Beiträge von Albin

    "Junger Mann", protestierte Albin mit wehleidigem Blick, "Es sollte einem wohl doch vergönnt sein sterben zu können wann es einem beliebt. Oder wann es den Nornen beliebt. Mein Leben ist voll von Erlebnissen für drei Männer, man möchte meinen dies würde genügen... und was du ohne mich machen würdest? Ich bin erst seit knapp einem Jahr hier... die anderen deiner Sippe haben sich auch ohne meine Hilfe ein Leben aufgebaut, du schaffst das schon."


    Ein Stein fiel ihm auf, fast so als hätte er ihn schon einmal gesehen...


    "Es ist nicht so als würde ich den Tod herbeisehen, das nicht. Aber ich hätte auch nichts dagegen einzuwenden mich dem Willen der Götter zu fügen.", murmelte er als er auf den Stein zuging... ja, der sah genauso aus wie...


    "Das ist ja Tjaards Stein!", rief er schließlich gedankenverloren aus und umrundete den Runden Stein, der zu einer Seite schmal zulief, mit neugierigen Blicken, "Also, er ist es natürlich nicht. Aber er sieht fast genauso aus..."

    "Richtig.", meinte Albin, der sich auf einmal uralt fühlte, "Versprechen kann ich dir nichts. Im Endeffekt warte ich jeden Tag darauf dass die Nornen mich vom Faden trennen, denn ich bin es leid immer wieder die Kinder meines Herrn zu Grabe zu tragen."


    Was wirklich so wahr. Albin war uralt, in germanischen Maßstäben gemessen, er hatte noch unter Wolfrik gedient und gekämpft, und war damit eine von zwei noch lebenden Personen die alt genug waren um den Ahnherr der Duccii kennengelernt zu haben.

    "Bist du von Sinnen?", fuhr Albin den Jungen an, "Wenn ich es wagen würde die Gräber anderer Leute zu schänden, nur weil ich ihre Legungen so hübsch finde, hätten mir die Nornen schon lange den Faden um meinen faltigen Hals gewickelt, Junge..."


    Er hielt inne, und betrachtete den Jungen mit einer Mischung aus Erheiterung und Ärger, wie konnte man nur so dumme Fragen stellen?


    "Ich meine die Gräber der Familie. Ich habe mittlerweile so viele junge Leute beerdigt, dass es schon fast wie ein Fluch meines Alters scheint... das ist nicht recht. Das Alte muss vor dem Jungen sterben, so war es immer. Doch ich habe das Gefühl dass sich die Jungen mittlerweile besonders viel Mühe geben den Alten zuvor zu kommen..."

    Albin schien dem jungen Ratbald mit seiner Antwort zu denken gegeben zu haben, denn dieser schien sie garnicht zu beachten... was Albin ganz recht war. Je eher man den jugendlichen Leichtsinn bei Worten über die Götter ablegte, desto glücklicher waren die Nornen beim Spinnen des Schicksalfadens.


    Der alte Mann ging ein paar Schritte über das Feld der Steine und erinnerte sich dabei an die vielen Male, die er so etwas gemacht hatte.


    "So viele Gräber...", murmelte er vor sich hin während er die Steine betrachtete.

    "Aha.", knurrte der alte Mann, "So haben schon einige gedacht. Zwei dieser Leute tragen wir heute Abend zu Grabe." Die Antwort gefiel ihm ganz und garnicht, auch wenn der Kerl noch jung war: so jung war er nun auch wieder nicht, als dass es sich damit rausreden ließ. Die Götter waren wichtig, sehr wichtig, und kaum einer würde es verzeihen wenn man nichtmehr glaubte. Er tat die Antwort als altkluge Antwort ab, und wandte sich dann wieder dem Steinfeld zu: "So, Jungs, sucht euch zwei aus. Aber achtet darauf dass man die noch zu viert hochbekommt..."


    Er musste lachen... die Erde, sich um etwas drehen? Der Junge hatte seltsame Vorstellungen von Midgard.

