Beiträge von Chimerion

    Chimerion erhaschte einen Blick auf die Schriftrolle, die über und über mit lateinischen Zeichen gefüllt war. Scheinbar hatte seine Herrin eine Vorliebe für Geschichte und Geschichten.
    Er trat, der Aufforderung folgend, noch näher, bis er dicht an ihrem Bett stand, auf dem sie es sich gemütlich gemacht hatte.


    Ein Fauchen ließ ihn von dem atemberaubenden Anblick seiner Herrin wegschauen, in zwei glimmende Augen, die sich verengten und ihn unverwandt anstarrten. Er ging in die Knie und lockte die Katze mit vorgestreckter Hand. Ob sie sich wohl noch an ihn erinnerte? Er jedenfalls tat es, betrachtete kurz die Kratzer an seiner Hand.
    Dann blickte er wieder seine Herrin an, als das Tier nicht reagierte.
    "Sie ist ziemlich scheu, wie mir scheint...", meinte er dann bedauernd.

    Chimerion sah erleichtert, dass der fremde Riese sich mit jemand anderem beschäftigte. Obwohl er wütend war, wusste er seinen Zorn doch zu beherrschen. Als er sah, wie der Mann nickte, als eine Sklavin ihm Zeichen machte, kam ihm die Erkenntnis, dass ihn der Mann vielleicht wirklich nicht verstanden hatte...
    Sein Blick wanderte zu der blonden Sklavin zurück, die nun von ihrer Herrin zurückgerufen worden war. Er lächelte und seine Lippen formten ein einfaches Danke. Hoffentlich bekam sie nicht allzu großen Ärger.

    Chimerion war den ganzen Morgen über im Krankenzimmer gewesen, der Medicus hatte ihn sich noch einmal gründlich angeschaut und seine Wunde begutachtet, die zügig verheilte. Trotzdem würde eine beachtliche Narbe bleiben und weitere Komplikationen waren nicht abzusehen. Seit einigen Tagen fragte sich Chimerion, wie es nun weitergehen sollte. Seine Herrin war allem Anschein nach tot, aber er hatte noch nicht um Erlaubnis gebeten, ihre sterblichen Überreste zu betrachten...
    Tagelang hatte er versucht, seine Erinnerungen wiederzufinden, aber es kehrten nur die Bilder der Toten und der Piraten zurück.
    Ein Nauta riss ihn aus seinen Gedanken, der Besuch für ihn ankündigte. Im ersten Moment musste Chimerion an Sklavenhändler denken... Ob die Familie ihn wohl weit weg verkaufen würde?

    Chimerion fühlte sich nicht richtig wohl in seiner Haut, als er dem Badewasser entstiegen war. Ylva hatte ihn geschrubbt und gestriegelt, ein wenig fester als nötig und er fühlte sich, als hätte sie mit Schmutz und Schweiß auch einen Teil seiner Haut abgeschabt. Besonders seine Haarpracht hatte ihre volle Aufmerksamkeit erfordert, mehrmals hatte sie ihn unter Wasser gedrückt und die wilde Mähne immer wieder gewaschen, bis alles an ihm nach Duftseife roch.
    Ein wenig hilflos hatte er es über sich ergehen lassen, dass sie ihn mit Ölen einrieb, die ihm anfangs fast den Atem verschlugen. Er roch wie eine dieser Dirnen, die er in der Subura zu hunderten gesehen und gerochen hatte, nur war er wirklich sauber und roch untergründig nicht auch noch nach Schweiß. Doch das dicke Ende war eine bunte Tunika, scheinbar nach Art der Ostlinge geschnitten, die er anziehen musste. Auf einen polierten Spiegel verzichtete Ylva gnädigerweise und schließlich durfte er sich auf den Weg in Celernias Cubiculum machen. Es gelang Chimerion sogar, noch schnell einen Happen zu essen. So hoffte er sich auf den kommenden Abend gerüstet, er würde beim Geschichten erzählen zumindest keinen Hunger haben.


    Er betrat das Cubiculum seiner Herrin und schloss die Türe ein wenig lauter als nötig, damit sie von ihren Pypyri aufschaute. Das Licht war gedämpft, aber er sah auf den ersten Blick, dass sich seine Herrin wieder einmal freizügig angezogen hatte, im Schein der Lampen wirkte ihre Kleidung nahezu wie ein Nebelhauch. Er ging auf sie zu und stellte sich in gebührendem Abstand vor seine Herrin.
    "Hier bin ich, Herrin," murmelte er mit leicht belegter Stimme.

