Beiträge von Caius Aelius Archias

    »Gallinus hat Gaius nicht bedroht. Aber er hat ihm zu verstehen gegeben, dass Gallina die leidtragende sein wird für die Nachtischsache«, flüsterte Caius, der so gar nicht zu Scherzen aufgelegt war gerade. Caius starrte Piso an. Wie er das sagte, klang es so einfach! Anhand der Versprecher merkte Caius natürlich, dass Piso sich seinen Teil gedacht hatte. Er hätte es ihm ja sowieso erzählt, nur war ihm die Geschichte als Kurzabriss einfacher erschienen. Caius raufte sich einhändig das Haar und seufzte.


    »Mensch Pi, ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich komm mit sowas nicht zurecht, das ist wie... Ach, keine Ahnung.« Er runzelte angestrengt die Stirn.
    »Und du meinst wirklich, Gaius sollte zu Gallina gehen?« fragte er zweifelnd und sah seinen besten Freund treuherzig an.
    »Das Blöde ist ja, dass Gaia einen ziemlich einflussreichen Patron hat. Und der auf dem Fest nicht der einzige war...weil halb Rom eingeladen war und jeder die Sache mit dem Nachtisch gesehen hat...« sagte Caius leise und war weiß wie die sprichwörtliche Wand.

    Einen Moment später also stand Axilla neben Caius und sah auf die Papyri und Wachstafeln runter, die er vor sich ausgebreitet hatte. Caius hörte zwar ihre Frage, sah aber nur ihr Gesicht. Er betrachtete sie aufmerksam. Plötzlich war alles wie immer. Unbeschwert und leicht. Axilla roch gut. Nach Blumen. Nicht zu plüschig, sondern fruchtig. Caius mochte das. Aber er sollte an etwas anderes denken.


    »Hm? Oh, ja, meine halt«, beeilte er sich, Anschluss zu finden und zuckte mit den Schultern. Er rutschte herum und stand auf.
    »Setz dich«, forderte er sie auf, ging um den Stuhl herum, setzte sich selbst aufs Bett und brachte damit Axilla in Sicherheit vor sich selbst. Er gab sich wirklich Mühe, alls einfach für den Moment zu verdrängen, aber das schlechte Gefühl blieb. Wie Mundgeruch, wenn man nur mit Wasser gurgelte. Man fühlte sich zwar kurz frischer, aber eigentlich war alles noch da.


    »Hm?« machte er wieder. Seine Gedanken zogen Kreise, bei denen er einfach nicht mitkam.
    »Äh, schau mal da im Schrank«, sagte er abwesend und deutete irgendwo unbestimt auf den Schreibtisch, der vorn eine große Tür hatte. Was er dabei vergessen hatte, war dass der schöne Schein seines Zimmer nur trog. Wenn man die Schränke aufmachte, kamen nämlich kleine Lawinen heraus. Caius dachte weiter nach und betrachtete Axilla, wie sie auf ihrer Lippe herumkaute.

    Na prima. Mit seiner Feststellung hatte er gleich wieder ein Golden Goal geschossen. Er hätte die Schnauze halten sollen. Mannmannmann, das ging ihm alles an die Nieren. Er sah Axilla zerknirscht an, folgte ihr mit dem Blick und seufzte leise. Sie musterte sein Zimmer. Gut, darauf war Caius ein kleinwenig stolz, auch wenn sich der Status nicht allzu lange halten würde.


    Sie verstand nicht ganz warum? Caius sah aus wie ein fleischgewordenes Fragezeichen. Eigentlich verstand er selbst nicht ganz warum. Das hieß, es gab da schon einen Verdacht, den er hatte. Das Gespräch mit Piso war da zwar schon etwas aufklärend gewesen, aber Caius war trotzdem nach wie vor misstrauisch, was sich selbst anging. Er hörte Seiana wieder sagen Sie ist siebzehn! und sah Axilla mal diesbezüglich genauer an. Ach, die paar Jahre, die Seiana älter war. Sie war auch jünger als er, na und? Wen kümmerte das schon?


