich: die übereinander liegenden Arme, welche sanft auf ihrem Bauch ruhten… eine Abwehrhaltung, die doch keine war.


    Sie schien noch immer nicht ihr Begehren zugeben zu wollen. Geschickt umging sie sein Angebot, titulierte diesen fast schon spöttisch als ‚netten Versuch’. Er war sich seiner Gewissheit sicher und würde nun einfach eine andere Taktik in Betracht ziehen müssen. Ihr Name löste die Verschränkung seiner Arme wieder. Claudia Livilla. Patrizisch, wie er es geahnt hatte. Ihm gefiel, was geschah. Er wollte sich ihren Namen erkaufen und bekam ihn dagegen kostenlos… fast schon auf einem Silberteller serviert. Er konnte nicht verstehen, wieso sie diesen Schritt wählte und war zudem noch leicht irritiert – auch, wenn er dies nicht zeigte – über die leichte, aber vorhandene Änderung ihrer Mimik. Die distanzierte, fast schon aggressive Kühle schien mehr und mehr wohlwollenderen Emotionen zu weichen. Nur leicht, nur ein wenig, aber er konnte es erkennen.


    Wenn sie nun allerdings mit Anstand und derlei Dingen anfing, konnte er schlecht bei seinem Gensnamen verbleiben. Sie hatte ihn tatsächlich in eine Art Zugzwang gesetzt und jede seiner Reaktionen würde ihr gewinnbringend erscheinen: Seinen vollständigen Namen würde sie ebenfalls ohne Verlust bekommen, würde er ihr diesen allerdings verwehren, konnte sie sich Zusammenreimen, dass der Aurlier es offensichtlich mit Anstand und Ehrgefühl nicht so hatte. Die Wahl war dahingehend recht einfach. Mit einem fast demütigen Lächeln und einem leichten Nicken sprach er: “Paullus Aurelius Pegasus… sehr erfreut, Dich kennenzulernen!“ Was sie mit diesem letzten Satz anfangen würde, blieb ihr überlassen. Ob sie es als Anstandsfloskel oder ernstgemeintes Zugeständnis auffasste war genau genommen egal, denn es war beides und zumindest das ‚ernstgemeinte Zugeständnis’ konnte sie wohl auch durch seine Körpersprache erkennen.


    Seine neue Sklavin ließ er nun erst einmal unerwähnt. Wenn sie so gierig auf diese sein sollte, würde sie dies früher oder später zu erkennen geben. Wenn er den Eindruck erweckte, das Thema sei nun für ihn erledigt und ein weiteres Zugeständnis würde nun erst einmal nicht kommen… konnte er sie hoffentlich dazu bringen, ihren Willen deutlich zu äußern. Erwartungsvoll blickte er sie an, seine Augen riefen förmlich: "Wo soll das nur enden?" Nicht unheilsvoll... eher interessiert und neugierig, offen für 'Abenteuer'.

    Er war verärgert. Äußerst verärgert. Wie konnte es dieser Bastard von einem Sklaven nur wagen, eine derart unangemessene Lautstärke zu nutzen, dass man ihn noch jenseits des Rubicon hören konnte? Die Zornesröte war im Begriff in Pegasus aufzusteigen und er versuchte erbittert, diese zu unterdrücken und seine angestaute Wut an einem späteren Tage auszulassen. Die Zunge sollte man ihm entfernen! und momentan verspürte er den Wunsch, dies allzu gerne persönlich in Angriff zu nehmen. Man könnte meinen, er würde zu hart mit seinen Sklaven umspringen, Tatsache war jedoch: Führte man kein strenges Regime, tanzten sie einem irgendwann auf der Nase herrum und niemand konnte Sklaven gebrauchen, die nicht unverzüglich den Befehlen des dominus folgten. Simple Logik!


    Sein interessanter Zeitvertreib konnte seine Gesichtsregungen sicherlich richtig deuten. Sie verhärteten sich merklich, sein unterer Kieferknochen drückte sich nach außen, er presste die Zähne zusammen – ein Zeichen unterdrückter Aggression. Er schloss die Augen. Nur kurz. Blendete das Geschehen um sich herum völlig aus, versuchte sich voll und ganz auf die Patrizierin zu konzentrieren. Seine Miene lockerte sich wieder, die Mundwinkel bildeten ein kleines Lächeln, ein ehrliches. Er war überrascht, wie gut er am heutigen Tage die Fassung bewahrte. Fortuna musste ihm noch immer wohlgesonnen sein. Insgesamt war dieser impulsiver Gemütssprung nicht von langer Dauer... doch auch nicht zu übersehen. Welche Schlüsse sie wohl wieder daraus ziehen würde?


    “Ja… allerdings. Erst letztens hat mich ein Kissen 270 Sesterze gekostet… ein Kissen! Er konnte sich das Grinsen einfach nicht verkneifen. Sollte sie daraus lesen, was sie wollte, verheimlichen konnte er seine Faszination ihr gegenüber wohl schon länger nicht mehr. Überhaupt wusste sie wohl von Anfang an davon oder ahnte es zumindest. Natürlich… welch andere Erklärung hätte es sonst für sein Verhalten geben können?
    Der ‚Ausbau’ seines Witzes verriet jedenfalls auch einiges über sie. Er hatte wohl eine traditionsbewusste Patrizierin vor sich, die sich ihres Standes bewusst und mit Stolz erfüllt war. Sie kannte die Unterschiede zwischen Patrizier, Plebejer und Sklave und viel wichtiger: Sie wusste um deren Bedeutung. In der heutigen Zeit konnte man nur allzu häufig das Aufweichen der gegebenen Stände sehen. Patrizier behandelten ihre Sklaven wie Familienmitglieder, zogen Plebejer in ihr engstes Vertrauen, verliebten sich sogar in solche. Widerlich! Wenn diese Entwicklung so weitergehen würde, sah er keine guten Zeiten auf das römische Imperium zukommen. Teilte sie seine Ansicht? Er würde gar nicht mehr anders können als ihr offene Sympathie entgegenbringen, wenn dem so wäre. Selbst in Pegasus engeren Kreis erkannte er die Übel ständeübergreifender Beziehungen. Da waren Liebesbeziehungen wirklich nur die Spitze des Eisberges – hätte er diese gekannt.
    Des Weiteren schien sie ihm wohl subtil ihr ungebrochenes Interesse an der Sklavin zu bekunden. Sie wollte dieses blonde Ding noch immer. Sein Blinzeln dauerte länger als gewöhnlich, es schien so einen… wissenden, überlegenen Eindruck erwecken zu wollen, Sicherheit und Selbstbewusstsein. Ihr Verlangen konnte er durchaus zu seinem Vorteil nutzen und wieder gleiche Positionen herstellen. Sie war ihm einen Namen schuldig - ihren Namen! Wieder verschränkte er die Arme. Sie sollte ruhig merken, dass er nicht willig war, wie ein Fähnchen ihrem Atemzug zu folgen, obgleich man merkte, dass die erwirkte Distanz rein symbolischer Natur war, genaugenommen kam er ihr körperlich sogar noch ein kleines Stück näher... ihr Duft entfaltete noch immer seine wohltuende Wirkung, wenn er sich anstrengte könnte er vielleicht sogar ihren Atem hören... oder?


