Beiträge von Caius Aelius Archias

    Geräusche von sich amüsierenden Leuten drangen heran und machten das Warten auf die Antwort fast unerträglich. Gut, dass er auf keinem Stuhl saß, sonst wäre er wohl nun darauf herum gerutscht. So aber hatte der Schlamm ihn festgesaugt, und er war dazu verdonnert, auszuharren, bis sie seine zauderhafte Anfrage abgeschmettert und ihn ausgelacht hatte. Unterdessen hatte er die Luft angehalten und es gar nicht mal gemerkt, weswegen er froh war, als er endlich (lautstark) nach Luft schnappte und wieder atmen konnte. Sie hatte ja gesagt. Das hatte sie.


    Es brauchte eine Weile, bis sich das in Caius' Gedächtnis kristallisiert hatte, dann jedoch begann er zu grinsen, so dass jedes Honigkuchenpferd wohl blass geworden wäre vor Neid. Die Hand an seiner Wange war ihm jetzt nicht mehr genug, er rappelte sich auf die Knie und wollte zu Seiana hinkriechen, die letzten paar Zentimeter überwinden und sie umarmen....hatte aber den Schlamm vergessen. Daher fiel er nach dem versuchten Kriechen vornüber und riss Seiana gleich mit um, was darin resultierte, dass er schräg auf ihr lag und sie peinlich berührt und mit hochroten (schlammverklebten) Ohren angrinste.


    »Jetzt...echt?«

    Caius grinste nur, klappte den Mund aber zu, als Seiana nach dem Schlamm griff. Der war angenehm kühl, und auf einmal erschloss sich Caius, warum sich viele Tiere in warmen Gebieten mit Schlamm einrieben. Dann schmierte sie ihm Schlamm in die Haare, und Caius glotzte nur.
    »Äh!« protestierte er halbherzig, ehe er selbst einen kleine Baggerschaufel voll Schlamm ausgrub. Dabei ging ihm auf, dass sie im Schlamm saßen. Und er hielt inne und schielte ein wenig auf Seianas Tunika, die aber blöderweise gar keinen Schlamm abbekommen hatte, sondern nur nass von dem Teich zuvor war. Ein wenig enttäuscht machte er einen Schmollmund, bekam dabei ein wenig Erde in den Mund und prustete mehrmals aus.


    »Uch, uach, brr, bah.« Caius hob eine Hand und wollte die Erde fortwischen, aber seine Hände waren ebenso schmierig feucht wie beinahe alles andere an ihm. Allmählich tropfte der Schlamm aus seinen Haaren hinunter, und als Caius erneut Seiana ansah, die so glücklich grinste, fiel ihm etwas ein. Der Zettel! Den musste er doch noch irgendwo haben!


    »Moment«, warnte er Seiana vor, damit sie nicht noch schnell aufstand und fort ging. Mit klammen, schlammigen Fingern suchte er in den Taschen seiner nassen, morastigen Tunika. Eine Weile fingerte er angestrengt herum, dann leuchteten seine Augen und er kramte einen kleinen, aufgeweichten Fetzen Papyrus hervor. Irgendwie bekam er ihn auseinander und bekam einen Blick auf das, was noch zu lesen war (und das war wirklich nicht viel). Caius verlagerte sein Gewicht so, dass er in einer angemessen aufrechten Position angelangt war (und das war gar nicht so leicht im rutschigen Schlamm!). Jetzt oder nie! Sein Herz schlug irgendwo in seinem Hals.
    »Seiana?« Er räusperte sich, sah erst auf sie, dann auf den Papyrus, und begann zu lesen.


    »Ich hatte...äh...weit..nein halt, Zeit, ein F...Fl...Fluuu... ah nein, Buch...zu....hm, schreiben? Ich hatte Zeit, ein Buch zu schreiben. Genau. Äh.... Über die...Art...wie du...äh... nein...hm.. Verdammt!« Caius wirkte plötzlich zutiefst betrübt, ließ den unleserlichen Papyrus sinken (in den Morast) und sah zu Seiana, die ihn beobachtete.
    »Du möchtest nicht zufällig...mich heiraten?«

    Aber Caius dachte gar nicht daran, aufzuhören. Sein Grinsen wurde nur noch breiter und er wippte und wackelte munter weiter. Dabei brachte er es irgendwie fertig, langsam näher zu Seiana zu hangeln, was das Seil sich noch ein wenig weiter nach unten dehnen ließ. Als er neben ihr angekommen war, grinste er immer noch.


