Beiträge von Cnaeus Flavius Lucanus

    Ich erwäge langsam doch die Option, sie mal kräftig zu verbleuen, ich bin kein Psychologe, vielleicht sollte sie ja auch ein paar Pilze nehmen, dann schaut die Welt wieder bunter aus.


    "Okayokay, blasen wir also Trübsal. Eine Runde und noch eine Runde und danach Jammern wir eine Runde, dann Raunzen wie eine zeitlang, etwas seufzen, vielleicht rund hundert Mal, die Welt schlecht finden: einmal eine große Portion, das Schicksal bedauern: obendrauf ..."


    Ich werfe mit einer Traube nach ihr, treffe aber nicht, sowas Dummes: "Glaubst Du, ich will hier in dieser riesigen Stadt leben? Wollte ich von Flaviobriga weg? Nein. Wollte ich, daß meine Mutter stirbt? Nein. Habe ich mich deshalb umgebracht? Nein. - Erwarte ich, nach Flaviobriga zurückzukehren? Darauf kannste eine Ziegenmilch trinken, daß ja! Und so trauerknödelig, wie Du gerade bist, wollen die auf Deiner elysinischen Insel der rot- und braunhaarigen Hibernier auch überhaupt nicht haben. Wahrscheinlich haben die geahnt, daß Du mit einer Stinklaune dort ankommst dort nur herumstöhnst und moserst. Darum haben sie mich geschickt, weil sie meinten, jetzt ist noch nicht Deine Zeit. Also werde zufrieden, glücklich mit vielen Kindern und Enkelkindern und Du wirst in Tir-na-Dings viel Spaß haben."

    Daß der Kindliche Kaiser die Feierlichkeiten der Flavier mit seinem kurzen Besuch ehrt, sollte eine Überraschung sein. Bevor er, als Nachfolger des Platonischen Priesterkönigs, sich in die staatstragende Position des Iota im Wort "epiousios" - oder eben "epousios", wie es die Vertreter der Depravierten Diogenetentums irrigerweise lehren, mit den Sodales Philosophici vertieft, will Der Heilige der Kommenden Tage die Gelegenheit der Saturnalien nutzen, mit den einfachen Menschen Seines Reiches in Kontakt zu kommen, fernab vom starren Zeremoniell des Großen Hofes.


    12 Herolde, in das Weiß der Unschuld und das Rot des Lebens gekleidet, schreiten dem Zug voran, ihnen beigegeben 12 Liktoren, danach 36 Knaben aus der Kaiserlichen Familie, gekleidet in golddurchwirkte Tuniken mit goldenen Bändern um die Stirn, 36 junge Tänzerinnen, nur geschmückt mit einem handbreiten Streifen aus grober Schurwolle mit Silberfäden. Sechs gallische Trompeter und sechs nubische Schlagwerker folgen - und leiten ein zu den vierundzwanzig Paladinen der Secreta und dem Vorsteher des Kaiserlichen Haushalts. Die Sieben von Theben, die persönliche Leibwache des Kindlichen Kaisers beschützt die vier Ehefrauen des Glanzvollen & Erhabenen, in deren Mitte Dieser Selbst schreitet, schwebt.


    Alles in allem also ein kleines und intimes Gefolge, die Parva Processio mit zwölf mal zwölf Mitgliedern.
    Huldvoll lächelte Der, in Dessen Reich die Sonne niemals untergeht und winkt leicht mit der milchweißen Hand.


    'Wenn ich doch nicht immer ...' das Bad mit den Ölen und die Waschung mit der Eselsmilch war entspannend und erfrischend gewesen, mein Festtagsstaat lag gebügelt und fleckenrein bereit, was konnte schiefgehen? Wo habe ich Zeit verschleuder? Ach, immer das gleiche, dieser Haushalt braucht jemanden, der die Zeit ausruft, in festen Abständen vielleicht "Kuckuck" ruft oder irgendwas anderes.


    Jedenfalls komme ich nun langsam und bedächtig aus den privaten Fluren des Hauses ins Atrium. Es duftet und glänzt, eine kleine Insel der Seligen. Vor Aufregung und Vorfreue konnte ich heute Nacht nur wenig schlafen, ich bin aufgedreht und schon wenige Blicke verraten, daß ich mich viel zu wenig gefreut hatte, angesichts dessen, was sich mir bietet. Viele Leute sind schon da, die wenigsten kenne ich. Ob ich Personal und Patrizier unterscheiden kann? Wahrscheinich bilden sie Grüppchen, wenn ich einen kenne, dann gehört der Rest zu ihm. Ob Helena auch kommt? Wollene Leibchen verschenkt hat? - Wo habe ich meine Geschenke? Ich taste an meinen Beutel unter der Toga, ein unverzichtbarer Gegenstand, will ich nicht die Taschen meiner Tunika mit angebissenen Würsten, Bindfäden, den Federn eines toten Sperlings, ein paar Notizpapyri, einem alten Federkiel, einem neuen Stilus und einer verschrumpelten kleinen Orange völlig ausbeulen.

