Beiträge von Caius Aelius Archias

    Caius sagte nichts zu dem Fehler, und auch nicht zu dem Blick, den Vala Seiana zuwarf. Dafür sah er von Vala zu Balbus und wieder zurück, als Vala erzählte, dass er nicht mehr der scriba von Balbus sei. Verwirrend. Caius konnte sich das nicht erklären, aber es interessierte ihn auch nicht wirklich und deswegen fragte er nicht nach dem Grund. Aber bei dem Namen musste wohl Geld im Spiel sein. Und natürlich biss Seiana auch gleich an. Caius seufzte leise. Diese Patrizier. Ein wenig lästig waren sie ja schon.
    »Meine Laufbahn? Naja, ich hab auch klein angefangen. Ich war eine scriba beim Hafenpräfekt von Brigantium und bin dann zum cursus publicus gegangen. Da war ich erst stationarius in Alexandria und dann Postpräfekt für Ägypten, und jetzt bin ich procurator. Also auch nicht die Leiter hochgefallen, wie manche Leute das tun. Ich erarbeite mir das gerne selber.« Caius lächelte kurz und warf dann einen Blick auf das Essen, dass die Sklaven gerade begannen, hereinzubringen. Sein Magen knurrte. Er schob Kohldampf.

    Hah, sie scherzte! Caius kniff wieder die Augen zusammen, sagte diesmal aber nichts. Härtere Bandagen würden ihm zwar gefallen, aber nicht in Verbindung mit dem Soldatenspiel. Er hielt also einfach die Klappe. Axilla sah eh so aus, als könnte sie für eine ganze Weile nicht mal sehr lockere Bandagen wickeln.


    »Mist. Ich hab gedacht, ihr Frauen wisst immer alles. Ich hab nur leider auch keine Ahnung, wo wir das herausfi... Ach doch, klar!« Er schlug sich mit der flachen Hand vor die Stirn.
    »Das geht ja alles über meinen Schreibtisch jetzt. Mensch, ich bin ein Depp. Ich schaue gleich übermorgen nach, wenn ich wieder im Büro sitz.« Es hatte eben auch sein Gutes, so einen Job zu haben! Eigentlich hätte es bei ihm ja schon bei der Erwähnung der Acta klingeln müssen, aber scheinbar war der Klöppel kaputt. Jedenfalls klingelte rein gar nichts, und so würde er wohl nachschauen müssen.


    »Achso, ja, dann macht das schon Sinn. Sonst hast du ja nur mehr Ausgaben als Einnahmen. Und du bist flexibler im Einkauf, wenn du das Zeugs gleich vor Ort hast«, sagte er zu den bunten Steinen und der Schminke. Dann stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht.»Wenn du mich fragst, ist das eh alles irre. Meine Verwandte Paulina gibt ganze Schiffsladungen voll Gold aus, um ihre Schönheit zu pflegen, dabei hat sie nicht mal welche. Was ihr Frauen an euren Cremchen und Salben findet, werde ich eh nie verstehen. Zum Glück bin ich ein Mann. Wir werden im Alter schöner. Ihr nicht.« Caius kicherte fies.
    »Wann hast du eigentlich Geburstag?« setzte er nach, und das war teils eine zusätzliche Stichelei, teils eine ernst gemeinte Frage.


    »Hm. Hast du schon mal versucht, deine Stoffe hier zu verkaufen? Wenn das gut geht, würd ich die Konzission ändern lassen. Wenn nicht, verkauf ihn eben. Und mit der Imkerei: Hier steht dein erster Kunde!« Caius blieb stehen und deutete auf sich selber.
    »Ich lass die Früchte aus Brigantium in Honig einlegen. Du glaubst gar nicht, wie gut das ist, wenn du da noch Rosmarin reintust. Wär vermutlich eh besser, wenn du die hier gründest. In Ägypten wird es doch so warm, da fliegen dir die Bienen sicher viel langsamer als hier. Außerdem könntest du hier Waldhonig machen. In Ägypten nicht.« Caius scien kurz nachzudenken.
    »Öh, gibt es eigentlich Feigenhonig? Oder Dattelpalemnhonig oder so? Hab noch nie davon gehört. Also: Mach das besser hier. Dann sind die Lieferwege auch nicht so lang bis in mein Lager.« Jetzt grinste er wieder und setzte sich in Bewegung. Es freute ihn schon, dass sie ihn fragte, was sie mit ihren Betrieben anstellen sollte.

