Beiträge von Caius Aelius Archias

    Genüsslich labte sich Caius an Axillas Gegrummel, schlug den vagus und verlor seinen dann auch gleich wieder. Unter dem Stein, den sie erbeutete, stand confide (vertraue), unter dem, den er ihr weggeschnappt hatte, war aude (wage es) zu lesen. Caius runzelte die Stirn und gab seinen Stein dann Axilla, damit sie ihn verstauen konnte. Blödes Spiel, hier ging's um Soldaten und nicht um irgendeinen Orakelscheiß!


    »Naja, ich dachte, weil...« Aber er ließ den Satz nur in einem Schulterzucken enden und schlug ihren vagus dann. Damit hatte er ihr eine Lücke in seiner Front geschaffen und bot seinen bellator selbst fast uneingeschränkt an. Nur ein vagus und zwei ordinarii standen im Weg und konnten ihr gefährlich werden, wenn sie nicht aufpasste. Aber Caius fand, dass Axilla ganz gut spielte. Er hätte gar nicht erst versuchen sollen, schlechter als sonst zu sein, damit sie gewann.
    8)


    Diesmal gab er ihr den erbeuteten vagus, ohne drunterzuschauen.
    »Feiert ihr denn groß?« wollte er dann wissen und betrachtete ihren nächsten Zug voller Argwohn.
    »Hm, sieht aus, als wäre ich erledigt«, bemerkte er dann nüchtern.

    »Ja«, murmelte Caius nur noch zu den Blumen. Machte er. Aber er war sich selber nicht so ganz sicher, aus welchem Grund eigentlich. Weil er Angst um Axilla gehabt hatte? Auf jeden Fall. Um sich selbst ein bisschem vom schlechten Gewissen zu befreien. Aber hallo. Und weil er sie eben mochte? Ganz bestimmt. Außerdem mochten Frauen Blumen. Das war eben so, und er kannte keine einzige, die keine mochte.
    »Mist, nicht aufgepasst«, brummte Caius dann, als Axilla einen seiner Steine schlug. Er zog mit einem vagus nach links und wartete dann. Im nächsten Zug setzte er einen ordinarius nach rechts und Axillas vorwitziger vagus befand sich in einer Falle. Caius war zufrieden. Er ahnte ja auch nicht, wie sehr das Wort unter dem Spielstein irgendwie auf ihn zutraf gerade. Allerdings war er schon auch gespannt, was unter dem Stein stand, den er selbst sicher gleich Axilla wegnehmen würde.


    »Bis zur cara cognatio ist es ja noch eine Weile hin«, erwiderte Caius und zuckte mit den Schultern. Natürlich würde er daran teilnehmen, aber es dauerte eben noch, bis das Fest stattfand.
    »Es sind ja eh nur Quarto und ich dabei«, sagte Caius ein wenig gleichgültig. Sonst war kein Aelier in Rom, der kommen würde. Vespa würde mit Balbus feiern, Axilla hier und Seiana bei den Decimern. Für Caius hatte das Fest für die Hinterbliebenen nicht so das große Gewicht.
    »Der wird schon nicht böse. Wir haben schon geopfert.« Und alles hing voller immergrüner Kränze in der domus Aeliana.
    »Da bin ich lieber hier statt daheim zu sitzen und Trübsal zu blasen wegen Leuten, die ich kaum kenne. Meine Eltern leben ja noch.« Caius zuckte zusammen und sah auf, den Spielstein, den er eben setzen wollte, in der Hand haltend. Er sah Axilla zerknirscht an.
    »Tut mir leid«, sagte er.

    Caius zog einen seiner ordinarii scheinbar ohne es zu bemerken in Axillas Reichweite. Sie würde ihn schlagen können, aber dann hatte er Platz, um gefahrlos einen ihrer vagi zu schlagen. Er schmunzelte.
    »Hab auch eher auf deine Größe angespielt als auf deine Schultern«, erwiderte er ein wenig besänftigend.