    Albin konnte die Sorgen des jungen Ragin schon verstehen, immerhin war der Clan Wolfriks seit Jahr und Tag von Problemen und Katastrophen gebeutelt. Erholung von den Schicksalsschlägen hatten die Nornen ihnen bisher noch nicht zukommen lassen.
    Als Ratbald die Sorgen seines Bruders mit einer Hand fortwischte, runzelte der Alte die Stirn.


    "Wie stehst du mit den Göttern, junger Ratbald, wenn ich fragen darf?"

    "Wir wissen es seit gestern.", beantwortete Albin die Frage ehrlich, "Viel früher hätte ich es euch auch nicht erzählen können. Ich habe gestern Abend erst den Auftrag dafür bekommen, mit euch zwei Stanaz zu suchen."
    Er verschränkte die Arme, sah erst nicht ein warum er sich hier überhaupt rechtfertigen sollte, doch dann merkte er wie sehr es dem Jungen nahe ging.
    "Sigmar war ein guter Bursche, damals, zuhause, in unserer Heimat. Aber er hat den Weg in sein neues Leben nicht gefunden, und deshalb haben ihn die Nornen vielleicht zurück geholt. Genauso mit Gero. Sie kamen, sie gingen, wir sahen nie wieder etwas von ihnen. Und wenn es etwas wichtiges im Leben eines Menschen gibt, dann ist es die Familie.. wer entwurzelt ist, der tut sich sehr schwer damit wieder Halt zu finden. Und eine Schlacht ist immer ein Sturm der zuerst die Schwachen dem Leben entreißt."

    "Im Osten wohnt der Eliwagar
    Der hundweise Hymir an des Himmels Ende.
    Einen Kessel hat mein kraftreicher Vater,
    Ein räumig Gefäß, einer Raste tief."


    Meinst du, den Saftsieder sollten wir haben.? -
    "Mit List gelingt es ihn zu erlangen."
    Sie fuhren schleunig denselben Tag
    Von Asgard hin zu des Übeln Haus.


    Selbst stallt er die Böcke, die stattlich gehörnten;
    Sie eilten zur Halle, die Hymir bewohnte.
    Der Sohn fand die Ahne, die er ungern sah;
    Sie hätte der Häupter neunmal hundert.


    Eine andre kam allgolden hervor,
    Weißbrauig, und brachte das Bier dem Sohn.


    "Verwandte der Riesen, ich will euch beide,
    Ihr kühnen Männer, unter Kesseln bergen.
    Manches Mal ist mein Geselle
    Gästen gram und grimmen Mutes."


    Mitten in seinem Singsang wurde Albin durch den jungen Ragin gestört, was ihn eine Miene verziehen ließ. Der junge Ragin hatte noch viel zu lernen... dass der junge Ratbald mitgesummt hatte, freute Albin, schienen die alten Lieder seiner Heimat immernoch auf offene Ohren zu treffen.
    Er entschied sich, dem frechen Jungen nicht zu antworten, und anstelle dessen darauf zu vertrauen dass er lernen würde dass ein Schmerz immer länger anhält als das, was ihn ausgelöst hatte.


    Nach einer weiteren halben Stunde, die Sonne kroch schon über die ersten Hügel, erreichten sie ihr Ziel: eine weite Ebene, die von Gras überwachsen war. Was aber sofort auffiel, war die Menge an größeren Steinen die hier herum lag. Ungeordnet, so wie Midgard sie zu Zeiten hingeworfen hatte.


    "So, wir sind da. Absteigen.", kommandierte Albin, kletterte von der Kutsche und besah sich die Ebene genauer. Dann wandte er sich zu den beiden Jungen um, und entschied ihnen direkt reinen Met einzuschenken: "Jungs. Euer Onkel Sigmar ist im Dienste der Römer bei einer Schlacht in Borbetomagus gefallen. Ebenso sein Vetter Gero, Sohn der Ferun. Wir sind hier um ihnen zwei Steine für ihre Hliwaz (Gräber) zu suchen. Ich denke die Ehre gebührt euch, seid ihr doch schließlich seine nächsten Verwandten."
    Er zweifelte keine Sekunde an der Art dieser Erklärung, so war das Leben.


