Beiträge von Cnaeus Flavius Lucanus

    "Salve, rector" begrüße ich Aelius Callidus betont freundlich, aber doch auch schüchtern. Ich will kein Blatt zwischen uns kommen lassen, hoffe ich doch, weiterhin von ihm etwas zu lernen und ihm wie der Schola verbunden zu bleiben.


    "Entschuldige die Störung. Ich kann mir denken, daß Du aufgrund des uns alle niederdrückenden Todes unseres Kaisers von Arbeit und Verantwortung noch mehr als sonst gedrückt wirst," versuche ich einen Einstieg.


    "Ich werde wohl ein Amt im cultus Deorum übernehmen. Und darum muß ich leider meine Aufgaben als scriba Logei zurückgeben. Eine Doppelbelastung war bisher gut zu schaffen und ich denke, ich habe nicht mehr Unheil angerichtet, sondern zu verhindern geholfen." Denn die Fehler in den Abschriften der dissertationes, die ich immer wieder gefunden hatte, waren zweifellos ein Unheil im Kosmos der Schola.


    "Es tut mir wirklich sehr leid, aber als sacerdos publicus, der ich wohl nun bald werde ... naja, man sollte lieber wenig gut, als zu viel mittelmäßig machen, nicht? Daß ein sacerdos nicht gleichzeitig scriba sein kann, sich diese Ämter gemeinsam nicht mit der dignitas des sacerdos vereinen lassen, ach ja, aber vom Altar an den Schreibtisch - zurück zum Altar. Irgendwas bleibt sicherlich bei den Wegen auf der Strecke.

    "Salve, Onkel Aquilius!" rufe ich freudig und winke zum Eingang. Ein wenig Ablenkung kann Wunder wirken. Ich ziehe mich wieder auf die Kline zurück und rutsche ein wenig näher an meine Schwester, weil sich wohl auch Onkel Zwei zu uns gesellen will. "Flavisches Blut ist wie opus caementitium - uns kriegt keiner mehr auseinander. Wie sind quasi aneinander festbetoniert." Meine letzten Worte, etwas leiser gesprochen, gelten meiner Schwester, der ich einen kurzen gespielt-ernsten Blick zukommen lasse.


    Während ich mich genüßlich räkele und in den von Onkel Gracchus so genannten Thron aus Kissen einmummele, spinne ich den Faden fort. "Komm her, hier auf der hispanischen Kline ist noch Platz - tres faciunt collegium, wie man so schön sagt. Darf ich vorstellen? Flavia Celerina - Onkel Flavius Aquilus", mein und Dein Onkel, Schwesterchen ... Bei der Vorstellung wende ich den Kopf lächelnd hin und her - und zwinkere auch Onkel Gracchus leicht zu.


    Ich bin zwar beileibe noch kein Erwachsener, kein Mann (aber das vertiefen wir nun nicht) und nur dem Blute nach ein Patrizier, aber ich bin der Bruder meiner Schwester (natürlich, was sonst - der Neffe meine Schwester wohl kaum) und darum fühle ich mich verantwortlich. Man glaubt kaum, was einige Monate, fast nun ein Jahr 'Leben in Rom' ausmachen können: hätte ich es früher je gewagt, auch nur Widerspruch gegen Onkel Gracchus zu denken oder ihn, wenn auch nur in Kleinigkeiten, herauszufordern? Di Boni!


    "Mit Flavia Celerina hat unser hispanischer Zweig neues Gewicht bekommen, mußt Du wissen. Aber ruh' Dich erst einmal von des Tages Mühen aus, erfrische Dich und mach' den müden Magistraten munter." :)


    Hoffentlich tölpelt und poltert Onkel Gracchus nicht wieder gleich mit der Tür ins Haus. Und - bitte - stellt mal jemand die Eier außerhalb seiner Reichweite?

    "Ach, Celerina, wir streiten uns nicht - ich bin nur nicht mit Onkel Gracchus in einer Angelegenheit nicht gleicher Meinung. Das trübt unser gegenseitiges friedvolles Verhältnis nicht im entferntesten!", lächele ich. Wenn Flavier streiten, verderben Herrscher, gehen Königreiche unter, waten Völker in ihrem und fremdem Blute, berühren sich Himmel und Erde.


