Beiträge von Maximus Decimianus Gallus

    Ich befand mich, wie die anderen Haussklaven unmittelbar in der Nähe der Familie und folgte der Prozession. Die Bahre mit dem schön geschmückten Leichnahm kam nur langsam voran, die Träger hatten am heutigen Tage kein leichtes Vorankommen. Mein Herr schritt ganz vorne hinter der Bahre, dann kamen die Damen des Hauses, die anderen Verwandten, ich hielt den kleinen Romanus an meiner Hand.


    "Komm, kleiner Mann."


    sprach ich immer wieder, wenn der Zug nach einer kleinen Stockung weiterzog. Die Strassen waren gesäumt von Schaulustigen und Trauernden, und nicht wenige schlossen sich hinter uns an.

    Der Kleine wechselte die Themen schneller als andere eine Tunika.


    "Ob ich Nyla liebe?"


    Ich fegte weiter und hatte so langsam das ganze Atrium ausgefegt.


    "Ja, sehr sogar."


    Ich blickte ihn an.


    "Warst Du schon einmal verliebt?"

    Er hatte es gesehen? Bei Teutates, wo trieb sich der Kleine rum? Doch noch ehe ich darauf eingehen konnte, sprudelten schon wieder ganz andere Dinge aus ihm heraus. Von Rom, davon wie er ein großer Mann werden würde und viel mehr. Ich lächelte.


    "Natürlich komme ich mit. Einer muss ja auf Dich aufpassen.
    Nicht dass Dir im Senat das Tintenfässchen auch noch umfällt..."


    Ich lachte und tätschelte ihm wieder den Kopf.
    Einfälle hatte er...

    "So, der kleine Mann, weiß es? Woher denn?
    Hat er in den Büchern seines Onkels gelesen?"


    Ich nahm mir vor in Zukunft darauf zu achten, dass die Werke Ovids gut verschlossen blieben. Ich ließ mich jedoch nicht aus der Ruhe bringen. In den engen Häusern blieb eh nichts lange verborgen und auf dem Lande gar schlief eh alles in einem Raum. Er musste es irgendwo aufgeschnappt haben, sei es auf der Strasse, auf dem Markt, oder beim Herumtollen mit anderen Kindern.


    "Was ist Freiheit, Romanus? Ich kenne unzählige römische Männer, die frei sind. Und doch nicht glücklich. Ich kenne römische Männer die Land besitzen, aber keine Freude. Ich kenne römische Männer, die Länder erobern, und dennoch nie Freunde gewinnen. Ich kenne römische Männer, die Macht haben, und am nächsten Tag in Ungnade fallen und ihren Kopf verlieren, weil ein anderer, der noch stärker und größer ist, dies so will."


    Ich blickte ihn an.


    "Ich bin ein Sklave. Und ich mache meine Arbeit. Ich mag nicht frei sein, aber ich empfinde Freude. Ich habe kein Land und erobere keine Länder, doch ich habe Freunde. Zum Beispiel Dich."


    Ich stupste ihn an die Nase.


    "Und Macht habe ich auch keine. Das einzige was mir passieren kann, ist, dass ich an einen andere Besitzer verkauft werde. Ich bin zu wertvoll als Sklave, als dass man mir den Kopf abschlägt, wie einem Römer."


    Ich zwinkerte ihm zu.

    Ich musste lachen.


    "Fortgehen?"


    Ich fegte weiter.


    "Die Casa Decima ist mein Heimat. Und ausserdem..."


    ich zwinkerte ihm zu


    "... lebt Nyla hier. Und Nyla ist meine Freundin mit der ich am liebsten spiele."


    Ja, so war es. Mit ihr spielte ich am liebsten. Dass sie wie keine andere die Beine um mich schlang, konnte ich dem Kleinen aber schwer vermitteln.

    Wieder hielt ich mit dem Fegen inne.


    "Du weißt es vielleicht nicht, mein kleiner Freund, aber nicht alle Menschen werden frei geboren. Ich kam bereits als Sklave zur Welt. In Massilia. Meinen Vater habe ich nie gekannt und nachdem ich zwei Jahre alt war, wurden meine Mutter und ich nach Tarraco verkauft. Dort geriet ich schon bald in den Besitz Deiner Familie. Dein Großvater erwarb mich, als Dein Onkel und Dein Vater noch nicht einmal geboren waren."