    »Öh... Ich glaub schon.« Da war Quarto ja direkt an den richtigen geraten. Caius hatte davon noch weniger einen Plan als der Senator. Er warf einen hilfesuchenden Blick zu Seiana hin. Sein Schlaumachen hatte nämlich eigentlich nur aus einem genervten Zustimmen bestanden, als Katander ihm den Termin vorgeschlagen hatte. Immerhin war Seiana einverstanden. Caius ging automatisch davon aus, dass sie alle Termine fest im Kopf hatte. Immerhin war sie eine Frau.

    »Das werden wir ja noch sehen. Zweimal hintereinander lass ich dich sicher nicht gewinnen«, gab Caius zurück und reckte das Kinn ein wenig vor. Hah, bei der nächsten Partie würde er Axilla ganz bestimmt nichts schenken! Im nächsten Moment sah er dann auch schon ziemlich zufrieden aus.
    »Wusst' ich's doch!« triumphierte er.
    »Du gehst lieber noch spazieren, als dich mir zu stellen. Na wenn das mal nicht der Hinweis darauf ist, dass du nicht verlieren willst.« Caius konnte es nicht lassen. Er streckte Axilla die Zunge raus und zog dann die Nase kraus, um sie zu ärgern.


    »Hm, da hast du sicher recht. Ich weiß ehrlich gesagt auch gar nicht, wen du dann damit löchern musst«, gestand er.
    »Wer ist denn jetzt Ädil? Ich komme mit den dauernden Änderungen irgendwie nicht zurecht. Dann lieber fünf Jahre an einem Stück als nur ein Jahr und dann wieder wer anders.« Caius zuckte mit den Schultern.
    »Umschreiben lassen will ich sie auf jeden Fall. Auch mit dem ganzen Scheiß, der da grad abläuft. Der Mosaikenleger und die Häuslebauer sollten eh nach Rom kommen. Ich würde zwar irgendwann gerne wieder zurück nach Ägypten, aber ich glaube nicht, dass das so schnell geht.« Er warf Axilla einen Seitenblick zu.
    »Willst du deine nicht auch umschreiben lassen?« Immerhin würde das bedeuten, dass sie noch länger in Rom blieb. Und zwar so lange, dass es sich lohnte, Geld für eine Umschreibung auszugeben.

    Caius zog eine Grimasse und stipste Axilla mit dem Ellbogen in die Seite.
    »Ulknudel, wie ich dch kenne, wär dir ein Buch eh lieber«, tadelte er sie für das gespielte Sich-nicht-entscheiden-können. Und im Anschluss sah er sie gespielt säuerlich an.
    »Pft. Da halt ich ja mal gar nix von. Außerdem würden wir dich eh nicht einfach so insdomus schmuggeln können, zumindest nicht so schwach und so wenig belastbar wie du grad bist...« Caius kniff die Augen zusammen und konnte das Grinsen gerade noch so unterdrücken. Mei, sah die süß aus, wenn sie so schaute. Wie ein Kitz, kurz bevor der Lastkarren es umfuhr. Caius seufzte ungeniert.


    »Hm... Na gut, ich räum allein auf. Und vielleicht sehen wir uns dann in drei Tagen, hm? Hältst du es bis dahin noch aus oder willst du noch mal gegen mich beim Soldatenspiel verlieren?« stichelte er jetzt selbst. Sie hatten inzwischen eine ganze Runde gedreht und waren nun wieder an der Tür angekommen, durch die sie den Säulengang betreten hatten.
    »Wenn du genug hast, musst du's nur sagen...« fügte er hinzu und grinste nun breit.

