Beiträge von Caelyn

    Ich platzte bald vor Anspannung. Oder war es einfach nur pure Angst? Auf jeden Fall starrte ich wie gebannt auf die Tür. Ich fragte mich, ob der Hirte und seine Frau etwa ausheckten, wie sie ein ordentliches Sümmchen für uns herausschlagen konnten. Aber wie zum Henker hatten sie es herausgekriegt? Sah man es uns an, dass wir auf der Flucht waren? Oder waren es die Striemen auf meinen Fußsohlen gewesen?
    Als ich mir schon vorstellte, wie man mich Sermo wieder zurückbrachte, nahm ich endlich Linos Stimme wahr. Kurz darauf erschien er auch an der Tür. Ich begriff erst gar nicht, was er da sagte. Ich war einfach nur froh! Und eigentlich war es kein Grinsen, das ich ihm zuwarf. Es war ein Blick der Erleichterung. Was er dann noch sagte, sei es mit Worten oder Gesten, ließ mich keine Minute mehr länger mehr hier ausharren. Auch wenn meine Füße dabei wehtaten, sprang ich auf und kam ihm entgegen.
    Wahrscheinlich, waren unsere Gastgeber einfach zu überrumpelt gewesen, um uns aufzuhalten. Der Hirte rief uns noch etwas hinterher, was wir aber tunlichst ignorierten.
    Als wir schon etwas gegangen waren, verlangsamte ich meinen Schritt. "Sag mal, was ist denn da draußen passiert? Hast du wirklich jemanden gefunden, der uns mitnimmt? Ach, ich bin so froh, dass du da bist! Ich dachte schon, die beiden hätten rausgekriegt, dass… Ach Mist, jetzt stehen wir wieder ohne was da. Keine Vorräte, kein Brot, kein Essen! und Dafür haben wir den ganzen Tag geschuftet!" Mir liefen die Tränen an den Wangen herunter, vor Enttäuschung, vor Wut und auch ein bisschen vor Verzweiflung.

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    Caerdoc von den Ambiani


    Eigentlich hatte Cardoc nicht mehr damit gerechnet, dass sie heute doch noch einmal Glück haben könnten. Dieses verdammte Weibsstück zu suchen und auch zu finden, war viel schwerer, als er es sich jemals vorgestellt hatte. Doch Erja, wer hätte das gedacht, versüßte doch noch seinen Tag auf unerwartete Weise.
    "Ach wirklich? Was denn, mein Täubchen?", fragte er interessiert. Wenn sie schon so anfing, würde er für ihre Informationen noch einige Münzen springen lassen müssen, so geschäftstüchtig, wie sie nun mal war. Vorsorglich holte er eine Münze aus seinem Beutel und hielt ihn ihr vor die Nase.

    Die Frau ging nach draußen zu ihrem Mann. Ich hörte nur, wie beide heftig stritten. Sie bemühten sich zwar leise zu sprechen, so dass ich nur Fetzen hören konnte, um was es ging. Dennoch konnte ich mir denken, dass wir der Grund für ihren Streit waren. Meine Kehle schnürte sich zusammen. Am liebsten hätte ich laut geschrien und wäre davon gelaufen. Was war nur mit Linos? Warum kam er nicht endlich herein? Was ich jetzt genau wusste war, dass ich schnellstens hier weg musste. Mit oder ohne Linos. Ich traute den beiden kein bisschen. Wenn sie rauskriegten, dass wir zwei entlaufene Sklaven waren, würde die garantiert die Ersten sein, die uns verraten würden.
    Plötzlich fuhr es mir heftig in den Magen, als ich mir vorstellte, dass der Hirte längst schon herausbekommen hatte, was Linos war. Vielleicht hatte er ihn schon verraten und… oh nein, das wollte ich mir gar nicht vorstellen!

