Beiträge von Cnaeus Flavius Lucanus

    Die Aussicht auf ein Dutzend Kinder im Haus scheint Onkeleins nicht sonderlich zuzusagen, jedenfalls heitert sich seine Miene nicht im geringsten auf. Im Gegenteil: er stöhnt leise leidend vor sich hin. Viele Kinder, viele Sorgen, oder wie? Ob ihn überhaupt je irgendwas aufheitert? Die Saturnalien? Ich habe da meine Zweifel. Aber vielleicht lernt er ja eine nette Frau kennen, die ihn zu nehmen weiß und die ihn auch zum Lachen bringt. 'Wer Sorgen hat, hat auch Wein' sagt Pedros Vater immer, wie ein Trinker benimmt sich Onkel Gracchus wenigstens nicht, auch wenn er den Eindruck macht, irgendwie benebelt zu sein. Wahrscheinich nur der Nebel der Trübsal. Ob er auch das Schwarze Grün kennt? Armer Onkel Gracchus. Am liebsten würd' ich ihn in die Arme nehmen und fest drücken.


    "Danke, Onkel Gracchus, daß Du Dir für mich und mein Anliegen Zeit genommen hast", er ist aus seinem Grün nach oben gestoßen und strafft sich, will auftstehen. Ob ihn jeden morgen sein Sklave weckt mit den Worten: "Es ist Zeit, aufzustehen, dominus Flavius Gracchus, Zeit, sich vor einem neuen Tag zu fürchten"? denke ich.


    "Wenn Du irgendeine Arbeit hast, bin ich immer bereit für Dich.- Und schön, daß Du mir hilfst, eine Frau zu finden, danke für Dein Wohlwollen."

    Zitat

    Original von Fiona


    "Achso, naja, bei mir daheim, da arbeitet jeder. Da gibt's keine großen Unterschiede, weil nich' viel Geld da ist. Fischen, Jagen, ein bißchen Feldanbau, das war's auch schon, alle müssen zusammenhalten, um zu überleben. Wenn unsere Haushälterin krank oder schwanger war, hat meine Mutter gekocht." Schauderhaft und etwas einfallslos, aber doch. Ihr Braten mit eingelegtem Kraut war allerdings eine Wucht.


    "Joja, pues claro, wir sind Basken, vascones, wie sie auf Lateinisch heißen: Vaskonier. Ich mein', viele sind natürlich Römer, ich ja auch, wie meine ganze Famlie, aber ist sind doch eher vaskonische Römer, die anderen, die Eingesessenen, römische Vaskonier." Stolz, unabhängig und hart wie das Land; und manchmal grausam wie das Meer. "Ein wunderschönes Land. Meer und Berge, wer je da war, will nicht wieder weg oder wenigstens wieder hin. - Britannia ist ja, was man so hört, wesentlich kälter und unwirtlicher. Selbst Caesar hat's da nicht gefallen, dabei war der einiges gewöhnt. :)"


    "Du gehörtst zur claudischen Familie? Wie schön. Ich kenne noch keine Claudier, Iulier habe ich schon zwei kennengelernt, einen Octavier, einei Purgitier und natürlich meine Onkels, die Flavier. Auch Aurelier müßten kommen. In so einem großen Haus kann man gut leben, ohne irgendwen anderes zu treffen, man hat alles - außer eben viel Gesellschaft." Sieht man von der weiteren familia des Personals ab, aber die sind ja auch im Haus.

    Mädel, ich bin ein Mann: Ich kann alles. Außer Kinderkriegen, soweit ich weiß, und Waschen und Stopfen - natürlich. Aber das wird hier wohl eh' nich' gefragt sein.


    "Naja", sage ich und wuschele mir vergeblich das kurschgeschnittene Nackenhaar, "Lesen - die Klassiker vor allem, bisserl Philosophie, Rhetorik und Ius, Schreiben, Rechnen ... und Fischen mit Netz, Angel und Reuse, was in der Bibliothek wohl weniger in Frage kommt." :D "Ich bin scriba personalis meines Onkels Flavius Aqulius, des Marspriesters und tresvir capitalis. Habe also auch Erfahrung beim Opfern und bei Bürokram. äh, bei Verwaltungsangelegenheiten."


    Ich lasse mich vorsichtig auf den Stuhl nieder während ich rede, der sieht etwas ... hm ... wackelig? aus.

