Beiträge von Decima Seiana

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    Für einen winzigen Augenblick hatte Raghnall sogar die Luft angehalten. Dann stutzte er. Der sprechende Prätorianer drohte zwar, aber sonst – kam nichs. Dabei hatte er diesmal wirklich, wirklich, WIRKLICH damit gerechnet, eine aufs Maul zu kriegen, und zwar richtig. Er tanzte mit dem Kerl ja schon seit heute Morgen beständig auf diesem dünnen Grat, und der war einfach humorlos, zumindest was gallische Sklaven betraf, wie es schien. Und wenn schon nicht von dem, dann von diesem anderen, dem neuen, dritten im Bunde, der so ein wenig brutal dreinsah. Ganz wenig. Minimal. Der beschäftigte sich in seiner Freizeit sicherlich mit so etwas angenehmem wie Sticken oder so
    Raghnall ließ seinen Blick von einem zum anderen wandern, ein wenig misstrauisch, ein wenig forschend – und dann begann er sich zu entspannen. Wenn sie ihm da jetzt noch keine reingehauen hatten... na ja, man konnte kaum sagen dass er auf der sicheren Seite war, aber wenigstens ließen die Jungs noch mit sich reden. Und nachdem sich nun auf so überraschende Weise gezeigt hatte, dass doch noch nicht alles verloren war, beschloss er, wieder ein wenig vorsichtiger und ganz vielleicht sogar zuvorkommender zu werden. Wenn die Schwarzröcke den Eindruck hatten, dass er kooperierte, ließen sie ihn vielleicht sogar laufen, ohne dass die Decima erst kommen und ihn irgendwie auslösen musste.


    Die Frage, die der Bursche allerdings dann stellte, war knifflig. Nun, nicht so sehr die Frage an sich – vielmehr die Frage, was Raghnall darauf antworten sollte. Es gab da nämlich mehrere Varianten. Aber nun, es konnte ja nur eine werden. „Als ich ankam... da sind die Leute rumgelaufen wie aufgescheuchte Hühner, weil ein paar Prätorianer dabei waren das Haus auf den Kopf zu stellen.“ Hach ja. So eine schöne Antwort. Leider keiner da, der sie wirklich zu würdigen wusste, davon war der Gallier felsenfest überzeugt. Er grinste erneut, diesmal aber nur ganz leicht, und nach einer winzigen Pause, die nicht lang genug wurde, als dass der Prätorianer etwas hätte einwerfen können, tat er kurz so, als müsse er überlegen – und fügte noch etwas an. In etwa so, als wäre ihm in diesem Moment klar geworden, dass es vielleicht besser war, die ganze Wahrheit zu sagen. „Äh. Aber, hm, als ich das erste Mal heute ankam, war noch nicht so viel los... aber wer... puh, keine Ahnung wen ich da gesehen hab. Im Redaktionsraum waren einige, ich hab nicht so wirklich darauf geachtet, wer da alles war. Und ich kenn auch nicht alle.“ Beides entsprach der Wahrheit, und ein gutes Lügengeflecht hatte immer auch etwas Wahres an sich. Um genauer zu sein: je mehr Wahrheit man mit verbraten konnte, ohne sich die Finger zu verbrennen, desto besser wurde die Lüge. In diesem Fall würde die Lüge, die er vorhatte zu erzählen, nicht auffliegen, nur weil irgendein Acta-Trottel den Prätorianern erzählte, er hätte Raghnall schon vorher gesehen, weil: das hatte er ja nun gerade zugegeben.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Seiana saß im Garten, obwohl es einer der kühleren Tage war, bewölkt, mit der vagen, aber beständigen Androhung von Regen. Der Garten war… einer der wenigen Zufluchtsorte für sie geblieben. Natürlich. Hier war kein Prätorianer gewesen, hatte keiner alles durchsucht, alles auf den Kopf gestellt – anders als in all den Räumen, in denen sie sich sonst bevorzugt aufhielt. Der Garten war unberührt geblieben… und dieses Wissen war ihr wichtig, gab ihr ein wenig… Geborgenheit war wohl zu viel gesagt, aber es ging in die richtige Richtung. Sie saß da, die Arme eng um den Oberkörper geschlungen, das Gesicht gezeichnet von der Müdigkeit, die von zu vielen Nächten mit zu wenig Schlaf stammte, und starrte ins Leere. Die Wachstafeln, die auf dem Tischchen neben ihr lagen, blieben für den Moment unbeachtet. Sie musste einige Briefe schreiben, das war ohnehin schon länger fällig, und nach wie vor zog sie es vor allem bei jenen privater Natur vor, sie selbst zu schreiben und nicht einem Scriba zu diktieren. Sie musste sich um ihre Betriebe kümmern, um das, was zwangsläufig liegen geblieben war während der letzten paar Tage, als die Prätorianer ihre Unterlagen gehabt hatten – immerhin, der Praefectus Praetorio hatte sein Versprechen gehalten und ihr wenigstens diese Sachen gleich am Tag nach ihrem Gespräch wieder bringen lassen. Die drei Tage würden wohl keinen großen Unterschied machen, aber dennoch kümmerte sie sich lieber gleich darum.