    Als sein Helfer sich vor ihm auf den Boden warf, nahm der hirte dies lediglich zur Notiz, verzog etwas das Gesicht und machte dann nur. "Schade!" Eine Weile beobachtete er ihn noch, wie erledigt er da lag. Dann nahm er sich einige Weidenzweige und begann diese miteinander zu verflechten. "Bist wohl nichts Gutes gewöhnt, was? Wo kommt ihr beide eigentlich her? Lass mich raten, aus der Stadt!" Jemand der zwei linke Hände hatte, kam bestimmt aus der Stadt, dachte er verächtlich.
    Nach einiger Zeit war sein Flechtwerk fertig, bereit es gegen die kaputten Teile der Einzäunung auszutauschen. "Auf, komm!" Er hoffte darauf, dass Linos ihm "wenigstens" dabei helfen konnte.


    Unten in der Hütte herrschte eine gespannte Stimmung. Die Frau des Hirten hatte bisher kein einziges Wort mit mir gewechselt. Sie hatte nicht mal Danke gesagt. Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus. Ich fragte sie etwas. Irgendetwas, damit wir ins Gespräch kamen. "Habt ihr auch Kinder?", fragte ich. Aber schnell begriff ich, dass das die falsche Frage gewesen war. Die Frau schaute mich nur ausdruckslos an und bellte dann: "Was geht dich das an?" Ich ärgerte mich, dass ich überhaupt den Mund aufgemacht hatte und stopfte weiter das Loch in einer Tunika.


    So verging der Tag. Als langsam die Sonne zu sinken begann, hoffte ich nur Linos wäre bald wieder zurück. Die Frau hatte aus dem Gemüse einen Eintopf gekocht. Polternd ließ sie einige Holzlöffel auf den Tisch sausen. Endlich ging die Tür auf! Ich hörte nur die Stimme des Hirten, dann sah ich ihn auch. Aber was war mit Linos?

    Ich sah Linos noch nach, als er mit dem Hirten nach draußen ging. Die Aussicht, den ganzen Tag mit dieser Frau verbringen zu müssen, die sich nicht mal die Mühe machte, ihr Unbehagen gegen uns zu verschleiern, war nicht gerade prickelnd. Kaum war sie mit meinen Füßen fertig, half sie mir auf, um mich wieder an den Tisch zu setzen. Sogleich tischte sie mir alle möglichen Aufgaben auf, die ich gut im sitzen erledigen konnte. Für einen Moment war ich an die Casa in Mogontiacum erinnert.
    Ohne zu meckern begann ich Gemüse zu putzen, das dann noch kleingeschnippelt werden musste. Danach brachte sie mir einen Korb voller Wäsche, die bereits gewaschen und getrocknet war. Ich sollte sie zusammenlegen und die Stücke, die ein Loch hatten, aussortieren. Als ich damit fertig war, drückte sie mir Nadel und Faden in die Hand. Ohne zu murren, flickte ich auch noch die löchrigen Kleider des Ziegenhirten und seiner Frau.
    Die ganze Zeit über sprach sie kein Wort mit mir. Sie beobachtete mich nur argwöhnisch. Ich dachte an Linos, was mit ihm war.


    Der Hirte war mit seinem Helfer zu einem Bach gegangen, wo einige Weidenbäume wuchsen. Sie hatten eine Leiter und ein scharfes Messer mitgenommen. Der Hirte war auf die Leiter geklettert und schnitt die biegsamen Weidezweige, die sie später als Flechtwerk für die Zäune benötigten. Als er damit fertig war, bedeutete er seinem Helfer, alle Zweige aufzulesen und sie gebündelt auf dem Rücken zu tragen.
    Vom Bauch aus ging es direkt auf den Berg. Der Hirte, der kaum Zweige trug, ging voran und gab somit das Tempo an. Nach etwa zwei Stunden hatten sie das Ziegengehege erreicht.
    "So, da wären wir. Kannst du Weiden flechten?",fragte er, ohne Linos eine Pause zu gönnen.