    Im ersten Moment etwas verwirrt schaue ich Bridhe an: Wir werden nie wieder ein Paar sein? Hab' ich 'was nich mitgekriegt? ... Achso, Bridhe und Severus, naklar. Erleichterung breitet sich in meinem Körper aus, ich schlackere ein bisserl mit den Armen. "Ne, Bridhe, is' bene, Du und Severus, ihr seid geschiedene Leute" bis zur nächsten Versöhnung. "Das hab' ich schon gedacht, hastja Recht, prügelnde Chatten und sorgenvolle Hibernierinnen mit Affinität zu brackigen Teichen, das geht nich' zusamm'n." -.^ Abwarten. Am Ende jedes Stücks kriegen sie sich doch.


    "Klar mußt Du mir dankbar sein. Nenn' Deinen Erstgeborenen 'Luca', dann sind wir quitt.- Und wenn Du wieder tauchen willst, such' Dir wärmeres und saubereres Wasser aus." :D Ich muß niesen. Babyplanschbeckenwärme beispielsweise wäre toll.


    "Hallo!" brülle ich in die leeren Räume. "Is' da wer?!"


    "Ja Herr?", der Knirps von vorhin schaut zur Tür herein. Da is' wer.


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    "Heja gut, äh, Du, äh ... wieheißte eigentlich?"


    "Laas" sagt Lars.


    "Gut, Laas, ich bin Luca und das ist Bridhe und wir brauchen 'was anzuziehen, für die junge Dame und den jungen Herrn" ich deute auf Bridhe und mich. "Trocken und warm, wenn möglich."


    Lars mustert Bridhe etwas unverschämt und grinst. :D Er kennt sie schon. Und den jungen Herrn auch. "Klaa, dominus Luca" sagt Lars, dreht sich um und witscht hinaus.


    "Na, das wäre am Laufen."

    Zitat

    Original von Fiona


    Ich schaue ein wenig unglücklich an mir herunter. "Jaja, ich weiß, was Du dachtest. Während Onkel Flavius Gracchus - der ältere Herr da hinten, der uns gerade den Rücken zuwendet - aussieht, als sei er der direkte Abkömmling einer ununterbrochenen Reihe von Patriziern und Konsuln seit Aeneas' Zeiten, was er auch ist, sehe ich selbst im teuersten maßgeschneiderten Fummel aus wie der direkte Abkömmling einer ununterbrochenen Reihe von Pennern und Tagedieben, was ich nicht bin. Schau' Dir das Zeug an, was ich da trage, die Tunika ist aus Rohseide, 500 Sesterzen die doppelte Elle, die Toga irgendeine Wolle vom Goldenen Vlies oder von Wasweißich. Ich hab' das gerade mal eine halbe Stunde an und jetzt schaut das aus, als hätt' ich seit Tagen darin gepennt." Hätte ich eine Hand frei, würde ich mich jetzt gerne hinten am Hals kratzen, aber sonst fallen mir die Hojaldres herunter.


    "Je weiter nach Norden man kommt, desto kälter wird es. Flaviobriga blickt direkt nach Norden, rechts da irgendwo ist die Küste Galliens, da sind die Pyrenäen, da kommt es im Winter ziemlich kalt her. Ansonsten aber ist es wirklich wunderschön, keine Extreme, aber wild und nich' viel los. Außer in den Wäldern natürlich.- Io Saturnalia, Onkel Aquilius", rufe ich, als sich in der Nähe ein bekannter Kopf vorbeischiebt. "Mein zweiter Onkel, Flavius Aquilius" wende ich mich wieder zu Fiona, "auch er ein direkter Abkömmling einer ununterbrochenen Reihe von Patriziern und Konsuln seit Aeneas' Zeiten, heiratet demnächst eine Aurelierin ... bist Du auch von denen? Kennst Du Aurelia Helena" Ich habe meine Aufgabenliste für heute Abend stets parat.