    “Gerechtigkeit… zahlt sich immer aus…“, meinte der Aurelier verschwörerisch und deutete mit seinem Blick kurz auf den neu erworbenen Besitz. Schnell nahm er allerdings wieder Blickkontakt auf - er war forschender und durchdringender Natur. Was er wohl erkennen konnte?

    “He, du da!“, tönte es von der Seite. Der kleine Lucius zupfte verschüchtert am weißen Stoff der Toga und seine grauen Kinderaugen blickten erwartungsvoll nach oben. “Dominus… der Sklavenhändler…“, nuschelte er und deutete auf den feisten Händler, der sich wohl Sorgen um sein Geld machte. Verständlich, hatte er doch ein gutes Geschäft gemacht und fürchtete nun – da er von keinem seiner patrizischen Bieter beachtet wurde – dass es nachträglich platzen würde. “Was wirdn jetzt hier?“ Leicht verstimmt wandte sich der Aurelier dem Kerl zu und erst jetzt fiel ihm auf, welch unansehnliche Erscheinung er abgab. Ein weiteres mal bereute er den Kauf der Sklavin, da er sich nun mit diesem Typen weiter auseinandersetzen musste. Viel lieber wollte er seine gesamte Aufmerksamkeit aber dem hübschen Ding vor sich widmen. Mit einem beiläufigen Wink und den emotionslosen Worten “Kümmere du dich darum.“ schickte er seinen Sklaven weg.


    Langsam drehte Pegasus sich wieder Richtung Claudia und noch bevor er sie wieder anschaute, ließ er ihre letzten Worte gedanklich Revue passieren, um sich seine eigenen zurechtzulegen. Zugegeben, Lucius’ Unterbrechung brachte ihn kurzfristig auf andere Gedanken und so konnte Pegasus sein aufgewühltes Gemüt wieder beruhigen und er drohte ob weiterer Sticheleien ihrerseits nicht mehr in naher Zukunft seine Fassung zu verlieren. Ein wohlwollendes Lächeln umspielte seine Lippen. In seinem Schatten sah die Patrizierin noch wohlgeformter.. schlanker aus. Nicht dürr, eine ansehnliche Statur. Rein optisch gefiel sie ihm – das war aber schon länger deutlich, sonst hätte er dieses Spiel gar nicht soweit kommen lassen.
    “Entschuldigen? Klang es für Dich wie eine Entschuldigung?“ Neckisch und gespielt nachdenklich legte er den Zeigefinger ans Kinn und legte den Kopf schief. “Aber du hast recht. Sie ist für mich… was ich wohl mit ihr anfange? Vielleicht nutze ich sie als Tisch?“. Er musterte die Ware und lachte leise auf. “Bei ihrer Größe vielleicht auch nur als Stuhl… ja… doch.“ Er war sich sicher, dass sie diese Sklavin wollte. 600 Sesterze schüttelte man für eine nicht allzu vielversprechende Sklavin nicht einfach so aus dem Ärmel. Sicherlich war Stolz ein nicht unerheblicher Faktor, der den Preis in die Höhe trieb, doch eben nur ein Faktor. Diese… Konversation war ein Spiel, ohne Zweifel. Sie dazu zu bringen, ihm direkt ins Gesicht zu sagen: ‚Ich will diese Sklavin!’, war sein aktuelles Spielziel. “Das sieht man Dir an.“, reagierte er grinsend, doch aufrichtig auf ihre Aussage, dass sie eine solche Sklavin an sich nicht benötigte. Vielleicht konnte man sie über ihre Eitelkeit aus der Reserve locken?


    Innerlich irritiert, äußerlich aber völlig seriös realisierte Pegasus die Änderung in ihrer Stimme, ihrem Blick. Nur eine Facette freundlicher wirkte sie, doch es war eine Entwicklung. Ein Hauch von Emotion? War er auf einem guten Weg oder fühlte sie sich einfach so überlegen, dass sie herausfordernd ihre Fassade ein wenig herunterließ? Dieses Hin und Her fesselte ihn. Wie nur diese wenigen Worte in eine solche Tiefe gehen konnten, völlig vorbei an Oberflächlichkeiten, einer Form der nonverbalen Kommunikation, die er selten erlebt hatte. Paullus war gespannt, wie lange die Partie noch ohne den Austausch essentieller, persönlicher Informationen stattfinden konnte, sein Besitz machte ihm allerdings einen Strich durch die Rechnung: “… zur villa aurelia und dann…“, erklang es plötzlich nicht weit entfernt. Lucius war dabei, sich um den Handel ‚zu kümmern’, konnte natürlich nicht ahnen, in welcher Situation sich sein dominus gerade befand und verriet so leichtfertig Angaben, die Pegasus bisher bewusst zurückhielt. Sie hatte nun ansatzweise eine Vorstellung, wer und was er war, da konnte sein strafender Blick zu diesem Bengel auch nichts mehr ändern.