    »Hab extra frei deswegen«, murmelte Caius. Es gab tausend Dinge, die er lieber täte als aufzuräumen. Aber es half nichts. Und es war auch nötig, immerhin fand er selbst kaum noch was. Was Axilla nicht wusste, war dass es inzwischen auch ein wenig streng roch bei ihm im Zimmer. Vorgestern war ihm nämlich eine Schale Suppe hingefallen. Er hatte zwar so gut es ging alles weggewischt und von Katander wischen lassen, aber da so viel Klüngel auf dem Boden lag, waren eben Rest zurückgeblieben, die allmählich müffelten. Besser, er sagte ihr nichts davon.
    »Ach, der soll sich mal nicht so anstellen. Dafür hat er Essen und ein Dach überm Kopf«, sagte Caius und zuckte mit den Schultern, sodass Axillas Kopf wieder einen Hüpfer machte. Caius ließ sich aufziehen und ging langsam mit Axilla weiter.


    Ein wenig enttäuscht war er schon, dass sie scheinbar erstmal überlegen musste. Er hatte irgendwie gehofft, dass sie gleich begeistert vorschlagen würde, sie wieder zu besuchen. Aber dann verstand er ihren Gedankengang, als sie vom Abendessen mit ihrer Familie redete.
    »Achso, stimmt ja«, sagte er ein wenig lahm. So ein Mist, daran hatte er gar nicht gedacht. Obwohl er Axillas Familie eigentlich doch mal kennenlernen wollte. Silanus würde er ja erst ein paar Tage später im Palast treffen. Serrana kannte er noch gar nicht. Und dann brachte sie wieder Seiana ins Spiel und Caius machte nur:
    »Hm.« Sonst nichts. Natürlich konnte er sie fragen. Aber ob sie wollen würde? Sie war seit der Sache bei Imperiosus nicht unbedingt so gut auf ihn zu sprechen, hatte er so das Gefühl. Allerdings würde er über kurz oder lang eh nicht darum herum kommen, sich mal mit ihr darüber zu unterhalten, auch wenn sie beide das Thema bisher ziemlich gut umschifft hatten.
    »Ich frag sie mal«, sagte Caius deshalb ohne große Begeisterung.
    »Dann musst du dich morgen wieder mit einem Buch langweilen. Tut mir leid. Es sei denn, du willst mit aufräumen helfen.« Jetzt schmunzelte er wieder und sah sie von der Seite an.

    »Weil ich noch nicht weiß, was ich anstellen soll«, sagte er zu Axilla und zuckte mit den Schultern, was ihren Kopf zu einem Hüpfer veranlasste. Eigentlich sollte er Seiana mal wieder besuchen, schoss es ihm durch den Kopf. Irgendwie war die Aussicht auf eine weitere verlorene Partie Soldatenspiel gerade viel verlockender. Andererseits, warum nicht gleich?
    »Ich hätte gedacht, dass du mir einen Tipp geben könntest, was ich unternehmen könnte«, bot er ihr erstmal eine Vorlage für morgen.
    »Allerdings hab ich erst abends Zeit. Ich muss morgen erstmal versuchen, mich durch mein Zimmer zu wühlen. Ich mein, das sah ja schon schlimm aus, als du mich besuchen gekommen bist. Hab seitdem nicht aufgeräumt, und mir ist jetzt Quartos vilicus deswegen aufs Dach gestiegen. Meinte irgendwas von Ungeziefer und so. Und Übermorgen muss ich zu so einer komischen Besprechung.« Caius zog eine Grimasse und seufzte tief. Es war nicht so, dass er aufräumen nicht mochte. Er hasste es.

    Caius nickte nur und sagte sonst nichts mehr dazu. Er dachte an seine eigenen Eltern. Eigentlich hatten sie Glück, dass sie in ihrem Alter keine Gebrechen und dergleich hatten. Caius' Mutter betonte immer wieder, dass das an der guten Meeresluft in Ravenna lag, und dass ihre beste Jugendentscheidung gewesen sein, in den Norden ans Meer zu ziehen. Caius konnte das schon gar nicht mehr hören. Als er alt genug gewesen war, um Jugenspiele langweilig zu finden, war ihm ganz Ravenna wie ein Provinznest vorgekommen. Gut, was anderes war Brigantium auch nicht unbedingt gewesen, aber da sah man wenigstens mal was anderes als sonst.


