Beiträge von Tilla Romania

    Tilla wusste nicht wie ihr geschah. Ihr gebeutelter Körper forderte eine Ruhepause und sie musste diese, egal ob sie wollte oder nicht, hinnehmen. Ohnmächtig hing sie in den Armen einer Frau und wurde asbald auf ein Lager abgelegt. Die Wärme des Felles und das sanfte Streicheln behutsamer Fingerkuppen brachten sie langsam wieder zu Bewusstsein. Die Schmerzen im Arm trieben die Tränen aus ihren Augen... stumm wimmerte sie auf.


    Tilla holte scharf Luft und sah sich mit tränen überquellenden Blicken um. Esthers Gesicht tauchte verschwommen in ihrem Blick auf. Auch die Frau weinte. Schmerz- und tränengeplagt griff sie mit der gesunden Hand nach der von Esther und drückte diese einmal ganz fest. Was hatte diese noch gefragt? Löckchen. Mit dem Daumen der Hand zog sie eine Haarsträhne ihres Haars zu sich, umwickelte diese mit den Daumen und zog den Daumen langsam wieder heraus sodass die Haarsträhne sich zu einer Locke verwandelte. Mit dem Zeigefinger schrieb sie als nächstes ihren Namen auf das Fell.Tilla. und als letztes kam Hektors Spitzname für sie dazu. Kleiner Irrwisch. Ein schwaches Lächeln umspielte Tillas Mundwinkel in Erinnerung an den Bartträger, während sie Esther anblickte. Ihr fiel noch ein weiterer Name ein, diesmal aber nutzte sie die Lippen, um ihn stumm auszusprechen. Mia.


    Stirnrunzelnd versuchte sie sich aufzusetzen, das Fell rutschte von der bloßen Brust runter und gab den Blick auf das Amulett frei. Neith.. meine Mutter... Was hat sie.. mit damit zu tun?? Eine Königin mit soviel Wasser? In trockener Wüste? fragte Tilla einmal mehr. Hektor.. will weg gehen helfen... Pumillio ist nicht schuld an mich herbringen. Er wollte Geld für überleben.. auf Straße. fügte sie flüsternd einen Teil der bereits geschehenen Ereignisse hinzu. Ich kann ihn verstehen.. ich kenne nach Flucht das Leben auf der Straße... bis Verkauf als Sklavin für Römer. Hoffentlich dachte Esther nicht, dass sie fieberte. Wenigstens etwas erklären.. ihre urplötzliche Anwesenheit.

    Ihr Kleid... sie bekam es in die freie Hand zurück und drückte es vor ihre knospende Brust, während sie den Blick ihrer Mutter stumm erwiderte. Irgendwie war auch eine Entschuldigung darin zu lesen. Denn wenn sie sich damals nicht so tollpatschig angestellt hätte, dann besäße sie ihre Zunge und Stimme heute noch und könnte 'richtig' zu ihrer Mutter sprechen. Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Marduk hätte schon von Anfang an auf sie aufpassen sollen? Aber wie ging denn das? Er hatte sie doch erst jetzt gefunden. Oh, wenn sie gewusst hätte, dass Hilfe so nah gewesen wäre oder dass man sie suchte!! Mit zusammengezogenen Augenbrauen blickte sie Marduk böse an. Oh, wenn er sich doch viel früher zu erkennen gegeben hätte, dann hätte sie all die Jahre schon längst bei ihrer Mutter sein können!! Jetzt, wo sie sauer auf Marduk und seine Männer war, fühlte es sich gerecht an, dass der grimmiger Entführer ausgeschimpft wurde. Neith schickte alle weg. Schnell suchte sie des netten Bartträgers Blick, bat ihn stumm auf Pumillio aufzupassen. Der kleine Junge hatte sich nicht mehr gerührt oder einen Ton von sich gegeben. Tilla hoffte für den Kleinen, dass er dieses Abenteuer überlebte.


    Schliesslich wandte sich Neith direkt an sie. Mit großen Augen sah sie Mutter an, nickte stumm. Von wegen armes Ding!! Sie hatte in großer Gefahr ein liebgewonnenes Menschenleben gerettet. Mutter, was ist morgen? Was wird morgen sein? flüsterte sie die nächste Fragen, die ihr einfielen und überhört wurden. Da ihre Mutter eine mächtige Königin war, musste sie Leute haben die ihr dienten. Sie bezeichnete Tilla sogar als ihr Kind. Tilla schluckte hart, einen netteren Stimmenklang hatte ihre Mutter wohl gerade nicht parat. Stumm betrachtete sie Esthers Näherkommen und hörte mit offenem Mund mit an, wie diese gegen Mutter aufbegehrte und sogleich von eben jener zu Boden geschlagen wurde. Neith spuckte wilde Drohungen aus, drohte mit der Peitsche und sprach erneut von einer Zeremonie. Tilla schluckte hart. Eine Gruft? Hier drinnen? Die vielen unbeantworteten Fragen und rätselhaften Sätze machten Tilla schwindelig und ihre Ohren klingelten von Neiths Stimme.


    Als Mutter weg war, sackte Tilla zu Boden, hockte sich neben Esther. Sie spürte etwas unförmiges in dem zerissenen Kleid und angelte den halbvollen Trinkbeutel hervor, an dem das Nuckel-Tuch für Pumillio hing. Sie patschte mit der flachen Hand gegen die eigene Stirn. Da wünschte sie sich die ganze Zeit etwas für ihn und sich zu trinken und trug es die ganze Zeit bei sich. Warum wünschst du dir tot zu sein? Langsam wurde ihr alles zu viel. Mit heftig zitternden Händen öffnete sie den Beutel, nahm das Tuch und feuchtete es an, um es Esther mit stummer Geste zu geben. Die andere Frau sollte sich das Blut aus dem Mund wegwischen. Dann trank Tilla mit gierigen Schlucken, stillte ihren Durst und setzte den Beutel ab als kein Tropfen Wasser mehr drin war. Das angeschlagene Knie schmerzte und die Erschöpfung machte Tilla immer mehr zu schaffen. Warum auch immer, sie rutschte näher zu Esther und umarmte sie vorsichtig bevor sie mit einem Male ohnmächtig wurde. Der leere Wasserbeutel fiel aus Tillas Hand, langsam sackte der Mädchenkörper zusammen. Das Amulett funkelte auf, während Tillas Kopf auf Esthers Schultern liegenblieb.