    "Und zweifellos ist unsere Zukunft, da uns die Gegenwart mir eine Schwester geschenkt hat, umso strahlender und so gut wie untrübbar, aber Dinge anzusprechen und im Gespräch zu behandeln heißt auch, für die Zukunft hier vorzusorgen." Schließlich machen intelligente Menschen niemals denselben Fehler mehrmals, sondern jedesmal und immer wieder neue ... :D

    Die Freundlichkeiten und das Wohlwollen, die mir mein rector Aelius Callidus entgegengebracht hat, vielleicht zu enttäuschen, tut mir in der Seele weh. Aber vielleicht wird er die Nachricht auch freundlich und verständnisvoll aufnehmen. Lange bin ich noch nicht an der schola Atheniensis und ich hätte mir eine längere Zeit hier noch gewünscht.


    Schweren Herzens und nicht weniger schweren Schrittes gehe ich also zu seinem Büro und klopfe - Tok, Tok, Tok - an seine Tür.

    'Mit jedem, der mich hört und der meint, es beträfe ihn', denke ich belustigt, aber natürlich hatte ich einfach mal so in die Regia gerufen, wie man einen Stein in einen Teich wirft, um zu sehen, ob sich irgendein Wassergeist oder eine Nymphe meldet, und sei es nur, um zu erfahren, wer so vorwitzig ist, jenem Wesen zufällig etwas an den Kopf zu werfen.


    "Guten Morgen, domine" grüße ich und verbeuge mich vor dem Rex Sacrorum. "Flavius Lucanus, zu Diensten", wiederhole ich vorsichtshalber meine Vorstellung, mein Herz schlägt, einen so großen Mann in so kleiner Entfernung vor mir zu haben - und sogar mit ihm persönliche Worte wechseln zu können. Weitaus Niedrigere haben Heerscharen von scribae, mit denen man verhandeln muß, bevor man nur noch Platittüden mit den eigentlichen Herren wechseln kann.


    "Ich möchte gerne eine Forschungsarbeit über die Geschichte der Regia, des Baus und ihrer Kulte schreiben und dann als dissertatio an der Schola Atheniensis veröffentlichen." Seit einiger Zeit arbeite ich schon an diesem Thema und habe einige ellenlangen Papyri mit Notizen vollgeschrieben. Ein paar davon habe ich nun unterm Arm.


    "Da nicht alle Dokumente dazu in der Bibliothek der Schola zu finden sind und ich auch gerne einige Messungen und Zeichnung von den verschiedenen Bauphasen der Regia machen möchte, bitte ich Dich unterthänigst um die Erlaubnis dazu, soweit nicht Bestimmungen dagegenstehen. Ich weiß, daß das Heiligtum der Ops Consivia in der Regia nur vom Pontifex Maximus und den Vestalinnen betreten werden darf."


    Und das vielleicht problematischte ist: "Natürlich brauche ich auch Deine gnädige Erlaubnis, meine Ergebnisse zu veröffentlichen, was das Wissen der frommen Bürger so hoffe ich mehren wird."


    Sim-Off:

    Wiki-Artikel mit Plänen/Zeichnungen usw. wäre/ist das Endergebnis. :)

    Zitat

    Original von Maximus Decimus Meridius


    Ich widerspreche. Bzw. Dahlheim widerspricht. ;)
    [Eliten]


    Wichtig zum Nachtrag bei Bleicken 1994, S. 22 ist sicher auch die Information, daß die Angehörigen des Senatoren- und Ritterstandes zumeist nicht in der Stadt ansässig waren und das Patronat ihrer Heimatstadt innehatten. Sagt jedenfalls Jochen Bleicken. :)


    Ansonsten natürlich Patronat über eine Provinz ist in der Kaiserzeit fast wie "Caesar anstelle Caesars", riecht nacht Rebellion, was die dignitas des Kaisers kaum gestatten wird. Ansonsten ist die Idee der Deszendenz der Eliten und damit auch der Patronage eine Idee, die bei Ausbüttel ausgebreitet wird - und auch bei manchen anderen. Ich würde vielleicht eher von "Transformation" sprechen, allerdings auch ein Allerweltsbegriff, der dann für die Spätantike für alles und jedes herhalten muß ... :)

    Zitat

    Original von Caius Redivivus Evander
    Ok, bishierhin schon mal alles klar. Jetzt stellt sich aber wiederholt die Frage, ob es denn historisch korrekt ist für eine Stadt, mehr als einen Patron zu haben. Wie du selbst sagst, kann es nur dann sein, wenn es nicht gegen die Historia verstößt.