    »Naja...« begann Caius und sah auf den Boden zwischen seinen Sandalen. Aber Axilla wich jetzt aus und deutete auf das, was er arbeitete. Caius sah sie überrascht an. Warum lenkte sie ab? Nicht dass ihm das nicht gefallen würde. Er ergriff die Reißleine, wenn sie ihm schon so hingehalten wurde.
    »Ach das... Das sind Rechnungen. Irgendwo ist da ein Zahlendreher drin, ich find ihn nur nicht«, ging er also bereitwillig auf das Ablenkungsmanöver ein und zuckte mit den Schultern.
    »Magst du mal schauen?«

    Caius saß am Schreibtisch und versuchte zumindest, die Ordnung auch in seinen Papierkram zu bringen. Trotz Bauchschmerzen, aber nicht nur deshalb vergeblich. Er wusste, dass Axilla kommen würde. Aber er wähnte sich noch in Sicherheit, denn er hatte die Zeit aus den Augen verloren und glaubte es früher als es war.


    Und dann klopfte es doch, und Caius rutschte das Herz in die Tunika. Aber er sagte trotzdem, dass man eintreten könne und drehte sich auf seinem Schreibtischstuhl herum, bis er Axilla sah. Aufgeräumt hatte er. Piccobello sah hier alles aus. Naja, alles bis auf Caius, der gerade eine Grimasse zog, die irgendwo zwischen Bauchschmerzen und Zahnweh lag, aber doch den Ansatz eines Lächelns beinhaltete.


    »Na du«, sagte er matt und legte den stylus hin. Er hatte keine Ahnung, was er nun sagen sollte. Erstmal rutschte er so rum, dass er nicht mehr richtig am Schreibtisch saß, sondern zu Axilla gewandt. Einen zweiten Stuhl hatte er nicht organisiert, das hatte er vergessen. Unsicher beobachtete Caius Axilla.
    »Du bist mir auch böse.«

    Caius sah auf und grinste schief.
    »Danke für die Blumen«, meinte er.
    »Tja... Zur Abwechslung mal was Unübliches. Ich erzähl dir mal was. Du darfst mich aber nicht unterbrechen, klar?« Caius sah seinen Freund prüfend an und legte dann los.


    »Also, pass auf. Angenommen, Gaius ist zufrieden verlobt, Gaia lässt ihn aber nicht ran. Und dann kommt es irgendwann zufällig zu einem Zufall mit Gallina, der sich...sagen wir, öfters wiederholt. Und Gallina und Gaius verstehen sich wirklich gut. Dann wird Gaius mit Gaia zu einer Hochzeit bei Gaias Patron eingeladen und sieht Gallina da mit einem Gallinus aufkreuzen. Das passt ihm gar nicht. Er merkt, dass er eifersüchtig ist, und das verwirrt ihn total, immerhin ist er ja mit Gaia verlobt«, erzählte Caius Piso mit leiernder Stimme und betrachtete dabei ein Bein seiner Liege.


    »Und dann macht Gaius etwas seltendämliches, er bittet nämlich Gallinus zu einem Vieraugengespräch, droht ihm und kippt ihm dann eine Schüssel Nachtisch über... Du kannst dir denken, dass Gallinus alles andere als begeistert ist. Und Gallina und Gaia erst. Gaia rennt gleich wutschnaubend davon, und Gallina ist wie versteinert. Gaius läuft Gaia hinterher und sie haben den Streit des Jahrhundets... Und nun weiß Gaius einfach nicht, was er machen soll«, schloss Caius und sah Piso dann wieder an.
    »Was würdest du Gaius raten, wenn er dich um einen Rat unter Freunden bittet?«

    Caius hätte mit einer weiteren Schimpftirade gerechnet, oder zumindest damit, dass Seiana ihn anschnauzte. Oder zu weinen anfing. Caius hatte Seiana noch nie weinen gesehen. Nicht dass er das wollte! Er wusste nicht, was sie dachte, sonst hätte er sicher irgendwas dazu gesagt. Er machte ihr ja keinen Vorwurf, dass sie so beherrscht und alles war.


    »Ich weiß«, sagte er dann zu ihr. Das war ihm egal. Seit wann kam es denn aufs Alter an? Sie schlug ihn nicht weg, immerhin. Caius lächelte schief, als sie sagte, dass er besser ging. Er strich ihr einmal über den Arm nach unten, während er seine Hände sinken ließ, dann ließ er sie los.


    »Wenn du möchtest«, sagte er nur. Im Grunde wäre er froh, der Situation entfliehen zu können. Auch wenn er keine Ahnung hatte, was nun Sache war. Was mit ihnen war. Und Axilla. Und Vala und allen anderen. Bona Dea, Caius hätte sich die Haare raufen können. So eine dämliche Sache hatte er noch nie angestellt. Er wartete noch darauf, dass Seiana etwas sagte, aber da kam nichts mehr. Also kratzte Caius sein letztes bisschen Feingefühl zusammen, hielt die Klappe, drehte sich herum und ging, wie Seiana das wollte.

