Siv sah, wie seine Schläfe begann zu pulsieren – und ein großer Teil von ihr verstand es auch durchaus als den Warnhinweis, der es war. Doch der Rest von ihr interessierte sich herzlich wenig dafür, dass sie ihn nun zur Weißglut trieb so wie er es umgekehrt mit ihr gemacht hatte – und eben jener Teil, der die steigende Wut, die von ihm ausging, registrierte, brannte darauf, von Corvinus endlich, endlich eine Reaktion zu sehen, ihn endlich aus der Fassung zu bringen und letztlich dadurch zu sehen, zu spüren, dass sie ihm doch nicht egal war, dass sie ihm etwas bedeutete. Und so ignorierte sie die pochende Schläfe ebenso wie die knirschenden Zähne, oder besser: sie ignorierte, was über das Maß hinausging, in dem es ihr Genugtuung verschaffte zu sehen, dass er lange nicht so desinteressiert und kaltblütig ihr gegenüber war wie er die letzten Wochen vorgegeben hatte zu sein. Ja, es verschaffte ihr Genugtuung, während gleichzeitig Wut in ihr brannte und all die Demütigungen und Abweisungen aufloderten, die sie hatte erdulden müssen, von den meisten hier im Haus, aber am schmerzhaftesten von ihm. Sie wollte sehen, dass er nicht gleichgültig war. Als dann jedoch die Worte fielen, die bei ihr das Fass zum Überlaufen brachten, spielte auch das keine Rolle mehr. Sie dachte nicht mehr, sie agierte einfach, machte einen Satz nach vorne und verpasste ihm einen Schlag, und hätte auch nur ein Teil von ihr noch klar denken können, sie wäre überrascht gewesen von sich selbst. Ihr Verstand schien aber wie benebelt zu sein von Schleiern, die die Wut darüber zog, und so war ihr zwar bewusst, was sie gerade getan hatte, aber nicht, was das bedeutete oder welche Konsequenzen es nach sich ziehen konnte. Eine Konsequenz sollte sie jedoch schon bald zu spüren bekommen.
Nachdem ihre Hand mit einem klatschenden Geräusch auf seiner Wange gelandet war, schien sich zunächst für einen Moment die Zeit zu verlangsamen. Sein Kopf wurde von der Wucht zur Seite gedreht, und so verharrte er kurz, bevor er ihn langsam, quälend langsam in ihren Augen, wieder nach vorne drehte. Sie meinte zu sehen, wie die Röte über sein Gesicht kroch, vom Schlag, aber auch von der Wut, und sie sah tatsächlich, wie sich der Abdruck ihrer Finger weiß auf seiner Wange abzuzeichnen begann. Und sie spürte, dass ihr das noch nicht reichte. In ihren Fingern juckte es, ihn zurückzustoßen, und sie wollte ihn anbrüllen, aber noch schien die Zeit nicht in geordneten Bahnen zu verlaufen, noch war alles so träge, so als tropften die Sekunden wie ein zäher Brei von einem gehobenen Löffel zurück in die Schüssel. Sie starrte Corvinus an, der wiederum sie ansah, registrierte aus den Augenwinkeln, wie sich seine Hände hoben, aber erst, als seine Finger ihre Handgelenke berührten und ergriffen, schnellte die Zeit plötzlich wieder zurück – und als ob sie meinte die Verlangsamung gutmachen zu müssen, schienen die nächsten Sekunden viel schneller zu sein als gewöhnlich. Siv hatte keine Gelegenheit zu reagieren, sie kam nicht einmal dazu Luft zu holen, da hatte Corvinus sie schon gepackt und mit einem Ruck sie beide gedreht. Im nächsten Augenblick wurde sie an die Tür geschleudert, so heftig, dass ihr der Atem wegblieb, und dagegen gedrückt. Sein Körper presste sich an ihren, seine Hände nagelten die ihren unsanft rechts und links neben ihrem Kopf an die Tür, und als sie jetzt endlich begann, sich dagegen zu wehren, war es zu spät. Corvinus war schlicht stärker als sie, sie hatte keine Chance, aus seinem Griff zu befreien. Was sie allerdings nicht daran hinderte, es zu versuchen. Sie drehte und wand ihren Körper, um sich Freiraum zu schaffen, erreichte dadurch aber höchstens, dass sie ihm noch näher kam, wenn das überhaupt möglich war. Wutentbrannt starrte sie ihn gleichzeitig an, ihre Augen lodernd und ihre Wangen zornrot, während irgendwo in ihr, noch unbemerkt, ein anderes Feuer zu lodern zu begann. "Was?" fauchte sie, ihre Stimme nicht mehr laut, dafür aber um nichts weniger scharf und mit einer deutlichen Portion an Rauheit, während sie sich immer noch bewegte – ob um frei oder um ihm noch näher zu kommen, war ihr selbst nicht mehr ganz klar. "Was? Was willst du? Verkauf? Garten?"