    Caius fragte sich, ob Axillas Mutter an diesem Husten gestorben war oder nicht. Aber er fragte sie nicht danach. Die Sache mit ihrem Vater war schon ein Fehler gewesen, fand er.
    »Aber jetzt bist du hier und hast die anderen«, bemerkte er, auch wenn das anhand der Anzahl der Iunier auch nicht unbedingt eine tolle Äuerßung gewesen war.
    »Und mich. Also komm bloß nicht auf die Idee zu behaupten, du wärst allein oder so. Das kann auch von Vorteil sein, wenn man keine Geschwister hat. Da wird man besonders behandelt und bekommt alles was man will.« Caius schmunzelte und versuchte, Axilla wieder abzubringen von ihren trüben Gedanken.
    »Da fällt mir ein... Was machst du eigentlich morgen?«

    »Naja, aber ist Fortunatus nicht auch schon etwas älter? Meinst du denn, der wird sich noch lange halten? Wie ich das beim letzten Rennen gesehen hab, war der ja das Hauptproblem«, erwiderte Caius und zuckte mit den Schultern.
    »Aber wenn wir bei den Vorläufen immer mit vorn dabei sind, ist das ja schon mal ein Anfang«, meinte er.
    »Weißt du schon, wann die nächsten Rennen anstehen?«

    Bei Imperiosus' Bemerkung musste ich doch schon grinsen. Als primicerius Chef von einem Haufen Beamter zu sein, klang irgendwie witzig. Bei Caius stimmte das. Der war im Grunde sogar Imperiosus' Chef, naja, zumindest einer von vielen, die im Rang etwas höher standen als Imperiosus. Aber Caius hielt die Klappe, hier ging es ja nicht drum, wer den Größeren hatte.


    Imperiosus winkte einen Sklaven heran und sagte ihm, dass der eine Sänfte vorbereiten sollte. Caius runzelte die Stirn und sah von Imperiosus zu Axilla herunter, die vor ihm lag und immer noch schlummerte. Bona Dea, irgendwie sah sie im Suff doch recht niedlich aus. Schnell hob er den Blick wieder und sah kurz nacheinander zu Seiana, Piso und dann wieder Imperiosus an.
    »Wieso, was stand denn drin?« fragte er, obwohl ihn das gerade nur halbherzig interessierte. Am liebsten hätte er Axilla selbst nach Hause gebracht. Oder ihr zumindest noch ein Weilchen beim Schlafen zugeschaut. Das bescherte ihm aber ein schlechtes Gewissen, und er versuchte, das etwas abzumildern, indem er Seiana ein Lächeln zuwarf, als sie kurz mal herschaute.

    »Wieso sollte er nicht mehr stolz sein? Ich bin mir ganz sicher, dass er das noch ist.« Caius konnte sich keinen Reim darauf machen, warum Axilla befürchtete, dass ihr Vater enttäuscht von ihr wäre. Also, er wäre stolz auf sie. Caius zog eine Grimasse. Blöder Gedanke, weg damit! Er war ja nicht ihr Vater, obwohl das vom Alter her problemlos möglich war.
    »Bist du seine einzige Tochter?« fragte er.


    »Oh. Tut mir leid. Hm, war auch ein blöder Vorschlag«, bemerkte er dann leise. Er hätte ja auch selber daran denken können, dass er nicht hier um die Ecke auf der Gräberstraße untergebracht war. Caius ärgerte sich darüber. Er sollte sich besser merken, was seine Gesprächspartner so sagten, damit ihm sowas nicht dauernd passierte.
    »Ja, verstehe. Dann ist es klar, warum du die Rüstung und das Schwert nicht in Alexandrien gelassen hast.« Was sollte er dazu noch sagen, ohne groß Salz in die Wunde zu streuen?
    »Und deine Mutter?« fragte er und ließ dabei offen, was genau er eigentlich wissen wollte. Caius lehnte seinen Kopf an den von Axilla und seufzte leise.

    Caius hatte nur gelacht und abgewunken bei Centhos Erklärung wegen der Verlobung. Er hoffte allerdings, dass er zur Hochzeit auf jeden Fall eingeladen wurde, auch wenn er das nicht sagte. Bei Piso nickte er nur. Dass der eigentlich sich gar nicht um die Erbschaften kümmerte, sondern ein tresvir geworden war, hatte er irgendwie vergessen.