    Spielte es eine Rolle? Wenn man mehrmals bei jemandem lag? Für eine Frau vermutlich schon, für einen Mann eher weniger. Und für Caius war das eigentlich auch so. Aber Axilla war eine Ausnahme. Seiana würde das bestimmt nicht verstehen. Caius seufzte. Und Seiana sagte, dass es eine Rolle spielte. Flüsterte es. Und Caius kam sich vor, als sei er der Böse.


    »Es spielt keine Rolle«, sagte er nachdrücklich und berührte ihren Arm. Es war deutlich, dass er ihr weh getan hatte. Caius hasste solche Situationen. Er war lieber unbeschwert. Seiana erstarrte, schlug ihn aber wenigstens nicht weg. Er legte ihr auch noch die andere Hand auf den anderen Arm.
    »Normalerweise«, erklärte er.
    »Sie ist anders. Ich kann dir das nicht erklären. Sie ist mehr.« Mehr was? Caius versuchte, nach einem Wort zu suchen. Er blinzelte und dachte echt angestrengt nach, fand aber kein Wort.
    »Sie ist eben anders. Anders als du.« Er sagte das ohne Vorwurf in der Stimme. Wie hätte er ihr auch einen machen können? Seiana war eben das Gegenteil von Axilla. Er mochte beide, aber auf unterschiedliche Arten.
    »Das vorhin tut mir leid. Wirklich. Ich hätte nachdenken sollen.« Oh ja, welche Erkenntnis, das hätte er wirklich.

    So ein Blödsinn. Caius glaubte, dass es den Ahnen herzlich egal war, ob Seiana vor oder nach der Hochzeit mit ihrem Ehemann Sex hatte oder nicht. Aber er konnte nicht gegen ihre Überzeugung argumentieren, also sah er nur frustriert drein und sagte nichts mehr dazu. Die Sache hatte sich ja eh erledigt.


    Caius fiel auf, das Seiana eigentlich weg wollte. Er hob die Hände, um sie an den handgelenken zu fassen, überlegte es sich dann aber anders und ließ sie wieder sinken. Er wollte nicht schon wieder eine Ohrfeige kassieren oder angemault werden deswegen. Das was jetzt kam, war schon genug. Caius fühlte sich schlecht, und Seianas Worte machten es noch schlimmer. Eigentlich war ja nichts dabei, zumindest nicht für einen Römer, aber ihr gegenüber hatte er schon irgendwie sowas wie eine Verpflichtung. Immerhin war sie seine Verlobte. Seiana wandte sich ab, und Caius sagte erstmal nichts zu ihrer Frage, sondern sah sie nur an.


    »Ich hab das nicht geplant«, bemerkte er dann nach einer Weile, als das Schweigen zu dröhnend wurde. Und als wär das nicht genug, fragte sie dann noch was. Caius wollte lieber nicht darüber reden.
    »Ist das nicht egal? Ob einmal oder mehrmals, das würde eh nichts ändern, oder doch?« stellte er die Gegenfrage und zuckte mit den Schultern. Das Schlimmste war, dass er sich fühlte wie in Watte gepackt. Wie in einem Traum, so als wär das gar nicht er, der vor Seiana stand, sondern als würde er nur zugucken.

    Die Ehre war also schuld. Caius versuchte das zu verstehen, aber so richtig gelingen wollte ihm das nicht. Axilla hatte auch eine Ehre, aber hatten se die verletzt? Niemand würde doch erfahren, was vor der Ehe so alles passierte, wenn man aufpasste und nicht unbedingt mitten auf dem Trajansmarkt die Beine breit machte.


    »Du tust gerade so, als wär ich damit zur Acta gegangen. Wär hätte das denn mitbekommen? In Alexandrien war niemand da außer uns. Und hier gibt es so viele Möglichkeiten. Ich versteh dich einfach nicht. Wir sind jetzt so lange verlobt, Seiana, und wir kennen uns noch viel länger, aber in der Hinsicht vertraust du mir einfach nicht. Das ist einfach nur...frustrierend.« Caius zuckte mit den Schultern und sah sie dabei ernst an. Er war wirklich keiner, der alle Nase lang in ein lupanar ging und nicht lebensfähig war, wenn er keinen Schuss setzen konnte, aber Seianas Gehabe konnte er wirklich nicht nachvollziehen.
    »Selbst in Ravenna wolltest du nicht.« Er konnte den leisen Vorwurf in seiner Stimme einfach nicht vermeiden. Dafür sprach er aber leise und ohne Wut.


