[WRAPIMG=left]http://www.kulueke.net/pics/ir…rmanen-maenner-alt/27.jpg[/WRAPIMG]Die Sippen der Brautleute hatten sich mit Abschluss dieses ersten kurzen Rituals nun verbrüdert. Thorger verbarg ein zufriedenes Lächeln hinter einer feierlichen Miene. Denn nun war es an der Zeit, das Wohlwollen der Geister und Götter auf das Pärchen herabzubitten. Dazu wartete Thorger zunächst ab, bis der Pontifex sich wieder zu ihm gesellt hatte, um dann die volle Aufmerksamkeit des Brautpaars auf sich zu ziehen. Ein kurzes aufmunterndes Lächeln huschte über seine Lippen, bevor er sich der Eiche zuwandte und seine Gebete zu sprechen begann.
""Oh ihr Götter, ihr mächtigen Bewohner der Hermenagebaz, wir rufen euch an, dass ihr schenkt unserer gläubigen Gemeinschaft einen Hauch eures Geistes. Hört uns an, und schenkt uns einen Hauch eures Wesens! Hört uns an, und schenkt uns einen Hauch eures wachen Seins!", begann Thorger die Anrufung mit einer Formel, die schon sein Vorgänger Dagoberaht benutzt hatte. Dann folgten die einzelnen Gottesanrufungen.
"Oh Wodan, du weisester unter den Asen, der du unter ihnen der Gerechteste und Mächtigste bist. Deinen Segen erbitte ich für dieses Paar. Lasse ihnen deine Weisheit zuteil werden und schenke ihnen den richtigen Sinn für das Gute und das Schlechte, für das Richtig oder Falsch. Hilf Mann und Frau in ihren Entscheidungen, auf dass sie ihr Lebtag glücklich und voller Mut ihrer Wege gehen. Gib ihnen Warnung vor Unheil und zeige die richtige Abzweigung auf, wo immer nötig. Deine Weisheit möge sie behüten vor Krise und Leid. Mächtiger Wodan, schau auf uns herab! Wir rufen dich an! Wir rufen dich an!
Oh Frigg, du fürsorgende Mutter, du ehrbare Gattin, du hälst deine schützende Hand über alle Ehefrauen. Sorge auch du dich um dieses Paar, auf dass sie auf immer einander ehren und respektieren, so wie sie unsere Mutter natur ehren und pflegen. Dein Segen währe in dieser Vereinigung von Mann und Frau, auf dass aus ihr reiche Nachkommenschaft hervorgehe, dir zur Freude. Liebende Frigg, schau auf uns herab! Wir rufen dich an! Wir rufen dich an!
Donar, mächtiger Riesenbezwinger, stärkster unter den Göttern, Herrscher über Blitz, Donner und die Zeitgewalten, Schützer und Bewahrer der Welt, schenke diesen Menschen Schutz und Obdach auf den Wegen, die sie zusammen gehen werden. Möge deine Stärke diesen Mann erfüllen, dass er jede Gefahr zerschmettere und möge diese Frau von Kraft durchdrungen sein, in schlimmen Zeiten den ihren sicherer Halt zu sein. Gib ihnen beiden Mut und verhüte Verzagen und Zaudern. Stärkster Donar, schau auf uns herab! Wir rufen dich an! Wir rufen dich an!
Freya, du Liebende, du Sorgende, du Hegende. Die du erstehen lässt, wo Kälte regierte, die du blühen lässt, wo Tod sich fand, die du zusammenführst, um den Kreis zu schließen! Schenke der Frau die Kraft deiner Natur, zu schenken dem Kreise der ihren Zukunft und Fortbestand, gebe dem Mann die Kraft, sich mit seiner Frau zu mehren und zu sorgen für seine Sippe. Schenke ihnen Fruchtbarkeit und Gesundheit, damit sie sich geben in den Kreis der Natur! Schenke ihnen das Wesen des Krauts, sich zu entfalten wo sie Boden finden, sich zu wehren selbst durch Eis und Stein. Schenke ihnen die Treue der Tiere, die zusammen stehen durch Not und durch Hunger. Schenke ihnen die Geduld, die der Kraft deiner Schöpfung inne ist. Sorgende Freya, schau auf uns herab! Wir rufen dich an! Wir rufen dich an!"
Thorger ließ das Gesprochene einige Augenblicke in den Köpfen der Versammelten widerhallen, bevor er sich dem Tisch zuwandte und von dort einen Eibenast nahm, den er in eine Schale mit Wasser tauchte, um damit dann erst die Brautlaute zu benetzen und anschließend auch die Festgemeinschaft. Wasser ist Leben, Wasser ist Fruchtbarkeit.
Nun wandte der Gode sich erneut der Eiche zu um diesmal die Naturgeister und Götterwesen anzurufen. Alben und Undinen, Irrwesen und Nereiden, Sylphen und Nymphen, Wichte und Gnome wurden beschworen, auf dass sie herbeikämen und dem Brautpaar auf immer ihren Schutz gewährten. Im Anschluss folgte die selbe Prozedur des Benetzens, nur dass statt in eine Wasserschale der Eibenast in Met getunkt wurde. Met deshalb, weil der Alkohol es möglich machte, Einblicke in die Welt der soeben angerufenen Geisterwesen zu erhaschen.
Nun schließlich wandte Thorger sich noch an die Ahnen der Brautleute, deren Segen und Wohlwollen für diese Verbindung ebenfalls erbeten wurde. Mit dem Zweig einer Fichte wurde das Brautpaar nun noch mit Asche benetzt als Zeichen für das Vergangene.
Als der Gode Thorgall daraufhin ein Zeichen gab, führte dieser einen Bock in den Ritualkreis und Thorger nahm sein Opfermesser zur Hand. Das Opfertier bekam gar nicht richtig mit, wie ihm die Kehle aufgeschlitzt wurde und war sich gewiss auch nicht der Bedeutung bewusst, die es für die Manneskraft des Bräutigams ausstrahlte. Aus diesem Grund jedenfalls fing der Gode den Lebenssaft des Bocks in einer Schale auf und strich ihn dann Witjon von der Stirn bis zur Nasenspitze ins Gesicht.
Ebenso erging es einer Henne, deren Blut Thorger Octavena von der Stirn zur Nasenspitze auftrug. Es folgte der Abschluss der Anrufungen, den der Gode mit folgenden Worten vollzog:
"Ihr Asen und Wanen, ihr guten Geister und ihr Ahnen, ihr wart Zeuge dieses Opfers, das euren Geist und eure Kraft auf dieses Paar übergehen ließ! Ihr habt ihnen euren Segen geschenkt, so seid nun auch Zeuge, wie diese Menschenkinder sich selbst ein Zeugnis ablegen, ein Zeugnis von ihrem Glauben und ihrer Liebe! Ihr Asen und Wanen, ihr guten Geister und ihr Ahnen, hört uns an!"
Mit einem erwartungsvollen Blick zum Pontifex Petronius trat Thorger dann einen Schritt zur Seite und überließ somit dem römischen Priester das Feld, damit dieser ebenfalls seine Gebete sprechen und ein etwaiges Opfer erbringen konnte, um auch das Wohlwollen der Götter der Brautsippe für diese Vermählung sicherzustellen.