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    Caerdoc von den Ambiani


    Die Kleine war wirklich zum anbeißen! Auch wenn sie nicht ganz so billig war, wie die Huren in der Taberna unten am Fluss. Nur schade, dass er gerade überhaupt keine Zeit hatte. Dabei lockte sie schon alleine mit ihrem Aussehen. Die locker sitzende Tunika offenbarte schon einiges beim bloßen hinsehen. Je länger Caerdoc sie anstarrte, um so mehr rührte sich etwas bei ihm. Besser war es, sich erst einmal ums Geschäft zu kümmern. Später konnte er dann immer noch an sein Vergnügen denken. Und die Kleine schaffte sicher auch noch seinen Kumpel, da war er sich sicher.
    Räuspernd lenkte er seinen Blick vom Dekolleté der Schönen zu ihren bezaubernden Augen."Sehr verlockend!", sagte er zögernd und räusperte sich erneut. "Vielleicht kommen ich und mein Freund später darauf zurück. Vorher müssen wir aber zuerst eine flüchtige Sklavin wieder einfangen. Sie ist blond, schwanger und hört auf den Namen Caelyn, oder so ähnlich. Du hast nicht zufällig was mitbekommen, dass sie hier war oder so?"

    "Na, wenn du meinst," entgegnete der Hirte und trank seinen Becher aus. "Mhm, lass mich mal nachdenken. Nicht weit von hier gibt es ein Dorf. Dort könnt ihr mal nachfragen, wenn ihr weiterziehen wollt." Aber zuerst sollte wenigstens dieser fremde Kerl für die großzügige Gastfreundschaft des Ziegenhirten arbeiten, dachte sich derselbe. Wie gut, dass es Linos selbst war, der das zur Sprache brachte. "Nun, die Zäune müssten mal wieder repariert werden. Ihr habt ja selbst gesehen, diese dussligen Viecher hauen sofort ab, sobald sie merken, dass der Zaun irgendwo ein Loch hat. Und dann das Dach. Das gehört auch noch repariert." Ihm wäre sicher noch viel mehr eingefallen, hätte ich nicht plötzlich mein Gesicht vor Schmerz verzerrt und gestöhnt.
    "Ist was?", fragte der Hirte erschrocken. Vielleicht dachte er schon, das Kind käme jetzt. "Ach nichts, nur meine Füße," antwortete ich beschwichtigend. "Meine Frau wird sich gleich um dich kümmern. - Frau!" Ein Wink genügte und sie setzte sich in Bewegung. "Komm hier herüber!", sagte sie zu mir und deutete auf ihr Schlaflager. "Leg dich dort hin!" Ich tat, was sie sagte und machte es mir auf dem Fell bequem. Die Frau nahm einen meiner Füße, öffnete den Schuh und zog ihn nicht besonders vorsichtig aus. Ich musste mich echt zusammenreißen, um nicht zu schreien. Das tat so furchtbar weh, als ob mir jemand die Fußsohlen vom Fleisch reißen wollte.
    Sie entfernte die Reste von Linos Kräutern, die er für mich am Abend zuvor gesammelt hatte. Als dann meine Fußsohle zum Vorschein kam, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck. Wahrscheinlich weil dort, wie erwartet, gar keine Blasen waren, sondern längliche Striemen, die teils verheilt, teils wieder aufgeplatzt waren. "Was ist das denn?", fragte sie mich irritiert. "Ach, ich hatte vor einigen Wochen einen Unfall," log ich wieder. "Ich bin aus Versehen barfüßig in einen Scherbenhaufen getreten." Naja, keine wirklich gute Ausrede, aber mir fiel nichts besseres ein auf die Schnelle. Die Frau sah mich nur an und verkniff sich jeglichen Kommentar. Sie nahm meinen anderen Fuß, öffnete den Schuh und entfernte auch hier die Kräuter. Dann holte sie einen Topf, in dem sich eine Paste befand, die für Wunden aller Art geeignet war. Bevor sie jedoch die Paste auf meine Wunden verteilte, säuberte sie sie zuerst. Zum Schluss verband sie meine Füße mir zwei Leinentücher. "Du solltest versuchen, nicht so viel zu laufen. Aber du kannst mir bestimmt auch im sitzen helfen," sagte sie dann noch. Ich nickte und versuchte zu lächeln."Klar!"
    Der Hirte war inzwischen aufgestanden und schaute noch einen Augenblick seiner Frau zu, wie sie mich verarztete. Dann wandte er sich aber an Linos."Komm, wir gehen gleich an die Arbeit!"