    Ich lächelte.


    "Ich kann Dir daher leider nichts über Gallien erzählen."

    Gallien. Was sollte ich über Gallien erzählen?


    "Gallien ist schon lange eine römische Provinz, kleiner Mann. Schon mein Großvater lebte unter der Herrschaft der Römer und die Zeiten, wo wir noch ein eigenständiges, tapferes, freies Volk waren, sind lange her. Wenn es Dich interessiert, musst Du nur in den Büchern nachschlagen. Auch wenn ich gestehen muss, dass vieles von dem was Caesar schreibt, übertrieben ist."


    Ich packte wieder den Besen und fegte weiter.


    "Willst Du mir beim Arbeiten zusehen? Geh lieber in den Garten und spiel ein bisschen. Oder fütter die Goldfische im Basin..."

    Ich hatte mir schon gedacht, dass das Tintenfass nicht einfach so umgestürzt war und tätschelte dem Kleinen den Kopf.


    "Sicher. Ich nehme Dich morgen auf den Markt mit. Ist versprochen. Allerdings nur, wenn Du dann heute auch rechtzeitig ins Bett gehst. Vom langen wachbleiben und Sternezählen wird man müde, vor allem am Tag danach und dann, dann schläft man mitten im Laufen ein und rennt gegen andere Menschen..."


    Ich lachte und gab dem Jungen einen Klaps.


    "Was machst Du heute Mittag noch? Gehst Du in den Garten? Sag mir auf alle Fälle Bescheid, wenn Du die Casa verlassen möchtest. Ich habe keine Lust die halbe Stadt abzusuchen..."

    "Mmm, das mit dem Tintenfass ist natürlich ein Problem..."


    pflichtete ich ihm bei.


    "Es war nämlich das letzte, das wir im Hause hatten. Wir werden erst ein neues kaufen müssen..."


    Die Augen des Kleinen begannen zu leuchten, als er erkannte, dass er damit für heute von den Hausaufgaben befreit wäre.


    "Ich werde gleich morgen auf dem Markt ein neues Tintenfass besorgen. Du solltest jedoch in Zukunft sorgsamer damit umgehen. Tinte ist teuer, musst Du wissen, und auch wenn Dein Onkel ein reicher Mann ist, so reich ist er nun auch wieder nicht, dass er jeden Tag ein neues Fässchen kaufen kann..."

    "So, ein Unfall."


    Ich spielte den Überraschten und blickten den kleinen Spitzbub an.


    "Was ist passiert? Hat der Hund Dein Pergament gefressen? Das kann kaum sein, denn er befindet sich im Zwinger. Oder kam gar ein Vogel und hat es mitgenommen? Ja, das wäre möglich. Die Götter haben einen Vogel geschickt, der das Pergament geklaut hat."


    Ich zwinkerte ihm zu und strich ihm mit der Hand über den Kopf.


    "Also, was ist?"

    Ich hielt in meiner Arbeit inne.


    "Lucius Decimus Romanus. Ein Decimus bettelt niemals. Dein Vater würde das gar nicht gerne sehen. Und Deine Mutter - mögen die Götter ihr Andenken bewahren - hätte es auch nicht gerne gesehen."


    Ich ging auf den kleinen Kerl zu und beugte mich ein wenig zu ihm hinunter. Ich konnte ihn ja verstehen, aber es half alles nichts.


    "Also, wie sieht es aus? Wie weit bist Du?"

    Ich blickte auf und fragte mich, wo der Kleine schon wieder her kam. Dann jedoch sah ich, dass er gerade ass, und ich lächelte.


    "Ich weiß es nicht. Dein Onkel Decius ist bei der Arbeit.
    Vielleicht nachher, oder später..."


    Mit dem Besen fegte ich gleichmäßig weiter.


    "Wie weit bist Du mit Deiner Hausarbeit?"

    Ich blickte ihm noch kopfschüttelnd hinterher und machte mich dann an die Arbeit. Allein die Götter wussten, was aus dem Burschen mal werden würde. Seine Mutter jedenfalls hätte es mit dem kleinen Träumer nicht einfach gehabt. Dass sie auch in so jungen Jahren sterben musste...