    »Na?« fragte er neckend.
    »Bist du etwa nicht schwindelfrei?«
    Hintergründig wippte er ein weiteres Mal auf und ab, hatte allerdings nicht berücksichtigt, dass Seiana gerade nach Halt suchte und daher nicht mit dem ganzen Gewicht auf dem Seil stand. Seine Nähe zu ihr (und damit der Schwerpunkt auf dem Seil) tat dabei dann ihr übriges, sodass auch Caius mit einem Fuß vom Seil rutschte und erschrocken zu wippen aufhören wollte. Das Seil allerdings nicht. Das zappelte weiterhin auf und ab, vor und zurück, weil ja nun auch beide ihre Balance wiederfinden wollten, und ohne nachzudenken griff sich Caius das nächstbeste, um sich festzuhalten.


    Bedauerlicherweise war das Seianas Arm.
    Und das wiederum führte dazu, dass sie nun beide auf einer Höhe von schätzungsweise anderthalb Metern unfreiwillig tanzten wie die Puppen eines Puppenspielers. Caius grinste nun natürlich nicht mehr, sondern versuchte verbissen, sich festzuhalten. Dummerweise rutschte seine freie Hand immer weiter ab. Und plötzlich war da kein Seil mehr und er stand nur noch mit einem Fuß auf dem glitschigen Hanf. Seiana zappelte und er verlor endgültig den Halt (vom Seil, denn Seiana hielt er nach wie vor fest).


    »Wah!« rief er aus, ließ aber Seiana nicht los, sondern zog sie mit sich...in die Tiefe. Da Caius schwerer als Seiana war und zuerst gefallen war, klatschte er auch zuerst mit einem feuchten Schmatzen bäuchlings in den braunen Morast. Nur Sekunden später stemmte er sich auf den Unterarmen hoch und sah zu Seiana, die ziemlich dicht neben ihm (dafür aber weitaus damenhafter mit dem Hintern zuerst) gelandet war. Caius' Gesicht war dunkelbraun, sah man von den Augen und den Zähnen ab, mit denen er sie nun listig angrinste, seine Haare braun gesprenkelt und die Tunika...erkannte man schon nicht mehr als solche.
    »Ups...« brachte er heraus.

    Caius grinste nur breit, als Seiana noch frohgemut loslegte und einen Fuß neben den anderen auf das Seil setzte. Jetzt, im hellen Licht der Sonne (und nass, wie die Tunika an ihrem Körper klebte 8) ) sah sie mindestens genauso gut aus wie perfekt gewandet und geschminkt. Er wusste eh nicht so recht, was so viele Leute an den langweiligen Schminktopfen fanden, die man meist in Rom direkt antraf. Besonders die Patrizier legten ja nicht nur Wert auf einen angemessenen familiären Hintergrund (was bedeutete, dass mindestens ein Verwandter ein hohes Tier sein musste), sondern auch auf angemessene Bildung (Caius war es schnurzpiepegal, ob Seiana Ovid rezitieren konnte), modische Kleidung (Caius sah Seiana an und grinste) und gepflegte Unterhaltung (Caius war es viel lieber, wenn er mit Seiana lachen konnte, statt sich mit hohlen Worten und billigen Floskeln zu langweilen).


    Ein wenig überrumpelt blinzelte er, dann hob er eine Hand und griff nach dem Seil, tat aber sonst nichts. Irgendwo in der Mitte blieb Seiana dann stehen und sah runter. Caius blinzelte gegen die Sonne und legte den Kopf schief.
    »Wie, das war schon alles? Ouh. Wie wirst du da nur jemals ans Ziel kommen....« spottete er und setzte seinerseits die Füße auf das Seil, um zu Seiana zu hangeln. Auf der Hälfte der Hälte blieb er dann stehen und begann, ein wenig auf und ab zu wippen, was das ganze Seil wackeln ließ (und Seiana mit ihm). Caius grinste hintergründig.
    »Och, ist doch gar nicht so schlimm...« witzelte er...