    Und dann sprach jemand, schien näher zu kommen. Tilla konnte ihre Neugier nicht bezähmen, blickte zur näherkommenden Gestalt auf. Da kam sie, gekleidet in einem Kleid dessen Farbe sie im Laufe der Zeit hassen gelernt hatte. Nur die Haare der Frau allein lenkten Tilla von diesem Umstand ab. Schwarze Haare! Sie musste es einfach sein.. ihre Mutter! Sie begann flacher zu atmen, vor Aufregung und Anspannung, erwiderte den kurzen Blick, den sie von der Frau zugeworfen bekam. Tilla konnte die Augen nicht mehr von der Königin lösen, verfolgte jede ihrer Bewegungen.


    So schnell sie mit beinahe eingeschlafenen Beinen sie konnte, stand sie eilig auf und zuckte instinktiv zurück, wie die Hand der Frau auf sie zugeschossen kam. Mutter bewegte sich rasend schnell und forderte etwas neues. Im nächsten Moment musste sie ihr halbwegs zerissenes Kleid festhalten. Auf dem Rücken war ein Muttermal zu sehen, gut sichtbar neben längst verheilten Narben auf den Rücken. Tilla selbst wusste nichts vom Muttermal, wunderte sich über das merkwürdige Interesse an ihrem Rücken. Sie bemerkte Hektors Blick, nickte ihm verdutzt dreinblickend zu und hob fragend die Schultern an. Im übernächsten Moment fand sie ihre Mutter vor sich knieend wieder. Tillas Verwirrung stieg noch ein bisschen mehr an. Du lieber Himmel, was fanden die Erwachsenen nur am Amulett?? Sahen sie etwas, was sie nicht sehen konnte?


    Mit den Händen hielt sie das Kleid fest, versuchte ihren jugendlichen schlanken Körper notdürftig zu bedecken und liess es bei Neiths nächsten Worten verblüfft zu Boden fallen. Ein Ehrentag? Für sie? Autsch!! stöhnte sie stumm über den harten Griff am Handgelenk auf. Ich weiss nicht genau. Mir ist schon seit der ersten Nacht auf dem Schiff nicht gut. Liebend gerne hätte sie andere erste Worte ihrer Mutter entgegengeflüstert... zum Beispiel, dass sie sich freute, ihre Mutter nach so langer Zeit zu treffen.


    Unbekleidet, nackt bis auf die Haut, lief sie stolpernd an Neiths Seite mit. Lass meinen Arm los, du tust mir weh... Mutter! Die Pause hatte nicht allzulange gedauert. Die Erschöpfung von der Wanderung und der feste Griff machten es Tilla schwer sich zu wehren. Unbewusst hielt sie das Amulett mit der anderen Hand in der geballten Faust fest. Jetzt bloß nicht den Tränenstein nicht verlieren! Mutter! Was hast du vor? Was für ein Ehrentag? Warum trägst du ein rotes Kleid? Was ist auf meinem Rücken? fragte Tilla atemlos und stumm flüsternd, stellte ihr Fragen die ihr in diesen Momenten im Kopf herumwirbelten. Sie versuchte mit den Sandalen Neiths schnelles Gehtempo abzubremsen, schlitterte mit den Sohlen über den feuchten moosigen Boden. Aua autsch!! stöhnte sie auf und ging in die Knie, weil sie nach vorne hin ausrutschte und ihr festgehaltene Arm dabei in die Höhe gezerrt wurde. Der blaue Strich schien sich entschieden zu haben, wanderte weiter seines Weges durch die Adern des stummen Mädchens.

    Ja, sie konnte tatsächlich froh sein, dass Hektor und Äpfelchen am Leben waren. Wer weiss wie Tilla ohne sie diese Reise durchgestanden hätte? Sie war froh um deren Begleitung, sah immerzu zu Hektor zurück, um sich zu versichern, dass er anwesend war. Ahso. erwiderte Tilla stumm flüsternd auf Marduks Worte. Ihr Entführer war verärgert, sie merkte es an seiner grollenden Stimme und schwieg von da an.


    Wenn es eine Gelegenheit zum Stehenbleiben gab nutzte Tilla diese sogleich, um ein kleines Tüchlein in ihren wasserbeutel zu stopfen und es wieder hinauszuziehen. Damit befeuchtete sie zuallererst Pumillios Lippen und sein Gesicht, dann erst die eigenen Lippen. Meist steckte sie einen Zipfel zum Nuckeln in seinen trockenen Mund, damit er Feuchtigkeit aufnahm und auf diese Weise Wasser 'trank'. Schritt für Schritt ging Tilla weiter, trug Pumillio auf dem Arm. Es war ungewohnt heiss... manchmal dachte Tilla die Sohlen ihrer Sandalen würden jeden Moment aufplatzen, weil diese seltsam knirschten. Das Knirschen erhielt kurzweilig Tillas Aufmerksamkeit. Bald konzentrierte sich das Mädchen nur noch auf das Gehen, setzte einen Fuß vor den anderen. Ihr war seltsam zumute. Wahrscheinlich war die Hitze daran schuld. Die viel zu warme Kleidung klebte am Rücken, so auch die langen Haare auf dem Nacken und an den Schläfen. Tilla schwitzte unter der Sonne.


    Die Knochen und Tierschädel flößten Furcht ein. Sie sah nicht hin und presste Pumillio fest an sich. Plötzlich gab es wohltuenden Schatten. Erstaunt sah sie die Felswände hinauf, entdeckte den Himmel nicht mehr über sich. Der Moment verging allzurasch. Dank einem Stoß von einem der Männer stolperte sie nach vorne und fand gerade so noch ihr Gleichgewicht wieder. Oh, wie sie die beinah totale Dunkelheit hasste! Nach der flirrenden Hitze schienen ihre Augen Streiche spielen zu wollen... die tollsten Regenbogenfarben tobten vor ihrem inneren Auge herum. Sie biss die Lippen zusammen und bemühte sich Marduk's Reisegesellschaft mit gespitzten Ohren zu folgen. Ihr Rücken wurde, je länger sie hier drinnen entlang liefen, wieder kühl. Mit den Fingern zog sie den braunen Mantel enger um sich herum.