    Albin führte die Kutsche eine Seitenstraße der Via Bingia aus der Stadt heraus. Sie fuhren gut eine Stunde über den holprigen Weg, verließen irgendwann die gepflasterte Straße und begaben sich in den Wald hinein. Der alte Mann fühlte in unregelmäßigen Abständen an seine Seite, um sich zu vergewissern dass das alte Sax immernoch dort hing wo es hingehörte. Mit einem Blick zur Seite registrierte er, dass der junge Thorgall ein Beil dabei hatte, was ihn noch mehr beruhigte. Nicht dass er Angst hatte, aber sicher war sicher. Sie ließen den Wald hinter sich, und überquerten einen Hügel... sie näherten sich ihrem Ziel.


    Unbewusst fing der alte Mann an zu singen, leise, aber doch hörbar:


    "Einst nahmen die Walgötter die erwaideten Tiere
    Zu schlemmen gesonnen noch ungesättigt:
    Sie schüttelten Stäbe, besahen das Opferblut,
    Und fanden, Ägirn fehle der Braukessel.


    Saß der Felswohner froh wie ein Kind,
    Doch ähnlich eher der dunkeln Abkunft.
    Ihm in die Augen sah Odins Sohn:
    "Gib alsbald den Göttern Trank."


    Der Ungestüme schuf Angst dem Riesen;
    Doch rasch erdachte der Rach an den Göttern:
    Er ersuchte Sifs Gatten: "Schaff mir den Kessel,
    So brau ich alsbald das Bier euch darin."


    Den mochten nicht die mächtigen Götter
    Irgendwo finden, die Fürsten des Himmels,
    Bis Tyr dem Hlorridi getreulich sagte,
    Ihm allein, Auskunft und Rat."

    Als er darauf wartete dass die beiden Jungen auf die Kutsche kletterten erschien hinter ihnen Lando. Morgens waren keine Worte nötig, und das war bei Lando auch besser so. Der fragende Blick... Albin zuckte mit den Achseln, hatte er nicht die geringste Ahnung was der Mann von ihm wollte, als es ihm schließlich wieder einfiel.


    "Ja, er kommt mit, keine Sorge. Alleine bekommen wir das nicht hin.", war das einzige was ihm darauf einfiel, und er schaute gespannt ob Lando verstand...

    "Guten Morgen Jungs.", nuschelte Albin die beiden an, er selbst war hellwach. Jahrzehntelange Übung im "beim-ersten-Anzeichen-von-Dämmerung-aus-den-Federn-springen" ließ sich nicht so einfach abschütteln. Er deutete mit dem Daumen auf die Ladefläche: "Springt auf, ich erzähl's euch auf dem Weg."

    Milarocix:
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    Ragin war zuerst fertig, so dass Milarocix die Übersetzungen überfliegen konnte. "Das sieht soweit gut aus. Du kannst allerdings das lateinische forum auch als Forum übersetzen. Auch wenn es nicht mit dem mercatus urbis, also dem Markt der Stadt, zu verwechseln ist."


    Dann nahm er Ratbalds Abschriften entgegen und nickte anerkennend.


    "Gut. Hier ist nun ein Übungstext, den ihr bis zur nächsten Stunde abschreibt und auswendig lernt. Ihr müsst ihn noch nicht verstehen, es dient nur zur besseren Aussprache des Lateinischen."
    Er reichte den beiden eine Tafel.



    Adventus Aeneae in Italiam et res gestae. Ascani regnum Albae et deinceps Silviorum. Numitoris filia a Marte compressa nati Romulus et Remus. Amulius obtruncatus. Urbs a Romulo condita. Senatus lectus. Cum Sabinis bellatum. Spolia opima Feretrio Iovi lata. In curias populus divisus. Fidenates, Veientes victi. Romulus consecratus.


    Numa Pompilius ritus sacrorum tradidit. Porta Iani clausa.


    Tullus Hostilius Albanos diripuit. Trigeminorum pugna. Metti Fufeti supplicium. Tullus fulmine consumptus.


    Ancus Marcius Latinos devicit, Ostiam condidit.


    Tarquinius Priscus Latinos superavit, circum fecit, finitimos devicit, muros et cloacas fecit.


    Servio Tullio caput arsit. Servius Tullius Veientes devicit et populum in classes divisit, aedem Dianae dedicavit.