    Caius - ein Mann - wrang weder Tunika noch Haare aus, sondern tröpfelte lieber vor sich hin. Allerdings ließ er es sich nicht nehmen, seine Haare zu schütteln, als Seiana ihn absichtlich nass spritzte - ganz so, wie ein Hund sich das Fell schüttelte, wenn er nass geworden war.
    »Ich guck aber keine anderen Römerinnen an«, gab Caius zurück, ehe ihm auffiel, was er da eben gesagt hatte.
    »Also, ich meine... Du hast schon recht, die sind noch blasser als du«, fuhr er hastig fort und hoffte, das Fettnäpfchen wenigstens ein wenig umschifft zu haben.


    »Wie, mich? Pass mal auf, diesmal gehst du zuerst, und dann wollen wir ja sehen, wer sich hier zuerst mit Schlamm schminkt...« Ein Ellbogenknuff folgte hierauf, und wieder lachte Caius keckernd, bis er schließlich verstummte und über die Frage nachdachte.
    »Also, der in der Therme stinkt nicht. Soweit ich das mitbekommen habe. Hier um Alexandrien herum gibt es allerdings ein paar Wasserlöcher, da stinkt es ganz extrem... Also werden die zumindest darauf achten, dass sie ihr Zeug irgendwo her holen, wo es nicht stinkt, als hätte eine Horde Nilpferde reingepullert. Äh, ja.«


    Caius stoppte und machte eine einladende Geste zum Seil hin.
    »Holden Damen lasse ich doch gerne den Vortritt!« 8)

    »Du wärst auch gesprungen, wenn so ein Viech dich in den Hintern gebissen hätte«, verteidigte Caius sich und deutete auf einen Parcour, der nicht weit entfernt lag. Neben aufgespannten Seilen, die zwischen rund zwei Meter hohen Plattformen aufgespannt waren (den Göttern sei Dank mit einem Seil zum Festhalten auf Brusthöhe), gab es dort auch wackelige Händebrücken, Seil-Lianen und eine Ecke mit Baumstämmen, über die man irgendwie drüber musste. Langsam setzten sie sich dorthin in Bewegung.


    »Keine Ahnung. Vielleicht züchten die Seeungeheuer in diesem Loch Nass.«, gab er zum besten und zuckte mit den Schultern.
    »Mir? Braun? Zu deinen Haaren passt das besser, und überhaupt bist du viel zu blass. Wenn du dich schon nicht in die Sonne haust, dann kannst du dich ja gleich mit Schlamm schminken....«

    »Da war ein Veich in meiner Tunika!« stammelte Caius noch, dann sah er Seiana bereits kippen. Statt aber hin zu eilen, verschränkte er nur die Arme vor der Brust und grinste hämisch. Als sie wieder auftauchte, lachte er keckernd, genügend abgelegt von der Seeschlange, die in seiner Tunike (und nahe bei etwas, das ihm sehr, sehr wichtig war) gewütet hatte.


    »Hahaha, hehehe... Siehst du wohl, das kommt davon!« Breit feixend stand er da, deutete schließlich auf das knappe drei Meter entfernt liegende Ufer. In weiser Voraussicht hatte Stufen angelegt, die aus dem Bassin führten. Dorthin pflügte Caius jetzt durchs Wasser. Er hatte keine Lust, auf eine wackelige Plattform zu kraxeln und dann noch zwei Sprünge zu machen. Kurz darauf stand er draußen, tropfend wie ein begossenes Nilpferd, und sah Seiana an, die allmählich nach kam.
    »Schlamm?« fragte er nur und grinste.