    Oh.. hauchte das stumme Mädchen als sie draußen ankamen. Wo sind wir? Pumillio, schau, du musst dir das ansehen. Bitte schau dir das an und sag mir, dass ich nicht träume. Der kleine Junge regte sich geringfügig, erwachte aus seiner Aphathie und seufzte ebenso erstaunt über die jubelnden Menschen. "Kein Traum..." flüsterte er und nuckelte den letzten Rest Wasser aus dem beinahe trockenen Tuch. Mit erhobenem Kopf und großen Augen schritt Tilla Marduk hinterher durch die Menschenmenge, schüttelte warnend mit dem Kopf wenn jemand Pumillio berühren wollte. Die Menschen kannten ihre Mutter die Königin sogar beim Namen. Ein schwaches Lächeln zierte Tillas Lippen. Eine wahrhaft berühmte Mutter wartete auf sie. Sie konnte kaum noch gehen, immer seltsamer wurde ihr zumute. Tilla ächzte beim Anblick der breiten Treppe auf und riss sich zusammen. Jetzt erst recht, das Ziel ist nah!, dachte sich das Mädchen und setzte einen Fuß nach Fuß nach dem anderen auf jede Stufe.


    Nach der Treppe war keineswegs Schluß mit der Wanderung... sie musste weiterlaufen. Tilla setzte Pumillio auf den anderen Arm, trug ihn weiter. Ihre dunklen Augen schweiften über die Symbole. Immer wieder war der Delphin zu sehen! Was sollte es bedeuten? Die Gruppe passierte eine Pforte. Tilla bleib einen Moment stehen, betrachtete die Farben und die Höhe der Pforte. Vorsichtig berührte sie ein blau gefärbtes Symbol, dass wie Meereswellen aussah. Auch bei diesem Anblick fragte sie sich, was es bedeuten sollte. Nach einem stummen auf das Symbol aufmerksam machenden Blick zu Hektor durchschritt Tilla die Pforte.


    Wasserrauschen? Sie ging ein Stückchen schneller... endlich konnte sie den Durst stillen! Weit gefehlt! Dies hier war keine Stätte an der man Wasser trinken konnte. Mit jedem Schritt näher heran entdeckte sie das Becken, die Rinne, die Felskante hinter dem Becken. Was war das? Eine bisher unbeantwortete Frage, die sie sich ständig stellte. Auf Marduks Befehl kniete Tilla gehorsam nieder, auch weil ihr die Kraft in den Beinen ausging. Sie setzte Pumillio neben sich ab, stützte ihn mit ihrer rechten Körperseite. Für das kommende wollte sie die Hände frei haben.. das war ihr aus irgendeinem unerfindlichen Grund wichtig. Langsam krempelte sie mit geschickten Fingern die Ärmel hoch und schob die verschwitzten Haare aus dem von der Sonne geröteten Gesicht.


    Jeder konnte den blauen Strich am linken Arm sehen, der inzwischen ihre Schulter erreicht hatte und nicht zu wissen schien wohin des Weges. Tillas Blick folgte dem von Marduk. Ihre Mutter war hier! Ganz nahe bei ihr. Wieder umspielte ein Lächeln Tillas Mundwinkel. Neith.. meine Mutter! flüsterte sie stumm. "Tilla! Still! Sag nichts.." flüsterte Pumillio, sah Hektor hilfesuchend an. Mit forscher Geste schüttelte das stumme Mädchen Pumillios Hand ab, saß auf den Knien hockend auf dem kalten Boden und wartete auf ihre Mutter. Jetzt und endlich hatte das Warten ein Ende. Mutter! rief Tilla stimmlos aus, zeigte ihre nach oben gerichteten leeren Handflächen vor.

    Hektor kam zu ihnen rüber. Mit klopfendem Herzen sah Tilla ihm zu und hoffte, das es keinen Ärger geben würde. Nein, kein Fieber... er liegt schlafend bei mir und wacht selten auf. erklärte sie rasch mit fliegenden Gesten. Ich weiss nicht was ich tun soll! Vielleicht ist das seine Art dieses Abenteuer zu überleben? Wie ein Eichhörnchen im Winterschlaf... Kurz zuckten Tillas Lippen. Ohja.. das Rätsel von Köchin Niki und die Diskussion mit Siv über den Winter tauchte in ihren Errinnerungen auf. Sie schüttelte diese schnell ab und schützte Pumillio mit einer liebevollen Umarmung vor Marduks Zugriff.


    Ich schleppe ihn mit mir herum solange sein Herz noch schlägt. Meine Mutter ist bestimmt nicht genauso böse mit ihm wie du. antwortete sie flüsternd mit voller Hoffnung im Herzen. Pumillio hat dich zu mir geführt und du müsstest ihn eigentlich dafür belohnen. Stattdessen strafst du ihn mit Verachtung. Hätte er gewusst was du vorhast.. es war keine leichte Entschidung für ihn. Weisst du, dass er sich die Schuld gibt, dass wir hier sind? Sein Herz ist schwer. Darum ist er krank geworden. Sie umfasste Pumillos leichten Körper mit den Armen stützend und hängte den Beutel Wasser an den Gürtel. Immer noch klopfte ihr Herz und es klopfte immer noch als sie mit erhobenem Kopf an Marduk vorbeiging und die ersten Schritte in die Wüste tat. Bald würde sie ihre Mutter mit eigenen Augen sehen und das war das Ziel des heute zu überstehenden Tages.


    Tilla sah nicht mehr zum Schiff und zum Wasser zurück... sie wusste, dass die grauen Leiber auch so auf sie aufpassen würden. Als weisse Wolken am Himmel. Tilla lächelte Hektor hoffnungsvoll zu und achtete darauf irgendwie in seiner Nähe zu gehen und zu bleiben. Es war mit einem Mal egal ob sie ihn nicht kennen durfte... sie fühlte sich bei ihm sicher. Was das stumme Mädchen nicht wusste war, dass ihre selbst zugefügten Schnitte im Ellenbogeninneren sich durch das ständige Tragen von Äpfelchen oder der Reibung der Kleidungsärmel entzündet hatten. Ein blauer Streifen wanderte unlängst zur linken Schulter hinauf. Marduk? Warum wohnt meine Mutter gerade hier? Allein im Sand? Gibt es keinen Regen? Eine Geschichte würde helfen diesen Marsch zu überstehen. Mit einem Fuß trat sie einen Stein zur Seite und ging weiter.

