Beiträge von Caelyn

    Was war denn das? Linos stand auf. Ich hatte ihn doch nicht etwa beleidigt? Naja, egal. Ich konnte und wollte mich nicht einfach so jemand anderem anvertrauen. Manche interpretierten das vielleicht als stur, dumm oder eingebildet. Aber ich war eben ein gebranntes Kind! In meiner Kindheit war ich einmal ganz bitter enttäuscht worden. Seitdem hatte ich mir geschworen, mich nie wieder auf jemanden zu verlassen. So einfach war das!
    Linos kam wieder und brachte mir einige Blätter mit. "Danke!", sagte ich betreten und nahm die Blätter an mich. Keine Ahnung, welches Kraut das war. Aber wenn er glaubte, es könne mir helfen…
    Dummerweise hatte ich nichts, womit ich meine Füße hätte reinigen und anschließend verbinden können. So stopfte ich die Blätter einfach in meine Sandalen und zog sie wieder an.
    Eigentlich hätte ich selbst drauf kommen können, dass Feuer machen eine echt blöde Idee war. Wir saßen irgendwo auf dem Berg, den man von einiger Entfernung sehen konnte. Also würde man den Schein unseres Feuers auch weit sehen. "Ja, du hast recht. War ´ne echt blöde Idee mit dem Feuer!" Allerdings ohne Feuer konnten uns des Nachts auch ungebetene Besucher, wie zum Beispiel wilde Tiere behelligen. Kein schöner Gedanke von ´nem scheiß Wolf oder Bär oder was weiß ich angeknabbert zu werden! Na toll, jetzt machte ich mir auch noch selbst Angst! Mit schlafen war erst mal nicht viel. Ich beschloss, mich mit etwas small talk wach zu halten. "Du hast mir noch gar nicht viel über dich erzählt. Woher stammst du eigentlich? Warst du schon immer Sklave?" Naja, eigentlich hatte ich über mich auch noch keinen Roman erzählt, sondern hatte mich stets in Schweigen gehüllt, wenn es um mich ging.

    "Ach, da ist nichts!" blockte ich sofort ab. Auch wenn sich Linos Ton nicht mehr ganz so freundlich anhörte, beeindruckte mich das wenig. Ich hatte nie gelernt, mich voll und ganz jemand anderem anzuvertrauen. Warum sollte ich also jetzt gerade damit anfangen? Und außerdem, das Problem mit meinen Füßen war meine Sache. Morgen früh, wenn man wieder richtig sehen konnte, würde ich mich selbst darum kümmern. Schade, dass ich mich mit Heilkräutern nicht so gut auskannte, sonst hätte ich mir vielleicht einen Verband machen können.
    "Meinst du, wir könnten riskieren, ein Feuer zu machen?" Es war zwar schon eine halbe Ewigkeit her, seit ich in der Wildnis Feuer gemacht hatte. Aber mit dem Feuermachen war das so eine Sache, wie mit vielem, was man einmal gelernt hat, das verliert sich so schnell nicht. Man brauchte nur genug Geduld.

    Die Beeren, die Linos brachte, kannte ich. Sie wuchsen vielerorts, auch daheim in Augustodunum. Als Kind hatte ich sie geliebt, denn sie war eine süße Abwechslung gewesen. Meine Mutter hatte mich und meinen Bruder oft losgeschickt, um welche zu pflücken. "Das sind Brombeeren! Die sind lecker, nicht?!" Ich nahm mir einige der dunkelroten Früchte. Diesen Geschmack auf der Zunge hatte ich lange nicht mehr erlebt. So schmeckt Freiheit, sagte ich mir. Genau so!
    Nachdem ich gegessen hatte, überkam mich dann doch noch die Müdigkeit und es brauchte nicht lange, bis ich einschlief.


    Es musste schon später Nachmittag gewesen sein, als ich endlich aufwachte. Für meine Begriffe hatten wir viel zu lange geschlafen. Es wurde Zeit, dass wir weiterwanderten. Der Gedanken, dass mir Sermo längst ein paar Sklavenjäger hinterher geschickt hatte, ließ mich angespannt werden. "Linos, wir müssen los!" Ich rüttelte ihn vorsichtig wach. "Es ist schon spät!"