    Dann stellte Seiana wieder ihre Frage, nun zum dritten Mal. Caius kam nicht darum herum, es ihr zu sagen. Er wollte sie nicht belügen. Nur wie sollte er es anfangen? Er runzelte angestrengt die Stirn und stieß sich dann doch von der Tür ab, um zu Seiana zu gehen. Einen halben Schritt vor ihr blieb er stehen und sah sie an.
    »Ja«, sagte er.
    »Ich habe mit ihr geschlafen.«

    »Nein, siehst du nicht«, stellte Caius nüchtern fest, als Seiana da so vor dem Fenster stand und raus sah. Gerade sah sie eher verkniffen aus und mühsam beherrscht. Aber das sagte er besser auch nicht. Caius überlegte, ob er sich mit der Schulter von der Tür abstoßen und zu ihr hingehen sollte, aber der dezente Hinweis von vorhin klingelte noch in seinen Ohren (fass mich nicht an). Also blieb er, wo er war.


    »Ich will auch eine Antwort auf meine Frage haben. Warum willst du unbedingt bis zur Hochzeit warten? Ich meine ich bin ja nun wirklich nicht jemand, der fröhlich durch die Bordelle hüpft oder so. Du hast gesagt, du willst warten. Das hab ich akzeptiert, ohne nachtzfragen warum. Aber jetzt will ich es wissen. Hast du Angst? Wovor?« Caius sah Seiana nach wie vor an. Naja, zumindest ihr Profil. Sie hätten da definitiv mal eher drüber reden sollen, so lange wie sie sich jetzt schon kannten. Und so lange wie sie verlobt waren.

    Caius hockte mit einer Wachstafel auf der Latrine. Die letzten Rennergebnisse standen da, und Nachrichten vom Ausscheiden eines eigentlich ganz guten Russatalenkers. Scheinbar auf dem Mittelpunkt seiner Karriere ging er in den Ruhestand. Caius wollte sich ja konzentrieren. Aber er las jeden Satz mehr als einmal, und dann klappte er die Tafel zu und legte sie zur Seite. Er stützte seine Ellbogen auf die Knie und legte das Gesicht in die Hände. Oh Mann. Er war echt eine Pfeife.


    Wenn er an das Gespräch mit Seiana dachte, wurde ihm ganz anders. Sofern man das überhaupt als Gespräch bezeichnen konnte. Das war ein handfester Streit gewesen, und auch wenn Caius im Nachhinein ihren Ohrfeigenversuch sogar niedlich (weil schwach) gefunden hatte, hing er ihm doch schwer im Gemüt. Genauso wie die ganzen Worte, die gefallen waren. Der Duccier mit seiner Drohung hatte ein ganz anderes Kaliber als Seiana gehabt. Beides traf ihn, aber beides anders. Und Axilla... Was sie jetzt von ihm hielt, wusste er nicht. Der Vorfall war nun zwei Tage her. Sie würde später kommen, um zu arbeiten. Das hatte Leander Katander ausgerichtet. Und seitdem Caius davon wusste, hatte er Bauchschmerzen. Deswegen saß er hier, aber es kam nichts außer heißer Luft, sozusagen. Caius stöhnte. Am liebsten würde er die Zeit zurückdrehen. Nur bis wohin zurück, wusste er auch nicht, Überhaupt wusste er nicht, was er jetzt machen sollte. Er war das neue Hassopjekt einer ganzen Patriziersippe und mit den Germanen hatte er es sich auch verscherzt. Dazu kamen dann die Decimas und die Iunier bestimmt auch. Die hatten dann wieder ihre Klienten und Freunde und so weiter. Eigentlich konnte Caius gleich einpacken und wieder nach Ägypten gehen. Ganz allein. Ohne Verlobte, ohne Verwalterin. Ohne Freunde. Nur mit Katander. Das konnte was werden.


    Ärgerlich schnaubte Caius. Er hatte wirklich keine Lust, sich dauernd damit zu befassen. Er wollte nicht dauernd darüber nachgrübeln. Ihm lag das Gegrübele nicht. Caius stand auf und nahm die Bürste. Kurz darauf war alles wieder an seinem Platz und Caius verließ die Latrine. Noch fünf Stunden, bis Axilla kam.