    "Nicht den Speer ins Getreidefeld werfen, das solltest Du tun" oder in einen Gemüseacker, egal. Ich habe keine Lust zu Haarspaltereien. "Du und Severus, ihr seid ein prima Paar, er prügelt und tötet und Du wirfst Dich in den nächstschmutzigsten Teich, der bei der Hand ist. - Wenn Du'n Junge wärst, würdest Du Dich mit Severus prügeln, dann würdet ihr Eure Wunden lecken und schließlich die Hand geben. Alles wär' geritzt und vergessen. Severus is' Chatte, Du bis' Hibernerin, keine Ahnung, ob das paßt. Als ich Euch zum ersten Mal sah', da fühlte ich es schon so. Inzwischen aber, najaa ..." Meine Güte ist das kompliziert. Ist Liebe immer so kompliziert? Oder sind nur Bridhe und Severus so kompliziert? Woran liegt das? Am Klima in Hibernia und in Germanien? Zu feucht dort?


    "Nee, Bridhe, ich weiß nur, wie es ist, sich mit Freunden zu streiten, Freunde zu verlieren, daß es einem die Eingeweide zerreißt, aber eben auch, wiederzugewinnen. Vielleicht sin' da Männer anders, Männer lieben Männer nicht, Männer sind Freunde miteinander, ... oder eben Feinde, was im Grunde oft dasselbe ist, weil man voneinander nich' loskommt im Kopf."

    Zitat

    Original von Rutger Severus


    "Doch natürlich", erklärte der Germane ernsthaft auf Lucanus Frage nach der Wildnis, "wir haben wunderbare, endlose Wälder, bodenlose Moore und Schluchten auf deren Grund nie ein Sonnenstrahl dringt..." Etwas schwärmerisches und sehnsüchtiges klang bei dieser Beschreibung mit. "Und zum Jagen viele Bären und Wölfe, Keiler, Luchse, Hirsche, Aucherochsen und Wisente..... Ich meinte nur, es ist doch spannender die Tiere in echt zu jagen, als in einer Arena."
    Was, Lucanus vertrug schlecht den Geruch des Blutes? Der Germane hatte Mühe, sich ein überlegenes Lächeln zu verkneifen. Der Junge war eben leider doch ein Römer, dachte er bei sich, zwar kein Stadtmensch, jedoch so ganz schien der Kelch degenerierter Weichlickeit auch an ihm nicht vorbei gegangen zu sein.
    Severus beugte sich etwas vor und betrachtete genau die von den Löwen zur Strecke gebrachten gestreiften Pferdchen. Die Sicht war ja gut. Tatsächlich, die Farbe verlief nicht im Blut, die Streifen schienen dazuzugehören. In was für einer seltsamen Laune musste der Gott, der diese Viecher erschaffen hatte, wohl gerade gewesen sein! [...]


    "Klar, zudem haben die Tiere draußen eine reele Chance. Ich mein', man bindet ja auch keinen Bären an einen Baum, irgendein Feigling rammt ihm dann einen Spieß in den Wanst und wird dann begeistert 'Bärentöter' genannt." Ich schüttele den Kopf. "Die Pferde da sind ziemlich schnell, in ihrer Heimat gibt's keine Mauern, sondern da hab'n sie 'ne Chance aufs Überleben. Nur hier nich'. Aber den Löwen is' das egal. Als Mensch fänd' ich das ehrlos."


    Ich höre schaudernd und fasziniert Severus zu, wie er von "soliden Totschlägern" erzählt, als war' das das Ziel einer jeden Existenz, ein "solider Totschläger" zu sein. Aber wenigstens hatten die Löwen eine Chance gegen die Kämpfer, da sie nicht von einer Tribüne aus mit Pfeilen auf sie zielten, sondern bereit zum Todeskuß antraten. "Machen die das freiwillig?" frage ich und gehe davon aus, daß Onkel Aquilius und Severus wissen, daß ich nicht die Löwen meine.

    Offenbar ist die Hitze unter dem chattischen Kupferkessel, auf dem "Severus" eingraviert steht, gut dosiert. Der Deckel klappert eifrig und bedrohlich und ein wenig spritzt darunter hevor, ansonsten aber fliegen mir noch nicht Deckel und Kessel um die Ohren, vom Kamm ganz zu schweigen, dessen Zinken ich ungerne in meinen Hals gebohrt sehen würde.