    'Luca, Schätzchen, hast Du nicht Lust, mir ein wenig bei den Steckrüben zu helfen?' Wenn Mutter im Garten arbeitete, daß die Erde und die Blätter nur so flogen und stoben, man unvorsichtig war, währenddessen auf ein "Salve" vorbeizuschauen und ihr in der Sonne zu stehen, riskierte man, ein Animationsprogramm vorgeschlagen zu bekommen. 'Luca, Schätzchen, hast Du nicht Lust, ...' eine einleitende Frage, auf die sie zweifellos keine verneinende Antwort erwartet hat. 'Ich würde mich freuen, meinen Sohn bei den Steckrüben arbeiten zu sehen', wenn das Mutter gesagt hätte, dann sah sie mich schon bei den Steckrüben arbeiten, wie man vor dem geistigen Auge die Sonne auf- und untergehen sieht.


    "Aber natürlich habe ich Interesse" - wehe wenn nicht, ich lächele - "einen Dreischritt werde ich schon hinbekommen" lächele ich etwas schief. Wahrscheinlich gibt es aber auch einen Fünfschritt und eine Siebenschritt, das dicke Ende kommt später. Nicht nur Steckrüben, sondern auch Kohlköpfe. "Ich würde mich freuen, wenn die sodales mich für würdig erachten, Mitglied der Salier zu werden. Danke, daß Du an mich überhaupt gedacht hast."


    Sim-Off:

    Luca wird wohl einen Dispens benötigen, da beide Elternteile schon verstorben sind.

    "Natürlich, Reg' Dich nicht auf. Über die Hispanier gibt's auch einen Haufen Klischees, und über die Römer wirst Du mehr kennen, als mir lieb ist. :D"


    "Und vor dem Tod müssen wir uns wirklich nicht fürchten: leben wir, ist er nicht da, sind wir tot, ist es vorbei. Also kein Grund, sich Sorgen zu machen, in der Tat." Aber jetzt glaub' nicht ... "Das heißt aber nicht, daß wir uns massenweise vom tarpeischen Felsen stürzen sollten. Oder in irgendwelchen brackigen Tümpeln ertränken. Aber überhaupt nicht."


    Ach, Bridhe, wie kann ich Dir nur Hoffnung geben? Soll ich Dir eine 'reinhauen? Dich zur Besinnung prügeln? Keine gute Idee, Du würdest das - besonders als Frau - falsch auffassen. Wäre nur gutgemeint. Körper spüren, Leben spüren - sollte jeder Arzt anraten.


    "Ich ... ich kann es nicht gut ausdrücken, äh, hm, naja, Du würdest einer Menge Leute fehlen, weißt Du? Und diese Leute würden sich ein Bein oder meinetwegen auch ein zweites für Dich ausreißen. Außerdem wäre es nicht schön, wenn Du als alte und weise Frau auf Deiner Insel - umgeben von rot- und braunhaarigen Enkelkindern - auf die letzte Insel fährst? Und nicht hier in Rom? Wer weiß, vielleicht ist der Weg von daheim ja leichter?"


    Ich räuspere mich etwas. Gut, also die Phalera im Gesicht, die soll sie selbst wegdiskutieren, Frauen finden schneller eine Ausrede - und Männer glauben ihnen leichter.

    Äh. Rituelle Tänze? Tanzen? Hüpfen? Sich zu irgendeiner Flöte leicht wie der Wind und trampelig wie ein satter Bär hin und her wiegen? O - O. Hm, naja, immernoch besser als singen. Wollen ja nicht alle Götter ungnädig stimmen oder vertreiben. Ob Aquilius beim Tanzen eine gute Figur macht? Aber: eine irre Ehre ist das schon, Sodale bei den Saliern ...