    Grundlegend als Literatur kann ich "Frank M. Ausbuettel, Die Verwaltung des römischen Kaiserreiches. Von der Herrschaft des Augustus bis zum Niedergang des Westroemischen Reiches, Darmstadt: WBG 1998" empfehlen.


    Ohne nun leider ad hoc Quellen oder Sekundärliteratur beibringen zu können: natürlich ist es historisch gesehen möglich, daß eine Stadt mehre Patroni umwirbt bzw. installiert. Wobei diese patroni dann sicherlich unterschiedlichen Schichten und Funktionen zuzuordnen sind. Daß eine Stadt einerseits einen Senator in Rom als Patron gewinnen will, was sich auszahlt, wenn sie Hilfe bei der Zentraladministration braucht, andererseits einen regionalen Patron, wie eben den bspw. den Proconsul oder einen militärischen Legaten, um ihn durch die Auszeichnung während der Amtszeit und auch danach an sie zu binden, ist zweifelsohne möglich (und meiner Meinung nach besonders für die griech. Städte im Osten gesichert).


    Natürlich nimmt die Bedeutung der Patronage in der Kaiserzeit ab, weil auch die Bedeutung der patrizischen Eliten im Vergleich zum Kaiser abnimmt. Es zahl sich - salopp gesagt - mehr aus, gleich den Kaiser als Patron zu gewinnen, als Hinzus und Kunzus, die vielleicht schon morgen keinen Einfluß mehr haben oder bankrott sind usw.

    Noch ehe der Hahn einmal krähen konnte, also wie man für gewöhnlich sagt: bei Morgengrauen (manchen Menschen graut es wirklich vor dem Morgen, mir meistens vor der Nacht), war ich aus dem Federn gehüpft, frisch und ausgeschlafen, nach einem kompletten Tag Schlafentzug und nun lebensdurstig wie ein Neugeborenes.


    Katzenwäsche, nachdem ich mit einem Tritt Laas wecken mußte, weil der Dööskopp (ein Ausdruck, den Laas eingeführt hat, was auch immer er bedeutet, onomatopoetisch aber sehr passend) mal wieder auf meinen Sandalen eingepennt war. Also dann Sandalen, Tunika, Gürtel, Ledertasche, Toga, heißen Kräutertee mit viel Honig, ein paar Rauchzipfel. Papyri gegriffen und ab. Ich habe Laas in Verdacht, sich bisweilen in mein Bett zu legen, wenn ich aus dem Zimmer bin, was soll's.


    Langsam öffnen die tabernae, die ersten Advocaten und kaiserlichen Freigelassenen hasten übers Forum Romanum, die auf Säulen aufgestellten Statuen der viri illustres und nicht so illustres glänzen in der Morgensonne. Ich gehe auf den Tempel des Divus Caesar mit dem Stern im Giebelfeld zu, lasse ihn aber links liegen, gehe an den Fasten und Ankündigungen an der Regia-Mauer vorbei und komme dann zum Eingang in das Amtsgebäude des Rex Sacrorum.


    "Guten Morgen!" rufe ich vorsichtig-fröhlich, wer weiß, wie ausgeschlafen die hier schon sind. "Ich bin Flavius Lucanus und möchte den Rex Sacrorum oder den Verantwortlichen für die Regia sprechen!" Ob ich das darf oder kann, was ich möchte, wird sich zeigen ...

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    ~~~ Lars ~~~


    Lars wippt und nickt weiter. "Klasse, dann hab' ich'n Aureus verdient." Er faltet die Hände über seiner Hühnerbrust zusammen, aber nur kurz, dann bohrt er befriedigt im linken Nasenloch und gackert vor sich hin, als hat jemand einen Scherz gemacht, den nur er verstehen kann.


    "Klaa, kömma machen, Du Glücksbringer, Du!" Der Junge hupft mit einem Satz vom Bett, den Finger hat er immernoch im Nasenloch, zieht ihn dann aber heraus und beäugt ihn kritisch, als könne er daran den Grad seiner derzeitigen Untätigkeit ablesen.