    Auch der kleine Irrwisch ist ganz betrübt darüber, dass du, Manius Flavius Gracchus uns verlässt. Die Tilla-Spielerin hat gerne deine Texte mitgelesen und das Lesen genossen. Wir beide wünschen dir das allerbeste für deinen weiteren Lebensweg. =)

    Mit einem Bündel unterm Arm und den kleinen Straßenjungen im Tragebeutel vor der Brust tragend stand sie zwischen den Kisten, tauschte vorsichtige Blicke mit Hektor aus. Hier gab es sehr viel Sand und Steine! Ein Tagesmarsch? Den werde ich ganz sicher schaffen, denn Gelegenheiten zum Ausruhen gab es reichlich. Ja, ich freue mich. Bald werde ich meiner Mutter gegenüberstehen erwiderte sie stumm flüsternd und setzte sich auf eine Kiste. Sorgenvoll nahm sie die menschenleere Umgebung in Augenschein, registrierte die Einsamkeit der Landestelle und fragte sich was dahinter verborgen war! Sie würde es noch erfahren, wenn sie darüber hinweg laufen würden.


    Tilla war schon seit der Landung schlecht, weil sie nicht mehr auf dem Schiff war sondern auf still stehendem Boden. Hmpf.. sie konnte und sollte jetzt nicht krank werden! Von einem finster aussehenden Mann bekam sie die morgendliche Mahlzeit gereicht und verzehrte diese auf der Kiste sitzend. Wie immer probierte sie Pumillio zum Essen und Trinken zu bewegen. Der Junge nahm zu ihrem Erstaunen alles an und öffnete sogar die schlafverkrusteten Augen, als sie ihm Wasser über seine Lippen einflößte. Es wird alles gut, Äpfelchen! sprach sie ihm flüsternd zu, streichelte seine salzigen Haare. Und versuchte selber an diesen Spruch zu glauben!!


    Nach der Mahlzeit band sie die Sandalensenkel neu zusammen und rubbelte Fetzen des schmerzhaft überstandenen Sonnenbrandes von Armen und Beinen. Schmunzelnd bewunderte sie die Anzahl der Sommersprossen und schielte auf ihre sonnenverbrannte Nase. Auch dort waren Sommersprossen zu finden, es war ein heiteres Bild was sie erblickte. Es lenkte von der Übelkeit ab. Mit den Beinen baumelnd wartete sie auf das Zeichen zum Aufbruch. Die Tage in Rom waren wie fortgeblasen, kamen ihr wie ein seltsamer Traum vor, aus dem sie jetzt erwachen durfte. Bald, bald schon würde sie ihrer Mutter gegenüberstehen und alles erfahren was sie schon immer wissen wollte. Tilla suchte den Blick Hektors, um ihm eine Nachricht mit wenigen gesten zu übermitteln. Pumillio hat eben gegessen.. endlich! gebärdete sie und brachte sogar ein erleichtertes Lächeln zustande. Rasch liess sie die Hände sinken, massierte Pumillios Bauch.

    Ihr wurde nach draussen geholfen. Mit offenem Mund nahm sie mit großen Augen staunend den klar blinkende Sternenhimmel und das glitzernde sanft wiegende Meer zur Kenntnis. Beinahe hätte sie Marduks Worte überhört, weil sie derart überwältigt von der Schönheit der Natur vollauf mit Staunen beschäftigt war. Neun Tage auf diesem Schiff bleiben? Frei bewegen, spielen, schlafen, essen und trinken? Dieser Vorschlag hörte sich gut an.. trotz alledem! Tilla klappte den offenen Mund zu, nickte langsam. Der Hüne wandte sich endlich ab.. und sie war seinen Blicken nicht mehr ausgesetzt. Tilla spürte wie Pumillio aufatmete und endlich das Weinen einstellte. Mit vorsichtigen Schritten wankte Tilla zur Reling und blickte aufs dunkle Wasser hinab. Nein, dort sollte Pumillio nicht reingeworfen werden.. das sah ja grauslig dunkel aus! Behutsam legte sie einen Arm um den Rücken des kleinen Jungen und erblickte asbald die Tümmler. Aber.. aber.. diese hellen Leiber! Die kannte sie doch! Das waren Delphine!!


    Stumm seufzte Tilla auf, liess ein paar Tränen vor Freude fliessen und umschlang ihr Tränenamulett mit der Faust. Hektor und die Delphine waren bei ihr.. nicht zu vergessen Pumillio. Unter so wachen Augen würde ihnen gewiss nichts passieren. Sie blieb die ganze Nacht draußen auf Deck, fand ein zusammengerolltes Tau und hockte sich bald zum schlafen mit dem Jungen hinein. Zum ersten Mal seit langem wieder schlief Tilla unter freiem Himmel.. mit einem kleinen Jungen im Arm. Die sanft rollenden Wellen wiegten die Kinder rasch in den Schlaf.


    Die nächsten Tage verbrachte sie mit Erkunden des Schiffes, immer den drohenden Blick Marduks bewusst; fand heraus, wann und wo sie essen und trinken bekam und kümmerte sich um Pumillio, für den sie noch einen Mantel aufstöberte und diesen zu eine Art Tragebeutel umfunktionierte. Dem Jungen bekam der Aufenthalt auf dem Schiff nicht, er erbrach beinahe alles was sie ihm als Nahrung vorsetzte und wirkte aphatisch. Tilla wollte ihn in diesem Zustand keineswegs alleine lassen und schon gar nicht bei Hektor zurücklassen. In anderen Situationen würde sie den seekranken Pumillio Hektor ohne weiteres anvertrauen, aber sie 'durfte' den Bartträger nicht kennen. Wenn sich unbeobachtete Augenblicke ergaben, schlich sie sich zum erwachsenen Mann hinunter, teilte mit ihm ihre karge Ration. Nur der kleine Straßenjunge wurde immer schwächer.


    Tilla war heilfroh als am neunten Tag endlich 'Land in Sicht' gerufen wurde, packte ihre Sachen zusammen und verabschiedete sich mit einer Brotspende von den schnatternden Tümmlern.

    Sie lies den Münzenbeutel auf den Boden plumpsen, der Gewissheit mächtig, dass er gut verknotet war und nicht aufplatzen konnte. Mit den Füßen schob sie den Beutel in den Wasserkrug hinein und hoffte, dass die Münzen dort gut aufgehoben waren. Mit zusammengepressten Lippen sah sie mit an, wie Hektor asbald gefesselt an einen Balken gehängt wurde. Hoffentlich blieb dieser noch ein Weilchen länger bewusstlos und lebte seinen Zorn aus, wenn Marduk nicht in seiner Nähe war.