    Es war nicht wirklich Unsicherheit, die die Patrizierin durch ihr selbstbewusstes Auftreten im Aurelier auslöste. Ihre Kapitulation erweckte vielmehr Verwunderung, Überraschung und auch einen geringen Teil Enttäuschung. Pegasus hatte sein Verhalten absichtlich beibehalten, um ein vorzeitiges Auktionsende zu unterbinden, doch letztendlich hatte es nichts gebracht. Sie machte nicht den Anschein, kampflos aufzugeben, ihr Stolz stand ihr förmlich auf ihrer blassen Stirn geschrieben, die er nun – nachdem sie ein deutliches Stück näher kam – genau betrachten konnte. Genauso wie ihr restliches Gesicht und den wohlgeformten Körper. Trotz allem gab sie auf…


    Noch immer mit verschränkten Armen nahm er ihren betörenden Duft wahr. Es gab keinen Zweifel ob ihrer edlen Herkunft. Man sah ihr Reinlichkeit und Stil an, etwas, dass Plebejer weder besaßen noch schätzten. Pegasus dagegen verstand etwas von den Dingen. Zuigegeben, er verstand von diesen Dingen nicht so viel, wie die Frauen, aber man erkannte, dass er gepflegt und reinlich war. Sein Äußeres war ihm wichtig und er zeigte gern, dass ihm nicht nur die Denksportarten bekannt waren. Er hätte sich dazu verleiten lassen können, sich durch ihre mangelnde Körpergröße automatisch überlegen zu fühlen, Äußerlichkeiten spielten bei diesem Duell aber nur eine untergeordnete Rolle. Hier sollte es um Ausdauer gehen...


    Langsam öffnete sie ihre Lippen, hielt inne. Eine schier unendlich andauernde Stille trat ein. Der gesamte Marktplatz schien zu schweigen, der Fokus des Geschehens drehte sich um jene beiden Patrizier in der Nähe eines Sklavenhändlers, der sein Geschäftsglück nur mit Mühe realisierte. Ihn, genauso wie seinen kleinen Sklave verdrängte er momentan völlig. Pegasus wartete auf ihre zarten Worte, wollte jede Nuance ihrer Wortwahl, Stimmlage erhaschen. Was er sich erhoffte, wusste er selbst nicht… was sie sagte war jedenfalls stringent.


    Sie wusste sicherlich, dass solche Worte wie ein Dolchstoß ins Herz waren. Sie spielte mit ihm, das verriet ihr Lächeln, die Ironie darin. Nun lag es daran, dass Pegasus comitas bewahrte. Wie er das hasste… Sticheleien ertrug er nur schwer, besonders nicht gegen sein Ehrgefühl, wenn sie dann auch noch von einer Frau kamen... Zu allem Übel hatte sie allerdings auch noch Recht: Was sollte er mit dieser blonden Schönheit von Sklavin anfangen? Seine Freizeit konnte er sich auch mit anderen Sklaven vertreiben, 650 Sesterze waren dafür wirklich unnötig viel gewesen. Er hatte ein unnützes Ding gekauft.
    “Nun…“, begann der Aurelier mit einem leichten, tiefen Vibrato in der Stimme. Dabei senkte er sein Haupt ein kleines Stück, um tiefer in ihre blauen Augen eindringen zu können. Er löste die Verschränkung der Arme, es schien, als würde er sich ihr öffnen, entblößen, entwaffnen. Dann fuhr er fort: “… vielleicht ist sie gar nicht für mich bestimmt?“ Noch bevor er die letzte Silbe aussprach, verformte sich sein Lächeln zu einem kleinen Grinsen, wobei Pegasus den Kopf wieder leicht anhob und seinen Körper minimal von ihr wegschob.


    Von der Qualität seiner Aussage war der Aurelier nicht wirklich überzeugt, er hoffte, dass die Art und Weise eine ausgleichende Wirkung erzielte. Er hatte das Gefühl, die Verkörperung von eiskalter Berechnung vor sich zu haben und hatte wenig Lust, ohne Gegenwehr auf ihr Spiel einzugehen. Bisher hatte er noch nicht mit Frauen solchen Schlages zu tun gehabt, genau das löste in ihm aber eine ambivalente Faszination aus: Der Wunsch, sie näher kennenzulernen und das Widerstreben, ihr ohne weiteres Informationen zu verraten. Die Logik verriet ihm, dass letzteres das erste bedingte, bei ihr hatte er da aber so eine Ahnung. Paullus war ebenfalls niemand, der sich kampflos ergab und er vermutete, dass ein solches Verhalten sie eventuell aus der Reserve locken könnte. Gleichzeitig hoffte er allerdings, dass dies schnell geschehen würde. Pegasus war nicht gerade bekannt für seine Geduld und weitere solcher Sarkasmen konnte er wohl nicht lange ‚unbekümmert’ hinnehmen.


    “Da Du sie allerdings dringend zu benötigen scheinst – Dein letztes Gebot waren schließlich stolze 600 Sesterze – will ich kein Unmensch sein. Für 649 gehört sie Dir…“, meinte er mit gespieltem Desinteresse, wobei er sich ein amüsiertes Grinsen nicht verkneifen konnte. Seine blauen Augen funkelten leicht, konnte sie es bei diesem Gegenlicht erkennen? In der Zukunft würde mal jemand folgenden Satz prägen: Angriff ist die beste Verteidigung.

    Tatsächlich war auch ihm die Sklavin keine 550 Sesterze wert. Was sie genau konnte, wusste er dazu ja noch nicht einmal. Er vertraute Lucius, da sich seine Nase da bisher immer als nützlich erwiesen hat. Immer war natürlich relativ – genaugenommen hatte er zweimal beim Sklavenkauf geholfen, aber diese beiden Käufe bereute Pegasus nicht. Das einzige, was er sofort sehen konnte: Die Sklavin sah wirklich nicht unattraktiv aus! Es war immer nett, etwas zum Anschauen in der villa herumlaufen zu haben und letztendlich kam es auch oft genug vor, dass aus dem Anschauen noch mehr wurde. Der Aurelier würde lügen, wenn er nicht zumindest für einen kurzen Augenblick daran dachte, die junge Dame aus einer ganz anderen Schicht forderte aber viel mehr seiner Aufmerksamkeit und was nicht zu verachten war: Er hatte ihre Aufmerksamkeit, das war nicht zu übersehen.