    Unser weiterer Weg führte uns immer noch nach Westen, dem Berg entgegen, den ich am Morgen erblickt hatte. Bis zur Abenddämmerung hatten ihn bis zur Hälfte bezwungen. Dort kamen wir an einer hohen Steinmauer zum stehen, die teilweise in sich zusammengefallen, zum Teil aber noch intakt war. "Lass uns eines der Tore suchen!", schlug ich vor.
    Recht bald erreichten wir eines der Tore, dass wir durchschritten und weiter wanderten. Die Menschen, die hier einst gelebt hattenen, waren schon vor langer Zeit schon verschwunden. Außer der großen Mauer erinnerte kaum noch etwas an die Stadt, die hier einst existiert hatte.
    An einem geschützten Platz nahe der Mauer, der mir als Rastplatz geeignet erschien, blieb ich stehen. "Lass uns etwas ausruhen. Meine Füße!" Die Schmerzen in meinen Füßen übersteigen fast das Erträgliche. Ich befürchtete schon, die Wunden seien vielleicht wieder aufgeplatzt. Vorsichtig öffnete ich eine meiner Sandalen. Meine Finger ertasteten etwas feuchtes, was allerdings kein gewöhnlicher Fußschweiß sein konnte. "Mist!", zischte ich leise. "Auch das noch!"

    Linos hatte mir eine große Scheibe von dem Brot abgeschnitten. Das war auch gut so, denn ich hätte einen Bären verdrücken können! Die ganze Zeit über, während wir gewandert waren, hatte ich dieses Hungergefühl unterdrückt. Aber jetzt kam es voll zum Vorschein. Vielleicht war auch das der Grund, weshalb mich Linos Selbstportrait kein bisschen aus der Ruhe brachte. Stattdessen biss ich herzhaft in die Scheibe Brot und kaute zufrieden. "Tja, keiner ist perfekt!", sagte ich und grinste. "Übrigens hast du dich mit ´ner diebischen Elster, die jahrelang auf der Straße gelebt hat und sich in tausend Jahren noch nicht richtig benehmen kann, eingelassen. Außerdem ziehe ich das Unglück magisch an. Schau nur, ich lass mich von ´nem Kerl schwängern, der tausende Meilen entfernt ist und mir auch nicht helfen kann. Und was noch schlimmer ist, durch meine eigene Blödheit bin ich an den miesen Dreckskerl geraten, der sich bis gestern mein Herr geschimpft hat. Du siehst, wir passen prächtig zueinander!" Nun nahm ich auch ein Stück Schinken, ließ es in meinem Mund verschwinden und hörte Linos weiter zu. Ganz ehrlich, ich bezweifelte, ob Linos eines Tages selbst geflohen wäre. Aber das sagte ich ihm natürlich nicht. Er war jetzt bei mir und nur das zählte. Und umso besser, dass er nur auf Kerle stand! Dann kam er wenigstens nicht auf dumme Gedanken.

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    Caerdoc von den Ambiani


    Womöglich war Caerdoc etwas zu impulsiv vorgegangen. Ihm war das nervöse Zucken des Germanen und derer, die mit ihm an einem Tisch gesessen hatten und nun drauf und dran waren, ihren Dolch zu zücken, nicht entgangen. Auch Caerdocs Rechte ging zu der Stelle, wo er seinen Dolch verwahrte. Doch bevor es zum Kampf kam, wollte er es auf die diplomatische Art regeln. Zwar war er kein Freund großer Worte, doch was hatte er davon, wenn er den Germanen abstach? Richtig! Keine Knete!
    "Ho,ho,ho! Jetzt mach mal halblang! Es gibt keinen Grund, nervös zu werden. Mein Freund und ich, wir dachten nur, wir wären genau die richtigen für deinen Auftrag. Denn zumindest ich habe Erfahrung darin, wie man entlaufenem Sklavenpack auf die Spur kommt und außerdem können wir beide zartfühlend mit Schwangeren umgehen." Bei Letzterem grinste er dreckig seinem Kumpel zu. Dann wandte er sich wieder dem Germanen zu. "Ich bin Caerdoc."