    Hah! Keine Verehrer also. Hatte er das schon mal abgecheckt. Vielleicht gab es aber auch Verehrer, die gar nicht wussten, dass Axilla krank war? Oder die einfach keine Blumen schickten? Das trübte Caius Triumph erstmal ein wenig.
    »Hab ich gesehen, sieht wirklich nett aus«, sagte er und versuchte sich daran zu erinnern, ob im Wasserbecken im atrium Blumen geschwommen hatten.
    »Na ich weiß ja nicht«, bemerkte er dann und zuckte mit den Schultern. Sein bellator rückte zwei Felder zur Seite, dann sah er Axilla an.
    »Ich würde dir Blumen schicken, wenn ich dein Verehrer wär.« Ouh, ganz schlecht. Caius hatte ihr ja Blumen geschickt! Jetzt musste er ablenken.
    »Und sonst so? Kommt dich niemand besuchen?« fragte er deswegen schnell und hoffte, dass sie den Ansatz roter Ohren bei ihr nicht bemerkte.

    Caius hatte inzwischen die Befreieung seines Zimmers vom Staub angeordnet. Das war gleich am Vormittag noch erledigt worden, also blieb ihm jetzt kurz vor der Mittagspause noch Zeit für einen kleinen Rundgang. Er kannte sich hier schon recht gut aus, und das erste officium, das er ansteuerte, war das von Iunius Silanus, dem procurator ab epistulis. Das hatte zwei Gründe: Es lag am nächsten und beherbergte den Iunier, von dem Axilla erzählt hatte, dass sie ihn toll fand. Caius klopfte.

    Caius platzierte also die tabula latruncularia zwischen sich und Axilla auf Axillas Liege und zog dann gehorsam einen Spielstein aus dem Säckchen, das sie ihm entgegen hielt.
    »Klein ist gut... Winzig!« bemerkte Caius noch, und dann hielt er einen weißen Stein in der Hand. Er würde also anfangen. Caius fing nicht so gern an, aber bei Axilla würde er eine klaglose Ausnahme machen. Er stellte seinen ordinarius schon mal auf ein Feld und wartete dann, dass Axilla die Steine ausleerte, damit er an seine restlichen dran kam. Ein fröhliches Klackern erklang, zwei Steine konnte Caius noch davon abhalten, herunterzufallen, aber ihr Feldherr fiel runter. Caius hob ihn auf und stellte ihn vor sie hin auf das hölzerne Spielfeld, als sie ihn gerade suchte. Er grinste kurz und baute weiter auf.


    »Dein Wunsch ist mir Befehl, kleine Axilla«, bemerkte er und zog erstmal einen ordinarius ganz unspektakulär um ein Feld nach vorn. Das wren recht schöne Spielsteine, nett verziert, wie er fand.
    Weil die ersten paar Spielzüge meistens nicht sonderlich aufregend waren, ließ es sich dabei ganz gut unterhalten. Caius plante, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen.
    »Hast du denn noch einen Platz für die Blumen gestern gefunden? Hinterher war keine Vase mehr da. Oder einfach kein Platz mehr, bei den ganzen Verehrern, die du hast«, sagte er beiläufig und verschob schinbar hochkonzentriert einen ordinarius.

    Caius nahm eine Zuckerstange und brach mit den Zähnen ein Stückchen ab. Sowas war selten, denn Zucker war nicht unbedingt ein Gut, das in unbegrenzen Mengen zur Verfügung stand. Meistens nahm man ja Honig zum Süßen. Caius grinste Axilla kurz an, dann verschwand der fröhliche Ausdruck wieder.


    »Oh«, sagte Caius. Er war ein Esel, daran hatte er gar nicht mehr gedacht. Sicher war sie jetzt wieder traurig wegen Urgulania und dem ganzen Rest ihrer Familie. Caius erinnerte sich dran, dass ihre Eltenr nicht mehr lebten. In Alexandrien hatte sie ja die Rüstung ihres Vaters in der Mache gehabt, als es zum ersten Mal passiert war. Caius sah Axilla kurz leicht beschämt an und überlegte, ob sie jetzt darüber reden wollte. Er wurde allerdings nicht richtig schlau daraus, und ehe er sich entscheiden konnte, überspielte Axilla die Situation und haute Caius da raus. Caius glaubte ihr zumindest sofort, dass sie fröhlich war.