    »He!« protestierte er und hob abwehrend eine Hand, als Seiana ihn nass spritzte.
    »Lass das, ich werd ja ganz nass!« Was eine wahrhaftig sehr intelligente Feststellung war, denn Caius war bereits nass, und zwar triefend. Überdimensioniert, wie er in diesem Moment nun einmal dachte, schaufelte er mit beiden Armen zehnmal so viel Wasser wie Seiana und scheuchte selbiges ihr entgegen. Mit ausgreifenden, langsamen Schritten pflügte er durchs Wasser auf ihre Plattform zu. Wellen schwappten durch das Wasserbecken. Er grinste diabolisch.
    »Für dich lohnt es sich ja noch, das werden wir ja gleich s-« Er hielt inne und hatte plötzlich einen entsetzten Gesichtsausdruck. Langsam sah er an sich herunter und starrte dann dorthin, wo das Wasser träge an seinen Bauch schwappte. Plötzlich sprang er wie von sinnen im Becken herum, immer wieder irgendetwas rufend, das sich wie Ah! Uh! Ieh! anhörte, dann stand er irgendwo links neben Seianas Holzpodest wieder still und betrachtete aus großen Augen skeptisch das Wasser um sich herum.

    Ach du dickes Ei! Straußenei! Wo hatte er sich da nun wieder hineinmanövriert mit seiner dämlichen Fragerei? Augenblicklich nahmen Caius' Ohren eine hochrote Färbung an und es passierte die Katastrophe: Er bekam kein Wort mehr heraus. Da half es auch nicht, hastig mehrere Schlucke Wein runterzukippen. Jegliche Trübsal und jegliche zuvor gewechselten Worte hatten schlagartig an Wichtigkeit verloren. Nun stand die Frage im Raum. DIE Frage. Die Frage aller Fragen.


    Und Caius war so unvorbereitet, wie noch nie zuvor.


    Da konnte er doch unmöglich jetzt loslegen, nach dem Motto Ach, genau, was ich dich eh noch fragen wollte. Hättest du Lust, mich zu heiraten? Wie grausig. Der einzige (äußerst schwache!) Trost war, dass es Seiana auch ein wenig komisch erging. Zumindest hörte sie sich ganz so an. Caius schluckte. Immer wenn man einen Sklaven brauchte, war keiner da. Immer wenn Störungen nicht nur willkommen waren, sondern regelrecht herbeigesehnt wurden, lag unerschütterliche Ruhe über dem ganzen Viertel. Bis auf den Vogel am Fenster, der lieblich zirpte und damit nur noch die drückende Stille unterstrich.


    Caius riss sich zusammen.
    »Äh.« Erschrocken von dem Frosch, der sich in seinem Hals eingenistet zu haben schien, verstummte er wieder und klärte seine Kehle.
    »Also, äh. Vielleicht ist das...jetzt...nicht gerade der richtige...ähm, Zeitpunkt?« Schweiß brach ihm aus. Er schämte sich. Hasenfuß, der er war! Doch wenn er in diesem Moment die Wahl gehabt hätte, wäre er lieber vor hunderten von Leuten gestolpert als auf dieser klebrigen Liege zu sitzen und in Seianas erwartungsvolles Gesicht zu schauen.

    »Ja, wirklich. Ziemlich durchgeknallt, hm? Naja, sind eben nicht alle Aelier so würdevoll und weise wie Qaurto... Ich werde vermutlich auch nie so sein.« Caius zuckte mit den Schultern und seufzte wieder tief.
    »Wie? Oh nein, besser nicht.« Darauf hatte er keine Lust. Und überhaupt wusste Caius nicht, was er mit diesem Spinner reden sollte.


    »Hm, ja, du kannst ja nichts dafür. Beeindruckt?« Caius starrte Seiana an, grinste dann ein wenig albern und schüttelte den Kopf.
    »Na das glaub ich ja mal gar nicht. So ein mehrfach gewesener Konsul ist sicher nicht beeindruckt, wenn irgendein entfernter Verwandter sich eine Zeit lang auf dem Posten eines Provinzpostpräfekten hält«, erwiderte er sarkastisch. Obwohl er auch schon darüber nachgedacht hatte, vielleicht nach einer Stelle in Italien zu fragen. Andererseits war es in Ägypten doch recht schön, es war fast immer nettes Wetter und die Leute hier waren größtenteils angenehm. Das Kompliment von Seiana bemerkte er nicht.