    Ich holte das Brot aus der Tasche, die uns Trutmo überlassen hatte und gab es an Linos weiter. Er hatte ja das Messer und konnte deshalb einige Scheiben abschneiden. Ebenso nahm ich den Schinken und den Käse. "Wenn du nicht bei mir wärest, dann wäre ich jetzt ganz allein. Und in ein paar Wochen werde ich bestimmt jemanden brauchen, der mit hilft." Ich deutete auf meinen runden Bauch. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis das Kind kam. Aber Hauptsache es kam in Freiheit zur Welt und war vor Sermos Zugriff sicher.
    "Sag mal,wenn du mich nicht getroffen hättest,wärst du dann auch geflohen?"

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    Caerdoc von den Ambiani


    Nach ihrem ruppigen Kennenlernen vor einigen Nächten in den Straßen Mogontiacums waren der Ambianer und jener seltsam anmutende Fremde, der sich Herodorus nannte, Freunde geworden. Von da an erkundeten sie allabendlich die Tabernalandschaft der Stadt, um das Angebot an Met, Cervisia und Wein zu verkosten und um diverse Geschäfte an Land zu ziehen. Wein, Weib und Gesang musste ja schließlich auch irgendwie finanziert werden. So waren sie schließlich auch in der Taberna Silva Nigra gelandet und saßen bei ihrem zweiten oder dritten Wein (wer wusste das schon so genau), als Caerdoc auf das Gerede eines Germanen am Nachbartisch aufmerksam wurde. "He, hast du das gehört?", fragte er seinen Kumpel. "Fünfzehn Kröten für jeden, um ´ne Schwangere wieder einzufangen! Einfacher geht´s ja kaum!" Caerdoc rutschte unruhig auf der Bank herum. Solch ein Angebot konnte er sich doch kaum entgehen lassen. Das war geschenktes Geld! Womöglich hatte sich die Kleine nur irgendwo in der Stadt verkrochen und in ein paar Stunden war sie wieder dort, wo sie hingehörte, nachdem er sie gefunden hatte, versteht sich.
    " Fünfzehn, sagst du? Na, da bin ich dabei!" Jetzt hatte ihn nichts mehr auf der Bank gehalten. Er war aufgesprungen und hatte sich dem Germanen zugewandt. "Und mein Freund auch!", behauptete er einfach, ohne dessen Antwort abzuwarten.

    Ich hatte mich auf den Boden gesetzt und rieb meine Füße. Die Pause ließ mich müde werden. Meine Augen wollten mir zufallen. Doch Linos hatte recht. Sobald die Sonne aufging, war es besser, ein gutes Versteck gefunden zu haben. Ich ruhte mich noch eine Weile aus, dann kam ich wieder auf die Füße. Man konnte ja nie wissen! Sermo hatte bestimmt schon am Abend mein Verschwinden entdeckt. Wenn er nicht gleich vor Wut geplatzt war, hatte er uns bestimmt schon jemanden hinterhergeschickt. Vielleicht aber hatte ja auch mein Fluch gewirkt und war dazu noch gar nicht fähig gewesen. Umso besser für uns!
    Trotzdem konnten wir hier nicht so schutzlos herumsitzen. "Na schön, dann lass uns nach einem Versteck suchen. Dort können wir uns dann richtig ausruhen." Ich wartete, bis Linos mir folgte. "Ach ja, hier! Nimm das. Vielleicht kannst du´s mal brauchen." Ich hatte das Messer aus Trutmos Tasche heraus gekramt und hielt es nun Linos entgegen. Es war nichts Besonderes. Ein Messer, das man zum Schneiden von Käse oder Speck nehmen konnte. Vielleicht taugte es auch zum Schnitzen. Auf jeden Fall war es scharf und konnte mit etwas Glück auch unser Leben retten.


    Bald stießen wir tatsächlich auf ein kleines Bächlein, dessen Wasser klar und kühl war. Ich nahm einige Schluck davon und spritzte mir etwas davon ins Gesicht. Das linderte ein wenig die Müdigkeit.