    Stumm wie ein Fisch beobachtete sie Marduks Bewegungen und kraulte Pumillios Rücken. Der kleine Junge hatte nichts mehr gesagt, klammerte sich an sie und lutschte am Daumen. Mit einem Male war die Käfigtüre offen und Marduks Gesicht ihr ganz nahe. Tilla schaffte es einige Sekunden seinem Blick standzuhalten und verweigerte mit einem Kopfschütteln sein angebotene Hand. Sie musste den Jungen festhalten und würde ihn weiterhin bei sich auf dem Arm tragen. Marduks stumm Drohung machte Pumillios Verhalten nicht besser, denn der Kleine begann leise zu weinen, umschlang mit seinen Armen Tillas Schultern und verbarg sein Gesicht in ihrer Schulterbeuge. Mit einem stuimmen Seufzer schon Tilla ihn auf ihrem Arm zurecht und deckte ihn mit einer Hälfte ihres Umhangs zu.


    Ihr fiel nichts ein, was sie für den Jungen tun konnte. Mit ruhigen Bewegungen rappelte sie sich auf die Knie und krabbelte aus dem Käfig hinaus, um sogleich auf die Füße zu gelangen. Ja... sie wollte raus und an die Luft. Nein, ich weiss nicht viel über Ägypten. Nur soviel dass es dort immer heiss ist, das dort Riesenhäuser stehen die wie ein Dach aussehen und die Toten beherbergen. erwiderte sie wahrheitsgetreu abermals stumm flüsternd, fasste hilfesuchend nach Marduks Hand, um wegen dem Seegang nicht noch einmal irgendwohin zu purzeln. Ich weiss nichts über meine Vergangenheit. Ich bin als Baby vor einer Tür ausgesetzt worden und wuchs bei einem brutalen Herrn auf, bis er mich strafte. Ich hielt es nicht mehr aus und bin nach meiner Genesung geflohen. Viele Wochen überlebte ich auf den Straßen, bis ich plötzlich eingefangen und an einen neuen Herrn verkauft wurde. Tilla wurde allmählich übel.. es war ziemlich stickig hier unten. Mit skeptischem Blick betrachtete sie die steile Treppe. Wie sollte sie da raufkommen. Mit einem weinenden Jungen und einem langen Umhang?

    Sie wartete ungeduldig auf die Antwort von Hektor was er von ihrem Plan hielt. Warum überlegte er so lange,. Hektor hatte selbst gesagt, dass sie keine Zeit mehr verlieren sollten. "Ohjo.. mein Bauch..." jammerte der kleine Junge und rieb sich die Magengegend. Tilla legte rasch den Zeigefinger auf den Mund. "Pst, Pumillio! Hektor denkt nach!". Pumillio kam das kurze nachdenkliche Schweigen von Hektor seltsam vor. Plötzlich fiel dieser zu Boden und Marduk tauchte hinter ihm auf. "Oh nein.. der schon wieder!!" Vor Schreck rutschte Pumillio zur Seite und versuchte hinter den vielen Gegenständen zurück zum Käfig und zu Tilla hinein zu gelangen. Die stumme Diebin war die einzig nette Person in seinem kurzem Leben. Das ist kein blinder Passagier... rief Tilla entsetzt aus, umklammerte mit den Händen die kalten Gitterstäbe und hätte sich die nicht vorhandene Zunge abbeissen könne.


    Sie musste die Bekanntschaft mit ihrem Freund leugnen.. so schwer es auch fiel. Eilig suchte sie nach weiteren Worten und hörte Pumillio im Hintergrund rumoren. Zwängte er sich etwa wieder durch die Stäbe? Dann musste sie Marduk von ihm ablenken und seine Aufmerksamkeit auf sie lenken..... und auch kein Dieb! Das ist einer von den Euren. Ihr habt so viele Männer um euch. Bestimmt habt ihr auch verguckt und kriegt Ärger von dem da, sobald er wach ist!! Naja, so halbehalbe würde es hoffentlich sein.. besser noch stattfinden. Mit ängstlichem Blick betrachtete sie die blutigen Flecken.


    Der wird bestimmt ganz schön sauer sein und noch mehr Münzen von dir wollen. Ich kann dir welche geben.. sie sind von meiner Herrin. Mannomann, so blöde Ideen hatte sie noch nie gehabt... aber was tat man nicht alles fürs Überleben? Eilig nestelte sie ihren Münzenbeutel ab und warf ihn Marduk zu. Das Schiff setzte sich urplötzlich in Bewegung... der Boden begann zu schwanken. Tilla verlor das Gleichgewicht und purzelte auf die andere Käfigseite. AU! schrie Tilla stumm auf, rieb sich die Schulter. Die Wasserkanne war umgefallen, verteilte das Trinkwasser auf dem Käfigboden. Eine kleine Faust packte ihren Mantel. Eine kleine Gestalt verbarg sich zitternd in Tillas Rückenschatten. "Tilla.. ich will nicht zu dem da rüber müssen." flüsterte Pumillio und schob den Daumen in den Mund. Was nun? Sie musste wieder nach vorne! Sie nahm Pumillio auf den Arm, schlang ihren Umhang um ihn und stellte sich Marduks Blicken. Wenn nur dieser Seegang nicht wäre! Sie war noch nie auf einem Schiff... geschweige auf dem Wasser gewesen. Das ist einer von den Euren... wiederholte Tilla stur mit einem leisen Zischen durch die Lippen.

    Sie grinste über Claras Kommentar zu Caelyn. Da irrte sich die Ducciern aber gewaltig... denn Caelyns Gesprächigkeit hatte rasant zugenommen seit ihr Bruder da war. Ach, das weisst du auch noch nicht. Stell dir vor, dominus Ursus hat nach Caelyns verschollenem Bruder suchen lassen und ihn zu uns bringen lassen! Sie redet jetzt viel mehr... und ich erfuhr vieles von ihr was ich noch nicht wusste. Caelyn weiss ganz schön viel! erzählte Tilla einmal mehr das Haarekämmend unterbrechend, mit langsamen Gebärden der Duccierin. Hektor ist plötzlich mit domina Prisca abgereist.. sie waren lange fort, aber jetzt sind sie wieder da. begiestert nickte sie zur Idee mit dem Pferdestall besuchen und griff einmal mehr zur Tafel. Rasch war diese saubergewischt und man hörte Tilla schreiben. Erlaubst du mir und Hektor auf deinen Pferden zu reiten, wenn sie endlich zu dir gebracht werden? Nach dem Schreiben kämmte sie Claras Haare fertig, wischte ein paar Haarsträhnen von Claras Schultern und suchte einen Spiegel. Fein siehts du aus.. so schönes Haar! Ich sollte auch Stutenmilch trinken. lobte Tilla mit einem verschmitzten Zwinkern.