    Sie wandte sich ihm ein zweites mal zu. Diesmal länger, kein abschätziger Blick, sie musterte genauer. Erkannte sie etwas? Pegasus entdeckte eine Regung in ihrem Gesicht. Völlig emotionslos schien sie also nicht zu sein… aber was genau war es? Was hatte ihre Mimik verraten? Er unterdrückte seinen Ärger, ließ ihm aber stumm freien Lauf, als sich die Claudia wieder von ihm abwendete. Verdammt! Nachdenklich drehte er an einem seiner Ringe. Es sah wirklich deutlich vielversprechender aus als alles, was er in Capua ‚anfallen’ konnte. Ein stückweit machte ihm dies aber auch Gedanken. Ihre Aufmerksamkeit zu erringen war ein Schritt – sicherlich ein wichtiger – aber eben noch nicht alles… Moment… über was grübelte er eigentlich nach? Erster Schritt für was denn?


    Das neue Gebot der Patrizierin riss ihn jäh aus seiner Gedankenwelt. 600 Sesterze…? Sie konnte doch ahnen, dass ihn diese 50 Sesterze mehr in keiner Weise abhalten würden, noch weiter zu bieten. Andererseits… schien dies auch ein Indiz für nicht zu unterschätzende Intelligenz zu sein. Weiß sie, auf was ich hinaus will? Will sie mich in Zugzwang setzen? Der Aurelier hatte kein Interesse an einem schnellen Ende… die Sklavin selbst interessierte ihn nur wenig, es gab keinen Grund, die Auktion von ihm nun schnell beenden zu wollen. Je länger sie mitbieten würde… desto länger musste sie sich zwangsläufig mit ihm beschäftigen. Sollte er die Gebotssteigerung vielleicht verringern…? 30 Sesterze? 25? Nein… das würde einen falschen Eindruck machen, als würde ich schon an meine Grenzen kommen. Warum blieb sie so ruhig, so beherrscht?


    Ein weiteres Mal blickte Lucius zu seinem dominus und wartete auf die Erlaubnis, weiterbieten zu dürfen. Das Verdoppeln seines Gebotes hatte ihn wohl merklich verunsichert. Er wusste nicht recht, ob die eingangs erteilten Befugnisse noch weiter geltend waren, weshalb Pegasus ein weiteres mal schweigend nickte. Er blieb bei seinem monotonen Auktionsverhalten. Dies schien viel provokanter zu sein und den größtmöglichen Nutzen zu bringen. “650 zahlt mein Herr!“, rief der kleine Sklavenjunge und versuchte wieder einen Blick des schönen Wesens neben ihm zu ergattern. Diese hatte sich aber ein drittes mal dem Aurelier zugewandt.


    Sie rümpft die Nase? Was sie wohl dachte? Gestärkt durch ihr neues Bekenntnis, dass Pegasus ihre Aufmerksamkeit hatte, setzte er ein leicht amüsiertes Lächeln auf und legte den Kopf leicht schief. Herausfordernd blickte er ihr in die Augen. Sein Blick verriet förmlich seinen hämischen Gedanken: Was willst du nun tun…?

    Es war vorhersehbar, dass der junge Sklave die Aufmerksamkeit der Patrizierin wenigstens für einen kurzen Augenblick auf Pegasus lenken würde. Dass dieser kurze Augenblick wirklich nur so… kurz und von einer ungewöhnlichen Kälte unterstrichen war, ließ den Aurelier skeptisch dreinblicken. Was war das denn? Der zweite Eindruck erweckte den Anschein einer emotionslosen, berechnenden und arroganten… aahh… es kann nur eine Patrizierin sein! Gleichwohl es sich objektiv betrachtet durchaus um… schlechte Charaktereigenschaften handelt, konnte Pegasus – schließlich selbst Bestandteil der gesellschaftlichen Elite – eine daraus resultierende Faszination nicht verhindern. Er wollte es auch gar nicht verhindern. Ihm gefiel, was gerade vor sich ging. Sie schien unnahbar, das reizte jeden Mann mit einem gescheiten Selbstbewusstsein. Er war so einer.


    Pegasus war nah genug, um die Worte der Claudia hören zu können und staunte nicht schlecht, als sie sein abgegebenes Gebot einfach verdoppelte. Verblüfft wandte sich auch Lucius seinem dominus und blickte ihn fragend an. Zwar erhielt er die Anweisung, jedes ihrer Gebote um 50 zu schlagen, doch fand er es verständlich, dass nach diesem Zug der Sklave noch einmal die Bestätigung brauchte, so weitermachen zu können.


    Das Verdoppeln nach dem zweiten Gebot verriet dabei einiges mehr über Fremde, als sie vermutlich preisgeben wollte. Sie machte es zu einer persönlichen Sache, sah sich vermutlich sogar gekränkt. Vielleicht war ihr Stolz angekratzt? Wie sie wohl nach meinem nächsten Gebot reagieren wird?, fragte sich Paullus und kam nicht umhin, sich ein Grinsen verkneifen zu müssen. Das scheint ein vielversprechendes Vergnügen zu werden.
    Ein kurzes Nicken signalisierte Lucius, dass er fortfahren sollte. Er konnte sich das Grinsen nicht verkneifen, denn auch er schien zumindest ansatzweise die Komik zu verstehen, die Pegasus sich in Gedanken ausmalte.


    Aufgeweckt streckte er seinen Finger in die Lüfte und genoss die Möglichkeit, einer wohlgeborenen Frau etwas entgegensetzen zu können: “He! Wer am meisten zahlt kriegt sie!“ Der kleine Junge blickte die Römerin schelmisch an. “Und mein dominus bietet…“, kurz hielt er inne… 550? War das die richtige Zahl, die er sagen musste? “… 550!“ Gespannt wandte sich der Sklave seiner Mitbieterin zu. Er spürte keine Gefahr, die Anwesenheit seines Herrn war für ihn die Garantie, dass ihm nichts passieren konnte. Dies war auch der Grund, weshalb er sich ihr gegenüber so fiel herausnahm. Pegasus lies ihn noch gewähren. Es wurde schließlich erst das vierte Gebot abgegeben! Der Sklavin selbst – das für ihn das Objekt der Begierde darzustellen schien – schenkte er dabei vergleichsweise wenig, eigentlich sogar gar keine Beachtung. Genaugenommen war sie nur Mittel zum Zweck, auch, wenn Pegasus das so niemals zugeben würde. Er war durchaus eine impulsive Natur, sein Verhalten passte nur ins Schema, könnte sich aber auch schnell wieder ändern.