    "Diesen Monat die Wirtschaftsräume und das Hintenrum und wenn wir bis zu den Quinquatrus Maiores fertig sind, dann machen wir die oberen Räume und das Vornerum." Lars grinst.

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    ~~~ Lars ~~~


    Wenn Untätigkeit ein Bacterium wäre, würde Lars chronisch krank sein - ohne allerdings an seiner Krankheit zu leiden. Besonders seit dominusluca ihn zu seinem privatissimus ernannt hatte, waren für Lars die Tage angefüllt mit Untätigkeit. Dominusluca macht nämlich das meiste am liebsten selbst, oder er vergißt völlig darauf, daß Lars ihm ja die Sandalen aus- und wieder anziehen könnte, eine hohle Hand machen, in die Lucanus spucken könnte, oder was man sonst so ungerne selber tut. Ist ja ein netter Kumpel, aber eine völlige Null als dominus, sagt sich Lars immer wieder zufrieden und doch ungläubig. Wäre er Dominuslars und Lucanus sein privatissimus, dann würde Dominuslars nicht mal mehr auf Klo gehen, sondern Lucanus schicken, wenn das denn zu bewerkstelligen wäre. 'Aber's Prinzip is klaa?' hatte Lars einen der Küchenjungen, die jetzt seine Arbeit mitmachen mußten, eindringlich gefragt, nachdem er ihm seine Theorien ein klitzekleines halbes Stündchen auseinandergesetzt hatte.


    Lars nickt und wippt auf seinem Bett. Was Sciurus sagt, läßt ihn innehalten


    Du bist ein Lehrer für Dominusluca? Kein Scheiß? :D Lars grinst übers ganze Gesicht.

    Die Umarmungen und Berührungen gleichen nicht denen meines Onkels Gracchus, nicht wie den nackten Körper umschmeidelnde hauchdünne Seide, sondern gute, solide und wasserfest gewebte Wolle. Meine Mutter hatte mir mal eine Joppe aus junger Wolle gestrickt - als ich sie im Beisein meines Freundes Pedro das erste Mal anprobierte, meinte der nur "Ah, domina, die brauch'ma nich' aufzuhäng', die steht vo' alleine". Meine Mutter war keine große Strickerin, die Joppe war in der Tat völlig wasserfest gestrickt und ich fühlte mich darin immer wie in einem Eisenpanzer geschützt.


    "Ach, I wo - wir kochen hier auch mit Wasser aus der Aqua Claudia, mein' ich jedenfalls, 'ne Aqua Flavia gibt's ja wohl nicht, oder?" :D`Oje, hoffentlich gibt es nicht wirklich eine extra Wasserleitung hierher, wie unser Vorfahr Flavius Domitianus zu seinem Haus aus den Palatin den Arcus Neroniani verlängert hatte. Aber das Wasser ist wenigstens das gleiche.


    "Womit kann ich Dich nach dem Gang hierher erfrischen? Was darf ich Dir anbieten? Wein?`Weißen: Caecuber? Oder Roten: Albaner? Oder einen ziemlich heftigen Surretiner? Wir haben aber auch einige Obstsäfte. Und natürlich Queli- und Heillwasser aus verschiedenen Gegenden."

    Ausnahmsweise, denke ich, hatte das interne Hausnachrichtensystem funktioniert, keiner der staffellaufenden Sklaven, die die Botschaft mir überbringen sollten, war durch andere, ephemere Nachrichten oder Begebenheiten, Gelüste oder Bedürfnisse der Natur aufgehalten worden, sondern in wenigen Minuten hatte ich die NAchricht von der Ankunft meines Gastes in der Bibliothek erreicht. Selbst an Mago, dem praefectus der Heiligen Hallen des Wissens war der nuntius ohne Verzögerung vorbeigekommen.


    Ich packe meine Sachen zusammen und verstaue ein, zwei Rollen, die ich mir zum Studium zurücklegen hatte lassen, im Regal. Meine Toga hängt über dem Stuhl, der Botenjunge hilft mir beim Anlegen, eine über die Maßen langwierige Prozedur, die aber schon nach dem dritten Ein- und Auswickeln gelingt.