    »Ja? Mein Architekturbüro brummt auch ganz ordentlich. Ein Wahnsinn, wie viele Leute ihr Heim renovieren oder umbauen lassen wollen, wirklich.« Caius zuckte mit den Schultern.
    »Ahso, ja, die schola. Hat denn der Rektor was gesagt bezüglich der Kurse und so? Dürftest du die auch hier abhalten?« Caius blickte Seiana fragend an, blinzelte dann.
    »Hm.... Was ich dich dazu noch fragen wollte...« Er räusperte sich.
    »Äh, das heißt ja...also, wenn du beim Museion anfangen darfst... Das bedeutet dann, dass du in Alexandrien bleibst? Was sagt denn deine Familie dazu? Und was wäre, wenn... Also, wenn ich irgendwann wieder nach Rom gehen würde? Also, nicht nur für einen Urlaub oder so. Für länger.«

    Tjaha, verstehen konnte er das auch nicht so ganz. Aber er war ja nicht so. Er würde sie einladen. Und er würde dafür sorgen, dass die Einladung auch ankam.
    »Ach. Da steht so ein Fass auf dem Forum. Da wohnt der drin. Sagt er zumindest, aber glauben tu ich das nicht so recht. Ich meine - es ist ein Fass, wie soll man da drin wohnen können? Er heißt Aelius Hadrianus und ist ein Vetter von Quarto. Ein bisschen sehr durchgeknallt, wenn du mich fragst. Ich hab bisher noch nicht mit dem geredet, aber er soll wohl ziemlich schräg sein. Behaupten, er sei Senator und so. Dabei stimmt das natürlich alles nicht.« Caius zuckte mit den Schultern.


    »Ja, klar. Aber ich hab ja nicht nur ihm geschrieben. Auch Callidus. Aber der ist ja auf Reisen, hat mir Quarto gesagt. Irgendwie weiß ich gar nichts. Nicht mal meine Eltern schreiben mir.« Aus Ravenna war eine halbe Ewigkeit kein Brief mehr gekommen. Caius schnaubte.
    »Ja, Dispens. Genau. Hm, weiß nicht. Ich weiß nicht, was er von mir hält, um ehrlich zu sein. Mit Quarto hatte ich auch noch nicht viel zu tun. Als ich nach Rom kam, ehe ich herreiste, war nur Callidus da.«


    Aber warum Trübsal blasen, sagte er sich. Immerhin war er ein Römer in Alexandrien, hatte gute Arbeit und Spaß an der Freude. Und Seiana saß dort, eine bezaubernde junge Dame, die es wert war, endlich gefragt zu werden. Wenn da nicht der Schisshase in ihm wohnen täte.
    »Ja, und, wie läuft es so bei denen Läden? Bei mir brummt es ganz ordentlich, ich hab immer ofter namhafte Kunden. Manchmal kauft der praefectus Aegypti bei mir ein.«

    Seine Tatik ging auf. Statt weiterzuspringen, hielt Seiana inne und erwiderte etwas auf seine Worte. Das reichte, um selbst noch einen neuen Sprung zu machen. Doch dann setzte auch sie sich wieder in Bewegung, und Caius musste sich erneut sputen, wenn er Seiana noch irgendwie einholen wollte. Schon jetzt zitterten seine Beine ein wenig, aber er durfte keine Schwäche zeigen! Das war schon etwas anderes als Laufen im gymnasion, so Sprünge. Dann platschte es irgendwo vor ihm, und Caius hielt inne, um nach Seiana zu schauen. Die hockte ein wenig wie ein Frosch auf einem Seerosenblatt da, ein Bein im Wasser, und lachte. Caius fragte sich, wie sie es fertig brachte, selbst in einer so unwürdigen Position noch gut auszusehen.


    »Hast du dir weh getan?« rief er ihr zu und beeilte sich noch einmal mehr, sie zu erreichen, nun aus ein wenig Sorge statt aus Ehrgeiz. Und prompt bescherte ihm das nicht nur ein nasses Bein. Eine Plattform lag nun noch zwischen ihnen, und Caius hüpfte ein letztes Mal schwerfällig. Er kam auf, kippte ein wenig, fand die Balance nicht - und schwupps, kenterte die ganze Plattform samt Aelier. Mit den Armen rudernd und nicht gerade männlich kreischend, ging er unter...