    Während die Meute im Kreis wogte und waberte, als wäre sie ein Leib, klimperten Geldstücke, klirrten Tonkrüge und johlten die Zuschauer. Ein Grüppchen Damen kam auf die vier zu und biederte sich mit katzenhaften Bewegungen an.
    »Na Süßer, hast du Lust auf eine Runde Spaß?« säuselte eine rassige Brünette, der anzusehen war, dass Casca (den sprach sie nämlich an) nicht der erste an diesem Abend sein würde, der über sie drüber rutschen würde. Sofern er sich dafür entschied. Caius grinste ihn nur an und winkte ab, als eine Schwarzhaarige ihn mit einem noch plumperen Anmachspruch versuchte, abzuschleppen. Die anderen drei Mädels begnügten sich darauf, Ahala und Centho mit windenden Bewegungen und laszivem Lippenlecken auf sich aufmerksam zu machen.


    »Ich werd drauf zurückkommen«, versprach Caius Celsus, der jetzt Ahala hieß.
    »He du, mach dich mal nützlich und bring uns vier Becher Wein«, schickte er eine der beiden leichten Mädchen weg. Er schnippte ihr zwei Sesterzen hin, den Rest konnte sie behalten, wenn sie wollte. Das Mädchen ging, und ihre Freundin versuchte nun, sich Centho zu widmen. Ahala befand sich ja im Gespräch.
    »Wieso nennst du dich denn jetzt eigentlich Ahala?« wollte er dann von dem Tiberier wissen.

    Caius kommentierte das Kompliment nicht. Nichts anderes war das nämlich für ihn. Früher hatten auch immer alle grinsend zu ihm gesagt, dass er unmöglich sei, aber er war immer derjenige gewesen, den sie alle zum Geburtstag eingeladen hatten und der immer unter den ersten fünf war, wenn man sich für irgendein Spiel in Gruppen wählte. Er grinste nur und betrachtete die Gänsepickel, die auf Axillas Armen aufploppten. Schon wollte er sie sich einfach schnappen und wieder hinein bringen, aber Axilla wirkte nun befangen und Caius wünschte sich, er hätte besser nicht davon angefangen. Er mochte es nicht, wenn sie traurig war. Ihre kleinen Lachfalten rund um die Mundwinkel und Augen gefielen ihm viel besser. Alsi stand er nur auf und löste einfach die Fibel auf der Schulter, die den dunkelblauen Überwurf gehalten hatte, der auf seiner Schulter lag. Und den legte er Axilla dann um die Schultern, bevor er sich wieder hinsetzte. Wenigstens die Kälte der Steinbank wurde durch die Auflage etwas gemildert.


    Er wäre ein guter Soldat geworden? Caius sah sie zweifelnd an und wollte schon widersprechen, als sie sagte, dass sie sich beschützt fühlte. Da guckte er nur verdutzt. Das hatte ihm noch nie jemand gesagt, aber gleich fühlte er sich doppelt so breit und groß und muskulös, als er in Wirklichkeit war. Er hätte sie jetzt wirklich gern in den Arm genommen.


    Ihr Blick wanderte in die Ferne (er wusste ja nicht, dass sie durch die Wand zum lararium starrte), und dann kullerte die erste Träne. Caius sah Axilla mitleidig an. Er hatte sie doch nicht zum Einen bringen wollen! Dann senkte er den Blick und stellte fest, dass er nach ihrer Hand gegriffen hatte, ohne es zu merken. Langsam strich der Daumen über die zarte Haut.
    »Natürlich bist du genau richtig so«, sagte er leise.
    »Ich bin mir ganz sicher, dass er deswegen besonders stolz auf dich gewesen ist. Weil du anders bist als die anderen. Ich meine... Welches römische Mädchen klettert schon auf Bäume, hm?« Caius schmunzelte, wurde dann aber wieder ernst.
    »Nicht weinen. Es sind die Parentalien, schon vergessen? Er würde ganz bestimmt nicht wollen, dass du weinst, wenn du an ihn denkst. Ähm... Wo ist er denn beigesetzt? Vielleicht möchtest du hingehen?« schlug er dann vor, ohne sich sicher zu sein, dass das eine gute Idee war.