    "Ich gebe zu, ich ... äh ... naja, Tanzen. Ich meine, ... äh ... " ich werde leicht tomatenrot "ich freue mich sehr über die Einladung, vielmehr ist das eine große Ehre, daß Du mich einlädst", und Mars könnte wirklich im Frühjahr kräftig mal wieder 'was für den Ackerbau tun - ob er sich aber durch Hüpfen und Springen dazu motivieren läßt? "Musikalisch bin ich, naja, etwas eingeschränkt" singe, wem Gesang gegeben, krähächz undsoweiter "Ich will mich gerne bemühen, so gut es geht ... äh ... ich habe noch nie getanzt." So, jetzt weißt Du's. :(


    Hoffentlich kann ich irgendwo ungesehen üben. Ich brauche eine Art großen Spiegel. Oder blankpolierten Marmor. Gibt's im Atrium, der ideale, völlig abgeschiedene Platz zum Übungsspringen. :D


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    Zitat

    Original von Rutger Severus


    Ich beuge mich ein wenig weiter nach vorne, um besser sehen zu können. "Jetzt sag' bloß, dort wo Du herkommst, ist keine Wildnis! :D Schon bei mir daheim ist gleich an der Grenze des Ortes die Wahrscheinlichkeit auf wilde Tiere zu treffen, nicht gering. Im Winter kommen die Wölfe von den Pyrenäen herunter, ab und an verliebt sich ein Bär in die auswärtigen Stallungen eines Bauers und meint, dort überwintern zu können ... oder stattet einer Vorratskammer einen Höflichkeitsbesuch ab, damit man ja nicht denkt, die eingelegten Früchte und das Gemüse wüßte er nicht zu würdigen."


    "Und jetzt?" Ich schaue Severus an. "Ich hab's leider nicht so mit Blut, früher ist mir schon vom Geruch schlecht geworden, was bei der Jagd schlußendlich ziemlich hinderlich ist. Aber die Pferde da, ich habe mich mit meinem Onkel beim Opfern ein wenig daran gewöhnt, nein, schlecht wird's mir gerade nicht. Ich sehe Tiere sich gerne bewegen. Löwen habe ich noch nie in echt gesehen, und die Pferde oder Ponys, ich glaube nicht, daß die angemalt sind."


    Da sich Onkel Aquilius zu uns umdreht, frage ich mal gleich: "Salve Onkel Aquilius, eigentlich alle wieder da, nicht? Diese Pferde da, die sind doch nicht angemalt oder? Jedenfalls wäre die Farbe von den Angriffen der Löwen doch völlig verschmiert, oder?"

    "Es gibt auch Vorzüge?" Etwas plötzlich - und unbeabsichtigt ironisch - springen die Worte über meine Lippen. Vor lauter Namen und Verwandtschaftsbeziehungen, Intrigen und Komplotten schwirrt mir der Kopf. Das ist es also, womit Onkel Gracchus die ganze Zeit beschäftigt. Die Familie! eine wandlende Sammlung von Anekdoten und Stammlinien. Lauter mir unbekannte Leute, mein Großvater hat es seiner Meinung nach nicht weit gebracht, auch mein Vater ebenso nicht. Kunststück, wenn man schon in jungen Jahren stirbt und eine junge Frau mit einen Baby zurückläßt.


    "Ich meine, natürlich - jedes Blatt hat zwei Seiten und wenigstens Du und Onkel Aquilius erscheinen mir in jedem Fall auf dieser Vorzugseitse zu stehen, nicht? Nie hätte ich davon geträumt, so bei Euch" - in Euerer WG - "aufgenommen zu werden. Meine Mutter wäre Euch auf ewig dankbar, genauso, wie ich es bin. Ich hoffe, diese Vorschüsse eines Tages zurückzahlen zu können."

    Joha, es gibt doch kaum befriedigerendes, als einen guten Toilettengang. Ruhe und Sonnenschein nach dem Sturm und Drang meiner Blase. Ich ordne meine Sachen und schibbele mit dem Fuß das Heu ein bißchen herum. Und gehe dann wohlgemut aus dem Stall. Wohlan, wack'rer ...


    "Salve, Severus! Ist das Pferd ein Er oder eine Sie?" Eigentlich eine etwas einfältige Frage, aber das Wetter zu loben und zu fragen, ob es denn wohl kälter würde, ist noch bescheuerter. Ich ignoriere den Blick unter den Bauch des Pferdes und gehe so, daß ich mit weniger Erfahrung im Unklaren bleibe. "Mein Freund Pedro sagte immer, Pferde und Hunde sind die besseren Freunde, weil sie ehrlich und geradlinig sind." Heißt: reichlich eindimensional. "Auf Menschen kann man meistens pfeifen, was? Lauter Mivergnügen und Verdruß." Ich komme näher. "Hübscher Kerl." Bah. Kerl. Na, und das frage ich dann? Kann kann ich gleich ihm mal den Hals klopfen, was dem allerdings nicht ganz so zusagte. "Einer mit Charakter und Weitsicht: Er mag mich nicht. Jedenfalls nicht ohne Zugeständnisse."