    Kurz vor dem atrium biegt meine Begleitung ab, so daß ich ohne Herold oder anderes Beiwerk das atrium betreten kann. Von einer anderen Seite taucht der nuntius, nun zum Mundschenk und Tischdiener mutiert, wieder an einer Portiere auf


    "Aurelius Ursus! Eheu! Phänomenal, daß Du so kurzfristig Zeit finden konntest! Welche Ehre und welcher Glanz im Hause Flavia und vor allem für mich, den jüngsten und unerfahrensten Schößling!", gemessen, aber grinsend und mit ausgetreiteten Händen komme ich der Gestalt, die die - wunderbar, sie haben's kapiert! - Vorbereitungen begutachtet, entgegen. :)

    Ich rutsche wieder auf die Kline, lasse meine Füße baumeln, erst eine Sandale, dann die zweite gleitet zu Boden.


    "Eine große und völlig unerwartete Überraschung ist immer ein choque, gleich, ob diese Überraschung eine glückliche oder eine unglückliche ist. Das Schicksal schlägt einen immer mit Macht. Ziehen wir auch die glücklichen Überraschungen den unheilvollen vor, werden wir doch von beiden gleichermaßen getroffen. Und, Onkel, es ist ein Unterschied, ob Du einen zehn Pfund schweren Stein in ein Wasserbecken schleuderst, oder ob Du ihn sachte hineingleiten läßt, wenn auch das Ergebnis: der Stein befindet sich im Bassin, im Endeffekt dasselbe ist." Alle Umstehenden sind nämlich patscherlnaß oder nicht.


    Weil ich schon so günstig an der Kante sitze, greife ich zu einer Pilgermuschel und einem kleinen Silberlöffel. Ich schaue zu Flavia Celerina: "Auch für meine Schwester ist dieses freudige Ereignis, der flavischen Familie anzugehören sicherlich freudig und verwirrend-schmerzlich zugleich. Odi et amo sagt der Dichter Catull über die Liebe, aber auch Freude und Schmerz liegen nahe beieinander, meine Geschichte ist nun auch eine andere als ich dachte. Und es schmerzt mich auch, daß meine Mutter ihre Tochter nicht in die Arme schließen und wir als Familie glücklich sein können. Ob Onkel Gracchus mich versteht? Er wirkt immer so zart und durchscheinend, wie Alabaster, nicht wie grobe Tonware. Von meinem Vater wohl hätte ich mir, immerhin ist er Soldat, eben dieses mangelnde Feingefühl erwartet, was er ja auch hinsichtlich seiner Tochter wohl nicht hatte.

    Frauen haben interessanter Weise in den letzten Monaten das Heilig-Schreckliche verloren, das ihnen - so meinte ich zuvor - doch suae generis anhaftet. Ich finde sie sogar - durchaus interessant. Nun, auf die Gänse der Iuno aufzupassen hat für mich damit eine ganz neue Seite gewonnen. Zweibeinige Gänse: sowohl - als auch. :D


    Bestätigend nicke ich. Das hatte ich mir gut überlegt. Mein Onkel ist Marspriester, was sollen da zwei Flavier im selben Haus? Und Iuppiter, sicherlich, sehr ehrenvoll, aber vielleicht auch zu ehrenvoll, zu pompös und voluminös, desaströs wäre da ein Scheitern.


    "Ich denke, Iuno hat mich zu ihrem Priester erwählt", eine Art der Berufung, die für mich über eine bloße Amtserfüllung hinausgeht. "Aber ich werde ja auch in anderen Kulten aushelfen können oder sogar müssen", wahrscheinlich, wenn dem Marspriester beim wiederholten Widderopfer die Hand schmerzt.


    "Natürlich, Du kannst jederzeit eine Nachricht für mich in der villa Flavia hinterlegen. Da schlafe ich nicht nur, sondern arbeite auch, wenn ich nicht im officium des IIIvir capitalis bin." Und wenn, dann würde die Nachricht daheim sicherlich auf mich warten.

    Zitat

    Original von Lucius Iunius Silanus
    Und genau daran wirds wohl liegen. Eine Menge Leute wollten sich wieder einmal wichtig machen und haben sich eingemischt. ;)


    Fiona schrieb in ihrem den Thread einleitenden Beitrag: "Mich würde einfach interessieren, was ihr darüber denkt? Oder bin ich wirklich die Einzige, die unter einem gestörten Verständnis der Sache leidet?"


    Heißt: die Spielergemeinschaft wurde explizit um ihre Meinung und implizit auch um Mithilfe bei einer vernünftigen Lösung gebeten.