    "Naja, Severus, ich versteh' ja nichts von Mädels, aber warum sind die Mitarbeiter der Acta Diurna wohl in der Mehrzahl weiblich? Eben: wenn Du willst, daß eine Nachricht in kürzester Zeit die größtmöglichte Anzahl von Empfängern erreicht, erzähl' sie einer Frau." Ich kratze mich am Kopf, einem Mädchen ein Geheimnis anvertrauen war das dümmste, was man machen konnte, außer eben, man legte keinen Wert auf Geheimnisse. Wieso wußte Severus das nicht? "Daß Bridhe mit meinem Onkel offenbar 'was angefangen hat, das ist das Hinterletzte, keine Frage. Hab' ich ihr auch gesagt, Onkel Aquilius heiratet bald und Bridhe ist mit Dir zusammen ... oder jedenfalls damals gewesen. Jeder Mann hätte ihr dafür kräftig eine Abreibung verpaßt, klar. Da bin ich voll auf Deiner Seite" falls es Dich überhaupt interessiert ... "Aber Bridhe macht sich auch irre Sorgen, Sorgen hier, Sorgen da, Sorgen oben, Sorgen unten; wenn ich Interesse hätte, eine personifizierte Sorge kultisch zu verehren, würd' ich Ich habe noch lebhaft unser Gespräch im balneum in Erinnerung, eine nervenfetzende Angelegenheit.


    "Und, he, der Schmuck: ich ziehe meinen Hut vor Deinem Geschmack, das Geschmeide und die Steine sind das größenwahnsinnig obertollste, was ich je gesehen habe. Selbst meine Mutter hatte nicht so wertvolle Sachen. Kein Wunder, daß sich Bidhe fragt, woher Du das hast. Ich meine, keine Beleidigung, aber Du bist nunmal nicht irgendein chattischer Großfürst oder Händler, der mal einige Zeit hier in Rom sich die Zeit vertreibt und mit Aurei umsich wirft. Von dem, was Du Bridhe um den Hals gehängt hast, können viele Menschen monate- oder jahrelang ihr Futter kaufen." Ich schaue leicht ängstlich und bewundernd zugleich zu Severus. Der kümmerte sich nicht darum, wie etwas wirkte, er hält etwas für angemessen, dann macht er es. Ein großer Held, vielleicht von geringem Verstand, aber ein großer Held. Wie Achill, der sich auf dem Boden hockt und'n paar Runden schmollt, egal, ob dabei die troianische Expedition den Bach 'runtergeht oder nicht. Er will seine Briseis oder wie die hieß und basta. 'Helden sind wie Kinder', schießt es mir durch den Kopf, denn Kinder und Helden machen sich keine Sorgen.


    "Es klingt zwar idiotisch und irre, aber ich glaube, daß Bridhe Dich so sehr liebt, daß sie alle Schuld auf sich nehmen und sich für Dich umbringen würde." Was heißt hier: 'glaub' ich?' Hat die dumme Kuh doch schon versucht. "Und" setze ich kühn hinzu "ich weiß ja nich', wie's mit Dir steht, aber ich würd' es vorziehen, meinen Lebensabend nich' an irgend'nem versifften Kreuz zu abzuhängen, oder? Ich mein, ich bin scriba des "tresvir capitalis" und ich habe Kenntnis von einem möglichen Kapitalverbrechen - aber ich bin auch keine ehrlose Petze, die ihre, hm, naja, ihre Freunde so einfach verpfeift." Ich male mit dem Fuß irgendeinen abstrakten Mist in den Sand. 'Hoffentlich schlägt er nicht so zu, daß mir von meinem eigenen Blut noch in den letzten Minuten speiübel wird', denke ich.

    Zitat

    Original von Fiona


    Pfft, was denkt die sich? Als ob ich nicht in der Küche zurechtkäme! "Nene, Füllung und Teig habe schon ich selbst gemacht, unser Koch Attalus, Meister aller Tassen hat nur die Temperatur im Ofen organisiert und den letzten Rest überwacht. Da hat er mehr Erfahrung." Inzwischen ist nur noch ein Bällchen auf dem Tablett, das stecke ich mir in den Mund, fast krieg' ich Maulsperre. Der Küchenjunge rollt mit einem weiteren vollen Tablett an, das wir gegen das leere schweigend austauschen. Offenbar hat auch er ein Bällchen im Mund "''Unuch'" kommte es ihm von hinten aus dem Hals - Prunus, Pflaume. Ich nicke - ich auch. Er schwirrt ab und ich wende mich an die Frau "Warm", mampfe ich weiter. "Warm und tro'en, aber manfmal von Aflanti' 'er im Finter fiemlich naf" ich schlucke hinunter. "Tschulligung; Cnaeus Flavius Lucanus, zu Diensten, wenn Dir das zu lang ist, dann sach' 'Luca' - is bequemer". :)