    So einiges hatte mir mein Onkeleins schon erzählt, nunja, ich kann zumindest schwimmen. Was aber gegen die Räuber des Meeres auch nicht viel hilft, allerdings nur dann, wenn man sich zu wenig hinauswagt. Momentan bleibe ich lieber dicht am Floß meiner Onkel ...


    "Nun, ich bin schon gespannt" wie die Flavier feiern, ob viele Leute kommen? Sicher. "Prima, dann schaue ich beizeiten im Iuno-Tempel vorbei, die Probe für den Steinmetz ist schon in Auftrag. Aber bis zum Frühjahr ist ja noch etwas Zeit." Im Geiste gehe ich schon die Einkaufsliste durch, Geschenke, eine neue Toga, vorzugsweise tiefenimprägniert, und zum Friseur gehe ich auch ...


    "Vielen Dank jedenfalls, daß Du Dir Zeit genommen hast, Onkel Aquilus. Wir sehen uns dann wieder bei der Arbeit ..."

    "Bridhe, das kenne wir Römer und Griechen als das Elysium. Wobei dorthin die Helden entrückt werden, während unsere Vorfahren nach wie vor unter uns leben, als gute oder böse Geister. Wie das aber aussehen soll und wie der Tod ist, was wir in den letzten Minuten erleben, das weiß ich nicht, aber träumen tun wir nicht.- Obwohl, eine schöne Vorstellung ist das schon, was Du sagst, eine immergrüne, saftige Insel, leichte Winde, klares Wasser - und lauter nette Leute mit roten Haaren!" :)


    Achja, eine gepolsterte Unterlage mit mehren Kissen wäre bei weitem doch besser gewesen.


    "Du kannst Dein Gesicht auf Onkel Furianus schieben", angesichts dessen, was Bridhe mir berichtet hat, habe ich da weniger Skrupel, auch wenn dieser Onkel mir langsam zu lange Schatten wirft. "Angegriffen hat er doch ja wohl, und ins Details wirst Du ja kaum gehen. - Und für die Allgemeinheit bist Du zu schnell und zu kurz um die Ecke gerannt, oder so." Veilchen und Flecke sind kein Thema für Jungs. Die trägt man wie Phalera.

    Ich nicke meinem Chef zu und verziehe mich ein, zwei Schritte hinter meinen Tisch,



    "Bittschön, garschön, keine Umständ' für einen armen, anständigen Birger, stähe bekwem.- Hochwohlgäborener treßvir capitalis, bei mir im Haus' wohnan Kristn. No, kein Problem, sind ja ganz anständige Leit', a bisserl riach'n tun's, naja, eh', da ewigä Fisch, ned' woahr?, aba asonsten imma adrett und nett, pünktlich zahl'ns ihren Zins, über die Kristn laß'ma nichts komm'n, ned woahr?"


    Oh ihr Götter, ein Spinner der auf andere Spinner nichts kommen läßt. Natürlich. Jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise.


    Nichtsdestoweniger, Hochwohlgäborener treßvir capitalis, bin ich doch vor kurzem an einer der Kasärnen der vigiles vorbeigekommen - und stölln's Eahna voa, wen' ich getroff'n hab? Einen vo de Gemeindemitglieder, die einmal die Woche da vorbeischnei'n. G'sehn hot a mi net, der Bursche, in seiner schneidigen vigiles-Unifoarm, daba is'a a Diena dieser Gemeinde, ob Prießter oder nicht, wasweißich. Das ist mir völlig einerlei. Ich mein, natürlich kann ein vigiles tun und lassen, was er will, woarum auch ned? Aber was, wenn er möcht' löschen ein Haus und ruft seinen Gott an zu Hülfe? Und unsere Götter zürnen und tun verbrennen das Haus bis auf die Grundmauern? Derf des sein?


    Coelestinus Cerealis macht ein verschmitztes Gesicht. So. So. Ich klappere ein wenig mit meinem PDA, während ich mir Stichpunkte notiere. Also Christianer, diese gottlosen Spinner.

    Ich falte meine ehemals saubere Toga zu einem Päckchen, jetzt muß ich mit dem Ding die ganze Zeit herumlaufen. Großartig.