    »Prima, dann legen wir gleich los... Willst du schwarz oder weiß?« erwiderte er nicht minder froh, aber sich selbst glaubte er erstmal nicht so ganz. Caius sah sich um und entdeckte das Spielbrett mit dem Säckchen voller Spielsteine halb unter Axillas Sitzgelegenheit versteckt. Er beugte sich vor und bugsierte beides nach oben, um sich dann fragend umzusehen, wo man das Spiel am besten aufbauen sollte. Auf dem kleinen Tischlein da oder doch besser auf Axillas Liege? Ihre Worte ließen ihn dann aufschauen.
    »Nana, nicht so voreilig. Du siehst hier den Kriegsfürsten Archias vor dir, Sterbliche«, sagte er feierlich und mit entsprechend hochnäsiger Mimik.
    »Wohin?« fragte er sie danach normal und hielt das Spielbrett hoch.

    Am nächsten Tag stand Caius pünktlich zu Beginn des Nachmittags auf der Matte. Von seinem Gespräch mit Katander am Vortag war noch einiges hängen geblieben, auch wenn er dem Sklaven den restlichen Tag gestern und heute aus dem Weg gegangen war. Dementsprechend (und ohne es zu merken) ernster war er heute, als er zu Besuch kam. Der ianitor hatte die Tür schon geöffnet, als Caius noch nicht mal geklopft hatte. Wortlos hatte er ihn bis zur Bibliothek gebracht und war dann verschwunden. Caius fragte sich, wie Axilla es so lange da drin aushalten konnte. Er klopfte und kam dann rein.


    »Naa?« grüßte er Axilla betont sorglos. Sie musste ja nicht gleich wissen, das irgendwas nicht stimmte. Heute hatte er keine Blumen dabei, dafür eine kleine Papiertüte. Er ging näher zu Axilla hin, beugte sich herunter und küsste sie auf die Wange.
    »Ich hab dir was mitgebracht«, sagte er und drückte ihr die Tüte in die Hand, die beim Öffnen Zuckerstangen preisgeben würde. Dann zog er sich einen Sessel heran und ließ sich ihr gegenüber hineinfalllen.
    »Wie geht's dir heute?«

    »Ich weiß«, erwiderte Caius gereizt. Fast wäre es ihm lieb, wenn eine von beiden plötzlich weggeschnappt werden würde, überlegte er. Dass das dann vermutlich Axilla sein würde, weil Seiana ja als vergeben galt, daran versuchte er nicht zu denken. Caius stand auf, nahm die Schüsel vom Tisch und stellte sie neben das Spülbecken.
    »Und jetzt?«
    »Geh ich auf die Latrine«, grummelte Caius.
    »Nein, ich meine...«
    »Ich geh jetzt aber. Vergiss es, Katander, ich hab echt keine Lust grad, noch weiter mit dir darüber zu reden.« Und damit ließ Caius ihn einfach stehen und trollte sich. Katander blieb ein wenig mit gemischten Gefühlen zurück. So hatte er seinen Herrn noch nie erlebt, wenn er sich richtig erinnerte. Und sie kannten sich schon seit der Kindheit. Obwohl... Da fiel ihm ein Ereignis ein, bei dem zwei Jungs ihm den Sandeimer geklaut hatten. Aber das konnte man wohl kaum vergleichen. Katander seufzte und zog ebenfalls von dannen. Viel gebracht hatte das ja nun nicht gerade.