    Neugierig musterte er die junge Frau, während er dabei die Arme vor der Brust verschränkte. Unnahbar und abschätzend konnte auch er wirken. Das konnte jeder Patrizier…

    Der Marktplatz war der perfekte Ort für Abwechslung. Wenn das Leben aus Landgut bei Capua und spannender Aufenthalt in der villa aurelia bestand, waren die Märkte Roms im Vergleich das pulsierende Leben, ein Garant für das Stillen jeglicher Gelüste, und diese waren für manch einen leicht, für manch anderen nur schwer zu erfüllen. Die Kunst lag nicht darin, viel für wenig zu bekommen, sondern das zu bekommen, was man wirklich will. Letztendlich kommt es bei Patriziern sowieso selten auf den Preis an, weshalb es oftmals auf „viel von dem, was man wirklich will“ hinausläuft.


    Paullus Aurelius Pegasus wollte Geld ausgeben. Nachrangig stellte er sich selbst das Vorhaben, auch etwas sinnvolles zu kaufen. Was gemeinhin als "Bummeln" bezeichnet wird, war eine Wohltat für seinen Geist. Er hätte sich auch mit einem gemütlichen Spaziergang abfinden können, doch er bezweifelte, dass Spaziergänge in Rom wirklich gemütlich sein können und außerdem verspürte er das Verlangen, sein Geld einfach loszuwerden. Er schlenderte mit Lucius durch die kleinen Gassen, schaute von Stand zu Stand, begutachtete, feilschte und winkte wieder ab. Er war sich sicher, dass die Begierde nicht aus ihm kommen sondern vom Objekt selbst ausgelöst werden würde. Und nach genau diesem Objekt suchte er. Oftmals verwundert, oftmals amüsiert blieb er stehen, doch nichts sagte ihm wirklich zu.


    “Dominus, dominus, schaut nur!”, rief der kleine Sklavenjunge und zeigte in eine Menschenmenge. Das half im ersten Augenblick nicht sonderlich weiter, schließlich taugte „Menschenmenge“ als Ortsbezeichung auf einem von Roms großen Märkte herzlich wenig.“Dominus, dort drüben!. Lucius Augen glänzten förmlich und Pegasus bezweifelte, dass ihm gefiel, was einen kleinen Sklaven so in Aufregung versetzte.
    “Was soll denn da sein?“, murmelte der Aurelier in einem leicht abfälligen Tonfall. Der Trubel wuchs stetig an und schien ihn förmlich in sich aufzusaugen. Nichts, was er gutheißen konnte. Er hasste es, in Massen unterzugehen, viel lieber fand er sich in exponierten Stellungen – nicht nur, weil er dort alles überblicken konnte, viel mehr, damit jeder ihn sehen konnte. Entnervt watete Paullus durch die Menschenmassen und wünschte sich in diesem Moment nichts sehnlicher als die weißen Flügel seines Namensvetters. Er bereute es, die strahlend weiße Toga zu tragen und hoffte, dass sie am Ende des Tages noch immer den gleichen Farbton haben würde wie nun.


    Es dauerte nicht so lange, wie Paullus erwartete, bis er bei Lucius angekommen war, welchem er sogleich einen finsteren Blick zuwarf. Für ihn hoffte der Aurelier, dass sich das nun gelohnt hatte, verspürte er doch das Verlangen, dem kleinen Jungen das richtige Leben eines Sklaven bekannt zu machen. “Was hast du also gefunden?“ Der Platz wurde überschaubarer, die unbändige Fülle von Menschen schien sich hier ein wenig zu lichten und jetzt erkannte er auch den Sklavenhändler nicht weit von ihm, auf den Lucius zeigte. Sofort schoss ihm der Gedanke des Sklavenkaufs durch den Kopf und für einen kurzen Augenblick fragte er sich, wieso sich ein Sklave dafür einsetzte, andere Sklaven an den Mann zu bringen. Er verdrängte diesen unnützen Gedanken schnell und begutachtete den Stand...


    Der Blickfang überhaupt war die junge Frau einige Schritte entfernt: Langes, schwarzes Haar, schlank, offenbar patrizisch. Sie feilschte mit einem Händler augenscheinlich um diese junge, blonde Sklavin, welche sich auch nicht schlecht in seinem Inventar machen würde. Der Aurelier grinste in sich hinein. Vermutlich hatte er dem kleinen Lucius unrecht getan. Er hatte offenbar ein Auge, welche Frauen ihm gefielen und mit Sklaven kannte er sich ebenfalls aus. Die Götter mussten es gut mit Pegasus meinen, beides - eine hübsche Frau und eine brauchbare Sklavin - ihm direkt vor die Nase zu setzen. Er schickte den Sklavenjungen los, der Auftrag so simpel wie provokant: Biete immer 50 Sesterze mehr, als die Patrizierin! Einige Schritte entfernt beobachtete er das aufkommende Spektakel. Das Vorspiel begann mit folgenden Worten:
    "250, von dem Mann dort drüben!"

    Das Lächeln wandelte sich zu einem Grinsen. Pegasus fand Gefallen an diesem kecken Mädchen. Zwar konnte er durchaus Ursus – so stellte sich der Mann vor – Ermahnung verstehen, doch wünschte sich ein Teil von ihm, dass die kleine Sklavin diese Art behalten würde. Zu schnell holte ihn allerdings die Realität ein und ihm wurde wieder bewusst, wo und in welcher Situation er sich befand. Sein schalkhaftes Grinsen erlosch, ein freundlichen Lächeln setzte sich an seiner statt.


    Langsam erhob sich der Aurelier wieder. Doch als er sich seinem eigentlich Gesprächspartner zuwenden wollte, hielt er kurz inne. Sein Blick blieb an den Säulen nur wenige Schritte vor ihm heften. War dort nicht etwas? Hatte er da einen Schatten gesehen? Forschend kniff er seine Augen leicht zusammen. Eine Eigenart, die er schon als Kind besaß und immer wieder Worte wie „Kind, schau nicht so bös’!“ einbrachten. Der Gedanke an seine Mutter riss ihn fort und der kalte Griff der Trauer klammerte sich um sein Herz. So biestig wie sie war, irgendwo vermisste er sie schon.


    "Fliegen kann ich leider nicht, Marei. Das überlasse ich dann lieber dem richtigen Pegasus.", sagte er mehr zu sich selbst, obwohl er Marei direkt ansprach. Als er seinen Satz beendete, blickte er noch einmal zu ihr herunter, wandte sich dann jedoch wieder Ursus zu. Pegasus' Gesichtsausdruck konnte man ansehen, dass er versuchte, etwas zu überspielen. Etwas, das ihn tief betrübte. Die Schatten und Gestalten, die er noch vor wenigen Augenblicke zu sehen glaubte, waren vergessen oder verdrängt. Erwartungsvoll musterte er den Senator.