    "Wie wäre es mit der Fortsetzung unserer Inspektion der Fischgarküchen? Wer weiß, vielleicht liegt hie und da ja der Tatbestand der vorsätzlichen oder fahrlässigen Vergiftung vor - wir sollten möglichst viele Stände ausprobieren, die corpora delictorum einer gründlichen empirischen Untersuchung zuführen ... ?" :D
    Wie war das mit "Mittagszeit"?`Warum haben die in der Basilica Ulpia keine eigene cucina? Dann wäre das nicht passiert. Hart und unbeugsam blicke ich die Tonnage von einer Frau ein weiteres Mal an. Warum kann sie nicht von dem jungen Mann finanziell übers Ohr gehauen werden? Kinder sind ja nicht einzigartig, die kommen von allein; Geld und Wertsachen müssen hart erarbeitet werden. Ich zucke mit den Schultern und schließe an meinen Onkel auf.

    Also traben wir alle los. Opferherr, Opferpriester und der Opferstatist. Ich falle vorsichtig ein wenig zurück, falls die beiden angeschlagenen Titanen mit Felsbröcken oder bösen Blicken umsich werfen, sehe ich sie wenigstens kommen. Auf dem Viehmarkt ist ein rechtes Chaos, Blöck hier, Mäh da, Muh vorne, Schnatter zu rechten, Fieps zur linken und von hinten knappert eine Ziege an meiner Toga. Ob sie schmeckt? Werde ich in einer ruhigen Minute mal daran zutscheln, manche Farben sind nicht gifitg und außerdem - weil auf pflanzlicher Basis - recht schmackhaft. Momentan ist das dafür keine Zeit - und die Ziege - naja, ein bisserl kraulen, die staakt hinter mir her, offensichtlich beginne ich, für das weibliche Geschlecht interessant zu sein - auch wenn diese Zicke kaum meine Zielgruppe ist.


    Der Senator und mein Chef bleiben an einem Verschlag stehen, nachdem wir einen etwas zerzausten Widder, der noch nicht völlig sein Winterfell übergeworfen hat, nicht ins Auge fassen. Ein wenig mager ist er auch, der Widder.


    Beide Hohe Herren sind jetzt besonders kritisch, als könnte der Hirte etwas für die Beschaffenheit der Innereien - als müßte er jedes Tier erst obduzieren, bevor er es reanimiert wieder in den Verkauf gibt. Innere Krankheiten kann man nur am Kot, am Fell, wenns schon fortgeschritten ist - oder am Verhalten feststellen. Dafür braucht man aber ein wenig Zeit. Naja, aber wir haben's ja eilig.


    Ich streiche ein wenig um das Gatter herum, während Purgitius Macer und Onkel Aquilius Heerschau halten. Lasse meine Arme über die Absperrung baumeln, ein paar Nüsse in der Hand. Einige junge Kitzen drängeln sich, ein etwas älteres Tier, vielleicht Papa, beäugt diese Freizügigkeit meinerseits etwas skeptisch.



    Wenn's was umsonst gibt, sollte man mißtrauisch sein. Recht hat er.

    Und erneut überzieht alles eine fingerdicke Rauhreifschicht, die Die Falten unserer Togen sind endgültig erstarrt und sehen aus, als seien sie aus Kalksandstein, fast vermute ich auch Reif an den Augenbrauen und in den Haaren meines Onkels - ich muß schneeweiß geworden sein, vom Anhauch der flavischen regina nivis. Gleich zieht er seinen Eisdolch und rammt ihn mir ins Herz um jegliche Regung in mir erfrieren zu lassen ... der Dolch zittert in der Scheide, als wolle er gleich herausspringen, aber: Jede Geschichte braucht ab und an ein "aber", sonst gäbe es nur Kurzgeschichten. (Und diese meine Geschichte dauert noch 'was. Gellt, Ihr Götter? In dieser Frage laß' ich weder ein "Nein", noch ein entschiedenes "Vielleicht gelten!)


    "Verzeih' Onkel Flavius, ich wollte Dich nicht aufregen." :verbeug: (He! Hat jemand mal Baldrian oder Riechsalz da?) "Aber ich kenne die Geschichten unserer Familie nicht, ich tappe herum wie ein Reh im Schnee, das hie und da einen Strauch aus der dichten weißen Decke wachsen sieht, aber nicht weiß, was alles sich darunter verbirgt." Vielleicht tust Du mir ja den Gefallen und zeigst mir ein wenig, was unter der Decke ist ... ?