    Katander seufzte. Er sah zwei Dinge auf sich zukommen. Zum einen das Ende seines Techtelmechtels mit Elena. Zum anderen einen gewaltigen Heulepos mit Leander. Er wusste, was er lieber in Kauf nehmen wollte, nur blöderweise hatte er da mal null Entscheidungsbefugnis. Er konnte höchstens die Entscheidung seines dominus in eine Richtung lenken oder es zumindest versuchen. Katander war sich sicher, dass er Caius soweit beeinflussen konnte, dass das klappte, was er wollte. Allerdings würde ihn sein Herr dann später wohl dafür hassen, ganz egal wie er sich entscheiden würde.
    »Nüchtern betrachtet wär das vermutlich ziemlich dämlich, die Hochzeit abzusagen«, stellte Katander fest.
    »Hm. Und wieso? Rein interessehalber.«
    »Weil du sie deinen Eltern vorgestellt hast und Quarto und so ziemlich allen anderen Leuten, die auf die Hochzeit kommen würden. Was meinst du, was das für einen Eindruck hinterlässt?« Caius stöhnte auf. Daran hatte er nicht mal gedacht.
    »So ein Mist.«
    »Also hast du dich schon entschieden oder was?«
    »Nein! Ich meine... Ich weiß es einfach nicht, ja? Außerdem! Sie hat gerade mein Kind abgetrieben, glaubst du denn ernsthaft, sie würde mich wollen? Dann hätte sie mir doch wenigstens was gesagt, findest du nicht?« Caius' Stimme war sachlich, er war also nicht beleidigt. Ein ungeborenes Kind war eben kein richtiges Kind.
    »Weiß ich nicht. Hast du denn mit ihr mal darüber gesprochen?«
    »Wie, gesprochen? Hallo, ich kann doch nicht hingehen und sie fragen, ob sie mich rein hyper..hypo...hypnotisch heiraten würde! Du hast manchmal eine komische Weltanschauung, Katander!« Caius schüttelte aufgebracht den Kopf, Katander sah ihn nur schmerzfrei an.
    »Musst es eben geschickter anfangen. Allerdings solltest du vorher wissen, ob du dann lieber Axilla heiraten willst als Seiana. Sonst macht es keinen Sinn, das rauszufinden.« Caius glotzte ihn an, als hätte er zwei Köpfe.
    »Am liebsten würde ich gar nicht heiraten«, maulte Caius dann.
    »Tja. Das ist aber nicht drin«, raubte ihm Katander da jegliche Illusion.

    Also.... Liebst du sie?»« fragte Katander nach einer neuen Pause und bemühte sich, nüchtern zu klingen.
    »Wen meinst du?«
    »Na, Seiana!«
    »Ja. Ich glaub schon.«
    »Du glaubst schon?« Katander riss die Augenbrauen hoch.
    »Willst du sie aus Liebe heiraten oder wegen der Familie und so?«
    »Beides, irgendwie.« Caius zuckte mit den Schultern.
    »Aha.« Katander seufzte.
    »Und was ist mit Axilla?«
    »Die auch«, sagte Caius mit einer kleinen Verzögerung.
    »Die auch? Was die auch?«
    »Die hab ich auch gern.«
    »Gern oder gern-gern?«
    »Katander, echt.« Caius schüttelte verärgert den Kopf.
    »Sind wir hier bei einer Eheberatung oder was?«
    »Ja«, sagte Katander nüchtern.
    »Sowas in der Art. Zumindest kommt es mir so vor. Dir nicht?«
    »Doch, irgendwie schon...«
    »Na also. Wen liebst du jetzt mehr? Oder ist das egal und du willst einfach nur das beste rausholen?«


    »Das Problem ist, dass Axilla so anders ist als Seiana. Du kennst Seiana doch. Sie ist einfach die perfekte Frau. Anständig und einfühlsam, distanziert und tugendhaft und das alles. Jeder Römer wäre blöd, sie nicht heiraten zu wollen, einfach weil sie perfekt ist«, erklärte Caius und untermalte das Ganze mit einer Geste.
    »Mhm«, machte Katander.
    »Und Axilla ist das Gegenteil. Sie ist nicht so...steif und irgendwie viel lockerer. Eben nicht perfekt. Aber dafür liebevoller, finde ich. Wenn ich bei ihr bin, dann ist das wie... Das ist einfach unkompliziert. Und bei Seiana muss ich aufpassen, was ich sage.« Caius zog eine Grimasse und zuckte mit den Schultern.
    »Aha«, machte Katander nur. Er dachte an Elena und bekam eine Gänsehaut.
    »Und was heißt das jetzt?«
    »Keine Ahnung«, antwortete Caius niedergeschlagen.