    Sie waren relativ schnell an der Casa angekommen. Caius hatte immer noch keine Ahnung, was er sagen sollte. Aber wenigstens hörte hier niemand zu und sie waren allein, und Seiana war geistesgegenwärtig genug gewesen, einen Sklaven ihres Vertrauens anzuweisen, dass das tablinum erstmal tabu für jeden anderen war. Dann war die Tür zu, und Seiana hatte keine Möglichkeit mehr, wegzulaufen. Caius war mulmig zumute.


    »Bist du immer noch sauer?« versuchte er erstmal die Lage zu sondieren.
    »Ich meine: Hast du dich etwas beruhigt?« berichtigte er sich dann, weil sauer war Seiana ganz sicher noch. Er lehnte von innen an der Tür, hatte die Arme vor der Brust verschränkt und betrachtete Seianas Miene. Irgendwie war er ganz schön fertig, gedanklich. Seine Tunika zierten halb getrocknete Breispritzer. Caius merkte das aber gar nicht.

    Woher nahm sie nur die Ruhe, in einem solchen Gespräch so eine Formulierung zu finden? Caius war einen Moment lang sprachlos und bewunderte Seiana dafür, aber das war schnell wieder vorbei, als er ihre Worte auseinanderklamüsert hatte und die Bedeutung verstand. Er hatte doch eben eine Frage gestellt, oder etwa nicht? Zumindest war das für ihn eine Frag gewesen. Für sie etwa nicht? Caius stieß ein Grollen aus, das irgendwo zwischen Frustration und Resignation lag, und ließ die Schultern hängen.


    »Ich hab dich wohl was gefragt«, nörgelte er. Vielleicht nicht mit Fragezeichen, aber eben doch gefragt.
    »Ist ja auch egal. Wir gehen zu dir«, bestimmte er. Und damit wr die Sache für ihn erstmal erledigt, bis sie bei Seiana zu Hause angekommen sein würden. Ob sie das auch so sah, wusste er nicht. Allerdings hatte er dann noch ein paar Straßen Zeit, sich Gedanken zu machen, was er sagte. Die Verärgerung verrauchte fast sofort, zurück blieb das ungute Gefühl, ihr weh getan zu haben und das Bewusstsein, dass er sich wie ein Dummkopf aufgeführt hatte, eben auf der Hochzeit. Und dann rutschte die Drohung des Ducciers wieder zurück in sein Gedächtnis, und Caius sah besorgt auf die Straßensteine, auf denen er entlang ging. Er glaubte nicht dran, dass der das wirklich durchziehen würde. Aber zuzutrauen war es ihm schon. Und Seiana? Was da werden würde, wusste er auch nicht abzuschätzen. Caius fühlte sich miserabel.

    Der Mann, den er herein gebeten hatte, war Senator. Caius erkannte das, und er hatte nicht mit wichtigem Besuch gerechnet. Trotzdem war er noch voller Elan, immerhin war der Mann sein erster richtiger Besucher hier. Varus und Silanus zählten ja nicht, die kamen und gingen ja so wie er auch. Abschriften von Briefen mit Bitten um mehr Ritterposten. Äh, ja, Caius versuchte, sich das so zu merken. Er wollte dem Besucher einen Platz anbieten, aber jetzt war das Anliegen schon vorgebracht. Caius überlegte, entschied sich dann aber doch dafür.


    »Setz dich doch, wenn du möchtest«, bot er an und deutete auf den Stuhl vor dem Schreibtisch. Er setzte sich selbst wieder dahin, wo er hingehörte. Ah, ein Annaeus also.
    »Ich bin Caius Aelius Archias, freut mich, dich kennenzulernen, Senator. Du sagst, du brauchst Abschriften von Briefen der letzten Monate. Reicht ein halbes Jahr oder soll ich die länger zurückliegenden Briefe auch durchsehen?« Er überlegte, ob er fragen sollte, worum es eigentlich ging.
    »Und du brauchst nur die Ansuchen der Ritterposten, ja?« vergewisserte er sich nochmal.

    So! Sie stellte also eine Frage und erwartete auch eine Antwort! Und bei sich selber ging das also problemlos durch, wenn sie ihn ignorierte? Caius war ja nun wirklich nicht jähzornig oder dauersauer oder sowas in der Art, aber jetzt tropfte sein Fass gerade gefährlich voll. Erst starrte sie nur, dann drängte sie sich vorbei und ließ ihn einfach stehen. Caius rührte sich nicht. Er ließ ihr gute acht Schritte Vorsprung und versuchte, selber wieder runter zu kommen. Vorhin war er auch wütend gewesen, aber das hier war anders. Eine andere Wut. Weil er wusste, dass er derjenige war, der das Schiff zum Kentern brachte.