    Während ich im Geiste schon einen Brief aufsetze, um Labeo und Cincinnatus am 3. Tag einzuladen oder in deren Villa vorzusprechen und mir überlege, ob ich Attalus kopfüber in den Puls-Topf oder auf kleiner Flamme mit in geharztem Wein schmoren sollte, sind wir eigentlich so gut wie fertig. Onkel Gracchus ist Lage um Lage zu einem Senator Roms mutiert, die Falten liegen wie gemeißelt. Kurz, M. Fl. Gracchus locutus, audientia finita, oder so.


    "Hm, nein, Onkel Gracchus. Das ist es schon im eigentlich. Ich will Dich nicht weiter aufhalten." Ich ordne meine eigenen, vergleichsweise schlappen Falten und bewege mich, ohne mich abzuwenden, in Richtung Tür. "Vielen Dank, ich freue mich, daß wir etwas zu den Saturnalien unternehmen und Leute einladen." :)


    "Flavius Quirinalis ... er ist wohl nicht mehr in Rom, naja." fällt mir noch beiläufig ein; ich erinnere mich, daß Quirinalis ja auch ein Flavier ist, und er wirkte flott genug, um Stimmung in ein Fest zu blasen.

    Richtig schön gemütlich ist es, eine weiche Kline, ein Berg von Kissen in allen Farben, Milch, Obst und eingelegtes Gemüse mit Schinken, selbstgebackenes Brot und einige mit Honig getränkten Pistazien-Blätterteig-Teilchen. Ich hatte mir im Geschäft von Iulia Hellena einige Bögen Papyrus gekauft, die ich heute einweihen wollte. Ein Fäßchen schwarze - nichtmagische -Tinte und einige zugeschnittene Gänsefedern komplettieren mein Handwerkszeug. Ich muß langsam anfangen, mir einige dauerhaftere Notizen zu machen, Personen und Charaktere festlegen, vielleicht schon die Ereignisse skizzieren. Die endgültige Ausarbeitung kann dann bis zum Frühjahr warten.


    CN FL LVCANI


    Hm. Und jetzt? Titel? Nein, noch nicht, den Titel schreibe ich zum Schluß. Also:


    CN FL LVCANI


    _______________________________


    DRAMATIS PERSONAE:



    Mist. Gerade jetzt, wo die Muse rittlings auf mir sitzt, mein Gesicht mit Küssen bedeckt - 'Da mi basia mille, deinde centum, dein mille altera, dein secunda centum, deinde usque altera mille, deinde centum. Dein, cum milia multa fecerimus, ... " - ach, ja. Na jedenfalls - ich muß mal.


    Also Papyrus und Feder beiseitegelegt, 'rausgeschält aus den Decken, und den nächsten locus privatus gesucht. Wo war der nochmal von hier aus? Ich schwinge mich von der Kline, schlüpfe etwas unordentich in meine Sandalen und hatsche los. Noch ist es nicht so dringend.


    Ich schlüpfe in den Gang zu den hinteren Räumen, den Ställen. Da kann ich ja wohl in einer Ecke in der höchsten Not, oder? Vom Stallungs-Hof her höre ich Gemurmel, "kein Bedauern wert... ach, keinen Gedanken sollte ich mehr an sie verschwenden... keinen einzigen Gedanken..." ich biege um die Ecke und halte kurz inne. Mist. Severus. Das ist mir jetzt irgendwie doch zu spontan. Aber ... ohnein, ich hüpfe auf einen Fuß, ich muß dringend. Jetzt.


    Bevor es zu spät ist, laufe ich im Eilschritt über den Hof, direkt auf den offenen Stall zu, winke ein wenig verlegen zu Severus und dem Pferd, das er gerade bearbeitet "Hallo, Severus! Äh - muß mal. Dringendissime!" - und weg bin ich im Dunkel des Gebäudes verschwunden. Gleich zur nächstbesten Ecke und .... aaaaaaaah. Seufz. Geschafft.

    Mit angewinkelten Beinen, die Arme um die nackten Schienenbeine geschlungen, sinniere ich. Oder starre ins Leere und lasse die Worte Bridhes an meiner inneren Schädeldecke widerhallen und deren Echo sich brechen.