    Richtig wohl fühlte ich nicht in meiner Haut. Der Mann begann uns auszufragen und seine Frau ließ uns nicht aus den Augen. Auch wenn der Met gut roch, trinken konnte ich davon nichts. Linos war mir mit seiner Antwort zuvor gekommen. Man musste schon sagen, er hatte richtig Fantasie! Genau das gleiche wollte ich auch sagen. "Ja, zu meiner Familie nach Divodunum," log ich bestätigend.
    "Divodunum," wiederholte der Hirte nachdenklich. "Da habt ihr aber noch einen langen Weg vor euch. Und das zu Fuß…" Dieser Satz blieb einige Sekunden im Raum stehen. Mir kam es so vor, als lastete diese Feststellung schwer auf unseren Schultern. "Ein Fuhrmann hat uns ein Stück mitgenommen. Eigentlich hatten wir gehofft, bald wieder jemanden zu finden, der uns auch für den Rest der Strecke mitnimmt. Aber dann wurde es langsam dunkel und wir suchten nach einer Bleibe für die Nacht. Auf dem Berg sahen wir die Mauern und hatten auf eine Siedlung gehofft. Aber leider…" Der Hirte verfolgte gespannt meine Geschichte, die ich ihm auftischte und begann dann lachend zu nicken. "Ja, ja, die Mauern. Aber dort oben wohnt schon lange keiner mehr. Als mein Urgroßvater noch ein Kind war, war die Stadt dort oben schon aufgegeben worden. Man sagt, es spukt dort oben. Aber wenn ihr mich fragt, dann ist das Humbug!" Aus irgendeinem Grund sah er zu seiner Frau, die zwar nichts erwiderte, aber mit der letzten Bemerkung ihres Mannes nicht einverstanden zu sein schien.
    "Also wir haben keine Geister gesehen, nur heute Morgen, als wir die Rufe der Ziege hörten, hatte ich ein bisschen Angst." Langsam begann ich mich zu entspannen. Endlich nippte ich auch an dem Met. Solange uns niemand weiter ausfragte, wer wir waren und was wir vor hatten, hörte ich mir gerne das Geschwätz des Hirten an.

    Kaum hatte Linos das Wort ergriffen, wanderte ihr Blick auf ihn. Diesmal war er es, der von oben bis unten begutachtet wurde. "Bist du der Vater?", fragte sie nur abschätzig und ging gar nicht auf Linos Angebot ein. "Ja," sagte ich schnell, um Linos mit dieser Lüge zuvor zu kommen. Schnell sah ich zu ihm hinüber und lächelte ihm verschwörerisch zu. Am Ende wäre sie nur noch misstrauischer geworden. Besser, sie hielt uns für ein Paar, dass auf der Wanderschaft war, warum und wohin auch immer.
    Im Gegensatz zu seiner Frau, wollte sich der Hirte Linos Angebot keinesfalls durch die Lappen gehen lassen. Deshalb mischte er sich schnell ein, bevor seine Frau uns noch vergraulte. "Frau, jetzt red nicht zu viel! Du siehst doch, die junge Frau ist schwanger und an den Füßen hat sie Blasen. Sie läuft ganz schlecht! - Natürlich könnt ihr ein paar Tage hier bleiben. Deine Frau kann sich ausruhen. Und eine helfende Hand kann ich immer gut brauchen!" Bevor die Frau noch etwas sagen konnte, führte ihr Mann uns in ihre Hütte, die aus Lehm gebaut und mit Stroh gedeckt war.
    Im Inneren war es nur spärlich eingerichtet. Eine Feuerstelle, ein gemeinsamer Schlafplatz, der mit Fellen und Stroh ausgelegt war, ein Tisch und drei Bänke. Ob das Paar Kinder hatte? Nichts deutete darauf hin. Die Frau war auch schon älter. Nicht mehr im gebärfähigen Alter. Vielleicht waren die Kinder schon aus dem Haus. Ich wagte jedenfalls nicht danach zu fragen.
    "Setzt euch doch! Frau, bring etwas Met!", sagte der Mann. Missmutig folgte sie den Anweisungen ihres Mannes und stellte einen Krug und drei Becher auf den Tisch. Sie selbst setzte sich nicht zu uns, sondern blieb etwas abseits stehen, um uns zu beobachten. "Was führt euch in diese abgelegene Gegend? Ihr seid weit entfernt von der Straße," fragte der Mann, als er uns einschenkte.