    Der neue Tag war bereits angebrochen. Von neuem tauchte die aufgehende Sonne alles in honiggelbes Licht. Mit ihrer Hilfe wussten wir, in welche Richtung wir gehen mussten, wo Westen lag. Mittlerweile hatten wir eine Anhöhe erreicht, von der man gut unseren weiteren Weg überblicken konnte. Mehrere Fußmarschstunden vor uns erhob sich ein Berg, der etwas größer war, als alle Berge neben ihm. Er sah aus, als hätte ein Riese ihn dort fallen lassen, wo er jetzt lag. Seine Kuppe war nur spärlich bewaldet. Nur ein altes Gemäuer erkannte man von der Ferne aus. Als ich den Berg sah, fühlte ich mich seltsam an meine Heimat erinnert. An einen Ort, an dem ich früher mit meinem Großvater gewesen war. Doch Bibracte, das wusste ich, war noch Tage, nein Wochen von hier entfernt!
    "In die Richtung müssen wir!", erklärte ich Linos und deutete auf den Berg vor uns.


    Endlich fanden wir dann noch eine Bleibe. Was von außen wie ein dichtes Gebüsch aussah, entpuppte sich im Inneren als kleine sichere Insel, die so viel Platz gab, dass wir uns beide dort niederlegen konnten, um zu lagern etwas zu schlafen.
    Auf unserer Wanderung durch die Nacht hatten wir nur wenig gesprochen. Nur das allernötigste. Das war wohl die Anspannung gewesen.
    Der Schmerz in meinen Füßen war zwar noch schlimmer geworden, trotzdem spürte ich sowas wie Freude, wie ich sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. "Ich bin froh, dass du bei mir bist!", kam es auf einmal aus mir heraus. Dabei kam mir die Frage in den Sinn, was Linos wohl dazu getrieben hatte, von seinem Herrn davonzulaufen. Aber ich traute mich nicht zu fragen.

    "Ist schon gut, Jungchen!", brummte Trutmo gutmütig. "Ich verstehe das. Und ja, ich werde auf eure Nachricht warten." Dann sah er uns einen Augenblick noch nach, wie wir im Abendrot verschwanden. Wenig später setzte er seine Heimfahrt fort.
    Hinter uns verstummt langsam das Knarren des Karrens. Nun waren wir wirklich auf uns gestellt.
    Anfangs folgten wir noch einem Weg, der nach Westen führte. Wie Trutmo gesagt hatte, kamen wir bald an dem ersten Weiler vorbei, den wir aber links liegen ließen. Bald trafen wir auf einen Bachlauf, dessen Wasser uns erfrischte. Mittlerweile war es dunkel. Doch es war fast Vollmond, so dass wir nicht in vollkommender Dunkelheit herumirren mussten.
    Im Laufe der Nacht passierten wir noch einige Gehöfte und eine Siedlung. Wir blieben jedoch immer auf Abstand, damit uns niemand bemerkte. Von weitem hörten wir Hundegebell, was aber bald wieder verstummte.
    Als bereits der Morgen graute hatten wir ein Wäldchen erreicht. Ich war furchtbar müde und meine Füße taten weh. Nein, sie taten nicht weh, sie brannten wie Feuer! Die letzten Stunden waren wir ohne nennenswerte Pausen nur gelaufen.
    "Linos, ich kann nicht mehr! Bitte lass uns eine Pause machen.", japste ich müde.