    Erstaunlich, dass sich nach nicht mal einem Tag herumgesprochen hatte, dass sein Gesicht zu diesem Posten gehörte! Caius war begeistert. Scheinbar mahlten die Mühlen der Burokratie hier im Palast schneller als anderswo. Die Umstände waren also perfekt! Caius trat ein und ließ dann den Schreiber vorbei, der auch gleich die Tür hinter sich schloss.


    Das war er also. Lucius Iunius Silanus.


    Hm, irgendwie hatte Caius sich ihn größer und imposanter vorgestellt. Axilla mochte ja eher den Soldatentyp Mann, glaubte er zumindest. Gut, was er sehen konnte, war schon muskulös... Aber verstehen konnte er Axilla natürlich trotzdem nicht. Egal. Caius lächelte den Iunier an und hielt ihm die Hand hin.
    »Salve, Iunius! Ich wollte mich mal vorstellen, immerhin werden wir ab heute zusammen arbeiten. Ich bin Caius Aelius Archias und der neue procurator a memoria. Ich wollte heute nach Feierabend eine Runde Wein ausgeben, du kommst doch auch?«

    »Nein. Du?« gab Caius selbstverfreilich postwendend und ohne mit der Wimper zu zucken zurück. Er stellte sich vor, dass das ganz schön wackelig werden konnte. Besser, man probierte das nicht aus...


    Was das Schwanken und Anstrengen betraf, ließ Caius keine Widerrede gelten, so grimmig, wie Axilla ihn auch anschaute.
    »Aber trotzdem süß, vor allem wenn du so böse aussiehst. Ist dir schon mal aufgefallen, dass deine linke Stirnfalte dann tiefer ist als die rechte? Das sieht dann aus, als wärst du rechts nur halb so sauer wie links«, bemerkte er und tippte ihr zwischen den Augen auf die Stirn. Caius schmunzelte und hätte Axilla fast den Arm um die Schultern gelegt, damit ihr nicht mehr so kalt war (er glaubte nämlich, eine beginnende Gänsehaut festzustellen), aber er ließ das besser bleiben. Immerhin waren sie hier im Peristyl, wo jederzeit jemand kommen konnte, und er wollte nicht, dass Axilla in Erklärungsnöte geriet, nur weil er sie ein bisschen wärmte.


    »Verstehe«, erwiderte Caius dann, als Axilla das von ihrem Vater erzählte. Er musterte ihr Profil von der Seite.
    »Er hat dir sehr viel bedeutet.« Das war mehr eine Feststellung als eine Frage. Die Thematik war plötzlich sehr ernst geworden.
    »Ich war noch nie sonderlich begeistert von der Legion, weißt du? Mein Vater hätte das zwar gern gesehen, aber das ist irgendwie nichts für mich. Ich schlage mich lieber mit der Bürokratie rum.«

    »Naja... Also, ein Schwert hab ich schon, aber rumfuchteln möchte ich damit eigentlich nicht. Zumindest nicht auf nem Pferd«, erwiderte Caius und bog mit Axilla grinsend um eine Ecke. Abgesehen von diesem Schwert hatte er noch eins aus Holz, das für Kinderhände gemacht war. Aber das lag in Ravenna in seinem Spielzeugregal.
    »Außerdem folge ich nicht der imperatrix, ich passe auf, dass sie nicht zusammenklappt«, stellte er richtig und reckte die Brust ein wenig vor.
    »Das ist was anderes!«


    »Geht's? Magst du dich setzen?« fragte Caius sofort, als er merkte, dass Axilla ein bisschen mehr an seiner Seite hing als eben noch.
    »Ja, glaub ich auch. Hast du denn das Zeug von deinem Vater von Alexandrien mit hierher genommen?« fragte er Axilla. Seiner Meinung nach nahm man sowas nur mit, wenn man eh nicht vorhatte, noch mal zurück zu gehen. Ohne auf Axillas Antwort zum Ausruhen einzugehen, steuerte er mit ihr eine steinerne Bank an, auf die man ein dünnes Sitzkissen gelegt hatte.
    »Ist dir auch nicht zu kalt?«