    Tarquinius Superbus occiso Tullio regnum invasit. Tulliae scelus in patrem. Turnus Herdonius per Tarquinium occisus. Bellum cum Vulscis. Fraude Sex. Tarquini Gabi direpti. Capitolium inchoatum. Termonis et Iuventae arae moveri non potuerunt. Lucretia se occidit. Superbi expulsio. Regnatum est annis CCLV.



    "So. Ragin, kannst du Zahlen multiplizieren?"


    Ratbald allerdings reichte er eine neue Tabula. "Dies sind die römischen Zahlen von eins bis zwanzig. Da du das Alphabet ja jetzt kennst, kannst du sie abschreiben und aussprechen. Versuch es."




    "Goswini war ein recht potenter Mann...", schmunzelte Albin als er daran dachte dass der Mann soviele gesunde Nachkommen gezeugt hatte. Von den vielen, die ihre ersten Winter nicht überlebt hatten ganz zu schweigen. Es war immer wieder ein Gräuel das Klagen der Frauen zu hören, wenn ihr Nachwuchs am nächsten Tag nicht wieder aufwachte. Doch Frauke war eine gute Frau gewesen, und hatte mehr gesunden Nachwuchs in die Welt gesetzt als irgendeine andere Frau aus Wolfriks Stamm. Die wartenden Blicke der beiden Jungen holten ihn zurück in die Gegenwart, und er musste stark überlegen auf was er jetzt eigentlich antworten sollte: "Elfridu? Elfridu war ein gutes Kind, aber schwach auf der Brust... sie hatte ein abenteuerliches Leben hinter sich, als sie es hierher schaffte. Und ich kann euch auch nur das erzählen was die junge Herrin Dagmar mir erzählt hat, denn ich selbst weilte zu jener Zeit noch bei den Stämmen jenseits des großen Flusses. Wenn auch nicht ganz freiwillig. Elfridu wurde verschleppt und von einem Römer gerettet, der sie hierhin brachte. Allerdings unterschätzte sie das römische Reich, und verstarb auf einer Reise nach Italia an einer Krankheit, man glaubt es lag an der trockenen Luft. Wenn ich euch vom Schicksal der Familie erzähle, stehen wir noch den ganzen Tag hier. Nehmt eure Pferde und übt ein wenig, wir haben noch genug Zeit über die Vergangenheit zu sprechen, konzentriert euch auf das was vor euch liegt, denn nicht wenige sind schon genau an dem Problem gescheitert."


    Und das nicht nur in einer Hinsicht. Albin nickte den beiden aufmunternd zu, strich dem jungen Ragin einmal kurz über die Haare und machte sich dann wieder auf, irgendwelche Arbeiten zu erledigen die alte Männer nunmal so erledigten...

    Albin hatte eine kleine Kutsche organisiert, die von einem Pferd gezogen wurde. Vorne hatten eng gedrängt zwei Leute Platz, hinten auf der Ladefläche mit etwas Phantasie sechs Männer.


    Der alte Mann hockte auf dem Kutschbock und wartete darauf dass die beiden Jungen auftauchten.

    Albin schluckte eine ebenso giftige Antwort herunter... es stand ihm einfach nicht zu sich über familienpolitische Dinge, wie dem Aufenthalt im römischen Reich, das Maul zu zerreissen. Auch wenn er es gerne würde... so nickte er nur und presste ein gezwungenes "Ja, Lando.", hervor..

    "Und was soll ich damit zu tun haben?", fragte Albin nach einigen Sekunden Stille. Um seine Meinung zu hören war er sicherlich nicht hier, und seine Meinung ging im Endeffekt auch niemanden etwas an... er hielt es seit Jahr und Tag für einen Fehler mit den Römern anzubandeln, zu tief steckte noch die alte Feindschaft zwischen den Leuten Wolfriks und den römischen Schergen in seinen Knochen...

    "Lando?", fragte Albin leise, den Wink mit der schlafenden Lanthilda verstehend... seine Knochen knirschten als er sich so leise wie möglich von der Bahre erhob, und mit wenigen Schritten war er bei Familienoberhaupt angekommen.


    "Was gibt es?"