    Trutmos Angebot war sehr großzügig gewesen. Und eigentlich hatte ich mich mit dem Gedanken, meine erste Nacht in Freiheit in weichem Stroh und mit einem Dach über dem Kopf zu verbringen, schon angefreundet. Doch dann kam Linos´ Einwand, der leider auch berechtigt war. Linos hatte ja schon recht, mit dem was er gesagt hatte. Lieber die Nacht durchlaufen und am nächsten Morgen irgendwo in einem Versteck Schlaf finden.
    "Du bist sehr freundlich zu uns gewesen. Und du hast uns schon mehr geholfen, als jeder andere es getan hätte. Aber Linos hat recht! Wir sollten uns hier nun verabschieden!"
    Trutmo zog an den Zügeln und brachte den Ochsen zum Stehen. Dann zuckte er mit den Schultern. "Na gut, wie ihr meint. Ich will euch nicht aufhalten. Wenn ihr von hier aus immer westwärts geht, kommt ihr an einigen Weilern vorbei, bis ihr schließlich den Wald erreicht. Haltet euch von den Straßen fern, doch orientiert euch an deren Verlauf. Ich wünsche euch viel Glück! Möge Esus immer mit euch sein!" Er klopfte mir freundlich auf die Schulter. Doch dann griff er nach seiner Tasche und drückte sie mir in die Hand.
    "Hier, das könnt ihr bestimmt gut gebrauchen!" Ich warf einen Blick hinein und entdeckte einen ganzen Laib Brot, etwas Schinken, Käse und ein Messer. "Danke! Vielen Dank!" Bevor ich vom Wagen abstieg, umarmte ich noch einmal den Käsehändler, der es so gut mit uns gemeint hatte.

    Erleichtert atmete ich auf. Ich konnte es noch gar nicht fassen. Wir waren endlich draußen! Wir hatten es geschafft! Aber trotzdem lag jetzt alles noch vor uns. Denn eines war ja so sicher wie das "age" im Tempel, Sermo würde keine Minute zögern, nach mir suchen zu lassen, sobald er rausfand, dass ich weg war. Und bei Linos war´s garantiert nicht anders.
    Meine Gedanken kreisten um das, was vor uns lag. Die nächste Zeit würden wir uns verstecken müssen, bis wir weit genug weg waren. Wohin ich wollte? Keine Ahnung! Irgendwohin, wo Sermo uns, mein Kind und mich nicht kriegte.
    "Ja, Gallien wär ´ne tolle Sache!", antwortete ich. Gallien, meine Heimat. Hoffentlich kamen wir bis dorthin. Aber würde Sermo da nicht als erstes suchen lassen? Zu gerne hätte ich gewusst, ob Iustus noch am Leben war! Der Alte war immer freundlich und hilfsbereit zu meinem Bruder und mir gewesen, obwohl er dafür gar keinen Grund gehabt hatte.
    Je mehr ich darüber nachdachte, wuchs in mir das Verlangen, Augustodunum wieder zu sehen.

    Der Ochsenkarren rollte langsam aber stetig über die Straße. Noch gut eine Stunde und wir waren in Borbetomagus. Die Sonne stand schon tief. Bald würde sie hinter den Hügeln im Westen untergehen.
    Trutmo sah zu mir rüber. "Wenn ihr wollt, könnt ihr die Nacht in meinem Stall verbringen. Nur morgen früh müsst ihr verschwinden. Meine Frau wird nicht gerade begeistert sein, wenn… na ihr wisst schon."

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    Trutmo


    Trutmo, dem Käsehändler fielen jede Menge dicke Steinbrocken vom Herzen, als sie die Torwache passiert hatten. Der Ochsenkarrennahm wieder etwas mehr -fahrt auf und rollte nun gleichmäßig knackend über das Straßenpflaster. Das war ja noch mal gut gegangen, dachte er sich. Hoffentlich erwarteten ihn nicht noch ein paar unangenehme Überraschungen auf dem Weg nach Hause.
    Als sie weit genug vom Stadttor entfernt waren, riskierte er einen Seitenblick zu seiner Begleiterin neben ihm, die anscheinend immer noch die Luft anhielt. "So, das wäre geschafft! Du kannst ruhig weiteratmen!" Dann sah er nach hinten auf den Wagen. "Und? Bei dir ist auch alles gut?"


    Bis Borbetomagus war es noch ein ganzes Stück. Mit dem Ochsenkarren würden sie erst in der Abenddämmerung den heimischen Hof erreichen. Er fragte sich, was seine Begleiter nun vor hatten. Wenn er sich die schwangere Frau so betrachtete, zweifelte er keinen Moment lang, dass sie weit kommen würde. Aber das war nicht sein Problem. Noch ein paar Meilen und er würde sie absetzen. Dann mussten sie sich selbst durchschlagen. Dann würden sie sehen, was es hieß, frei zu sein.
    Allerdings rechnete er auch nicht damit, dass das Jungchen hinten auf dem Wagen ein Leben in der Wildnis auch nur einen Tag aushalten würde. Wahrscheinlich würden sie freiwillig wieder zurückgekrochen kommen, zu ihren Herrn.