    "Auch ich freue mich, Dich kennenzulernen. Auch ein Neffe von Corvinus? Dann bin ich mit den Aureliern hier doch mehr verwandt, als ich dachte... bereits einen Onkel und einen Vetter habe ich kennengelernt." Ein letztes Mal blickte er zu Marei. "Also... atrium oder exedra?"


    Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er sich in Richtung des Gartenzimmers. Er war schon einmal dort gewesen und den Anblick von Natur zog er den Mosaiken im atrium vor. Er ging einen halben Schritt und drehte sich wieder halb zu Ursus. “Ich lebte bisher in Capua… oder besser gesagt auf einem Landgut in der Nähe. Das Leben war einfach und sorgenfrei… ich hatte bisher nie das Interesse, meine Familie kennenzulernen. Ich schätze… mir wurde das Leben in Rom auch nie wirklich… hm…, er suchte nach passenden Worten, “… schmackhaft gemacht. So konnte ich mich wenigstens den septem artes liberales widmen… hatte auch etwas Gutes.“ Dies schien ihm eine passende Einleitung zu sein...

    Normalerweise war Pegasus stolz auf seine Position als Patrizier und zeigte den Sklaven gegenüber klar, welche Differenz zwischen ihnen herrschte. Er ließ sie zwar nicht auspeitschen oder anderweitig quälen, doch gab es bis auf seinen gelehrten Sklaven Rusticus – der noch in Capua verweilte – und den kleinen Lucius auch niemanden, dem er größeres Vertrauen entgegenbrachte.


    Normalerweise wäre Pegasus auch über ein solches Verhalten, wie Marei es an den Tag legte, verärgert. Beides traf in diesem Augenblick augenscheinlich nicht zu. Er war noch immer in Gedanken. Seine derzeitige Situation ließ Verärgerung über Sklaven – fremde noch dazu – nur im geringen Maße aufkommen. Die Tatsache, dass dies wohl ein Sklave der Familie war, in die er sich eingliedern wollte, war ebenfalls so ein Punkt. Die Herren des Hauses würden es sicherlich nicht gutheißen, wenn der geduldete Fremdling ihre Sklaven zurechtwies. Der weitaus einflussreichste Faktor, warum der Aurelier von jeglicher Verärgerung über diesen forschen Spruch absah, lag aber in der Natur der Sklavin selbst: Überrascht über die zweite Stimme im Raum, drehte Paullus sich um und entdeckte eine Puppe… unter ihr ein kleines Kindergesicht, ein Mädchen, mit leuchtend grünen Augen, welche die Unschuld in Reinform hätte sein können.


    Ihm war, als wäre für einen kurzen Moment sämtliche Last und Sorge von ihm genommen und ein herzliches Lächeln umspielte Pegasus’ Lippen. Das kleine Sklavenmädchen schaffte es, den Aurelier völlig in ihren Bann zu ziehen, sodass er gar die Anwesenheit eines Senators für einen kurzen Moment vergas und die Anwesenheit seiner eigenen Halbschwester Prisca gar nicht erst bemerkte. Behutsam ging er in die Hocke und legte die flache Hand auf die dunkelbraunen Haare des kleinen Mädchens. Er schien ihren Stand als Sklavin gar nicht mehr zu beachten. “Ein kluges Mädchen bist du, wenn du den geflügelten Pegasus kennst. Möchtest du mir deinen Namen und den deiner Freundin verraten?“, fragte der Patrizier und deutet auf die Puppe.

    Die Selbstzweifel quälten den Aurelier. Er kam sich dumm vor. Diese Ambivalenz zwischen der festen Entschlossenheit, ein akzeptiertes Mitglied der Familie zu werden und dem andauernden Gefühl, am falschen Ort zu sein, machten ihn wahnsinnig. Nicht zuletzt deshalb verließ er ja sein stickiges Zimmer – stickig von abwegigen Gedanken.


    Besonders wohl fühlte er sich in diesen Räumen noch nicht, obwohl das atrium durchaus prachtvoll und gemütlich war. Genauso, wie man es von den Aureliern erwarten würde. Bei seinem Eintreffen hatte er allerdings wenig Interesse daran gezeigt, die villa aufmerksam zu betrachten. So war Pegasus sich selbst nicht wirklich sicher, ob er andere Menschen treffen und sie kennenlernen oder lieber in Ruhe das Haus besichtigen wollte.


    Die Entscheidung wurde ihm allerdings schon abgenommen, noch bevor er tiefer darüber nachdenken konnte. Paullus hatte das atrium noch nicht einmal ganz betreten, als er bereits von den anderen Seite mit einem „Salve“ begrüßt wurde. Titus Aurelius Ursus – den Namen kannte Pegasus natürlich noch nicht – betrat ebenfalls im selben Augenblick die Eingangshalle. Leicht erschrocken musterte er den Senator und bemerkte die überschwängliche Freude, die Ursus auszustrahlen schien. Durchaus etwas, das sympathisch und beruhigend auf Pegasus wirkte, sodass ihm selbst ein Lächeln leichter fiel, als wenige Minuten vorher.


    “Salve! Ich bin Paullus…“, begann er sein Vorstellung, bis ihm in den Sinn kam, dass er sich noch keinerlei Gedanken darüber gemacht hatte, wie er sich gegenüber seinen Verwandten vorstellen sollte. Das Stocken war nur kurz. Pegasus fand seine alte Entschlossenheit wieder und fuhr fort: “… Aurelius Pegasus. Der Neffe Corvinus'."

    Der Aurelier fühlte sich eingesperrt. Ihm war seine Situation bewusst – dass er hier wohnen durfte hieß noch nicht, dass Corvinus ihn als Aurelier akzeptiert hatte. Es war ein andauerndes Ausharren, in dem sich Pegasus bereits seit Tagen fand. Er wusste, wer er war, welche Rechte er hatte, welchen Stand er in dieser Familie hatte und doch beschlich ihn nicht selten das Gefühl, dass man sich so als plebeischer Gast fühlen musste. Isoliert… unwillkommen. Man spürte förmlich die Distanz zwischen den Familienmitgliedern und einem selbst.