    "Ich hatte eine Zeit lang als Kind einen Traum, immer wieder, nicht oft, aber ich weiß, daß er nicht einmalig war. Ich schwimme im Meer, vor mir das Heck eines Bootes, das sich geschwind entfernt. Kein Land, kein fester Halt außer das Boot, das in den Horizont segelt, bis es nicht mehr da ist. Ich bin ganz allein, wenige Wellengang, das Wasser ist klar, ich sehe Fische unter mir, keinen Boden, der irgendwo meilenweit unten ist. Oft bin ich dann schon aufgewacht, aber einmal, einmal habe ich geträumt, daß ich mich in das Wasser kuschele, ja: kuschele wie in Federbetten. Ich schwebe auf dem Wasser, bis es über mir zusammenfließt und ich sinke. Ich sinke in die Tiefe, große Schatten kommen, aber sie schweben nur um micht herum, während ich weiter ins Bodenlose sinke. Ich habe keine Angst, keine Panik, daß ich eigentlich keine Luft kriegen müßte, ist egal, entspannt und zufrieden sinke ich immer tiefer."


    Ich kratze mich am Kopf. "Diese eine Fortsetzung habe ich geträumt, in der Nacht nach dem Tod meiner Mutter, als ich ganz allein im Haus war."


    "Vielleicht ist es etwas ähnliches, was Du erlebt hast. Aber ich meine, das sind eben nur Träume, das sind Einbildungen, Phantasien, die da sind, wenn wir Angst haben oder alleine sind. Die anderen Nächte habe ich dann bei Pedro geschlafen, da habe ich das nicht mehr geträumt."

    Unmerklich, noch vorsichtiger, als die Fahrt des Sonnenwagens am östlichen Horizont beginnt, füllt sich das balneum mit Nebel. Nicht heißem Dampf, kalter Nebel von der offenen See her, den man erst bemerkt, wenn er die Ufer heraufgekrochen ist, sich um unsere Körper windet und uns von einander wie geblendet lösen läßt. Der Nebel der Einsamkeit, der uns unserer Umwelt entzieht, der uns die Welt entreißt, daß wir wie kleine blinde und taube Mäuse einherstolpern, gleich, ob es hell oder dunkel ist.
    Die Kacheln sind heiß wie Sand in der Mittagshitze und so kalt und hart wie von Meerwasser gespült. Mir fällt das Atmen schwer, der Nebel findet seinen Weg in die feinsten Verästelungen und Bronchien meiner Lunge, die mehr und mehr an Gewicht zunimmt, es ist, als würde ich ertrinken, auf dem Rücken liegend.
    Und langsam, langsam umströmt mich das Meer, das kalte klare Wasser, der weite, unendliche flaschengrüne Raum. Ich sinke. Zur Oberfläche helles Grau, um mich herum, ich spüre es, ohne es zu sehen, grün, grün in allen Schattierungen, unter mir das dunkelste Grün, das Tiefe Grün.
    Aus dem hellen Grün lösen sich Schatten, dunkle große Schatten, sie schweben scheinbar ohne Bewegung und ziehen doch ihre Bahnen. Ziehen ihre Bahnen um meinen langsam sinkenden Körper. Unter mir das Tiefe Grün. Das unendliche, das unendlich Tiefe Grün.
    Unter dem, in dem das Schwarze Grün wartet, senkrecht, mit aufgesperrtem zähnestarrenden Maul, Rot in Schwarzem Grün, von Elfenbein gerahmt. Wartet. Wartet, bis mein Körper, bis mein Ich hineinsinkt. Sich das Schwarze Grün über mir schließt und schwerelos in das Dunkel zurückgleitet. Es wartet auf mich.


    "Wir sind nicht allein." Zitternd liege ich auf dem Kachelboden. "Nein, Bridhe, wir sind - Du bist nicht allein. Solange wir nicht allein sind, gibt es immer eine Möglichkeit. Gibt es immer Leben."


    Ich liege still da, die Schatten, die ihre Kreise zogen, sind ins offene Meer entschwunden, das Schwarze Grün ... ich liege am Strand, auf mir Pedro, der wie von Sinnen auf mich einschlägt, starke Hände, die ihn von mir herunterziehen, einen strampelnden, heulenden jungen Mann, sonst immer ein spöttisches Wort auf den Lippen.


    Das Schwarze Grün. Furianus. Rot in Schwarzem Grün. Aquilius. Pedro. Die Tränen ... Bridhe.


    Ich setze mich auf, schlage das Badetuch wieder um mich. "Ich rede erst mit Severus. Ich will wissen, was er zu sagen hat. Dann gehen wir zu Onkel Aqulius. Gemeinsam. Wir sind nicht allein."

