Ja, sie konnte tatsächlich froh sein, dass Hektor und Äpfelchen am Leben waren. Wer weiss wie Tilla ohne sie diese Reise durchgestanden hätte? Sie war froh um deren Begleitung, sah immerzu zu Hektor zurück, um sich zu versichern, dass er anwesend war. Ahso. erwiderte Tilla stumm flüsternd auf Marduks Worte. Ihr Entführer war verärgert, sie merkte es an seiner grollenden Stimme und schwieg von da an.
Wenn es eine Gelegenheit zum Stehenbleiben gab nutzte Tilla diese sogleich, um ein kleines Tüchlein in ihren wasserbeutel zu stopfen und es wieder hinauszuziehen. Damit befeuchtete sie zuallererst Pumillios Lippen und sein Gesicht, dann erst die eigenen Lippen. Meist steckte sie einen Zipfel zum Nuckeln in seinen trockenen Mund, damit er Feuchtigkeit aufnahm und auf diese Weise Wasser 'trank'. Schritt für Schritt ging Tilla weiter, trug Pumillio auf dem Arm. Es war ungewohnt heiss... manchmal dachte Tilla die Sohlen ihrer Sandalen würden jeden Moment aufplatzen, weil diese seltsam knirschten. Das Knirschen erhielt kurzweilig Tillas Aufmerksamkeit. Bald konzentrierte sich das Mädchen nur noch auf das Gehen, setzte einen Fuß vor den anderen. Ihr war seltsam zumute. Wahrscheinlich war die Hitze daran schuld. Die viel zu warme Kleidung klebte am Rücken, so auch die langen Haare auf dem Nacken und an den Schläfen. Tilla schwitzte unter der Sonne.
Die Knochen und Tierschädel flößten Furcht ein. Sie sah nicht hin und presste Pumillio fest an sich. Plötzlich gab es wohltuenden Schatten. Erstaunt sah sie die Felswände hinauf, entdeckte den Himmel nicht mehr über sich. Der Moment verging allzurasch. Dank einem Stoß von einem der Männer stolperte sie nach vorne und fand gerade so noch ihr Gleichgewicht wieder. Oh, wie sie die beinah totale Dunkelheit hasste! Nach der flirrenden Hitze schienen ihre Augen Streiche spielen zu wollen... die tollsten Regenbogenfarben tobten vor ihrem inneren Auge herum. Sie biss die Lippen zusammen und bemühte sich Marduk's Reisegesellschaft mit gespitzten Ohren zu folgen. Ihr Rücken wurde, je länger sie hier drinnen entlang liefen, wieder kühl. Mit den Fingern zog sie den braunen Mantel enger um sich herum.
Oh.. hauchte das stumme Mädchen als sie draußen ankamen. Wo sind wir? Pumillio, schau, du musst dir das ansehen. Bitte schau dir das an und sag mir, dass ich nicht träume. Der kleine Junge regte sich geringfügig, erwachte aus seiner Aphathie und seufzte ebenso erstaunt über die jubelnden Menschen. "Kein Traum..." flüsterte er und nuckelte den letzten Rest Wasser aus dem beinahe trockenen Tuch. Mit erhobenem Kopf und großen Augen schritt Tilla Marduk hinterher durch die Menschenmenge, schüttelte warnend mit dem Kopf wenn jemand Pumillio berühren wollte. Die Menschen kannten ihre Mutter die Königin sogar beim Namen. Ein schwaches Lächeln zierte Tillas Lippen. Eine wahrhaft berühmte Mutter wartete auf sie. Sie konnte kaum noch gehen, immer seltsamer wurde ihr zumute. Tilla ächzte beim Anblick der breiten Treppe auf und riss sich zusammen. Jetzt erst recht, das Ziel ist nah!, dachte sich das Mädchen und setzte einen Fuß nach Fuß nach dem anderen auf jede Stufe.
Nach der Treppe war keineswegs Schluß mit der Wanderung... sie musste weiterlaufen. Tilla setzte Pumillio auf den anderen Arm, trug ihn weiter. Ihre dunklen Augen schweiften über die Symbole. Immer wieder war der Delphin zu sehen! Was sollte es bedeuten? Die Gruppe passierte eine Pforte. Tilla bleib einen Moment stehen, betrachtete die Farben und die Höhe der Pforte. Vorsichtig berührte sie ein blau gefärbtes Symbol, dass wie Meereswellen aussah. Auch bei diesem Anblick fragte sie sich, was es bedeuten sollte. Nach einem stummen auf das Symbol aufmerksam machenden Blick zu Hektor durchschritt Tilla die Pforte.
Wasserrauschen? Sie ging ein Stückchen schneller... endlich konnte sie den Durst stillen! Weit gefehlt! Dies hier war keine Stätte an der man Wasser trinken konnte. Mit jedem Schritt näher heran entdeckte sie das Becken, die Rinne, die Felskante hinter dem Becken. Was war das? Eine bisher unbeantwortete Frage, die sie sich ständig stellte. Auf Marduks Befehl kniete Tilla gehorsam nieder, auch weil ihr die Kraft in den Beinen ausging. Sie setzte Pumillio neben sich ab, stützte ihn mit ihrer rechten Körperseite. Für das kommende wollte sie die Hände frei haben.. das war ihr aus irgendeinem unerfindlichen Grund wichtig. Langsam krempelte sie mit geschickten Fingern die Ärmel hoch und schob die verschwitzten Haare aus dem von der Sonne geröteten Gesicht.
Jeder konnte den blauen Strich am linken Arm sehen, der inzwischen ihre Schulter erreicht hatte und nicht zu wissen schien wohin des Weges. Tillas Blick folgte dem von Marduk. Ihre Mutter war hier! Ganz nahe bei ihr. Wieder umspielte ein Lächeln Tillas Mundwinkel. Neith.. meine Mutter! flüsterte sie stumm. "Tilla! Still! Sag nichts.." flüsterte Pumillio, sah Hektor hilfesuchend an. Mit forscher Geste schüttelte das stumme Mädchen Pumillios Hand ab, saß auf den Knien hockend auf dem kalten Boden und wartete auf ihre Mutter. Jetzt und endlich hatte das Warten ein Ende. Mutter! rief Tilla stimmlos aus, zeigte ihre nach oben gerichteten leeren Handflächen vor.