    Chimerion maß seinen Gegenüber mit dem Blick. Er mochte ein wenig schwerer sein als er selber und vielleicht ein paar Handbreit größer, doch Chimerion war muskelbepackt und würde der Auseinandersetzung nicht aus dem Weg gehen.
    Sein Blick auf Celerina ließ böses erahnen, doch statt dafür zu sorgen, dass der Besitzer des Riesen sein Eigentum zurückpfiff, schaute Celerina Chimerion nur giftig an. Er überlegte, dass er oder seine Herrin für Beschädigung anderen Eigentums aufkommen mussten, also verzichtete er im ersten Moment auf weitere Handgreiflichkeiten.
    Als er gerade noch etwas sagen wollte, schob sich eine hübsche blonde Sklavin zwischen ihn und den Rüpel. Erstaunt hörte Chimerion, wie sie den anderen zur Ruhe aufforderte. Er blickte diese Erscheinung an und wartete, wie sein Gegenüber reagieren würde.

    Chimerion nickte nur und machte sich dann auf den Weg zu den Unterkünften. Er war froh, doch noch so glimpflich davongekommen zu sein, zumindest hatte die Herrin ihre Katze ja wieder.
    Beim hinausgehen streifte er Ylva mit einem Lächeln. Er hatte nicht im Traum daran gedacht, die Germanin zu nehmen und sie war augenscheinlich auch recht froh darüber. Den Befehl der Herrin würde er ausführen, auch wenn er nicht viel Wert darauf legte, von Ylva eingekleidet zu werden.

    Chimerion fuhr herum, als er ein Rascheln und Knacken hörte. Wie eine lauernde Raubkatze machte er sich sprungbereit, um den möglichen Verfolger abzuwehren. Wenn es einer der Herren war, konnte er ihn vielleicht schnell außer Gefecht setzen und dann mit den beiden Frauen fliehen, ohne dass das Opfer etwas hatte erkennen können.

    Minnas Ausruf ließ ihn innehalten. Sie schien die Person zu kennen, die sich durch das Dickicht schlug. Anscheinend war er auch ein Sklave des Haushaltes. Die Anspannung wich aus seinen Gliedern und er murmelte ein "Willkommen". Während der Unterhaltung der dreien stand er ein wenig verloren daneben und machte sich an seinen mitgebrachten Sachen zu schaffen. Als Minna die Decke ausbreitete, setzte er sich zu ihr und legte seine Mitbringsel in die Mitte.
    Er nahm von ihr eine kleine Kerze entgegen und hielt sie andächtig in der Hand. Was sie über das Fest sagte, kam ihm bekannt vor, obwohl er selber ein solches Fest nicht feierte. Doch hier in Rom schien es egal zu sein, wieso nicht heute den Beginn des neuen Jahres feiern?
    Ein wenig unbehaglich war ihm schon bei dem Gedanken, dass die Toten näher waren als sonst.
    "Und die Toten werden heute Abend geehrt? Oder ziehen sie umher und sollen mit Lichtern besänftigt werden?"

    Kopfschüttelnd sah Chimerion zu, wie Ylva dem Mann sein Geld zahlte. Vor seinem geistigen Auge sah er sich schon wieder in einem Baum sitzen, in der einen Hand einen Sack und in der anderen ein Blatt Salat, verzweifelt darum bemüht, einen Affen vom Baum zu locken, um ihn seiner Herrin zurückzubringen. Es konnte immer noch schlimmer werden, überlegte er bei sich.


    Er nahm die beiden Käfige mit den kreischenden Tieren und trat nach draußen. Unwillig drückte er die Käfige einem der Sklaven in die Hände, die die Einkäufe trugen und warf noch schnell eine alte Decke über die Käfige, damit niemand sah, was sie durch die Gegend trugen.
    Dann stellte er sich neben die Sänfte, um Celerina beim Einsteigen zu helfen. Ungeduldig sah er zu, wie sie sich noch immer mit dem Patrizier unterhielt. Scheinbar war der Tag noch nicht vorbei.

    Im ersten Moment war Chimerion versucht, dem nur etwas größeren Sklaven seine Rattenpfötchen zu brechen, mit denen er ihn angerempelt hatte. Diese augenscheinliche Provokation konnte der stolze Thraker nicht auf sich sitzen lassen.
    Er trat einen Schritt näher, den Zeigefinger des anderen ignorierend, der ihn in die Brust piekte.
    "Hörst du schlecht? Ich sagte pass auf wo du hinläufst!!!!!", zischte er gehässig. Mit einem Seitenblick versuchte er abzuschätzen, ob seine Herrin irgendeine Notiz von ihm nahm.

    Chimerion behielt seinen Stand, als er von einem Mann mit östlichem Aussehen angerempelt wurde. Seine Bulla um den Hals wies ihn als Sklaven aus. Irgendwie wurde es Chimerion hier schon wieder zuviel, die ganze Reisegemeinschaft der Flavier und Aurelier hatte sich nun mit endlosem Anhang durch die Masse zu quälen.
    Und zum Dank rempelte man ihn auch noch an.
    "Mensch, pass doch auf wo du hinläufst", brummte er nur und beobachtete weiter die Umgebung, um sich von diesem unmöglichen Mann mit seiner Katze abzulenken. Wieso waren die Frauen nur so verrückt nach diesen Tieren?