    Hektor nahm ihr nicht übel was sie gesagt hatte. Wie erleichtert sie doch darüber war! Aber ja.. sie sagen die Wahrheit, sonst hätten sie sich nicht soviel Mühe geben mich mitzunehmen und mir meinen Tränenstein nicht wiedergegeben, oder? beharrte Tilla irgendwie trotzig, obwohl es schon seltsam war, so plötzlich von Rom fortgerissen und auf einem Schiff zu sein. Tilla versuchte sich zu konzentrieren, der Freude über Hektors Auftauchen Raum zu geben.


    "Pumillio! Wir haben uns zufällig getroffen und Tilla hat mir nicht abgenommen, dass ich ein Dieb bin. Da wollt ich ihr zeigen, dass ich doch einer bin und habe versucht Äpfel zu klauen... was aber gründlich schief gegangen ist. Sonst hätten wir jetzt Äpfel zum Verzehren dabei." krähte der Junge und hielt erschrocken inne, als die Stimme ihres Entführers zu hören war. Der Junge sah zu Tilla zurück und dann Hektor an. "Ich versuche es... aber ich weiss nicht was schwimmen ist!"


    Tilla nahm ihn am Arm zurück, sah ihn eindringlich an. Warte, Äpfelchen, warte, die Stäbe sind sehr schmal. Ich versuche dir ein Bild mitzugeben, mit dem du besser durchkommst. Stelle dir vor, du bist ein Apfelkern, der viele Monate zum Wurzeltreiben in der Erde ausgeharrt hat und nun endlich nach draußen gelangen möchte. Mühsam, aber geschmeidig bahnst du dir deinen Weg durch die Erde und erreichst asbald die Erdoberfläche, wo dir die Sonne entgegenstrahlt. Denk nicht an die Stäbe, versuche dir vorzustellen, dass es weiche Erde ist. Es gelingt dir ganz bestimmt... mach dir keine Sorgen um das Schwimmen.


    Sie selbst würde nicht durch passen, aber sie überlegte schon wie sie sich ebenfalls 'einen Weg bahnen' konnte. Ich kann schwimmen. Ihr Blick fiel auf den Krug Wasser. Hektor? Soll ich mich an ihnen verletzen? Pumillio ruft zum Hilfe.. und du versuchst dann einen von denen zu überwältigen und dich als ihn verkleidet auszugeben? Vielleicht können wir dann nach oben huschen und huschhusch ins Wasser springen? Wenn wir noch im Hafen sind, müsste das Ufer nicht weit sein. Während sie sprach zwängte sich Tillas kleiner Freund mit zusammengebissenen Zähnen durch die Stäbe und plumpste Hektor erschöpft in die Arme. "Tilla.. komm..." ächzte Pumillio, streckte ihr seine Hand entgegen.

    Hektor antwortete genauso wie sie es nicht erwartet hatte. Er war es höchstpersönlich! Dies war tatsächlich Hektor, der es irgendwie aufs Schiff geschafft hatte, um sie wieder aus dem Käfig herauszuholen. Mit großen Augen sah sie ihn an und schluckte an dem Kloß, der sich in ihrer Kehle zu bilden begann. "Ich.. ich.. Hektor! Ich weiss nicht.. was in mich gefahren ist.. ich.. Es tut mir leid!!" stotterte Tilla und wischte sich hastig einige Tränen aus den Augen. Sein unerwartetes Auftauchen setzte dem bisherigen Geschehen die Krone auf und brachte ihre unterdrückten Gefühle hervor. Tilla schluchzte auf, entsetzt über ihr Mißtrauen Hektor gegenüber und rutschte mit Pumillio zurück zu den Käfigstangen.


    Der kleine Junge befreite sich aus dem wärmenden Umhang und hockte sich neben Tilla, allerdings ohne ihre Hand loszulassen. "Wenn das so ist, dann sollten wir irgendwie rauskommen. Ich könnte versuchen mich schmal zu machen und durch die Stäbe zu zwängen. Aber ich weiss nicht ob Tilla dies schafft." flüsterte der Straßenjunge Hektor zu. "Der böse Mann hat uns beide entführt und uns vorhin persönlich erzählt warum er das tat. Marduk will meine Freundin zu ihrer Mutter bringen. Tilla hat mir erzählt, dass sie ihre Mutter und ihren Vater nicht kennt. Ihre Mutter soll sogar eine Königin sein!" Pumillio schüttelte hilflos den Kopf, strich Tilla tröstend die Tränen von den Wangen. "Ich weiss überhaupt nicht, was ich machen soll... was wir machen sollen. Was ist falsch? Was ist richtig?" Mit einem stummen Nicken stimmte Tilla dem Jungen zu und biss sich auf die Lippen. Das Schicksal meinte es derzeit mal gut, mal schlecht mit ihr. "Hektor? Kannst du dich nicht irgendwo hier verstecken und mitkommen? Mit zu meiner Mutter kommen? Ich will wissen.. wer ich bin.. und woher?" flüsterte sie stimmlos. "Meine Mutter liess mich suchen und wartet auf mich..."

    Der unbekannte Mann kam immer näher, erwähnte noch einmal ihren Namen. Es wunderte Tilla, dass er sie so vertraut ansprach und spitzte die Ohren. Wieder erklang ihr Name und die Stimme klang vertrauter. Das war doch nicht der Leibwächter von Prisca? Der Mann, der einen zusammengerollten Teppich auf seinen Schultern tragen konnte, als wäre der Teppich leicht zu tragen! Hektor? flüsterte sie atemlos. Wie kam er hierher? Vorsichtig löste sie eine Hand aus der stützenden Umarmung von Pumillio und legte sie um die Gitterstäbe des Käfigs herum. Endlich warf das fahle Licht der Öllampen einen Strahl auf Hektors vertrautes Gesicht.