    Nicht nur Caius fühlte sich wohl seltsam, nachdem er das Thema angeschnitten hatte. Kurz war er versucht, sich zu entschuldigen dafür, aber das wäre wohl nur noch peinlicher geworden als eh schon. So ging er lieber bereitwillig darauf ein, dass sie fand, er sollte mehr Sport machen.
    »Und dabei war ich erst vor kurzem beim Ringen«, warf er empört ein, um dann leicht verstört dreinzuschauen. Wieso fing sie jetzt von Seiana an? Dann wurde es ihm klar und sein Ausdruck wurde leicht finster, als ob er an etwas dachte, dass er sehr schade fand, mit dem er aber abgeschlossen zu haben schien.
    »Naja«, begann er.
    »Seiana macht sich da wohl eh nicht viel draus.« Irgendwie hatte er eh immer das Gefühl, dass sie die Panik gerade so niederzeingen konnte, wenn er vom Heiraten sprach. Das wurde ihm jetzt erst richtig bewusst, wo er daran dachte. Oder war das Wunschdenken? Er seufzte und dachte dann über Axillas Worte nach. Sie fand ihn also gutaussehend. Das schmeichelte ihm natürlich. Er sah sie an, aber sie sah wieder weg, und das ließ ihn kurz grinsen. Er mochte die Röte, die ihr in die Wangen schoss, wenn se verlegen war. Besser, er sagte nichts dazu. Weder zu der Sache mit dem Heiraten noch zu ihrer Errötung. Aber nachdem sie ziemlich plump (selbst für Caius' Verhältnisse) abgelenkt hatte, schwieg er trotzdem noch eine Weile, um das Gefühl auszukosten, das sie mit ihrem »du siehst gut aus« ausgelöst hatte.


    »Hm... Geht hier eh nur im Umland. Aber Lust auf einen netten Ausritt hätte ich auch mal wieder.« Er lächelte und sah sie an, aber irgendwie ließ ihm das Thema von eben doch keine Ruhe.
    »Wenn du gesund bist«, leistete er ein Versprechen und grübelte dann, ob er ihr die Frage wirklich stellen sollte, die ihm auf der Zunge lag. Dann entschied er sich dagegen. Er konnte sie doch unmöglich fragen, warum sie sich eigentlich nicht endlich jemanden suchte.
    »Aber du reitest nicht schwertschwingend wie eine Amazone über die Wiesen, oder? Nur damit ich vorbereitet bin. Damit kann ich nämlich nicht dienen. Mit einem Schwert, meine ich. Und zuzutrauen wär es dir allemal.«

    »Hmmm«, brummte Caius und sah seitlich zu Axilla herunter. Natürlich war ihm vorher schon aufgefallen, dass hier das ein oder andere Mosaik hinpassen würde, aber man wollte ja nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, nur weil man einen Mosaikenleger an der Hand hatte. Also sagte er nicht, dachte sich das nur und widmete sich ganz Axilla, die allerdings gerade beschämt weg sah. Nanu, hatte er was Falsches gesagt? Er dachte angestrengt nach, aber ihm fiel echt nichts ein.


    »Naja... Also, wenn ich mir meine Verwandte Paulina so ansehe, die ist fast das Doppelte von dir. Mindestens. Nicht dass ich das mögen würde«, beeilte er sich zu sagen und zuckte dann mit den Schultern.
    »Du bist ziemlich klein, also ist wenig an dir dran. Das find ich jetzt aber nicht weiter schlimm, immerhin ist alles da, was Mann so braucht. Vielleicht gibt es mal Probleme, wenn du ein...also.. wenn du ein Kind bekommst, weil du so zierlich bist, aber ich bin ja auch kein Fachmann.« Caius fühlte sich ein wenig seltsam, weil er das Kind angesprochen hatte.
    »Wenn's nach mir geht, bist du perfekt«, sagte er und dachte dann daran, dass er gestern dasselbe über Seiana gesagt hatte. Die fand er auch hübsch, zumindest von dem, was er bisher gesehen hatte, und das war ja viel weniger als bei Seiana. Caius versank ein wenig in widersprüchlichen Gedanken und ärgerte sich über sich selbst deswegen.