    "Na, und jetzt? Wo wollt ihr jetzt hin?", fragte er schließlich, weil ihm das betretene Schweigen langsam nervte.

    Nach kurzer Zeit erreichte Trutmos Ochsenkarren das Stadttor. Er verlangsamte die Fahrt. Der wachhabende Soldat sah zu ihm auf. Der Käsehändler war mittlerweile schon bekannt. Trutmo grüßte wie immer freundlich. Der Soldat verzog keine Mine und winkte ihn durch.


    Mein Herz schlug wie wild, als ich den Wachsoldaten erblickte. Jetzt nur ruhig bleiben, sagte ich zu mir selbst. Mir kamen die Sekunden wie Stunden vor. Dann endlich, der Wagen durfte passieren. Doch die Anspannung blieb noch, solange wir in der Nähe des Stadttores waren.

    Auch Trutmo sah auf und erkannte Linos. "Steig hinten auf und verhalte dich ruhig!", brummte er. Auch ihm merkte man die Anspannung an. Dann stieg auch der Käsehändler auf den Wagen. Sein Ochse, der den Wagen zog, setzte sich langsam in Bewegung. Er lenkte ihn zum südlichen Stadttor.

    Draußen vor der Taberna traf ich auf Trutmo, der eilig die letzten Vorbereitungen für den Aufbruch traf. Unsere Blicke trafen sich kurz. Dann bedeutete er mir, ich solle mich zu ihm vorne auf den Kutschbock setzen. "Falls dich einer fragen sollte, du bist Ada, die Schwester meiner Frau. Und du bist mit mir unterwegs, weil du auf meinem Hof das Kind zur Welt bringen willst. Klar?!" Er sah mich fragend an. Ich nickte. "Klar! Ada, die Schwester deiner Frau." Plötzlich hörte ich, wie wieder die Tür der Taberna ging, dann ein paar eilige Schritte. Schnell fuhr ich um. Jetzt hatte ich richtig Angst. Aber zum Glück war es dann doch nur Linos.

    Trutmo kramte in seinem Geldbeutel herum und fischte einige Münzen heraus."So, hier. Stimmt so!" Ein so herrlicher Anblick hatte auch ein kleines Trinkgeld verdient. Er hatte dem Schankmädchen einen Sesterz mehr in die offene Hand gegeben. Noch ein letzter Blick auf die Schöne, dann wandte er sich an uns. "Ich muss dann!" Er erhob sich und zwinkerte uns zu. "Bis nächste Woche!", rief er dem Wirt noch zu und stampfte dann zur Tür.


    Mir war irgendwie nicht wohl bei der Sache. Was, wenn Linos jetzt doch recht hatte und der uns übers Ohr hauen wollte? Mich hielt es nicht mehr lange auf der Bank. Mich hatte der Seitenblick der Bedienung schon ganz kirre gemacht. Ob ich schon unter Verfolgungswahn litt? Dabei waren wir noch nicht mal aus der Stadt. Ich wollte nur noch weg hier! "Los komm!", flüsterte ich Linos zu und eilte dann auch zur Tür.

    Und so kam es, dass auch auf meinem Teller gähnende Leere herrschte. Alle drei waren wir nun zufrieden. Zumindest wenn es um´s Essen ging. Trutmo nahm Linos Dank gerne an und kramte schon mal seinen Geldbeutel hervor. Er wartete, bis das Schankmädchen vorbei kam. Dabei musste er nicht allzu lange warten, bis sich vor ihm die üppigen Rundungen Erjas aufbauten. Was für einen Anblick, dachte er noch und lächelte vielleicht ein kleines bisschen zu frivol. Doch ihm verging gleich wieder das Lächeln, wenn er an seine Alte zu Hause dachte, die das garantiert nicht lustig gefunden hätte. "Äh, ja… äh, nein... Nur die Rechnung. Ich möchte zahlen, bitte.. äh wenn´s recht wäre. Alles.. das geht alles auf mich." Er deutete auf die leeren Teller und Becher und sah sie andächtig an.