    Ein Ausweg aus dieser Misere – zumindest zeitweise – wäre ein Spaziergang gewesen. Pegasus kannte nur das Landgut bei Capua, auf dem er viel zu viel Zeit verbracht hatte, und Capua selbst, welches nicht gerade die Attraktion schlechthin war. Rom war für ihn neu, aufregend und fremd. Es war die Stadt und es kribbelte ihm in den Fingern, diese endlich zu erkunden und sich einen Namen zu machen… einen Namen, den er offiziell noch nicht verwenden durfte. Paullus erwischte sich immer wieder bei dem Gedanken, die Weisung des pater familias zu ignorieren und sich seines Namens gemäß zu verhalten, doch er besonn sich immer wieder eines besseren. Er war auf Corvinus’ Sympathie angewiesen. Ihn zu verstimmen war keine gute Idee und so befolgte er die Ratschläge seines Onkels und blieb in der Villa.


    Pegasus blickte sich umher und mit einem leichten Seufzer nahm er diesen nicht besonders großen Raum war. Spartanisch eingerichtet war er nicht gerade, aber man merkte, dass dies das Zimmer für einen Gast war. Einen Gast, den man wohlmöglich nicht so lange zu beherbergen gedenkt. Tatsächlich schien ihn dieser Gedanke noch depressiver zu machen. Der Aurelier fasste sich an die linke Schläfe und begann, sie langsam zu massieren, ehe er kurz danach mit einem weiteren Seufzer innehielt.


    “Ich befürchte, ich werde mir noch was antun, wenn ich länger in diesem Raum bleibe… Corvinus wird sicherlich nichts dagegen haben, wenn ich mich ein wenig in der Villa umschaue und die Aurelier… die anderen Aurelier, meine Verwandten, kennenlerne.“, meinte er leise zu sich selbst. Ein musternder Blick an sich hinunter, ein Nicken und ein Räuspern folgten. Er atmtete tief ein und wandte sich zur Tür. Die Nervosität eines Kindes, das um seine verbotene Tat wusste, erfasste ihn, aber mit erzwungener Selbstbeherrschung schaffte Paullus es schließlich, mit zwei schnellen Schritten die Tür seines cubiculums zu erreichen und die Tür leise zu öffnen. Er spähte in den Gang hinein, huschte durch die Tür als er niemanden entdeckte und machte sich auf den Weg ins atrium, dem Ort, an dem alles begann.

    Die Sklavin schien ihn wohl zum Narren halten zu wollen, oder weshalb sonst versuchte sie nun so überdeutlich langsam und einfach ihm klarmachen zu wollen, in welcher Richtung das Bad lag? Ein einfaches Nicken wäre völlig akzeptabel gewesen und zum Bad hätte sie einfach vorgehen können. Andererseits waren ihm Sklaven, die nicht so viel redeten gar nicht so verkehrt. Wie sie ihn auf seinem Anwesen immer mit Nichtigkeiten quälten und das alle zusammen. Das kam fast schon einer Intrige gleich!


    Mit einem Schulterzucken folgte Pegasus Blick der Richtung, in die Tilla deutete. Ein Seufzen unterdrückte er, Akzeptanz der gegenwärtigen Situation war alles, was ihm übrig blieb. So schlenderte er dorthin, wo ihm Entspannung versprochen wurde.


    Sim-Off:

    Ich denke, wir/ich überspringen das und kehren dann zur Cena ein, oder?

    Skeptisch musterte der Aurelier die stumme Sklavin. Wie konnte man sich ein solch junges Ding anschaffen, wenn sie stumm war? Das machte nur noch mehr Mühe mit den Sklaven. Man war auf tabula und stilus angewiesen, vorausgesetzt, der Sklave, oder die Sklavin konnte überhaupt schreiben, was man von den meisten nicht ansatzweise erwarten konnte. Dann blieb da immer noch die Zeichensprache. Er stellte sich in Gedanken schon Szenen vor, in der er hektisch rätselhafte Handbewegungen dechiffrieren musste, was ihn leicht ins schwitzen brachte. Gab es denn hier keine... normalen Sklaven?


    Mit einem verlorenen Blick schaute er Corvinus hinterher, der sich knapp verabschiedete. Das gefiel ihm wohl recht gut. Er konnte Paullus nicht vertrauen, vielleicht wollte er es gar nicht. Da wurde ihm also eine komplizierte, junge – zugegeben: durchaus nicht unattraktive – Sklavin abgestellt und er musste zwangsläufig alleine zurecht kommen. Eine berauschende Situation.


    Pegasus richtete seine Augen wieder in Richtung Tilla. Was könnte sie für ihn tun? Was brauchte er denn in einer solchen Situation? Einen Platz zum Nachdenken, zum Erholen, zum Entspannen, ja, das war genau das, was er sich nun wünschte. Ein schönes heißes Bad, mit beruhigenden Ölen. Er bezweifelte zwar, dass sie hier eine Auswahl seiner favorisierten Badeöle hatten, aber er war momentan recht leicht zufrieden zu stellen.
    “Ein heißes Bad brauche ich. Kleidung habe ich in Obhut meines Sklaven gelassen. Ob er im Atrium wartet, oder noch draußen, weiß ich nicht, aber darum kannst du dich schließlich kümmern.“, meinte er mit einem Stirnrunzeln. War das alles? Vorerst wohl schon...

    Pegasus musste ein Gähnen unterdrücken. Die Reise war nur verhältnismäßig kurz gewesen, aber ungewohnt anstrengend und fordernd. Man konnte sich gar nicht vorstellen, wie unbequem selbst gepolsterte Sitze mit der Zeit werden konnten und Schlaf... das war bei einem solchen Rumgepoltere normalerweise ein Fremdwort. Aber er war froh, die Philosophen bei sich gehabt zu haben.In Form von kleinen Pergamentrollen hatte er bei langen Strecken immer etwas zu lesen dabei. Nicht etwa, weil sie so spannend und geistreich waren – zugegeben, das dachten wohl viele, Pegasus nicht – sondern weil sie als ein erstklassiges Narkotikum fungieren konnten. Das machte er sich natürlich zu nutzen und nach nur wenigen Textpassagen fand er sich im Reich der Träume wieder. Dies gelang ihm diesmal allerdings nicht, was den Aurelier natürlich leicht ermüdete. Anstatt dies offen zu zeigen, fuhr er routiniert durch sein kurzes Haar. Ein Anzeichen, dass er absolut nicht wusste, was er in der gegenwärtigen Situation tun sollte.