    Ein fulminabler Irrtum wäre, Acanthus für unwillig oder gar störrisch zu halten; er erfüllt seine Pflicht, nicht mit Leidenschaft, sondern leidenschaftslos und in dieser Leidenschaftslosigkeit liegt die Hingabe eines kunst- und feinsinnigen Menschen, der seiner Aufgabe, so klein und unbedeutend sie im Kosmos auch sein mag, den Platz zukommen lassen möchte, der ihr von seinen Herren zugedacht ist.


    Wir an dieser Tür nicht scheitert, der hat es geschafft, der ist ein "jemand" und nicht vielmehr einer der namenlosen Nichtse, Sternchen und Adabeis, die um Aufmerksamkeit buhlen, aber außer Buhlschaft nichts zu bieten haben. Diese Tür hebt die Mächtigen auf ihren Thron und stürzt die Niedrigen - dorthin, wo sie hergekommen und niemals hätten hervorkriechen dürfen. Dies ist die Aufgabe von Acanthus, er erfüllt seine Aufgabe im Mikrokosmos wie im Makrokosmos, sein Blick urteilt über "in" oder "out", voller Feingefühl und Sensibilität, lange bevor die Klatsch-Redakteuer der Acta Diurna von den Stürmen der Mode und Macht Kenntnis nehmen könnten.


    Er wirft einen überflüssigen Blick auf die imaginäre Gästeliste - in welchem Range der Gnade stehen die Aurelii nach den Skandalen um die Meditrinalia und die "Leute-heute"-Kolumne in der Acta Diurna? Ein wenig auf der Kippe, nichtsdestotrotz finden sich die Aurelii als gens auf der Liste.


    Acanthus tritt vor, löst die imaginäre rote Kordel aus ihrem Haken, zuckt währenddessen mit einer Augenbraue, die einen Sklaven in Bewegung setzt, der den venerablen dominus Flavius Lucanus in Kenntnis des Besuches setzen soll. Das Räderwerk lief an.


    "Salve! Rechter Fuß vor, dominus!", entbietet Acanthus dem Gast seinen Gruß, Caelyn nun da sie ihre Schuldigkeit getan, völlig ignorierend.


    Ein schlaksiger Negersklave, in Rot und Gold gewandet, tritt vor. "Herzlich willkommen! Wenn Du geruhst, dem Jungen ins Atrum folgen? Dominus Flavius Lucanus wird umgehend von Deiner Ankunft erfahren."


    Ein weiterer Sklave tritt einen Halbschritt vor, um Caelyn zum servitricium zu geleiten, damit ihr die Gastfreundschaft des Flavischen Haushalts wenigstens in seiner fundamentalsten Entfaltung angedeihe.

    Eine L-förmige Sitzgruppe, geöffnet zum Atrium hin und den Blick freigebend auf das erquickende und erfrischende Wasserspiel in dessen Mitte, aber auch auf den kultischen Herd und jenen Schrank, in dem der Stolz und die Glorie des Hauses Flavia - die Masken der Ahnen - dokumentiert ist, verweisend, war schon vorbereitet worden.


    Die Kissen liegen aufgeschüttelt, mit dem digitus-Maßstab genau ausgerichtet und doch wie kontingent verteilt auf den beiden Kirschholz-Sofas, die mit gold-und-rot-gestreifter Seide bespannt sind.


    In der Mitte, auf einem etwa kniehohen Tisch steht ein Stilleben mit Obst, verschiedenen Saft-, Rot- und Weißweinkaraffen, sowie zwei Quellwasserkannen. Ein Assortiment verschiedener Kanapees mit Meeresfrüchten - gekochte Eier mit Tunke hatte sich der Gastgeber aus nicht näher bekannten Gründen verbeten - und gekochtem und geschmortem Rindfleisch in hauchdünnen Scheiben war zur leiblichen Erbauung einen Augenschlag, nachdem der Türgott Acanthus die Kordel gelöst hatte, ebenfalls dort plaziert worden, das Räderwerk hatte ohne knirschen und Reibungsverluste gegriffen.


    Dorthin nun wurde gemessenen Schrittes der honorable Gast, der vigintivir Titus Aurelius Ursus, geführt.

    Mir ist ziemlich die Lust an einer Erwerbung vergangen. Mißmutig schüttele ich wie ein schwieriger Kunde immer wieder den Kopf, während der Händer eine Scheußlichkeit nach der anderen auf den Tresen hebt.