    "Mhm", antwortete ich Linos nickend. Das mit dem für zwei essen, hatte ich schon ein paarmal gehört und störte mich eigentlich nicht weiter. Ich hatte schon viel schlimmere Sachen gehört, die wirklich beleidigend waren. Also grinste ich nur und kaute weiter.
    "Magst du noch den Rest?", fragte ich Linos, der obwohl er schon die ganze Haxe verschlungen hatte immer noch hungrig aussah.
    Als Trutmo von den leeren, oder fast leeren Teller und Becher aufschaute, sah er sich nach dem Wirt um. "So wie´s aussieht, hat´s euch ja geschmeckt. Wir sollten jetzt aber bald los, sonst wird es dunkel bis wir zu Hause ankommen." Als er das Schankmädchen vorbeihuschen sah, hob er die Hand. Hoffentlich hatte sie ihn gesehen.
    Dass es jetzt wirklich losgehen sollte ließ mich verhältnismäßig ruhig. Mein voller Bauch machte mir mehr zu schaffen. Ich hatte viel zu viel gegessen. Aber wer wusste schon, wann es wieder etwas gab.

    "Mach dir keine Gedanken wegen dem Geld! Ich hab heute ein gutes Geschäft gemacht.", brummte Trutmo, nachdem er schon bei Linos erstem Einwand abgewunken hatte. "Komm, hau rein! Einer wie du kann´s noch gebrauchen. – Und du auch!", sagte er dann auch zu mir, als uns der Wirt das Essen auftischte. Mann roch das lecker! Da lief einem echt das Wasser im Mund zusammen. jetzt war´s mir ziemlich schnuppe, ob ich genug Zaster dabei hatte. Dass ich reinhauen sollte, ließ ich mir nicht zweimal sagen. So was Gutes gab es wirklich nicht alle Tage.
    Trutmo warf noch kurz einen Blick auf Linos, damit sich der nicht mehr länger zierte, dann nahm auch er sich seine Haxe vor. "Mhhh, meckt duut!", sagte er mit vollem Mund.
    Verdammt, ja das tat es! Aber ich achtete auf nichts, was um mich herum passierte. Ich aß nur. Ziemlich hastig, als wäre ich auf der Flucht. Na klar, das war ich ja auch. Und selbst wenn jetzt plötzlich neben mir Sermo aufgetaucht wäre, dann hätte mich das kaum gejuckt.
    Trutmo schaute manchmal zu mir herüber und grinste nur, weil ich so reinhaute, als würde mir gleich einer was wegnehmen. Zwischendurch spülte ich das Fleisch mit etwas Met runter. Jetzt machte mir der Alkohol nichts mehr aus.
    Das Fleisch auf meinem Teller nahm rapide ab, bis schließlich nur noch etwas vom Getreidebrei übrig geblieben war. Aber jetzt war ich wirklich papp satt. "Boah, war das lecker! Aber mehr packe ich nicht mehr."
    Der Händler knabberte noch die krosse Schwarte, die er sich immer bis zum Schluss aufhob. Als er auch diese verputzt hatte und den Rest seines Metbeckers geleert hatte, gab er noch einen lauten Rülpser von sich.

    Trutmo zog nur die Augenbrauen hoch. Das war sein ganzer Kommentar zu Linos und meinem Einwand. Mal ganz ehrlich, mich machte der Gedanke, wenn man uns schnappen sollte, auch ganz hibbelig. Besser, wenn ich nicht dran dachte. Sonst hätte ich mir´s vielleicht in letzter Minute noch anders überlegt. Also nahm ich nochmal einen kräftigen Schluck von meinem Met. Irgendwie wurden mir langsam die Glieder schwer. So was aber auch! Ich war nichts mehr gewöhnt.
    "Was ist? Willst du nichts trinken?", fuhr Trutmo Linos an, um das Thema endlich wechseln zu können. Der Met konnte zwar nicht kalt werden, dennoch mochte es Trutmo nicht besonders, wenn so etwas Gutes, wie das Gesöff verkam.