    Fluchen wollte er. Jahaaa, und zwar ganz gewaltig. Er forderte sofortige, positive Ergebnisse, kein Hinhalten und Hinauszögern. Er forderte all das, was einem Aurelier gebührt und keine Skepsis wie sie gegenüber einem ordinären Landstreicher entgegengebracht wurde. Aber Pegasus meinte ja, Marcus' Handlungen nachvollziehen zu können. Auch wenn er damit log, konnte er jetzt schlecht das Gegenteil behaupten, wo ihm der Pater Familias doch bisher so zuvorkommend war.


    “Zwei Tage... ich denke, damit werde ich leben müssen, auch wenn sich mir nicht erschließt, was du dir aus diesen zwei Tagen versprichst.“ Denn für Nachforschungen waren zwei Tage etwas wenig und einen weiteren Grund, seinem Neffen nicht sofort das zu geben, was ihm zusteht, fand er nicht.


    So aufmerksam, wie es die Situation zuließ hörte er auch den weiteren Erläuterungen, Informationen und Angaben zu und meinte, sich verhört zu haben. Er sehnte sich gerade zwar nichts sehnlicher als ein heißes Bad und ein weiches Bett herbei, aber so absent war er dann doch nicht. Hatte Corvinus gerade gesagt, dass Pegasus eine Halbschwester hatte? Bei den Göttern, was für eine Nachricht! Er wusste nicht, ob er weinen oder lachen sollte... gut, weinen würde jedenfalls nicht, das war klar. Sprachlos ob dieser Neuigkeit schaute er zum Oberhaupt der römischen Aurelier, ehe er seine Stimme wiederfand.


    “Bitte was? Eine Halbschwester?“ Nichts war erfreulicher als das Erscheinen einer Sklavin, die ganz offensichtlich zu seinem Wohlergehen abgestellt worden war. Dass sie aufgrund ihres Schweigens recht unhöflich war, fiel ihm gar nicht auf, denn seine Gedanken kreisten sich gerade um andere Dinge.

    Er war etwas angespannt, fühlte sich in der jetzigen Situation nicht wirklich wohl in seiner Haut, andererseits war er sich nun so sicher wie nie, dass er in diese Familie als aktives Mitglied eingegliedert werden würde. Er war ein Patrizier, ein Aurelier und hatte dementsprechend den Anspruch auf einen Logenplatz im sozialen Gefüge. Niemand würde ihm das streitig machen und er würde nichts unversucht lassen, dass zu erreichen, was er sich in den Kopf gesetzt hatte. Da mochte er vielleicht etwas stur sein.


    Die leichte Brise fuhr ihm durch das kurze Haar, strich ihm über die leicht erwärmten Wangen und kühlte sein Gemüt wieder ab. So intensiv hatte er sich noch nicht mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt und hätte er es getan, wäre das Ergebnis dieser Konversation wohlmöglich ein ganz anderes gewesen. Er hätte einige Erklärungen und Argumente aus dem Ärmel zaubern können, aber seine übersteigerte Selbstsicherheit im Bezug auf die Anerkennung seiner selbst ließ ihn ein anderes Spiel spielen. Die beiden Sklavinnen – welche nicht lange in seinem Blickfeld blieben – zogen Pegasus' Aufmerksamkeit auf sich. War er enttäuscht darüber, dass sie sich nicht wirklich von den Sklavinnen und Sklaven auf seinem Anwesen unterschieden? Was hatte er erwartet? Das gesamte Haus war fremd... andersartig und versprühte trotzdem einen Hauch von Vertrautheit.


    Wieder herrschte Stille. Marcus beendete seine Sätze und niemand von den beiden vermochte zu einem weiteren Wort anzusetzen, obgleich es der Pater Familias von ihm erwartete. Er wollte fluchen! Was sollte er denn Antworten? Einverstanden? Er sollte damit einverstanden sein, seine wahre Identität auf's erste geheim zuhalten? Was sollte er denn in Rom machen, wenn er nicht sagen konnte, dass er ein Patrizier, ein Aurelier war? Sollte er sich wie ein Plebejer aus einer nichtsagenden Gens behandeln lassen?


    “Bei allem Respekt Corvinus, ich denke, ich kann dich... verstehen. Nein, das ist das falsche Wort... ich kann deine Handlung und deine Forderung nachvollziehen, aber... nein... Wie soll ich denn leben, wenn ich mich nicht als der ausgeben kann, der ich bin? Wie lange soll ich denn unter dem Deckmäntelchen bleiben? Wie soll ich mich denn vorstellen? 'Salve, ich bin... ja, warte einen Monat, dann darf ich es dir verraten.'? Soll ich mich als Plebejer ausgeben und mich unter meiner Würde behandeln lassen, damit du nach einer – für mich - schier endlosen Zeitspanne im Angesicht dieser alltäglichen Erniedrigung und Demütigung dann doch nicht mehr weißt wie nun? Dass ich dein Neffe bin, dass ich ein Aurelier bin. Nicht mehr und vor allem nicht weniger!“, erwiderte Paullus und versuchte einen mitreißenden Tonfall anzuschlagen, ohne, dass er seine innere Unruhe, seine Aufkommende Wut aufzeigte. Nichts lag ihm ferner, als durch eine unrühmliche Tat, durch ein unbedachtes Wort die Situation zu einem Punkt zu bringen, wo er nicht mehr weiter kam.


    Der Aurelier erwartete, dass sein Gegenüber die Situation verstand. Wie würde er sich denn in solchen Augenblicken fühlen? In Momenten, die seine Zukunft bestimmen und den weiteren Verlauf seines Lebens in die Wege leiten. Was würde er tun und sagen, wenn er wüsste, dass eine reelle Chance bestand, ein niederes Leben führen zu müssen, weil sein eigener Verwandter ihn nicht als einen der seinen akzeptierte? Erwartungsvoll musterte er den Mann. Er konnte nicht so viel älter als Pegasus sein und doch konnte man die Unterschiede des Vermögens und der Stellung deutlich erkennen, allein das fuchste ihn schon.