    »Na«, grüßte Katander, der eben herein kam und sich wortlos gegenüber auf den Schemel setzte. Nur AUgenblicke später kam der Koch wieder, holte sich den halbleeren Holzkorb und ging, um ihn aufzufüllen. Natürlich tauschte er dabei einen Blick mit Katander, der ihm verstohlen zunickte. Ja, dachten die denn, er wär blöd! Der Typ hatte Katander geholt! Caius schnaubte verärgert und stopfte sich Brei in den Mund.
    »Also gut: Bist du krank?« fragte Katander?
    »Nee, wieso auch.«
    »Weil du irgendwie anders bist.« Nüchtern festgestellt.
    »Na und? Muss ich immer gleich sein?« brummte Caius unwillig.


    »Nein«, gab Katander nach kurzem Zögern zu. Schweigen (bis auf die Schluckgeräusche).
    »Oh mei, muss ich dir alles aus der Nase ziehen? Du weißt doch, dass ich dir helfe. Also, was ist los?« Katander seufzte, legte die Unterarme auf den Tisch und faltete die Hände. Ganz der brave Zuhörer.
    »Nix«, fertigte Caius ihn ab.
    »Nix?«
    »Nix! Was willst du von mir? Manchmal bist du echt lästiger als ne Schmeißfliege«, grummelte Caius vor sich hin und stellte dann enttäuscht fest, dass er nichts mehr zu tun hatte. Die Schüssel war leer, also ließ er den Holzlöffel fallen und schob sie beiseite. Sich aufzuraffen, dazu fehlte ihm aber der Elan. Also blieb er sitzen.
    »Quatsch. Lass mich raten: Axilla fand deine Blumengeschichte blöd. Oder sie denkt jetzt, du willst was von ihr. Oder... Sie war gar nicht da? Hat man dich nicht rein gelassen?«
    »Nein. Ja. Ach Mann, Katander, du nervst. Echt jetzt.« Caius nörgelte herum, Katander nickte verständnisvoll.
    »Also gut, es geht also um sie.«
    »Um wen sonst?«
    »Seiana?« Dafür erntete Katander einen finsteren Blick von Caius.
    »War ja nur ne Vermutung.« Katander schniefte und schwieg. Die Stille war bald unerträglich.


    »Ich weiß nicht, was ich machen soll«, sagte Caius dann ernst und vermied es, Katander anzusehen.
    »Wie, was du machen sollst?«
    »Generell. Wegen der Hochzeit und so. Und wegen Axilla.« Katander hätte ihm ja gern gesagt, dass er sich das mal früher hätte überlegen sollen. Und dass er jetzt halt den Salat hatte. Aber er hielt die Klappe. Ihm war sein Leben lieb.
    »Was ist denn mit der Hochzeit?« fragte Katander also vorsichtig.
    »Ja, genau. Was ist damit. So wie's jetzt ist, geht das nicht. Das hat sie nicht verdient.«
    »Wer jetzt, Axilla oder Seiana?«
    »Seiana. Axilla. Beide.« Eine Pause entstand.
    »Da hast du recht«, fasste Katander seufzend zusammen.

    ...wer kann sie erraten? In dem Fall wohl nicht mal Caius selbst, obwohl es seine eigenen Gedanken waren. Von der domus Iuniana war er gleich nach Hause gegangen, nicht zum Markt, wie er Axilla erzählt hatte. Und jetzt saß er in der culina auf einem Schemel, vor sich eine Schale gesüßten Honigbrei, und dachte nach. Ein Ellbogen war auf den Tisch gestützt, der Kopf schwer in die Hand gebettet. Mit der anderen hielt er einen Löffel, mit dem er geistesabwesend hin und wieder im Brei rührte, ohne zu essen. Der Koch warf ihm ab und an einen Blick zu. Kein Wunder, das war eben nicht normal für Caius.


    Tja, da saß er nun. Was er inzwischen wusste, war dass er die Finger nicht von Axilla lassen konnte. Warum, wusste er allerdings nicht. Es war eben so! Das war eben auch das Problem. Seiana würde das (sofern es so weiterging) irgendwann herausfinden. Aber das war egal, denn Caius konnte ihr das nicht verheimlichen, erst recht nicht, wenn sie verheiratet waren. Und er konnte sie nicht heiraten, wenn er ihr das verheimlichte. Allerdings hatte er Axilla sozusagen versprochen, nichts zu sagen. Caius stöhnte und schob sich lustlos einen Löffel Brei in den Mund. Er hasste Komplikationen, die er selber lösen müsste. Der Koch trocknete irgendwas ab, warf das Tuch dann fort und ging hinaus. Caius war allein. Er zog eine Grimasse und widmete sich wieder dem anstrengenden Nachdenken.


