Duccia Sila
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Sie war eine erwachsene, tugendhafte und stolze Frau.
Sie war eine erwachsene, tugendhafte und stolze Frau.
Sie war eine erwachsene, tugendhafte und stolze Frau.
In ihrem Inneren ratterte dieses Mantra ein ums andere Mal herunter.. als sie der Prozession aus der Stadt hinaus folgte, als Tochter der Verstorbenen direkt hinter den Männern die ihre Mutter auf den Schultern trugen, als der Gode seine Worte an sie richtete und als der Körper ihrer Mutter in Flammen aufging. Sie praktizierte nichts anderes als perfekte Selbstbeherrschung.
Die so perfekt nicht gewesen war, als ihre Mutter erst krank wurde (Ahnung!), sich in ihrem Zimmer verbarrikadierte (Befürchtung!), sogar ihren Sohn und ihre Tochter des Zimmers verwies (Sorge!), immer blasser und schwächer wurde (Angst!) und schließlich kaum mehr ein Wort herausgebracht hatte, bis sie schließlich ihren letzten Atemzug tat, ohne dass Naha ihr auch nur einen Schritt weit nahe gekommen war (Panik!).
Als sie danach an der Tür stand und zusammen mit ihrem kleinen Bruder die Tote begutachtete, die am Abend zuvor noch ihre Mutter gewesen war, die mächtigste Frau Mogontiacums, war sie schon dabei gewesen eine Mauer um sich herum aufzurichten gegen die die Palisade um den Stadtkern herum wie Zahnstocher aussahen, aufgereiht gegen eine Horde Wildschweine.
Sie hatte es ihrer Mutter nachtun wollen, aber nachdem sie einen halben Tag lang vollkommen geschockt geschwiegen hatte, war das erste Wort, dass sie zu dem alten Albin gesagt hatte: "Sie hat mir nie gesagt wie."
Tatsächlich hatte sie sich bei ihrer Mutter alles Mögliche abgeschaut, hatte stolz ihre Art nachgeahmt den Haushalt zu führen und mit Fremden so zu sprechen, dass sie glaubten Elfledas Wünsche wären ihre eigenen, und sich von noch keinem so dramatischen Schicksalsschlag aus der Fassung bringen zu lassen. Geweint hatte Elfleda nie, das wusste Naha.. sie hatte oft darauf geachtet, gerade als ein Bote die Nachricht vom Tod ihres Großvaters gebracht hatte. Keine Träne! Keine einzige! Elfleda war für ihre Tochter der Inbegriff der weiblichen Würde geworden, genauso wie ihre Tante Eila der Inbegriff der, zugegebenermaßen bei genauerer Betrachtung nicht traditionsgemäßen weiblichen Freiheit gewesen war. Und sie hatte ihr auch darüber hinausgehend immer eingetrichtert, WAS zum Verhalten einer würdevollen Tochter von Stand gehört hatte.
Und erst als sie dem alten Albin gegenüber stand und aus dem absoluten Nichts auf einmal vollkommen in Tränen ausbrach, war ihr aufgefallen, dass ihre Mutter ihr nie gesagt hatte WIE sie das überhaupt erreichte.
Sie hatte gefühlte Stunden heulend in den Armen des Hausmeiers gelegen, bis dieser sie schließlich in ihr Zimmer verfrachtet hatte... sie hatte sich so elend gefühlt, noch lange nachdem ihre Tränen versiegt waren.
Elend fühlte sie sich heute auch.. es war als hätte man ihren Gliedern Blei angekleidet, so widerwillig folgte ihr Körper ihren energischen Befehlen zur Haltung. Mit hocherhobenem Kopf, aufwendig frisierten (aber freilich immernoch ungebundenen) Haaren und teurer Kleidung wollte sie genau das darstellen, was ihrer Mutter und ihrem Stand Ehre bereiten würde. Innerlich fühlte sie sich hingegen absolut tot.. so tot wie ihre Mutter aussah, verborgen unter dem Schleier weil man der Toten nicht zumuten wollte bei ihrem letzten öffentlichen Auftritt auszusehen wie.. man eben aussah wenn man tagelang im Bett dahinsiechte.
Die Prozession war kein Problem: den Blick gerade aus, ein Schritt nach dem anderen... genauso wie sie die Rede des Goden einfach über sich ergehen hatte lassen. Aber die Verbrennung... nein, keine zehn Pferde würden sie dazu bringen zuzusehen wie ihre Mutter in Rauch aufging, selbst wenn ihr damit ein verhältnismäßig guter Platz in Hels Reich zukommen würde. Es war noch nicht allzu lange her, dass sie aufgehört hatte davon zu träumen wie ein starker, unerbittlicher und schützender Vater mit riesigem roten Bart und einem breiten Lachen in eben diesem Rauch schreiend in Flammen aufging. Sie würde das nicht auch noch bei ihrer Mutter ertragen können.
Erst als es darum ging der Toten Geschenke mit in die Jenwelt zu geben erwachte Naha aus ihrer Starre, allerdings doch zu spät... Witjon und... war das Hadamar? ... hatten ihr den Vorrang genommen, weil sie sich nicht bewegen mochte. Ein kleiner Stich der Scham war es, der dann ihre Beine in Bewegung versetzte und sie zu der Grube am Fuße des Grabes ihres Vaters bewegte... den sie erst mit langem und eindringlichen Blick bedachte, bevor sie dem Helfer in der Grabkammer ihre Beigabe in die Hand drückte: ein selbstgenähtes Kleid in den Lieblingsfarben ihrer Mutter, mit Borte und eingewirkten Fäden aus Gold. Es würde ihr gefallen...
Als sie zurück zu den anderen trat, nahm sie die Kondolierungen der anderen entgegen... einen nach dem anderen.. nur Hadamar schenkte sie mehr als einem eingeübten Blick des Danks: Irritation.
Auch wenn Elfledas Tod alles überschattete, hatte Naha nicht vergessen welche Ratlosigkeit Hadamars Verschwinden ausgelöst hatte, sein Brief aus dem Castellum der Legion.. und Sönkes offensichtlicher Ungehormsam gegenüber seinem Muntherrn.
Hier würde heute einiger geklärt werden... einerseits war Naha froh darum.. andererseits war es wieder ein schmerzhafter Stich, als sie erkannte, dass Witjon (und vor allem sie selbst) dies dieses Mal ohne Elfledas führende Hand erledigen müssen würde.