    Dann lief er Seiana hinterher, holte sie ein und ging mit großen, grimmigen Schritten neben ihr her.
    »Und du selber musst nicht auf meine Fragen antworten oder was?!« meckerte er sie an.
    »Wir gehen jetzt zu dir nach Hause und dann reden wir darüber. Ich nehme ja mal nicht an, dass du mit zu mir möchtest!«

    Caius wollte etwas erwidern, aber das machte einfach keinen Sinn. Seiana war ja felsenfest überzeugt, da würde er nicht viel ausrichten können, wenn er jetzt noch mal darauf herum ritt. Es hätte auch nichts geholfen, warum also Luft dafür verbrauchen? Caius sah Seiana nur kurz grollend an und sagte also nix.


    Die nächste Frage konnte er dann nicht mehr unkommentiert stehen lassen. Er runzelte verärgert die Stirn und zuckte mit den Schultern.
    »Was soll das denn jetzt, Seiana?« fragte er sie. Er wollte nicht antworten. Aber er wollte sie auch nicht anlügen. Obwohl er ziemlichen Schiss hatte vor der Beichte, glaubte er aber, dass es danach alles besser werden würde. Und wenn das zwischen Axilla und ihm dann zu Ende war... Was genau genommen ja seit gut zwei Wochen der Fall war...
    »Ich will das nicht hier auf der Straße ausdiskutieren, in Ordnung?« brummte er dann.

    Die zweite Woche war angebrochen. Nachdem in der ersten schon nichts besonderes passiert war, fing die zweite genauso an. Caius sortierte immer noch an unsortierten Karteikarten und Schriftrollen herum. Er hatte inzwischen zwar gleich zwei Schreiber, die ihm halfen, aber ein Ende war noch lange nicht in Sicht. Wenn der Job nicht so gut bezahlt werden würde, hätte sich Caius das echt noch mal überlegt.


    Und dann...........klopfte es! Caius sah auf, Feuer und Flamme. Und die beiden Schreiber hielten inne. Niemand bewegte sich. Beamtenmikado! Dann aber stand Caius selbst auf, ging persönlich zur Tür und begrüßte seinen allerallerallerersten Besucher (und hoffte, dass es nicht nur der Sklave war, der den Papierkorb leerte).
    »Salve!« grüßte er freundlich.
    »Komm doch bitte rein. Was kann ich denn für dich tun?«
    Die beiden Schreiber tauschten einen irritierten Blick, zuckten mit den Schultern und sortierten weiter.

    »Abend ist gut«, murmelte Caius und seufzte tief. Bona Dea, er war erledigt! Den ganzen Abend hatte er Seiana und seine Mutter bewundert, wie sie scheinbar unermüdlich herumgewuselt waren, immer ein freundliches Wort auf den Lippen, immer lächelnd und immer gut gelaunt. Inzwischen glaubte Caius, dass das keine Fassade war, sondern Wirklichkeit. Insgeheim hatte er nach den Fäden ausschau gehalten, die man brauchte, um die Mundwinkel die ganze Zeit so akkurat hochgezogen zu haben.


    »Ich glaube, wir sollten auch gehen«, schlug Caius vor, und den müden Gesichtsausdruck erhellte kurz ein Geistesblitz.
    »Kommst du noch mit zu mir?« wagte er zu fragen, und eines musste man ihm lassen: Seine Hoffnung starb definitiv zuletzt.

    Caius fand es gut, dass er ohne Probleme gleich eingelassen wurde. Er schlurfte dem Jungen hinterher, und Katander schlurfte Caius hinterher. Piso stand schon herum, der schien gerade in Aufbruchstimmung zu sein.
    »Moin Pi«, erwiderte Caius den Gruß und lächelte müde. Er nickte auch nur, als Piso ihn fragte, ob er Wein wollte, und dann wählte er einen Sessel und keine Liege, sonst wär er vielleicht eingeschlafen.
    »Ich find es super, dass du Zeit hast. Oder stör ich dich bei irgendwas wichtigem? Ich wollte dich nämlich mal was fragen«, begann Caius und streckte die Beine aus, um sie dicht über den Füßen zu überkreuzen. Die Hände lagen bequem auf den Sessellehnen.