    Fakt eins: Er konnte Seiana nicht heiraten, ohne ihr vorher was zu sagen.


    Fakt zwei: Seiana würde ihn ganz bestimmt nicht heiraten, wenn er nicht aufhören konnte, sich mit Axilla zu treffen.


    Fakt drei: Axilla und er mochten sich vermutlich zu sehr, um aufhören zu können, sich zu treffen.


    Fazit: Bockmist, blöder.

    Caius grinste breit, als Axilla das sagte. Er konnte sich vorstellen, dass sie die anderen Leute aus ihrer Familie recht gut auf Trab hielt. Andererseits war es ja nicht eben schön, dass sie ans Bett gefesselt war (oder an diese Bücherhölle). Auf die Idee, dass er noch bleiben konnte, war Caius allerdings auch schon gekommen. Nur war ihm irgendwie komisch zumute, und er wollte sich lieber mal zu Hause in einem Lehnstuhl fläzen und nachdenken. Allein diese Tatsache machte ihm schon irgendwie Angst vor sich selber, denn wann hatte er je Nachdenken der Kurzweil vorgezogen?


    »Jaaaaaah....« meinte er noch langgezogen und leiser werdend, als Axillas Lippen auch schon näher kamen und Caius sie wie fixiert anstarrte. Sie berührte ihn am Arm, und kurzerhand legte er ihr die Hände auf die Hüften. So sollte sie wenigstens nicht umfallen. Dann verlängerte er den kleinen Abschiedskuss noch ein wenig, dehnte ihn aus, zog ihn in die Länge und hörte dann erst auf. Es gab ein schmatzendes Geräusch, als er noch mal auf ihre geschlossenen Lippen nachknutschte, und dann ließ er sie los. Caius blinzelte Axilla an.
    »Äh, ja. Bis morgen dann. Ich komm nachmittags vorbei.« Ein aufmunterndes Lächeln gab es noch zum Schluss, und dann machte sich Caius auf, um....nachzudenken.

    Viel zu tun war relativ. Caius zog eine schiefe Grimasse und nickte dann.
    »Ja, ich muss noch mal auf den Markt«, bemerkte er zerstreut, obwohl das gar nicht stimmte. Die Berührung tat gut, aber Caius empfand sie als seltsam. So vertraut, wie sie miteinander umgingen, war er mit sonst keinem. Nicht mal mit Seiana. Er wandte sich um und sah sie wieder an. Sein Zustand war eh erst im Kommen inbegriffen gewesen, also war er auch recht schnell wieder weg. Bona Dea sei Dank.
    »Ja, ich fand es auch schön. Dass man mich überhaupt zu dir gelassen hat, grenzt ja schon an ein Wunder. Ehm, was hältst du davon, wenn ich morgen wiederkomme? Ich will dich nämlich jetzt sieben Tage lang nicht mit einer Wachstafel in der Hand sehen. Wir könnten was spielen oder so...« Caius lächelte schief und fuhr ihr dann mit dem Handrücken über die Wange.
    »Das ist auch nicht zu anstrengend, sofern du dir kein Ballspiel aussuchst.« Er ließ die Hand wieder sinken.
    »So, und jetzt solltest du denen da mal was zu trinken geben, sonst sind sie gleich hin«, meinte er und deutete auf die Blumen, die immer noch da herumlagen.

    Caius überlegte. Sollte er sie einfach auf seinen Schoß ziehen und die Arme um sie schließen? Sie war noch so käsig, wirkte so klein und verletzlich. Aber dann dachte er wieder an Seiana. Irgendwie hatte sie noch nie einen schwachen Eindruck auf ihn gemacht. Sie wirkte immer stark und überlegt. So respektvoll. Seiana war einr ganze perfekte römische Matrone. Und Axilla war ein chaotisches Schusselchen. Caius musste kurz grinsen. Gerade wollte er sie näher zu sich ziehen, da stand sie wackelig auf und er konnte ihr nur noch hinterher sehen.