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    Caerdoc von den Ambiani


    Caerdocs Stimmung sank von Minute zu Minute. Gerade noch hatte er etwas Hoffnung geschöpft, als er den Freund hinter einer Blonden her stürzen sah. Doch das Ergebnis war ernüchternd. Wieder die Falsche! Da kam Herodorus Vorschlag wie gerufen. Genau, in diese Taberna waren sie noch nicht gewesen! "Gute Idee!", antwortete er grinsend. Das war wirklich ein Spaß gewesen, vor einigen Nächten, als sie den Fetten um etliche Sesterzen erleichtert hatten. Zugegeben, es war in jener Nacht nicht immer mit rechten Dingen zugegangen. Aber wo kein Richter war, da gab es auch nie einen Henker!
    "Und wenn wir das Weibsstück dort nicht finden, dann trinken wir wenigstens einen und spielen ´ne Runde!"
    Zielstrebig steuerten sie die Taberna an, die sich "Viva Moguntia" schimpfte. Wie immer war der Laden gut besucht. So mussten sich die beiden von Tisch zu Tisch vorarbeiten. Dass sie sich dabei nicht immer Freunde machten, war voraussehbar.
    "Verdammt, die Schlampe ist nicht hier! Warte mal, ich frage mal das Schankmädchen!" Ihr wäre sicher eine Schwangere sofort aufgefallen. Außerdem war sie eine Augenweide mit ihren üppigen Rundungen. Die war ganz nach Caerdocs Geschmack. Vielleicht hatte sie ja auch noch andere Aufgaben, als nur Halbbesoffenen das Bier oder den Wein zu servieren. "Hallo, meine Süße! Vielleicht kannst du mir helfen! Ich bin auf der Suche nach einer Frau." Ihm wäre im Traum nicht eingefallen, dass seine Frage als plumpe Anmache abgetan werden könnte.

    Nachdem die verlorene Ziege sich wieder zu ihren Artgenossen gesellt hatte und wir das Gipfelplateau überwunden hatten, machten wir uns an den Abstieg hinunter ins Tal. Gelegentlich warf der Hirte einen Blick auf uns, ansonsten war er ziemlich wortkarg. Sein Misstrauen war noch nicht ganz ausgeräumt. Nur einmal fragte er nach meinen Füßen, weil er bemerkt haben musste, dass ich wie auf Eiern lief. Aber ich blockte nur ab und meinte, ich hätte mir Blasen gelaufen.


    Nach gut zwei bis drei Stunden Fußmarsch tauchte vor uns eine Hütte aus deren Rauchfang grauer Rauch aufstieg. Je näher wir kamen desto intensiver roch es nach frischgebackenem Brot.
    "Ihr habt Glück! Meine Frau backt gerade Brot," sagte der Hirte und rief nach seiner Frau. Kurz darauf öffnete sich die Tür und eine hagere Frau trat heraus. Sie musterte uns kurz aber kritisch. "Wen hast du denn da mitgebracht?" Sie klang nicht wirklich begeistert.
    "Ich hab die beiden oben am Wall getroffen. Sie haben eine von unseren Ziegen gefunden, die verloren gegangen war," erklärte ihr Mann. "Ach ja, eine Ziege, die verloren ging." Mir kam es so vor, als hätte sie unsere wahren Absichten längst durchschaut. Wahrscheinlich glaubte sie kein Wort von dem, was ihr Mann ihr da erzählte. "Na und jetzt? Jetzt schleppst du sie hierher?", knurrte sie in ihrem misstrauischen Ton weiter.
    "Wir bräuchten einige Vorräte. Wir haben noch einen langen Weg vor uns," warf ich schließlich ein. Ihr prüfender Blick traf mich sofort. An meinem schwangeren Bauch blieb er hängen. "Du bist schwanger!", stellte sie dann fest.