    Ich stecke meinen Kopf in die geöffnete Tür: "Salve - curatrix? Ich bin Cnaeus Flavius Lucanus. Rector Aelius Callidus schickt mich; ich bin ein neuer scriba Logei, zum Dienst in der Bibliothek eingeteilt." Ein wenig schiebe ich mich weiter in den Raum. "Ich stehe Dir somit also sozusagen uneingeschränkt zur Verfügung." :D

    Zitat

    Original von Fiona


    "Der reinste Größenwahn, nich'?" :D frage ich die junge Frau, die einen Teigball mit Apfelfüllung gefunden hat. "In Rotwein zwei Tage eingelegt, dann mit getrockneten Weintrauben, gehackten Mandeln, Cinnamomum, Anis und anderen Gewürzen aufgekocht, die Masse dann in den Teig gefüllt und dann kräftig gebacken." Ich grinse: "Bin leider nicht sehr handwerklich begabt oder finanziell genug gepolstert, sodaß diese Gabe anstelle von Ton- oder Holztierchen ein Pläsierchen sein soll.- Ist ein Rezept meiner Mutter, die es von ihrer Amme aus Noricum hat - gab's immer zu den Saturnalien bei mir daheim in Flaviobriga." "Das ist im Norden Hispaniens", setze ich kurz hinzu. "Io Saturnalia", sage ich zu ihr und zu jemandem, der von hinten ein Teigbällchen greift

    Ich schlendere scheinbar ziellos an den einzelnen Türen der Büroräume vorbei, erst Erdgeschoß, dann - in entgegengesetzter Richtung - im Obergeschoß, einmal, ein weiteres Mal. Wirklich verlaufen kann man sich hier nicht, die wie ein überdimensionales Wohnhaus mit einem zentralen Innenhof, um den alle wichtigen Verwaltungsstellen gruppiert sind, angelegte Bibliothek ist leicht zu verstehen. Sofern man von der eigentlichen Bibliothek absieht, auf die ich mich schon wie ägyptischer Königssohn freue. Bade ich nicht in Eselsmilch, so doch in Papyrus und Tinte.


    Nachdem ich nun zweimal an Furia Stellas Büro vorbeigekommen bin, klopfe ich beim dritten Rundgang endlich an ... *tamam-tamam*

    Meine Gesichtsfarbe nimmt eine leichte Rötung an. In den dümmsten Situationen werde ich rot, manchmal sogar ohne Grund, 'so gesunde Bäckchen' sagte meine Mutter immer und kniff mir vergnüglich in dieselben. Aber immernoch besser, als ständig niesen zu müssen. Ein Junge aus dem Ort, Rudolfo Rabano hieß er, nieste andauernd, als sei er erkältet, selbst im Hochsommer. Wir waren ein wenig befreundet und ... jedenfalls habe ich wohl das falsche gefragt, denn der Rector sieht mich etwas erstaunt an. Hätte ich wissen müssen, was ich als scriba Logei in der Schola an Aufgaben übernehme? Was das jetzt ein grober Schnitzer, ein Beweis meines Talents? Dabei war alles so gut angelaufen ... Oder hält er mich für einen nichtsnutzigen Jungen, dessen einizger Vorteil ist, dreifacher Neffe zu sein? Ich sehe schon auf meinem Grabstein den Hinweis 'Sein Talent war die Vervollkommnung der Unfähigkeit, sein Beruf der eines Neffen. In beidem brachte er es zur Meisterschaft.'


    "Ich werde die curatrix libris gleich aufsuchen und mich vorstellen", sage ich darum möglichst fest, um - tamen est laudanda voluntas - wenigstens Hoffnung auf eine Erfüllung meiner Pflichten zu machen und dem Rector die Förderung meiner Person nicht sauer im Mund aufstoßen zu lassen.


    "Es ist mir eine Ehre, für die Bibliothek und Dich hier arbeiten zu dürfen", setze ich hinzu und warte entweder auf abschließende Order oder ...