    Chimerion blickte kurz zu Ylva hinüber, sie sah zwar recht hübsch aus, aber sie hatte das Einfühlungsvermögen eines Steines. Nur im äußersten Notfall, wenn die Erdenmutter alle Frauen außer ihr getilgt hätte, wäre er vielleicht schwach geworden.
    Er sah seine Herrin an und ein Funkeln trat in seine Augen. Sie war ein wenig schnippisch, aber sie hatte an das gedacht, was sie von einem Mann erwartete. "Herrin, wenn du erlaubst....dann würde ich Ylva heute Nacht gerne alleine lassen. Ich dachte eher daran, ob du mir nicht...den Umgang mit Katzen beibringen könntest?" fragte er mit Unschuldsmiene.
    Wenn sie seinen Körper wollte, würde er es früh genug merken, aber ihm war eher nach Unterhaltung zumute, um seine Herrin näher kennen zu lernen. Erst einmal hatte er hinter ihre Fassade geblickt...

    Chimerion hatte den Namen schon mal gehört, aber er wusste nicht mehr, in welchem Zusammenhang. Aber das spielte auch keine Rolle mehr.
    Er legte sich wieder auf den Rücken und verschränkte seine Arme hinter dem Kopf. Eine ganze Zeitlang sagte er garnichts, sondern dachte nach.
    Dann wandte er sich wieder an Cassim. "Ich glaube nicht, dass wir schon morgen fliehen können, wir müssen erst noch jemanden finden, der uns sicher nach Misenum führt, über Ziegenpfade oder so. Solange wir den oder die nicht haben, können wir nicht loslegen.
    Aber wir sollten trotzdem Augen und Ohren offen halten. Vielleicht in einem Monat oder so? Sobald alles gut vorbereitet ist."

    Lysander atmete hörbar aus. Scheinbar war diese junge Patrizierin doch nicht so naiv, wie er gedacht hatte. Mit dem Geld konnte er getrost wieder neue Tiere bestellen, um vielleicht noch andere hochgestellte Persönlichkeiten zu beliefern. Er nickte nur und verschwand kurz im Nebenraum. Er kam mit einem weiteren Käfig zurück, in dem ein fast gleicher Affe saß, nur ein wenig kleiner.
    Er stellte den Käfig zu seinen Füßen ab. "Das zweite Exemplar, edle Dame. Wenn ich dann.. um meine Bezahlung bitten dürfte?", meinte er und schenkte ihr ein Lächeln, das seine wenigen Zähne entblößte.


    Chimerion konnte es immer noch nicht glauben. Nicht genug damit, dass Celerina bereits eine Katze hatte, die jede Gelegenheit nutzte, um wegzulaufen, jetzt wollte sie auch noch einen kleinen Affen haben, der mit Sicherheit noch schwerer zu bändigen war... Und außerdem konnte er bedeutend besser klettern als diese Saba.

    Die Ankündigung, dass Celerina ihm zeigen wollte, wie man mit Tieren umging, versetzte Chimerion nicht gerade in einen Freudentaumel, Na, zumindest würden ihm dann die Kratzer erspart bleiben, wenn die Katze sich von ihm folgsam auf den Arm nehmen ließ. Auf die Lektion war er gespannt, zumal er nicht glaubte, dass diese verwöhnte Katze überhaupt erzogen werden konnte. Wahrscheinlich hatte sie wie seine Herrin ihren eigenen sturen Willen.


    Dann fing Celerina wieder an, ihn zu beobachten, mit einem wachen Blick, der sich in Chimerions Augen bohrte und nach irgendetwas suchte. Konnte sie erahnen was er dachte? Über einen Finderlohn hatte er sich noch keine Gedanken gemacht, als die Frage jetzt aufkam.
    Wieder umschlich sie Chimerion und lauerte auf die Antwort. Er würde ihr nicht den Gefallen machen und ihr sagen, was er am meisten begehrte, sie sollte selber darauf kommen. Die Maus hatte schon ein Schlupfloch gefunden, durch das sie zu entkommen suchte.
    "Ich hätte für heute Nacht gerne die Gesellschaft einer Frau, Herrin", antwortete er nach kurzer Überlegung, "meine Unterkunft ist ein wenig zugig."


    Sein offenes Gesicht verriet nichts von einem Lachen, dass in ihm brodelte, als er auf ihre Reaktion wartete. Sie würde ihm wahrscheinlich eine Sklavin schicken, doch wie würde sie sich fühlen, wenn sie wusste, dass ihr Spielzeug sich ohne sie vergnügte?