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    Caerdoc von den Ambiani


    Ihr erster Weg, nachdem sie die Taberna verlassen hatten, führte sie zum Forum. Um diese Zeit hielt sich dort allerhand Gesindel auf. Sie durchforsteten alle dunklen Ecken und Nischen. Doch leider ohne Erfolg. Caerdoc hatte vielleicht ein halbes Dutzend schwangere Frauen gesehen, die auf Randolfs Beschreibung hätten zutreffen können. Doch ein unsanfter Blick auf den Nacken der Frauen ließ ihn wieder ernüchtern. So einfach, wie er sich die Jagd vorgestellt hatte, war sie nun doch nicht. Doch er zumindest wollte nicht aufgeben.
    So klapperten sie nun eine Taberna nach der anderen ab und sprachen mit den Wirtsleuten – ohne Erfolg! Über eine Stunde war so vergangen. "Wie viele Kneipen gibt´s denn noch in diesem Dreckskaff?", zischte er fast schon entmutigt seinem Freund zu. "Gibt´s irgendeine Spelunke, die wir noch nicht hatten?"

    So kam die Ziege mit uns. Wir setzten unseren Weg fort, bis über das Gipfelplateau. Auch dort hörten wir bald das Rufen weiterer Ziegen. Nur sehen konnte man sie noch nicht . Auch "unsere Ziege" machte sich nun bemerkbar. Der Nebel verzog sich nur langsam. Vielleicht war dies auch der Grund, weshalb wir den Ziegenhirten, der ganz offensicht auch der Besitzer der Ziege war, nicht gleich gesehen hatten. Allerdings hörten wir ihn dann ganz schnell, nachdem er uns mit seiner Ziege entdeckt hatte. "He, ihr diebisches Gesindel! Bleibt stehen! Wo wollt ihr mit meiner Ziege hin?"
    Wie angewurzelt blieb ich stehen. Endlich erkannte ich den Hirten mit dem wutverzerrten Gesicht. Na toll! Da war er schon, der Ärger! "Habt wohl gedacht, ihr könntet euch einfach so aus dem Staub machen?! Dreckiges Diebesgesindel. Ihr solltet euch was schämen! ", zeterte er weiter, verstummte dann aber, als er meinen Bauch sah.
    "Wir wollten deine Ziege nicht klauen. Ehrlich! Wir haben sie nur viel weiter unten gefunden. Wir haben gedacht, sie hat sich vielleicht verlaufen," log ich. Vielleicht nahm uns der Hirte ja die Gesichte ab. "Sie hat anscheinend ihr Glöckchen verloren. Die hättest du so wahrscheinlich nie wieder gefunden!"
    Der Hirte sah auf das Halsband der Ziege, an dem tatsächlich das Glöckchen fehlte. "Na wenn das so ist… dann dank ich euch schön!" Er warf noch einmal einen leicht ungläubigen Blick auf uns und wollte dann mit seiner Ziege zu seiner Herde zurück.
    "Ach bitte, bevor du gehst… ich fürchte, wir haben uns verlaufen und unsere Vorräte gehen bald zu Ende. Gibt es hier in der Nähe ein Gehöft, wo wir uns wieder mit Vorräten eindecken können?"
    Der Hirte blieb stehen. "Ein Gehöft? Weiter unten, am Fuß des Berges habe ich meinen Hof. Wenn ihr wollt, könnt ihr mitkommen."

    Klar konnte ich Ziegen melken! Wir hatten ja früher auch eine. Und da hatte ich auch genau das gemacht, was Linos nun vorschlug. „Gute Idee!“ Und schon hockte ich mich auf den Boden und schob mich unter der Ziege durch, bis ich in der richtigen Position lag. "Siehst du, das geht ganz einfach. Nämlich so! Das kannst du auch mal probieren!" Die ersten Spritzer der warmen süßlichen Milch landeten in meinem Mund. So was Leckeres hatte ich schon lange nicht mehr gehabt!
    Als ich satt war, erhob ich mich wieder und machte wohl ein ganz schön nachdenkliches Gesicht. "Na ja, das ist ja schon irgendwie seltsam, so ´ne Ziege hier oben. Die muss irgendeinem gehören, der garantiert auch regelmäßig kommt, um sie zu melken. Oder sie ist einfach nur ausgebüchst, so wie wir."
    Natürlich hatte ich auch überlegt, die Ziege mitzunehmen. Aber das war vielleicht zu riskant. Am Ende bekamen wir wegen ihr auch noch Ärger. Andererseits hätten wir dann immer frische Mich."Ich glaube, wir sollten besser weiter gehen!"

