ARISTOTELES
Nikomachische Ethik
Buch I - Kapitel IV
Besser ist es vielleicht auf das Universelle das Augenmerk zu richten und die Frage zu erörtern, wie dasselbe gemeint ist. Freilich fällt uns diese Untersuchung schwer, da befreundete Männer die Ideen eingeführt haben. Es dürfte aber vielleicht besser, ja Pflicht zu sein scheinen, zur Rettung der Wahrheit auch der eigenen Meinungen nicht zu schonen, zumal da wir Philosophen sind. Denn da beide uns lieb sind, ist es doch heilige Pflicht, die Wahrheit höher zu achten.
Diejenigen nun, welche diese Lehre aufgebracht haben, haben überall da keine Ideen angenommen, wo sie von einem Früher und Später redeten, daher sie auch für die Gesamtheit der Zahlen keine Idee aufgestellt haben. Nun steht aber das Gute sowohl in der Kategorie der Wesenheit als in der der Qualität und der Relation. Das »An-sich« aber und die Wesenheit ist von Natur früher als die Relation. Denn diese gleicht einem Nebenschößling und einem Zubehör des Seienden. Folglich kann für diese Kategorien eine gemeinsame Idee nicht bestehen.
Da ferner das Gute in gleich vielen Bedeutungen mit dem Seienden ausgesagt wird (denn es steht in der Kategorie der Substanz, z. B. Gott, Verstand, in der der Qualität: die Tugenden, der Quantität: das rechte Maß, der Relation: das Brauchbare, der Zeit: der rechte Moment, des Ortes: der Erholungsaufenthalt u. s. w.), so gibt es offenbar kein Allgemeines, das gemeinsam und eines wäre. Denn dann würde man von ihm nicht in allen Kategorien, sondern nur in einer sprechen.
Ferner, da es von dem zu einer Idee Gehörigen auch nur eine...