    ... und kam fast augenblicklich wieder hoch, zunächst einen erschrockenen Ausdruck auf dem Gesicht, dann Wasser spuckend und zuletzt meckernd lachend. Als er sich hinstellte, sah Seiana auch, warum: Das Wasser ging ihm nur bis knapp über die Hüfte. Es war also gar kein richtiger See.
    »Das nächste Mal schwimm ich gleich«, prustete Caius, als er nach Luft geschnappt hatte.

    »Naja, aber würden sie dich vergessen, wenn jemand heiraten würde?« fragte Caius zurück und sah Seiana ein wenig mürrisch an. Gut, Vespa hatte er auch nicht sooo gut gekannt, aber eben doch besser als Pulcher, und er wusste, dass diese Heirat kein Klacks war. Immerhin heiratete sie einen Prätorianeroffizier, zumindest einen ehemaligen. Caius lehnte sich ein wenig zurück, bis er mit dem Rücken an die Lehne stieß, und verschränkte dann die Arme vor der Brust.
    »Ist doch blöd, sowas. Und ich hab ihr sofort geschrieben, als ich das gelesen hab in der Acta. Und einen Gutschein mitgesendet. Da kam nicht mal ein Dankeschön. Na was soll man denn davon halten?« Er schnaubte ein wenig frustriert.
    »Verloren... Na dann wüsste ich ja davon. Jedes Schiff ist planmäßig eingelaufen und immer waren die Postsäcke unversehrt. Pff.«


    »Grm - ja. Bleibt mir ja auch nichts anderes übrig. Hinterher fahr ich hin und Pulcher ist schon längst verbrannt«, murrte Caius brummig und zog die Stirn in tiefe Falten.
    »Manchmal geht mir das echt auf die Nerven hier... Und Quarto meinte, es wär vielleicht an der Zeit, generell wieder nach Rom zu kommen. Ich weiß nicht... Er schrieb, dass außer ihm jetzt nur noch der Irre im Fass in Rom wäre, und dass die Aelier nicht mehr so zahlreich wären und so. Meinst du, er hat Angst, dass wir aussterben?« Caius blinzelte Seiana an, zuckte mit den Schultern und sprach gleich weiter.
    »Naja, ich hab ihm geschrieben, dass ich gern Ritter werden würde. Mal sehen, was er da machen kann - wusstest du, dass der Kaiser ihm einen Disp...put erteilt hat? - immerhin ist er Konsul und Kaiserbruder. Vielleicht hat er auch eine Stelle für mich. Mal sehn.«

    »Mhm«, machte Caius nur auf die Frage bezüglich des gefüllten Bechers hin. Er nahm ihn, stellte ihn dann aber auf den niedrigen Tisch zwischen den Liegen und seufzte tief.
    »Ja. Danke.« Blöd. Wie leergefegt war sein Kopf. Aber was hätte er auch groß sagen sollen?
    »Also, ich hab ihn nicht nicht gut gekannt, sondern eigentlich gar nicht«, erklärte er ihr und sah dann auf seine Hand hinunter, über die Seiana flüchtig strich. Er sollte sie wirklich endlich fragen! Das war ja schon fast peinlich so! Gerade gestern erst hatte er ein ziemlich lautstarkes Gespräch mit Katander darüber geführt, denn der war der Meinung gewesen, dass Caius sich nur drückte, weil er feige war und Angst vor einem ziemlich unwahrscheinlichen Nein hatte. Glücklicherweise hatte es dann geklopft, und Katander war zum Öffnen gegangen, wodurch das Ende des Gesprächs im Sand verlaufen war.