    Meinen Onkel Gracchus zu beobachten ist - so scheint es mir -, als betrachte man ein Schauspiel, eine Pantomime im Kleinsten. Leichte Veränderungen der Hauttönung, ein fast unmerkliches Zittern der Hände, flüchtig wie der Augenblick, in dem es erfolgt, viele Momente der Abwesenheit, ohne die eigene physische Präsenz zu mindern, ein Mensch, der in Gedanken viele ungesehene und ungehörte Orte in kürzester Zeit bereist, für einen Wimpernschlag dort verweilt, aber weiterzieht, weil er überall einen Schatten sieht. Ein wandelndes Gedächtnis, das ist er wohl, ein Gedächtnis, das nicht die heiteren, sondern die trüben Stunden zählt. Ecce homo! Seht, ein Mensch, von Sorgen umgeben, Sorgen, die wie Bodennebel die Sicht und die Wärme der Sonne verschleiern. Ein Mensch, der in jeden Freuden auch die Leiden wahrzunehmen genötigt ist, der beim Aufbruch wehmütig an den Heimweg denkt und sich vor lauter Gedanken den Augenblick verdirbt.


    Ist man so, wenn man alt ist? Hat man zu viel erlebt, als daß man nicht den sorgenfreien Augenblick genießen kann, ohne an die vergangenen und unweigerlichen zukünftigen Leiden denken muß? 'Der Grübel ist ein Übel' sagt Pedro, 'schlag ihn, wo Du ihn findest, er ist das nutzloseste Vieh, was ist.'


    "Feuer muß nicht allein zerstören, es kann auch nur wärmen und erleuchten", sage ich, "man hat ja nicht nur die Wahl zwischen in Dunkelheit zu sitzen oder sich das Dach über dem Kopf abzubrennen, nicht? Der Mensch ist Mensch, weil er nicht nur seinen Leidenschaften folgt, sich von seinem Feuer verzehen läßt, sondern das , was ihn treibt, kultiviert und fruchtbar macht."


    Leontia, Arrecina, Minervina: lauter Namen ohne Gesicht, Worte ohne Bild. Wir wohnen in einem Palast, aber so wenige wir sind, würde auch nur ein kleines Haus ausreichen, so wenige sind wir wohl. Im Lararium haben's unsere Vorfahren beengter als die Lebenden im Haus darum. Umgekehrt wäre es schöner.


    "Ich hätte gerne Geschwister gehabt", knüpfe ich an die Genealogie an, "auch meine Mutter hat sich immer eine große Familie gewünscht, viele Söhne und Töchter. Bald möchte ich ihr wenigstens die ersehnten Enkelkinder schenken, wenigstens ein Dutzend!" :) Und Pedro, mein Herzensbruder, wird von allen Söhnen der Pate, lehrt sie schwimmen und fischen und ihren Vater nicht ganz so ernstnehmen, derweil ich auf der Veranda sitze und die Sonne über mein Gesicht wandern lasse, das Rauschen der Wellen, das Schreien der Möwen im Ohr.

    Es ist so ungewohnt, eine Familie zu haben, die aus mehreren Menschen besteht, aus Menschen, die einander beistehen, eine Gruppe, die nach außen zusammenhält, auch wenn sie untereinander sich nicht immer Freund ist.


    "Ach Onkel, ich freue mich einfach, daß ich so gut vorankomme und vor allem, daß ich so viel lerne. Ich dachte, ich müßte vor allem in stickigen Räumen über Rollen büffeln, aber so lerne ich viel mehr und mit viel mehr Freude." Onkelzwo wird sich ja auch denken können, daß meine neuen Lebensumstände hier in Rom mir weitaus mehr Sorgen bereiteten. "Es ist so ganz anders, als ich es mir hier vorgestellt hatte, viel schöner, als ich es mir gedacht hatte. Ich verdanke Dir und Onkel Gracchus so viel. Danke."


    Ich stehe auf und ordne mich, um ihn wieder sich und seiner Arbeit zu überlassen.

    Ein wenig bleibe ich noch unschlüssig stehen, die Grüppchen und Gruppen verschieben sich, ehe man sich versieht, finden sich neue Konstellationen, stehen neue Menschen beieinander. "Junger Mann, was ist denn das Feines?" Eine ältere Dame unbestimmter Zugehörigkeit beugt sich sichtlich mühsam über mein Tablett und schnuppert eifrig.