    Sie stellte ein Buch zurück ins Regal. Caius stand auf, irgendwie wirkte sie ziemlich schwächlich auf ihn. Deswegen trat er hinter sie.
    »Hm?« Irgendwie hatte er ihre Frage gar nicht richtig mitbekommen.
    »Äh, da muss man zum Ädil, glaub ich«, murmelte er, schlang die Arme um sie und zog sie an sich. Niedlich, wie klein sie war. Er war einen Kopf größer. Dafür roch ihr Haar ziemlich gut... Caius schämte sich, als er Axilla dann hastig los ließ. Es war ganz offensichtlich, was er gerade gedacht hatte. Er drehte sich weg ung tat so, als ob er die Buchrücken studieren würde, dabei dachte er nur verbissen an die Gletscher in den Alpen.
    »Ich glaub, ich sollte dir dann wieder deine Ruhe lassen«, sagte er zur Medea von Ovid, die gerade auf Augenhöhe stand.

    »Angeber«, frotzelte Caius und verzog dann die Nase, als ihm eine Wolke Achselschweiß entgegen wehte.
    »Uh, ich glaub's dir ja!« wehrte er ab und wedelte die Luft fort.
    »Ach ja, stimmt ja, du bist gewählt worden. Glückwunsch dazu! Was machst du nun genau? Geldwäsche oder Erbsachen verhackstücken oder sowas?« So genau kannte sich Caiius schließlich nicht aus mit diesen Ämtern. Er wollte kein Senator werden, also hatte er sich damit auch nicht auseinander gesetzt.
    »Mein Freund Piso macht Erbsachen«, erzählte er dann stolz. Hah, als ob er mit Piso angeben konnte! Allerdings...in letzter Zeit irgendwie schon. Sein Freund hatte sich echt gemacht, überlegte er anerkennend.
    »Jaja, keine Ursache«, sagte Caius. Im Grunde hatte er Casca ja nicht wirklich weitergeholfen. Er winkte ab.
    »Moment, welche Verwandten wollen denn an den Hof? Gibt's da was, das ich nicht weiß? Ich mein, ich bin ja jetzt procurator, aber solche Personalsachen entscheide ich ja nicht. Ich sortier die höchstens nur ein und so...« Dann fiel ihm etwas ein.
    »Sag mal, war das eigentlich Absicht, dass du mich nicht zu deiner Verlobung eingeladen hast? Glückwünsch dennoch!« Caius grinste.
    »Hat mich ganz schön in meiner Ehre verletzt!«


    Und dann kam Celsus.
    »Na hee, wen haben wir denn da? Prima, dann sind wir ja schon vollzählig!« Ihm fiel ein, dass er auch Piso hätte einladen können. Aber wenn er sich richtig erinnerte, hatte der heute Abend eh keine Zeit. Ausgiebig betrachtete er die Aufmachung des Tiberiers.
    »Wie, Ahala? Häh? Oh Mann, irgendwie wirke ich selbst mit den Klamotten gegen euch wie ein Patrizier... Wenn ich das gewusst hätte, wär ich übers forum boarium gegangen und mal kurz durch einen Schweinetrog geschwommen.« Caius stöhnte theatralisch und grinste dann.
    »Also gut, jetzt sind alle hier, da können wir auch reingehen und einen trinken, statt hier draußen rumzulungern.« Er winkte die anderen mit sich.


    In der taberna virosa war es stickig und die Luft war dünn. Es roch nach billigem Wein, Schweiß, irgendeiner Kohlsuppe und (je nach dem in welcher Ecke man stand) nach Kotze. Caius drängelte sich durch eine schunkelnde, schwankende Meute, vorbei an mehreren Würfelgruppen, einem einäugigen Schlitzohr und einem Tisch mit finstren Personen, die alle Vorbeigehenden ganz genau beäugten. Dann weitete sich der Gang etwas und Frischöuft war zu schnuppern. Und schließlich führte Caius seine Kumpels raus in den Hinterhof der Taverne, wo eine lärmende Meute einen Kreis gebildet hatte, der etwa fünf oder sechs Schritt im Durchmesser maß. Johlende Männer ließen Wein in Strömen fließen, hier und dort lag ein As im Dreck, in den Boden getrampelt und vergessen.
    »Na, hab ich zu viel versprochen?« rief Caius grinsend über das Toben der Männer hinweg.