    »Ja, ich weiß... Aber ich kann mich ja nicht noch weiter ausgrenzen. Ich bin ja schon froh, dass man mir nen Brief schreibt und mich nicht ganz vergisst. Ich mein, bei der Hochzeit haben sie mich ja auch vergessen...« Caius zuckte mit den Schultern und seufzte. Er nahm sich jetzt doch einen Schluck Wein und sah dann Seiana an.
    »Ich hab gleich geantwortet, damit der Brief s schnell wie möglich Retour geht. Sobald Quarto antwortet, weiß ich dann mehr....aber ehrlich gesagt geh ich nicht davon aus, dass Pulcher erst verbrannt wird, wenn der PehVau aus Alexandrien sich auch bequemt hat - ist die neu?« Caius blinzelte und kurve an Seianas Körper entlang.
    »Steht dir gut.«

    Da stand sie also, in ihrer Tunika von tiefem Rot, und sah ihn mit den ausdrucksvollen Augen an. Caius konnte nicht anders und lächelte zurück, obwohl ihm eigentlich nicht danach war.
    »Hmh, jaah... Geht so. Ich hab Post aus Rom bekommen«, sagte er und bot ihr keinen Platz zum Sitzen an. Darüber waren sie bereits seit einer ganzen Weile hinweg, und Caius hatte Seiana irgendwann klar gemacht, dass sie hier nicht nur willkommen war, sondern auch jedes Recht besaß, eben anders als ein Gast.
    »Also, Quarto schreibt, dass mein Vetter gestorben ist. Ich mein, ich hab ihn nicht sonderlich gut gekannt, aber er war wohl doch ne Leuchte.« Caius zuckte mit den Schultern.
    »Vielleicht muss ich nach Rom.«

    Caius hatte es gar nicht gefallen, dass Seiana bald ausgezogen war. Dass sie dabei direkt über ihm bei der alten Dame wohnte, zählte dabei nicht. Natürlich hatte er versucht, sich nicht anmerken zu lassen, dass er es schade fand, allerdings hatten da keine Versicherungen geholfen, gern im Wohnzimmer zu schlafen oder sich beim Essen mit den anderen an den viel zu kleinen Tisch in der Küche zu quetschen.


    Als er heute nach Hause kam, hatte Firas einen Brief für ihn gehabt. Quarto hatte geschrieben! Caius hatte seinem Sklaven den Brief förmlich aus den Händen gerissen. Seitdem wirkte er wohl ein wenig geknickt, denn Katander hatte sich mehrmals erkundigt, ob er nicht irgendetwas tun konnte. Caius hatte abgewunken und stattdessen Wein geordert. An seiner Beziehung zu Seiana hatte sich immer noch nichts geändert, aber wenigstens hatte er das Wohlwollen von Quarto nun schriftlich. Allerdings gab es dann jetzt auch keine Ausrede mehr für ihn, nicht endlich zu fragen. Denn dass sie darauf wartete, war nun ja eigentlich klar, da sie nicht heimgereist war. Trotzdem hatte er da ein wenig Schiss.


    Ein Rumoren an der porta ließ Caius dann aufhorchen. Waren das Seiana und Elena? Katander hatte erzählt, dass die beiden vor einer halben Ewigkeit zum Einkaufen aufgebrochen waren und gefragt hatten, ob er sie begleiten wollte. Vielleicht hatten sie ihre Einkäufe nun hoch gebracht und kamen zum Abendessen.
    »Seiana?«

    Caius grinste breit, als Seiana Wau machte. Phase Eins war damit also erfolgreich abgeschlossen, und das nach nur wenigen Wochen. Sie hatte schon Teile seines Sprachschatzes übernommen. Nach ihrem grazilen Aufsetzen auf der ersten Plattform geriet sie ein wenig ins Wanken, fing sich aber recht schnell. Caius fand, dass sie selbst wackelnd noch ziemlich gut aussah. Allerdings war dieser Anblick trotzdem keine Entschädigung für das Schlammbecken später. Prüfend tastete er nach seiner versteckten Tasche. Ja, das Gedicht war noch an Ort und Stelle. Vielleicht ergab sich bald eine geeignete Möglichkeit. Jetzt aber galt es erstmal, eine gute Figur zu machen.
    »Na also, ging doch! Meinst du, das Ding hier geht unter, wenn du zu mir springst? Wobei.... Hm, das probieren wir besser nicht aus«, rief er und sah sich nach dem nächsten Holzpodest um.


