Der alte Mann schaute die jungen Leute entgeistert an. Hatte er wirklich vorgeschlagen eine Geschichte zu erzählen? Er grummelte irgendeinen undeutlichen Fluch in seinen Bart, drückte Marga näher an sich, und überlegte einen Moment, den er mit einem Schluck Bier überspielte.. dann räusperte er sich, und begann zu erzählen: "Es war ein Julfest, vor etlichen Wintern, viele...", er blickte sich um, und korrigierte sich dann selbst, "ALLE von euch waren noch garnicht geboren, selbst eure Eltern steckten noch in den Windeln, oder im großen Teich. (:D). Marga war noch ein junger Hüpfer... und ich, ja, auch ich war noch ein Mann der mehr konnte als dem Jungvolk den Arsch zu versohlen. Naja.. wo war ich? Achja."
Die trockene Kehle wurde mit einem Schluck Bier befeuchtet, dann ging es weiter.
"Wolfrik war vor wenigen Wintern gegen diese chaukischen Hunde gefallen, und Tjaard tat sich, jung wie er war, noch etwas schwer damit einen ganzen Stamm zu führen. Immer wieder machten andere Sippen ihren Anspruch auf die Führerschaft, etwas das unsere Ältesten garnicht kannten, waren die Sippen im Stamm doch relativ gleichrangig, und nur im Kriege gab es einen Kunningaz, aber... ich schweife ab.. nun. Tjaard musste sich und seine Sippe mit Hilfe seines Bruders Audaod immer wieder im Stamm beweisen, und es war ein Julfest das relativ bedrückt gewesen war, denn einen Tag zuvor wurde einer der getreuen des Tjaard, ein Leibeigener mit dem Namen Ortwald wurde ein Tag zuvor bei der Jagd von einer marodierenden Gruppe von Chauken erschlagen. Soll ich erwähnen, dass sie den armen Kerl beim Kacken erwischt haben?", die letzten Worte flüsterte er zu Marga, die ihm reflexartig mit dem Ellenbogen in die Seite stieß, "Ein Nein hätte gereicht. Nun, auf jedenfall war die Stimmung gereizt, weil die Sippe des Rambod, ein grobschlächtiger Kerl, der schneller zuschlagen als denken konnte, Rache für diesen Akt erwartete. Die Sippe Tjaards, und auch Audaod war mit den seinen zugegen, hockte an diesem eiskalten Abend zusammen um das Julfeuer herum, und niemandem war so recht zu feiern zumute. Wir waren damals schon wenige, die Sippschaft Audaods und Tjaards umfasste nach den schweren Jahren nurnoch etwa achtzig Leute, der ganze Stamm war auf einige hundert zusammengeschmolzen. Und niemand sagte etwas... alle standen um das Feuer herum, und niemand sagte etwas, denn die Last der Sorgen wog schwer diese Tage. Und als wir da so zusammen hockten, hörten wir schließlich einen Schrei aus dem Wald... einen markerschütternden Schrei, und nicht wenigen von uns lief es eiskalt den Rücken herunter. Natürlich waren sofort einige der Männer an den Speeren, und doch rührte sich keiner. Und der Schrei wiederholte sich... und letztendlich war es Tjaard, der sich seinen Bruder packte, und mit ihm zusammen in den Wald eilte, um herauszufinden welcher böse Geist dort das Julfest störte. Ganze Minuten dauerte es, bis sich einige seiner Gefolgsleute, alles stämmige Krieger, aufmachten um ihrem Herrn zu folgen. Ich muss zugeben, ich gehörte auch zu jenen die zögerten...", ein verschmitztes Lächeln bat förmlich um Entschuldigung, bevor er wieder den Krug mit Bier an die Lippen setzte, "Und als wir mit Fackel und Speer bewaffnet in den Wald zogen, kaum zwanzig Mann, da hörten wir plötzlich ein Lachen... ein lautes, gellendes Lachen. Wir blieben stehen, schließlich versanken wir alle in Angst, dass Tjaard, unser Kunningaz in diesen harten Tagen, von einem Troll geschlachtet sein möge, der sich nun über seine Beute freute... und da tauchte in der Düsternis des Waldes dann auch ein Hüne aus dem Buschwerk auf, der Schnee unter seinen Füßen stark eingedrückt, eine unmenschliche Kreatur mit Schultern so breit wie die von Phelan und Witjon zusammen (:D), wir umzingelten diese Figur, starr vor Angst, doch fest entschlossen unseren Herrn zu rächen, und als ihn schließlich Thilo, Sohn des Dankmar, anbrüllte um sich Mut zu machen, lachte er erneut... und seine Stimme schalt uns alle Idioten. Ja, ein Troll schalt uns Idioten. Ihr könnt euch vorstellen wie wir uns angeschaut haben. Als Thilo dann auf ihn losgehen wollte, tauchte hinter diesem Troll plötzlich Audaod auf, und befahl dem Mann, der schließlich in seiner Munt stand, sich augenblicklich zu beruhigen. Der Troll... so griesgrämig und groß er uns erschien, entpuppte sich schließlich als Tjaard, der einen leblosen Mann über der Schulter trug, und uns im Dunkel so seltsam vorkam... dieser Mann war Rambod. Wir alle wunderten uns, was dieser Kerl alleine im Wald zu suchen hatte, und vor allem: welchem Geist er begegnet war, um so zu schreien... und Audaod lachte uns aus, und schalt uns Narren... denn er selbst trug ein totes Wildschwein über der Schulter."
Albin kicherte fast, als ihn die Erinnerung an die merkwürdige Geschichte fasste, und er klopfte sich schließlich vor Lachen auf die Schenkel, während Marga nur die Augen verdrehte..
"Nun, wie uns Tjaard erzählte, war es wohl so gewesen: Rambod, dessen Hufa sich keine Stunde durch den Wald entfernt befand, hatte sich wohl bei der Feier des Julfestes abgesetzt, um in den Wald kacken zu gehen. Dabei wurde er wohl von einer Wildsau überrascht, die ihn gleich unterpflügen wollte. Doch dieser Depp hatte sich in der Dunkelheit auf der Flucht total verlaufen, und hatte sich schließlich auf einen Baum gerettet. Mit zerrissener Hose, und unbewaffnet. Wäre Tjaard nicht mit seinem Bruder gekommen, so hätte Rambod auf jeden Fall den Tod gefunden: entweder, er wäre dort auf dem Baum erfroren, oder er wäre unten von dem Wildschwein auseinander genommen worden. Tjaard hat ihm schließlich das Leben gerettet, allerdings fiel Rambod dabei vom Baum und brach sich den Arm. Diese Memme ist vor Schmerz in Ohnmacht gefallen... nun, danach war auf jeden Fall nie wieder von Rambod als Kunningaz des Stammes die Rede, weil niemand einem Mann folgen wollte, der mit blankem Arsch vor einem Wildschwein davon lief... und sich vorher noch über Ortwald mockierte, der von einem Feind dabei erschlagen worden war."
Der alte Mann packte in seinen Fellumschlagenen Kragen, und zog ein Lederband mit einem gewundenen Stück Knochen hervor: "Dies ist einer der Zähne, die dem Wildschwein entrissen worden waren, bevor wir es als Opfer an die Götter darbrachten, und das, obwohl nicht wenige von uns Hunger litten in diesen Tagen. Die beiden Hauer gehörten den Brüdern, und wenn sie nicht verloren gegangen sind, müssten sie noch unter euch sein."