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    Caerdoc von den Ambiani


    Wahrscheinlich hatte das Caerdoc im Eifer des Gefechtes überhört. "Blond, schwanger, tätowiert, hört auf Caelyn," wiederholte er nickend. "Geht klar!"
    Er sah zu seinem Kumpel hinüber, kramte einige Münzen aus seinem Beutel und ließ mit einem klirrenden Geräusch auf den Tisch fallen. "Komm! Wir haben keine Zeit zu verlieren!" Zielstrebig steuerte er die Tür an und verließ die Taberna.

    Wie versteinert war ich stehengeblieben und lauschte dem näherkommenden Geräusch. Wenn ich mich nicht irrte, mischte sich nun auch der leise Klang eines Glöckchens darunter. Mein erster Gedanke war der an eine Schafs- oder Ziegenherde. Aber hier oben lebte doch niemand mehr. Also warum sollte hier oben eine Herde sein?
    Gemächlich tauchte vor mir schließlich eine weiß-braune Ziege auf, deren Glöckchen, dass sie um den Hals trug, bei jeder Bewegung läutete. Neugierig blieb sie stehen und beäugte uns. Erleichtert atmete ich auf. Die Ziege trottete weiter zur Quelle und trank etwas Wasser.
    Ich sah zu Linos hinüber. Ob er das Gleiche dachte, was ich gerade dachte? Frische,leckere Ziegenmilch! Aber wir hatten kein Gefäß, worin wir die Milch hätten auffangen können.

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    Caerdoc von den Ambiani


    Caerdocs Blick viel auf die beiden Genannten. Er machte keinen Hehl daraus, dass er die beiden nicht mochte. Das waren nur Konkurrenten, die einem am Ende sein wohlverdientes Geld streitig machten und die man am besten mit der Zeit ausschaltete. Wahrscheinlich dachten die beiden Germanen genauso.
    Außerdem glaubte er und sein Kumpel bereits einen kleinen Vorsprung zu haben. Die meisten mogontiacischen Tavernen kannten sie bereits von ihren Sauftouren her. Zwar war man ihnen nicht überall wohlgesonnen gewesen, doch hatten sie meist einen bleibenden Eindruck hinterlassen.
    "Ach ja, bevor es los geht, noch eine Frage. Nach welchem Vogel müssen wir denn Ausschau halten? Hast du ein paar Hinweise, wie die Gesuchte aussieht? Schwangere gibt´s hier ja sicher haufenweise an jeder dreckigen Ecke."

    "Da wo ich herkomme, ist es so ähnlich, wie hier. Aber weiter südlich am Meer, soll es viel wärmer sein." Keine Ahnung ob das stimmte. Massalia kannte ich bisher auch nur im Winter. Und auch da hätte ich mir beinahe den Allerwertesten abgefroren. Überhaupt fand ich das Meer nicht so prickelnd. Vielleicht, weil ich es nicht so mit Schiffen hatte. Darauf wurde es mir jedes Mal tierisch schlecht und ich reiherte mir dann garantiert die Seele aus dem Leib.
    Linos begann von Kreta zu reden und wie es den Sklaven dort ging. Naja, einige Griechen hatte ich ja in meinem Leben schon getroffen. Und nicht alle waren nett und ehrlich zu mir gewesen. An dem Sprichwort, trau keinen Griechen, die mit Geschenken kommen, war meiner Ansicht nach etwas dran.
    "Mhm, ich weiß noch nicht," antwortete ich, auch wenn ich ihm schon glaubte, dass er aus mir keine Sklavin machen wollte, wenn ich mit ihm kam. Und ob Sklaverei auf Kreta anders war, das bezweifelte ich mal ganz stark. War doch völlig Wurscht, ob man dort anders behandelt wurde. Am Ende war man trotzdem unfrei und konnte nicht das machen, was man wollte. Aber schön, Sklaverei war eben was ganz normales und gehörte einfach dazu. Das hatte es schon immer gegeben und wahrscheinlich würde sich das auch nicht so schnell ändern. Wenn man allerdings selbst zum Sklaven wurde, sah man das etwas anders.