    Hektor? Aber .. wie?? Woher? flüsterte sie stimmlos, machte große Augen. Nein, mir geht es gut. Das ist Pumillio, mein kleiner Freund von der Straße... er schläft bei mir. Der Pferdepfleger schien nervös. Nun sag schon.. wie kommst du hierher? Eine ziemlich gute Frage und daraus entstand ein neuer Gedanke in Tillas Kopf. Prompt liess sie die Gitterstäbe los, wich mit dem schlafenden Jungen auf ihrem Schoß zurück in den Schatten des Käfigs. Du weisst alles! Du weisst was passieren wird! Du hast mich am Strand mit den Delphinen gesehen. Wenig später bin ich plötzlich fieberkrank geworden. Zusammen mit Prisca hast du mich unter einem Vorwand zurück auf die Straße gelockt. Ich hätte niemals gedacht, tatsächlich eine Antwort vom Orakel zu bekommen. Die Tafel war übrigens leer! stiess sie in heller Aufregung hervor, sah sich hektisch um.


    Pumillio hat mein Amulett gestohlen und den Mann zu mir geführt. Marduk gab es mir vorhin zurück. Oh Hektor! Wieviele Münzen stellte der böse Mann dir in Aussicht? Hoppla, beinahe hatte sie den Krug Wasser umgeworfen. Der vergitterte Käfig erschien Tilla plötzlich als der sicherste Ort. Pumillio regte sich, reckte seinen Kopf aus dem braunen Umhang von Tilla hervor und murmelte mit verstörter Stimme. Hör auf zu zappeln, Tilla. Ich habe gerade geträumt, dass wir wieder frei sind und mitten im Traum hast du mich geweckt. Wir sehen deine Mutter ja bald. Komm, leg dich endlich hin, vielleicht träumst du sogar dasselbe wie ich... Er sah Hektors Gestalt und drückte sich ängstlich an Tilla. Ich will nicht von dir weg!! Lass uns zusammenbleiben! rief er laut aus. Das stumme Sklavenmädchen spürte ihr Herz in der Brust ganz schnell und laut klopfen. Was sollte sie nur tun? Pst, Pumillio! versuchte sie den Jungen zu beruhigen, kraulte seinen Rücken.

    Tilla hörte sich Ursus stimmlich grollendes Donnerwetter an und zog eine beleidigte Schnute. Sie hätte fast ihre Ohren auf Durchzug gestellt udn es ihm zu zeigen, das es doch gehen würde. Zu ihrem Glück wies er sie darauf hin, dass sie nicht nur wegen Diebstahl sondern auch wegen einem Verkleidungsstreich ihr Leben verlieren konnte. Und sie hing an ihrem einzigen Leben. Ist ja schon gut... schon gut. Ich hör auf dich, es war jedenfalls eine nette Überlegung wert. gab sie zurück, hatte zugleich die nächste Frage parat.


    Und wie erkenne ich den Kaiser, wenn ich nicht mal sein Gesicht kenne? Ich kann lesen!! Steht sein Name unter den Bildern? Oder hat er ein besonderes Kennzeichen? Hatte der mächtigste Mann des Reiches zum Beispiel eine lange Nase oder hervorquellende Augen oder gar einen langenlangen Bart...?! Sie lugte den Münzen hinterher, die Caelyn in die Hand gedrückt bekam und biss sich auf die Lippen. Na, würde ihre Herrin Laevina auch so großzügig sein??! Mit treuherzigem Blick suchte Tilla ihrem Blick, führte eine Geste des Trinkens vor und deutete zum Stand rüber.

    Laevina schüttelte den Kopf. Sie durfte Hektor nicht holen beziehungsweise ihn suchen gehen. Schade, vielleicht wusste Prisca, dass er sowieso vorbeikommen würde oder wollte. Tilla hockte sich auf den Boden und lauschte den Ausführungen Priscas. Gneau.. die Kiste und das Kleid waren vor der Reise ans Meer gekommen und sie war diejenige gewesen, die beide Geschenke hatte auspacken dürfen. Tilla wollte dies noch erwähnen, hielt sich lieber zurück, weil die Frauen nicht schon wieder unterbrechen wollte. Hatte Prisca nicht einmal eine Geschichte über die geschnitzten Rosen erwähnt? Während Prisca erzählte fielen ihr immer wieder die Augen zu, obwohl... es war interesssant, aber noch nicht so interessant für Tilla, weil sie noch keine solche Erfahrungen gemacht hatte. Schliesslich schlummerte sie durch Priscas sanfte Stimme im Sitzen ein und holte ein bisschen Schlaf nach. Laevinas Lachen weckte Tilla für einige Momente wieder auf, aber das Sklavenmädchen zog die Beine an und bettete den Kopf mitsamt den Armen darauf. Das viele Weinen um den Tod der Hasenbabys hatte Tilla müde gemacht.

    Der Junge hielt sich an ihr fest und kuschelte sich ganz dicht an sie ran. Beinahe fühlte sie sich an die Anfänge ihrer Straßenkindzeit zurück versetzt, wo sie ab und an eines der jüngeren Kinder bei sich hatte schlafen lassen, die keine Decke besaßen. Die Umgebung und der Käfig aber liessen Tilla nicht lange in dieser Erinnerung verweilen. Sie hörte Pumillios Stimme zu und streichelte über seine verwuschelten Haare mit der Hand hinweg. Wie? Der Mann hatte nicht gewusst wie sie aussah, aber das Aussehen ihres Amulett gekannt? Stumm stimmte sie Pumillio dieser seltsamen Tatsache zu, die wahr geworden war. Tilla schenkte ihm ein dankbares Lächeln. Ich bin mir sicher, dass du auf mich aufpassen wirst. Und ich passe genauso auf dich auf. Ganz genau! Du-weisst-schon-wer hat uns gesagt, er bringt mich zu meiner Mutter. Und sein Wort muß er halten. Schliesslich ist es ein Auftrag von meiner Mutter... aber warum bloß soll ich in diesem Käfig hocken? Der Junge schlief, sie erkannte es an seinem ruhigen Atem, trotzdem sprach Tilla stumm flüsternd weiter zu ihm. Trotz deinem Handeln und Auftrag, mich zu Marduk zu locken und einzufangen kann ich dich irgendwie verstehen... soviele Münzen hätte ich mir vielleicht ebenfalls nicht entgehen lassen. Diese Münzen würden für eine Unterkunft samt Lebensmitteln und Getränken und warmen Decken und neuer Kleidung für alle Straßenkinder ausreichen. Vielleicht sogar für Wachstafeln zum Schreiben und Lesen lernen. Von oben hörte sie Marduk brüllen und verstand jedes Wort. Die Gehilfen Marduks waren immer noch dabei das Schiff zu beladen und deshalb konnten sie nicht losfahren. Mit böser Miene sah sie jeden Mann an, der zu ihnen runterkam, etwas abstellte und sie wieder verliess. Tilla schlief erschöpft ein, ohne etwas vom Wasser zu trinken. Und hatte viel später keine Ahnung wieviele Sanduhrumdrehungen sie verschlafen hatte.