    "Das einfache Volk ist kaum Gradmesser für das was angemessen ist oder nicht. Oder würdest Du Dir von irgendwelchen Fremden 'reinreden oder Dich davon beeinflussen lassen wollen? Ich denke, ich werde wohl in den cultus Deorum gehen. Oft fühle ich mich für richtige Politik zu, zu, naja, zu unpassend. Ich komme vom Land." Kaum zu übersehen, denke ich mir. Kleider machen keinen zum stadtrömischen Patrizier, sonder zu einen Kleiderständer, der stadtrömische Patrizierkleidung trägt. Würde ich mit Laas tauschen, hielte jeder ihn für den tumben Flavier, wetten.


    "Äpfel und Quitten wären wirklich lohnend, kann man tollen Aufstrich daraus einkochen" lächele ich. "Aber Ägypten ... Getreide, Papyrus, Nilpferde, Krokodile und Katzen. Etwas weit ab, wenn man von Alexandria absieht. Will ich aber auch mal hin." Zum Anschauen, nicht zum Leben.


    Ah, endlich. Viereckiger Fuß, vier Röhren, die nach einer Elle gemeinsamen Laufes auseinanderstreben und wohl schlichtes vierfaches Licht von den Ölschälchen an den Enden der Tentakel verbreiten. "Nicht übel, sagt der Kübel - kannst Du die mal anzünden?" Nicht, daß da wieder irgendein dämlicher Trick dabei ist.


    "Neinein, kein Militär. Ich glaube nicht, daß ich einen Menschen töten lernen möchte. Sich prügeln ist sicher in Ordnung, sich umbringen löst nichts." Ich will lieber am Götterfrieden mitwirken, damit sich der auch auf den zwischenmenschlichen Frieden auswirkt.

    "Genau das! Auf einem Silbertablett! Fehlt nur noch der Apfel in ihrem Mund und die Petersilie, die aus den Ohren hängt! Zum Kuckuck!" aus dem Handgelenkt werfe ich die leere Auster auf in die Silberschale mit zerstoßenem Eis und die halbe Omperanze hinterher.


    "Ich weiß, wie es ist, über alles geliebte Menschen zu verlieren, langsam und schleichend, wie ein Totenzug, der über den Horizont schleicht. Es ist als würde ein geflügelter Dämon kommen und einen auf einen wüste und leere Insel verschleppen, wo es weder Tag noch Nacht ist, wo einem die Einsamkeit den Atem raubt und man den Verstand zu verlieren meint!" Mein Zorn türmt sich auf wie Wolken am Horizont, wenn die Götter die Ernte zu verderben drohen. Stehend würde ich toben wie der Sturm, in dieser liegenden Position kann ich nur Blicke schleudern.


    "Und nein, es ist kein unvorhersehbares Ereignis: Du wußtest es ja schon und hast Dich keinen Deut um mich oder meine Schwester geschert, sondern uns so beiläufig vorgestellt wie man einen nächsten Gang bei der cena ankündigt. Ich dachte immer, Du seist sensibel, feinfühlig, verstündest mich ein kleinwenig." Jetzt fühle ich mich wirklich wieder einsam. Scheißthron, von Kissen gesäumt. Am liebsten würde ich wieder meine Tunika anziehen, mit der ich angekommen bin und dann weglaufen. Über Massilia zurück nach Hispanien. Fischen. Pedro. Mutter. Meer. Mehr Meer. Freiheit. Glück. Geborgenheit. Ich will heim nach Flaviobriga.


    Langsam quäle ich mich aus den Kissen, von der Kline. "Entschuldige, Onkel Gracchus, es ist nicht mein Wunsch, Dich zu verärgern oder zu beleidigen.- Ich habe meine Schwester schon heute Nachmittag zufällig kennengelernt. Unvorstellbar und unerwartet, nicht in einer schäbigen Insula der Subura, nicht zwischen den Ufern des Tibers, sondern dort, was ich mich bemühe, als mein Heim anzusehen. Hier, in der Bibliothek der villa Flavia." Ich schlüpfe in meine leichten Ledersandalen. "Vielleicht sollte ich besser gehen. Es tut mir leid. Onkel Gracchus, Tante Antonia ... Schwester ..."