    »Und was ist mit mir, hm?« lenkte er sie schließlich beide ab. Prüfend sah er zu ihr hinunter und grinste. Er war ja nun fast doppelt so alt wie sie, was man allerdings nicht unbedingt sah. Außerdem war er ja eh ein Lausbube, schon immer gewesen und immer noch. Ein wenig mehr war schon an ihm dran. Er aß ganz gerne und stand auch dazu, aber dick war er nicht. Nur eben etwas...mehr.

    »Gut, dann will ich hoffen, dass du so lange überlegst, dass du es einfach vergisst«, erwidertr Caius gewitzt und grinste Axilla frech an. Nur zusehen, dass er seinen Fettnapffall überspielte... Ein wenig ärgerte es ihn ja schon, dass er verloren hatte. Das musste er zumindest sich selbst gegenüber zugeben. Aber Axilla würde er das nicht auf die Nase binden! Er musterte Axilla kurz. Ein Mädchen, ja. Wie alt war sie doch gleich? Jedenfalls jünger als Seiana. Um einiges. Viel jünger! Caius konnte fast ihr Vater sein... Er stand auf und schüttelte den Gedanken mit einem Kopfschütteln weg.


    »Naja, bevor du irgendwo umkippst und dich keiner findet, ist das schon besser, wenn dich alle zurück ins Bett scheuchen. Stell dir mal vor, du kippst um und rollst aus versehen unter eine cline drunter. Dann nagen dich die Mäuse an und du bekommst ein Trankopfer nach dem anderen ob. Fändest du das toll?« Caius schüttelte den Kopf.
    »Dann lieber im Bett liegen und Langeweile haben. Außerdem muss ich mir dann keinen anderen scriba suchen, wenn du wieder gesund wirst.« Er meinte das natürlich nicht ernst. Im Lebtag nicht hätte er sich wen anders gesucht. Vorher hatte es ja auch geklappt. Irgendwie, auch wenn Caius nicht mehr wusste, wie überhaupt.


    »Tatsächlich?« Caius grinste Axilla an.
    »Deswegen ist an dir kaum was dran, du hast alles weggerannt...« Er zwinkerte ihr zu und wartete, dass sie voran ging. Er hatte keine Ahnung, wo es hier nach draußen ging, und einfach in einem fremden Haus herumlaufen wollte er auch nicht.
    »Mach ich. Weißt du doch«, sagte er zuversichtlich und lächelte sie kurz an.
    »Bitte, nach dir, oh winzige imperatrix.«

    »Klingt nicht nach einer großen Familie, genausowenig wie bei mir. Wir sollten uns zusammentun, dann wär es eine große«, sagte Caius und grinste, bis ihm einleuchtete, dass er nicht in einen Napf getreten, sondern ganz reingefallen war. Er hörte auf zu grinsen und schmunzelte nur noch ein bisschen.


    Dann gabCaius auf und zog seinen bellator, um ihren zu schlagen. Und dann sah er zu, wie sie seinen Feldherren schlug. Dann ging alles ziemlich schnell. Caius konnte nur noch einen ihrer ordinarii wegklauen, und dann hatte er schon keine Steine mehr.
    »Ohweh«, klagte er.
    »Meine imperatrix! Was kann ich tun, um dir zu gefallen?« rief er aus und deutete sitzend eine Verbeugung an, weil Axilla das Spiel gewonnen hatte (natürlich nur, weil er sie hatte gewinnen lassen). Das sah schon seltsam aus, so im Sitzen.


    »Schau mal, ist richtig schön gerade draußen«, fiel ihm dann auf und er deutete durch das Fenster auf die schwachen Strahlen der Frühjahrssonne, die sich gerade einen Weg durch weiße Wölkchen bahnten und die nach und nach auflösten.
    »Möchtest du spazieren gehen?« Natürlich dachte er nicht daran, irgendwo in Rom rumzulatschen, sondern hier in der domus.