    »Ich lass dich auch nicht allein«, versichte Caius ihr ganz instinktiv und verbog einen Mundwinkel zu einem schiefen Lächeln. Und dann kam der Moment, wo er sich fragte, was er hier eigentlich machte. Saß bei Axilla und tüddelte mit ihr rum. Wie lange war er denn nicht mehr bei Seiana gewesen? War das fünf oder sechs Tage her? Caius runzelte die Stirn und überlegte. Vermutlich eher sechs. Oder sieben?


    Axilla sagte, dass er ihr wichtig war. Und Caius dachte, dass sie damit wohl nicht nur die sichere Geldquelle meinte und das chaotische Arbeitsklima, was er so fabrizierte. Irgendwie schwierig, das alles. Er dachte in letzter Zeit viel zu viel nach, und warum? Weil er dazu gezwungen war! Caius war eigentlich nie jemand, gewesen, der sonderlich mit sich selbst gehadert hatte. Er machte einfach und gut, und Katander holte ihn hinterher oft genug aus dem Mist wieder raus, den er wegen des Nicht-Nachdenkens gebaut hatte. Irgendwie verdrehte er sich gerade selbst.


    Er sah Axilla wieder an und wusste nicht, was er noch sagen sollte. Irgendwie war alles falsch gerade. Entweder würde er nicht meinen, was er sagte, sonder sollte nicht sagen, was er meinte oder meinte, er sollte was ganz anderes sagen als das, was er sagte. Oder meinte. Und wenn er dann noch dachte...

    »Äh, nein, wir sind nicht verheiratet«, beeilte Caius sich zu berichtigen.
    »Also, noch nicht.« Und da waren sie wieder, die roten Ohren.
    »Wir sind nur verlobt.« Was vermutlich die falsche Wortwahl war, aber daran dachte er im Eifer des Gefechts einfach nicht.


    »Aber sonst ist das richtig, was du gehört hast, ja. Ich bin jetzt procurator a memoria.« Caius fand es etwas seltsam, wie der Duccier Seiana umschmeichelte, aber er sagte nichts weiter dazu, sondern führte sie nur zu Tisch.
    »Was machst du denn eigentlich so?« Irgendwie waren sie damals im Gedränge nicht richtig ins Gespräch gekommen, also wusste Caius eigentlich gar nichts.

    »Das macht der nicht. Ganz sicher«, meinte Caius und schüttelte entschieden den Kopf.
    »Nein, wir müssen uns da was anderes ausdenken, Irgendeinen Frachter anmieten oder sowas. Der lässt bestimmt nicht meine Datteln zusammen mit seinen Datteln hierher exportieren. Würd ich auch nicht machen. Oder nur für sehr, sehr viel Geld.« Im Gegensatz zu Axilla schien Caius also tatsächlich mal nachgedacht zu haben.
    »Aber nett dass du den fragen wolltest«, fügte er hinzu und stupste Axilla mit dem Ellbogen etwas an.


    Bei der Frage zur Abreise war sie dann plötzlich wieder verschämt, fand er. Und nachdem sie ausgeredet hatte, wusste er auch wieso. Er drehte den Kopf und sah Axilla eine Weile stumm an.
    »Eigentlich«, begann er langsam und schwieg dann wieder einen Moment.
    »Also, eigentlich will ich nicht, dass du wieder weggehst. Hab ich dir ja schon mal gesagt. Ich meine, nicht nur wegen...weil...« Er zuckte mit den Schultern, Axilla würde ihn auch so verstehen. Caius wandte den Blick ab und sprach mit seinen Knien weiter.
    »Sondern weil ich dich sehr gern hab. Ist doch egal, das die Alexandrier die Iunier mögen. Da unten wärst du doch ganz alleine. Da kann niemand auf dich aufpassen und so... Und du bist zwar klein, aber gar nicht unwichtig. Also, find ich. Für mich jetzt, meine ich.«