    Vier Sprünge später war Caius ziemlich außer Atem und seine Beine zitterten ein wenig. Blöderweise war die nächste Plattform nun rund drei Meter entfernt, was bedeutete, dass er sich in einer Sackgasse befand. Enttäuscht sah er sich nach Seiana um, die ihrerseits schon viel weiter war.
    »Das sind ja faule Tricks, da muss man auch noch aufpassen beim Navigieren!« fluchte Caius und machte sich auf den Rückweg. Nach dem fünften Sprung konnte er erstmal nicht weiter. Sein Holz schlingerte gefährlich im Wasser herum. Caius hatte die Erfahrung gemacht, dass man besser und leichter voran kam, wenn man die Plattform gleich wieder mit einem Sprung verließ, statt drauf stehen zu bleiben und sich auszubalancieren. Seiana hatte inzwischen gar nicht mehr so viele Holzkreise vor sich. Vielleicht fünf, je nach dem welchen Weg sie nun wählte.


    »He, nicht schummeln!« rief Caius ihr zu und sprang dabei weiter, um zumindest zu versuchen, sie noch irgendwie einzuholen. Allerdings war das wohl ein eher hoffnungsloses Unterfangen.

    So, egal war es also. Am liebsten wäre Caius ja gleich zum Schlammbecken gegangen, aber Seiana schien wohl etwas zu ahnen und zog ihn ziemlich energisch zu diesem kleinen künstlich angelegten See hin. Der Balken sah ja noch recht einfach aus, aber diese kleinen Plattformen schaukelten ein wenig auf dem Wasser, wie Caius bemerkte. Die sichersten waren die also sicher nicht. Und gerade Caius mit seinem Glück würde wohl zuerst wenig elegant landen und dann mitsamt dem ganzen Konstrukt untergehen. Ein Glück, dass er schwimmen konnte, und das trübe Wasser (durch das gelegentlich ein hellroter Fisch zu sehen war) wirkte auch nicht gerade einladend. Genauso wenig sah man, wie tief es wirklich war.


    Seiana ließ sich nicht lange bitten. Sie legte ein gutes Tempo vor und wirkte dabei wie eine Baletttänzerin, fand Caius. Er selbst mimte den Kartoffelsack auf Stelzen, wie er sich Schritt für Schritt hinter ihr her schob und dann ein wenig bedröppelt aus der Wäsche sah, als sie ihn vor lassen wollte.
    »Ja, äh, wie jetzt?« fragte er sie ratlos, denn der Balken war nicht gerade eine kleine Gasse, in der man einander problemlos überholen konnte...
    »Soll ich einfach an dir vorbei?«


    So schob er sich also an ihr vorbei, was sich erstaunlich gut bewerkstelligen ließ. So schmal war der Balken dann doch nicht. Allerdings stand Caius nun vor der Herausforderung, diese kleinen, schwimmenden Plattformen zu treffen. Die Macher dieses Erlebnisparks hatten hier auch kleine Fallen eingebaut: Manchmal konnte man zwischen verschiedenen Wegen wählen und so konnte es auch gut passieren, dass man irgendwann auf einem Stück Holz stand und nicht weiter kam. Caius sah Seiana ein wenig mulmig an, hob dann aber den Zeigefinger und überspielte mit einem Grinsen.
    »So. Dann sieh dir jetzt genau an, wie sowas geht. Und dann kommst du nach. Und wehe, du fällst gleich beim ersten Hüpfer rein«, ermahnte er sie.


    Gesagt, getan. Und so sammelte er sein Tschakra in den Waden und stieß sich ab. Die erst Holzplattform war gar auch nicht so weit entfernt. Das war auch gut so, denn sonst wäre Caius wohl gleich beim ersten Sprung im Wasser gelandet. Er war wohl schwerer als gedacht (wohl doch Kartoffelsack). Allerdings landete er sogar relativ sicher auf der ersten Plattorm, die ein wenig schwankte und kleine Wellen verteilte.
    »Heja, jetzt komm ich!« rief Caius und setzte sogleich zum nächsten Sprung an. Wieder traf er die Plattform recht genau, auch wenn er sie diesmal mit der Wucht ein wenig unter Wasser drückte und nasse Füße bekam. Dann sah er sich mit ausgebreiteten Armen nach Seiana um.
    »Klappt's?«