    "Dieser Zustand jetzt dürfte dann für Onkel Aquilius keineswegs neu sein", sage ich in eben diesem Ton, den sie eben angeschlagen hat. Leicht streift mein Auge ihren Körper, dessen Nacktheit von einer der Decken verhüllt ist.


    "Und Du wolltest Dich nicht umbringen, weil Du Dich frei fühltest, sondern weil Du verzweifelt bist, keinen Ausweg außer diesem einen wußtest, also unfrei warst. Man kann auch in einem Theaterstück nicht hingehen und sagen: 'Tschuldigung, Leute, ich habe keine Lust mehr, macht ohne mich weiter.' Wer soll dann Deinen Text sprechen?" Ich schüttele den Kopf. Du hast Deine Rolle, Deine Aufgabe hier, und die dauert solange, wie sie dauert. Ich kann am Selbstmord nichts von wahrer Freiheit erkennen, höchstens Selbstsucht."


    Oder vielleicht sind wir anderen selbstsüchtig, weil wir uns liebe Menschen nicht verlieren wollen? Sie nicht ziehen lassen wollen? Ach, ist das kompliziert. Ich schrubbele mir durchs Gesicht und durchs Haar und lasse mich wieder auf die Kacheln nieder, den Blick ins Gewölbe gerichtet.


    "Wir sollten vorerst niemandem irgendwas sagen. Onkel Aquilius hat mich gebeten, aufzupassen, was ich sage, wenn ich mit Onkel Furianus zusammentreffen sollte. Irgendwas ist da komisch, weißt Du. Hm, keine Ahnung, was das soll, aber das ist wohl eine andere Baugrube." Ich greife mir eine Traube, gleich eine Tripel-Traube. Was Onkel Gracchus täte, wüßte er ..., ich habe momentan nicht genügend Phantasie dazu.


    "Ich schau, daß ich Severus irgendwie mal anbohren kann, ich habe ihn lange nicht mehr gesehen, dann gehen wir zu Aquilius. Oder vielleicht - vielleicht Du alleine, vielleicht ist das die bessere Idee. Du kennst ihn schon länger und - äh - und besser ..." Uff, mein Kopf. "Oder wir gehen zu zweit, vielleicht ..." Eine Insel für einen Plan!


    "Aber den Schmuck behalte ich. Ich kann sagen, der hat meiner Mutter gehört, dann faßt den niemand an. Das ist eine gute Geschichte."

    "Ich will überhaupt nicht wissen, was 'einfach passiert' ist. Es ist schlicht nicht recht, Onkel Aquilius ist quasi verheiratet" - und Du wirst niemals eine Römerin, eine Flavierin will ich hinzusetzen, lasse es aber. Wer weiß, irgendwann wir sie frei sein, eine freie Hibernerin, vielleicht kann und will ja dann ein Römer sie heiraten? Aber Onkel Aquilius wird das sicher nicht sein.


    "Nein, Fehler darf man nicht machen, Bridhe. Aber es ist nun mal so, daß wir Menschen andauernd Fehler machen" ich will garnicht an meine Fehler denken, jedenfalls nicht an deren Zahl, oder vielleicht besser doch, sonst doziere ich wie ein moralsaurer Cato. "Wichtig ist, daß man weiß, daß man einen Fehler gemacht hat und daß man Fehler nicht wiederholen soll. Wir sind ja nicht ... nicht Sklaven von uns selbst, sondern jeder soll Herr über sich sein, es jedenfalls immer versuchen, frei zu sein." Ein dummes Thema, um es mit einer Sklavin anzuschneiden. "Ein großer Hispanier hat gesagt, es sei nicht wichtig, ob man Sklave oder Freier ist, da auch ein Freier ein Sklave seiner selbst sein kann. Wichtig ist, im inneren frei zu sein, das außenrum ist nur zufällig und wandelt sich immer wieder." Ob sie das versteht? Ob ich das richtig verstanden habe?


    "Wenn Severus frei wäre von seinen Leidenschaften, seiner stolzen Bockigkeit, so sehr sie zu bewundern ist, ich mein' wenn er nicht aus falscher Ehrsucht sich in sein eigenes Unglück bohrt wie ein Holzwurm in ein Hinrichtungskreuz, es gibt immer einen Ausweg. Aber dazu müßte er es wollen, allein schafft er das nicht, außer, er flieht und geht wieder über die Grenze, was chancenlos ist und ihn zu einem Vogelfreien macht." Ich kratze mich am ... Kopf. "Wir müßten zusammenarbeiten. Irgendwie. Und mehr wissen.- Aber nur Severus kann entscheiden, Wissen preiszugeben."