    "Gnädige Frau, das ist eine Saturnalien-Spezialität aus meiner Heimat. Teigtaschen, gefüllt mit in Rotwein und Gewürzen eingekochtem Obst, einige mit Birne, einige mit Apfel, andere mit Feigen und auch Pflaumen. Der Teil hat eine Konsistenz wie aufeinandergelegter Papyrus, ist aber viel brüchiger, wir nennen ihn el hojaldre, blättrigen Teig. - Nehmen Sie doch ein oder zwei!" Die Dame sucht sich drei verschiedene Bällchen aus und beißt in eines hinein und verdreht gespielt oder wirklich erstaunt die Augen: "Ah, wundervoll, ... Birne ..."


    Ich lächele sie an und tauche in die Menge ein - "Io Saturnalia, greift zu, vorsicht, die Füllung ist nicht kalt - Bona Saturnalia, greift zu, vorsicht, die Füllung ist nicht kalt - Io Saturnalia, greift zu, ..."

    "Ich muß zweifellos zugeben, Dich und Onkel Aquilius nicht zu kennen, das wäre auch nichts, das zu erwarten ich mich erdreisten würde, aber ich wage doch die Vermutung, allein, daß ich Euch beide zu meinen Oheimen und nächsten Verwandten habe, ist schon ein großer Vorzug." Ich nippe vordergründig hintergründig lächelnd an meinem Becher mit frischem Wasser, das über die kleine Anhöhe meines Zäpfchens in den Rachen die Speiseröhre hinabplätschert wie ein Gebirgsbach von der Höhe. Langer Satz, Onkel Gracchus zuzuhören ist anregend, sprachlich, aber auch inhaltlich.


    "Wir alle haben unsere - wie nennt man das korrekt auf Lateinisch? - unsere 'càmara de Barba Azul', wo wir uns oft nicht mal selbst hineintrauen, geschweige denn andere hineinlassen. Neben den kleinen privaten Kammern scheint die ganze Familie in einem Palatium voller solcher Kammern zu leben!" Ob er den Mythos des Fürsten mit dem blauen Barte kannte?


    Vom Tod der Vestalin hatte ich über Umwege gehört, direkt angesprochen hatte es aber noch niemand.


    "Es war ein schlechtes Jahr, ein trauriges Jahr, zweifellos, hoffen wir aber, daß es im nächsten wieder aufwärts geht. Der Tod von Flavia Agrippina ist ein großer Verlust, für den Staat, die Familie und zuerst natürlich auch für den Bruder" - ich mache eine fragende Miene? - "ich werde bei Gelegenheit in der Grablege meine Aufwartung machen." Und den Verlust einer der wenigen flavischen Frauen beklagen, auch wenn sie als Vestalin ja aus der Familie genommen war. "Es gibt wohl keine flavische Frau, die in die Reihen der Vestalinnen aufgenommen werden könnte?"

    Während ich versonnen und freudig in das Stimmengewirr eintauche, zupft jemand an meiner Toga.


    "Dominus Luca, Attalus schickt mich, die ..., diese Dinger sind fertig."


    Hm? Oh, fein, der Küchenjunge hält mir ein rundes Tablett aus Silber vor den Bauchnabel.


    "Wohin soll ich damit?"


    Ich trinke einen Schluck, schiebe den Kringel ganz in den Mund und spüle kräftig nach und stelle den Becher ab.


    "Gib es mir, ich nehme das schon, die anderen kannst Du dann zum Tisch zu den anderen Sachen stellen. Danke Dir." (Küchenjunge ab.)


    Mit dem Tablett beladen, kann es nun richtig losgehen. Es ist, wie mir scheint, wunderbar geraten. Attalus ist nicht so schlecht, wie sein Puls versprochen hat, manches Mal ist er wirklich ein Künstler. Ich bin zufrieden mit mir und der Welt ...

    Ich erröte unwillkührlich ob der groben Worte - 'was für's Bett' - Severus erinnert mich immer wieder an Pedro, der war auch so klar und deutlich: 'Sagen, was wahr ist, trinken, was klar ist und, hm ... was da ist'. Pedro fehlt mir, wahrscheinlich bin ich darum mit dem düsteren Chatten verbunden. Und düster ist er gerade, trotz seines hellen Haars und seiner hellen Augen.


    "'Oh wie so trügerisch sind Frauenherzen' heißt es, ich gebe zu, allerdings noch wenig Erfahrung darin gemacht zu haben." Eigentlich keine, aber wird wollen da nicht ins Detail gehen. "Armer Kerl" meine ich mit Blick auf das Pferd und auf Severus, irgendwie unbestimmt dazwischen. Nicht nur der Wallach war bissig, auch vor Severus mußte man sich sicher in Acht nehmen.