    Irgendwas hatte sie geweckt... Legten sie jetzt ab? Ging es gleich hinaus aufs Meer? Wegen dem steifen Rücken und den kribbelnden Armen stöhnte sie stumm auf. Der Käfigboden war noch härter und kälter als steinerner Boden! Sie hatte es im Schlaf Pumillio bei sich festgehalten und betrachtete den schlafenden Straßendieb mit einem schwachen Lächeln. Er sah so unschuldig aus! In Gedanken erneuerte sie ihr stummes Versprechen. Da... da war wieder dieses Geräusch. Jemand war die Treppe herunter gekommen! Wer war das? Sie richtete sich langsam auf, biss die Zähne zusammen und rutschte auf dem Hosenboden zu den Gittern rüber. Zugleich hielt sie Pumillio immer noch bei sich in den Armen haltend fest. Da... da war ein menschlicher Umriss. Er, der Mann, sagte ihren Namen. Vielleicht war es einer von Marduks Männern, der sie nun eingehender betrachten wollte. Eigentlich musste er doch wissen wo genau sie untergebracht war. Tilla zog den braunen Umhang fester um sich und Pumillio herum und lehnte sich an die kalten Gitterstäbe. Ich bin hier... flüsterte sie stumm und kratzte mit den Fingernägeln über die Stäbe. Die Stimme kam ihr bekannt vor, sie bildete sich das bestimmt ein, weil sie sich ganz fest wünschte wieder bei Prisca zu sein. Oder sie träumte gar noch. Kannst du nicht schlafen, du böser Mann?!? flüsterten ihre Lippen. Was weisst du über meine Mutter was ich nicht weiss?

    Sie nickte eifrig. Ja, es geht ihm gut. Caelyn dient ihm immer noch und sie verstehen sich richtig gut. berichtete Tilla. Wo willst du denn deine Pferde unterstellen? Hm.. vielleicht weiss Hektor was? Er ist bei uns der Stallpfleger, dass weisst du doch noch, oder? Sie sprang bereitwillig auf und sah sich nach den Frisurutensilien um. Rasch fand sie einen Kamm und erfasste Claras Hand, um sie mit langsamen Schritten zu einem Stuhl zu führen. Magst du dich setzen? Dann komme ich nämlich an deine schönen Haare ran... ich werde bestimmt nicht so groß wie du. erzählte Tilla noch schnell, bevor sie die ersten Strähnen ergriff und in der Faust haltend sachte auskämmte. Eine kleine Idee bildete sich in ihrem Kopf. Tilla liess Claras Haare los, ergriff die Tafel und begann zu schreiben. Nicht viel später lag die Schreibtafel auf Claras Schoß. Magst du mir das Haus schon mal beschreiben? Vielleicht finde ich auf dem Rundgang die Dinge die du erwähnt hast... sozusagen ein Suchspiel. Oder du sagst, ich sehe was, was du nicht siehst und das ist zum Beispiel blau. Ich muss dann erraten welchen blauen Gegenstand du meinst. Das ist ein schönes Spiel... kennst du es? Tilla nahm das Haare kämmen wieder auf und lauschte Claras Antwort.. sie stand schon seitlich von ihr, weil Claras Haare bis auf ein paar Knötchen beinahe problemlos durchzukämmen waren.

    Aber ja doch, Caelyn... ich weiss, dass ich eine bin. gab Tilla zurück an die ältere Sklavin. Aber es muss doch Möglichkeiten geben, einmal in einer Therme baden zu gehen. Bestimmt fällt mir etwas tolles ein und dann werdet ihr staunen. fügte sie zwinkernd hinzu. Och Ursus... es muss doch Mittel und Wege geben da hinzu gehen. Ich weiss, dass in den Thermen die Leute ein und aus gehen. Viele berichten, dass die drinnen keine Kleidung mehr tragen sich aber so verhalten als hätten sie welche an. gab sie preis und reckte stolz über ihr Wissen das Stupsnäschen in die Luft. Hmja.. Kinder werden immer von Frauen geboren und nicht von Männern. Der Storch ist männlich also kann er gar keine Kinder kriegen und darf sie deshalb nur zu den Frauen bringen, die sich Kinder wünschen gebären wollen. Ich weiss das alles von den Geschichtenerzählern, die immer etwas zu erzählen haben. Und weil sie soviel zu erzählen haben, muss es doch richtig sein, oder etwa nicht? Das wäre traurig wenn keiner mehr denen zuhört, weil alles unwahr ist. Dann kriegen sie keine Münzen mehr und so.. Der Kaiser hört ihnen nicht zu... ich hab ihn noch nie unter Zuhörern gesehen oder entdeckt. Wie sieht er denn überhaupt aus? Sie 'redete' wieder einmal viel zu viel. Tillas neue Herrin mischte sich wegen dem Kaiser ein und weil Tilla nicht wusste, wieviel diese von ihren gebärden verstanden hatte, bezog Tilla vorsichtshalber direkt neben Caelyn Stellung. Wahrscheinlich würde sie zurückgeschickt werden, wenn Ursus alles Gebärdete übersetzte.

    Mit Mann schlafen? Stillliege? Und das Kind? Woher kommt es? Sie sah Caelyn forschend und musternd zugleich an. Ja.. wegen Lucanus sind mir die Männer egal.. Ist etwas? Willst du die Tafel haben?? Ich kann lesen und schweigen!! Tilla nahm sich noch einen Keks. Ich weiss nicht was eine Heimatstadt ist.. ich kenne nur Rom und seine Gassen. Du hast deinen Bruder.. das kenne ich auch nicht... Aber du bist meine Freundin, oder nicht? Bittend hielt sie der Älteren den vorhin ausgesuchten Keks hin. Wenn ich eine große Schwester hätte dann würdest du diese sein! fügte sie scheu hinzu.