    Der Händler zögerte einen Moment lang. Unschlüssig, ob er die Wahrheit sagen sollte, nestelte er an einem der Käfige herum.
    Doch dann siegte die Gier. "Ich habe tatsächlich noch ein solches Tier... Allerdings ein Weibchen. Mit ihm wollte ich weitere Nachkommen züchten, die sehr schwer zu beschaffen sind. Aber der Preis für dieses Tier ist fast genauso hoch. Bedenke den Profit, den ich mir mit seinem Verkauf entgehen lasse, wenn ich kleine Äffchen züchte... Oh ja, der Preis. Sagen wir nochmal 4000 Sesterzen und ich könnte mich dazu durchringen, es dir zu verkaufen." Damit wies er auf einen kleinen Durchgang zu den hinteren Teilen seines Lagers. Was es dort zu finden gab, mochte sich niemand vorstellen, es roch jedenfalls nicht weniger streng.
    Begierig auf eine antwort blickte Lysander an dem Leibwächter vorbei, der vorhin neben seine Kundin getreten war.

    Auch Chimerion atmete erleichtert auf, als Cassim das Cubiculum verlassen hatte, der Zündstoff für weitere Wutausbrüche seiner Herrin war damit erst einmal verdampft. Zumindest ihrem Tonfall nach war Celerina nicht mehr ganz so böse, sie schien erleichtert zu sein, dass ihre Katze wieder da war.
    Aus Chimerions Sicht war diese Freude leicht übertrieben, ja sogar fehl am Platz. Ein Grollen stieg in ihm hoch, als er seine geschundenen Hände ansah, die mit blutigen Kratzern übersät waren. Hätte er nicht ihre Peitsche zu fürchten gehabt.... Sie behandelte ihre Katze besser als ihre Kinder. Plötzlich verstand Chimerion. Er hatte in der Villa nirgends Kinder seiner Herrin gesehen und diese Katze schien ihr Ersatz dafür zu sein, ein lebendes Wesen, um das sie sich kümmern konnte.
    Gegen seinen Willen regte sich Mitleid in Chimerion und er nickte bei ihrer Rüge über die Behandlung der Katze.
    "Wenn du mir zeigst, wie man mit diesen Tieren umgeht, Herrin, kann ich sie das nächste Mal bestimmt besser retten!"


    Was sagte er da bloß? Wollte er das wirklich? Nun ja, zumindest hatte er keine Lust mehr auf Kratzer und würde alles tun, um sie zu verhindern.
    Chimerion glaubte einen Moment, er hätte sich verhört, als Celerina ihm dankte. Niemand dankte einem Sklaven, es wurde erwartet, dass sie das taten, was man von ihnen verlangte, ohne wenn und aber.
    "Eine Belohnung? Herrin, deine Dankbarkeit ist mir Lohn genug," meinte er bescheiden. Wenn das wieder eine Prüfung war, würde er sie diesmal bestehen. Seine Loyalität müsste ihr eigentlich längst klargeworden sein.

    Chimerion schüttelte zögernd den Kopf.
    "Ich habe meine Herrin einmal nach Ostia begleitet, dabei durchquerten wir ein Stadttor im Süden... Aber die Umgebung war mir fremd, ich weiß nur vom Hören-Sagen, dass Misenum einige Meilen weiter im Süden liegt, aber wie weit genau weiß ich nicht. Allerdings gibt es eine Straße, die nach Misenum führt, daran könnten wir uns orientieren...."Er schwieg einen Moment und versuchte, sich eine Landkarte, die er einmal in der Bibliothek gesehen hatte, ins Gedächtnis zu rufen. Es war sicher nicht allzu weit. Die Frage nach Geld war schon schwieriger.
    "Ich selber besitze ein paar Ass, mehr nicht.... Wenn wir Geld brauchen, müssen wir es uns besorgen, außer stehlen fällt mir nichts ein. Hannibal kenne ich nicht, ist er einer der Sklaven?"

    Lysander hatte hier offenbar eine zähe Verhandlungspartnerin gefunden, oder sie hatte einfach nur Glück. Das Spiel machte dem Ägypter langsam Spaß, aber da sie nun ein noch niedrigeres Angebot machte, sah er seinen riesigen Profit schrumpfen. Andererseits musste er Platz schaffen für die nächste Lieferung, die er wieder unter der Hand verkaufen wollte.
    Als setzte er eine jammervolle Miene auf.
    "Ach Herrin, ich habe eine Frau und sieben Kinder, wie soll ich die nur alle durchfüttern? Aber gut, 4500 Sesterzen sind besser als garnichts." Er griff den Käfig mit dem Affen und trat einen Schritt näher. "Hier bitte, nimm mein bestes Stück."