    Ich aß erst mal weiter, während meine Gedanken darum kreisten, was wohl in ein paar Wochen war. Ob ich Aretas je wieder sehen würde? Vielleicht war er ja längst tot. Oder vielleicht frei? Sobald ich die Möglichkeit hatte, wollte ich ihm schreiben. Aber vorerst mussten wir die Wildnis hinter uns lassen.

    Die Nacht brach endgültig herein. In der Ferne sah man noch vereinzelt einige Lichter, die aber nach und nach auch erloschen, bis nur noch der Mond auf uns niederschien. Unsere zweite Nacht in Freiheit!


    Als der Morgen graute, lag dichter Nebel unterhalb des Gipfels. Dennoch mussten wir weiter. Linos Kräuter hatten meinen Füßen etwas geholfen. Anfangs spürte ich kaum Schmerzen. Auch blutete es nicht mehr. Doch ich konnte mir schon denken, dass es so nicht lange bleiben würde.
    Die Bäume die vor uns im Nebel auftauchten, wirkten gespenstig. Wenn hier einmal Menschen gelebt hatten, so hatten sie kaum etwas hinterlassen. Ihre Hütten aus Holz und Lehm waren längst vergangen. Nur ihre Befestigungsmauern zeugten noch von ihnen. Und auch die würden in einigen Jahren noch gänzlich zusammenfallen.
    Nach wenigen Schritten nur, fanden wir eine Quelle, aus der ein kleines Rinnsal floss. Ich hatte richtigen Durst und etwas Wasser, um wenigstens das Gesicht zu waschen, war auch nicht schlecht. Das kalte Nass war eine Wohltat! Auf dem Gaumen und auf der Haut. Plötzlich hielt ich ein und spitzte die Ohren. "Hörst du das, Linos?", flüsterte ich meinem Begleiter zu. Aus dem Nebel drangen seltsame Geräusche, ähnlich die von Tieren. Aber ich konnte sie erst nicht richtig einordnen. Ich hörte genau in die Stille hinein und vernahm nach einiger Zeit ein leises Mäh.

    "Kreta? Aha!" Hatte ich zwar schon mal gehört, konnte es aber gerade geographisch nicht wirklich einordnen. Offenbar kam Linos aus "gutem Hause". So nannte man das doch, wenn man ´nen reichen Papi hatte, der vielleicht sogar noch was zu melden hatte. Unter anderen Umständen wären wir uns wahrscheinlich gar nicht begegnet und wenn doch, dann wäre er zu mir wahrscheinlich nicht so nett gewesen.
    "Ach echt, die haben dich überfallen und verschleppt?" Ich biss ein Stück Brot ab und kaute zufrieden. Ganz schön blöd, dass es damit bald vorbei sein würde, wenn das Brot erst mal aufgebraucht war.
    Natürlich wollte Linos, nachdem er sich ein wenig entblättert hatte, auch etwas über mich wissen. Quid pro quo, oder wie das heißt. Ich räusperte mich, bevor ich begann. "Naja, eigentlich ist meine Geschichte nichts Besonderes. Wie du dir bestimmt denken kannst, komme ich aus Gallien. Naja, an meinen Vater kann ich mich nicht erinnern. Der Dreckskerl hat sich aus dem Staub gemacht, als mein Bruder und ich noch ganz klein waren. Aber unsre Mutter hat uns trotzdem groß gekriegt, bis sie starb. Danach hatten wir niemanden mehr, der sich um uns kümmerte und wir landeten auf der Straße. Ich musste klauen gehen, damit wir überleben konnten. Und dann, eines Tages bin ich geschnappt worden. Einer von den Typen, meinte, es wäre doch ´ne tolle Idee, mich nicht zu kreuzigen, sondern zu verkaufen. So landete ich in Rom. Zuerst war ich bei so ´nem reichen Typen. Den hatte ich richtig gern und er mich auch. Vielleicht." Mannomann, ich kriegte doch jetzt nicht etwa Pipi in die Augen? "Na, und als er dann ´ne Andere heiratete, bin ich abgehauen. Danach landete ich bei Sermo, diesem Mistkerl." So, das musste genügen. Mehr wollte ich nicht von mir preisgeben.