    "Severus, auch auf die Gefahr hin, daß Du völlig rasend wirst, ich will Dir die Wahrheit sagen: Bridhe hat mir vor einigen Tagen den Schmuck gezeigt und vor kurzem ihre Blessuren im Gesicht. Und dazu einiges erzählt. Das mit Dir und dem Schmuck, das mit ihr und Onkel Aquilius und das mit Dir und ihr im allgemeinen und überhaupt. Ich weiß nicht, ob ich mich da einmischen kann oder darf" vorsichtigerweise schaue ich Severus nicht ins Gesicht um mich nicht zu verhaspeln, ich ordne ein bißchen meine Tunika und rubbele ganz konzentriert an einem Fleck, "ich meine, hm, ich meine ... Ihr, Bridhe und Du, ihr seid meine Freunde, Bridhe will nicht mehr leben, weil sie meint, an allem Schuld zu sein ... und Du, ... wenn da Blut oder irgendwas an dem Schmuck ist, wie Bridhe meint, daß Du gesagt haben sollst, dann endet das wohl über kurz oder lang in einer Katastrophe für Dich." Ich kratze mich heftig an der rechten Seite über den Ohren, "Vielleicht bin ich ja auch nur blöde und selbstsüchtig, aber ich würde so ziemlich alles machen, um Euch nicht zu verlieren."


    Ich scharre mit einem Fuß und beschreibe mit der Spitze einen Vierteilkreis im Sand und schaue zu Boden. Der Wallach wirft leicht den Kopf zur Seite, mit Kraft, aber auch elegant, nicht ruckartig, aber zielstrebig und neugierig ... das war jetzt nicht ganz das lockere Gespräch unter Männern, wie ich es mir ausgemalt hatte. Theater ist manchmal einfacher als das richtige Leben.

    Einen kleinen Schluck flüssigen Mut habe ich schon auf meinem Zimmer genossen, mächtig viele Leute hier, ein wenig Grundlage kann nicht schaden. Ich schlängele mich durch die Leute, einen Haufen an Dienstpersonal hat's hierher verschlagen, als ob die Aurelii und die Claudii auf Kosten der Flavii ihre Bagage durchfüttern lassen will. Morgen gibt's dann kalte Milchsuppe ... :D


    Einen Becher mit 4/5 Wasseranteilen und ein (nur!) Gebäck balancierend schaue ich mich dann um, mit dem Rücken zum Buffet, einige sehr appetitliche Kringel mit meiner vollen Körperbreite verdeckend. Geheimer Vorrat. Ich proste mimisch Onkel I. Gracchus und Onkel II. Aquilius zu, verzichte aber auf den traditionellen Saturnalien-Gruß um nicht Teigstücke durch die Gegend zu prusten. Io Saturnalia!


    Bridhe steht bei anderen Hüpfern, das Mädchen vom Sklavenmarkt ist auch dabei. Die anderen kenne ich nicht. Bridhe spielt trauernde einzige Hinterbliebe bei ihrem eigenen Begräbnis, macht ein Gesicht, als hätte sie in einer Stunde ihr Vermögen an die Germanen, ihre Unschuld an die Gallier und ihren Geschmackssinn an die Briten verloren. Tut mir schon weh, aber - Bona Saturnalia! nicke ich einem Unbekannten zu - aber man kann sich auch im Selbstmitleid suhlen wie ich an einem freien Tag im Federbett. Ich winke mal zur Weibsgruppe hinüber, momentan ist aber mein Bedarf an komplizieren Frauen ziemlich gedeckt. Hatte vor kurzem mit einem Überangebot zu kämpfen. Schau an, Micipsa ist auch da; günstiger Zeitpunkt, neu in ein Haus zu kommen, gleich eine Riesenfete im Gange.


    Schau an, offensichtlich auch Römer - Titus Aurelius Ursus, Marcus Aurelius Corvinus -da, nicht nur Angehörige der Multi-Kulti-Kelten-Libyer-Germanen-Fraktion, kenn' ich die? Nein, völlig unbekannt, raten wir? Claudier oder Aurelier? Wo ist Aurelia Helena? Oder Helena Aurelia? Ich nehme noch einen Schluck und einen Kringel vom Berg hinter meinem Rücken.