    Sie hatte auch einige private Unterlagen zurückbekommen. Briefe… Massas letzten Brief beispielsweise, dem sie noch antworten musste. Und der des Quintilius‘, der auch noch keine Antwort erhalten hatte. Die Nachricht darin hatte sie, als sie ihn erhalten hatte, mit stoischer Ruhe aufgenommen, sowohl äußerlich als auch innerlich. Sie hatte sich wie erstarrt gefühlt, wegen der Absage, aber insbesondere da es doch ungeliebte Erinnerungen wachrief – aber überrascht hatte es sie nicht wirklich. Er war nun schon eine ganze Zeit lang in Germanien, und er hatte sich beinahe ebenso lang nicht mehr bei ihr gemeldet – ebenso wenig wie sie sonst wie erfahren hatte, dass er Anstalten machte, bald nach Rom zurückzukommen. Dass sie für diese Ehe jedoch ihm nicht nach Germanien folgen würde, musste ihm so klar gewesen sein wie ihr, oder besser: sie hatte ihm klar gemacht, dass Rom ihr Zuhause war, dass sie hierzubleiben gedachte. Seine Absage war wohl letztlich nur die logische Konsequenz aus dieser Haltung gewesen, wenn er nicht so bald nach Rom zurückkehren wollte. Und sie konnte sich noch daran erinnern, was ihr ebenfalls in den Sinn gekommen war – das Übliche, das sie begleitete. Eine tadellose Ehefrau sah anders aus. Archias hatte das realisiert, und der Quintilius… vermutlich ebenso, jedenfalls in jener Hinsicht, dass sie in Rom bleiben wollte, egal wo er seine Karriere verfolgte. Aber es war richtig gewesen, darauf zu bestehen in Rom zu bleiben. Sie hatte hier Aufgaben, sie konnte nicht einfach in die Provinz verschwinden. So wichtig es war für eine Frau zu heiraten, so wichtig es ihr war, endlich diesen Anspruch erfüllen zu können, den Anspruch der Gesellschaft und der ihrer Mutter – noch wichtiger war ihr ihre Arbeit. Das war es, worin sie Erfüllung fand, was ihr geholfen hatte in den letzten Jahren, was ihr Halt gegeben hatte. Sie würde in ein Loch fallen, würde sie das aufgeben. Kein Ehemann konnte das aufwiegen, keine Tätigkeit als Matrona.
    Sie fragte sich nur, wann wohl der Terentius an den Punkt kommen würde, an dem ihm klar wurde, dass sie nicht das war, was man sich unter einer vorbildlichen Matrona vorstellen mochte. An dem er womöglich sogar bereute, dieses Bündnis mit ihr eingegangen zu sein. Einfluss war schön und gut, aber sie übte ihren Einfluss nicht wie die meisten anderen Frauen im Hintergrund aus. Sie stand in der Öffentlichkeit, sie hatte sogar vor dem Senat gesprochen, als einzige Frau in den vergangenen Jahren. Andererseits: der Terentius sollte besser als jeder andere wissen, dass er mit ihr keine Frau haben würde, die ihre Rolle traditionell ausübte – deshalb ja war sie überhaupt erst in das Blickfeld der Prätorianer geraten, und damit in seines. Dennoch hatte er ja gesagt, insofern schien er sich daraus nicht allzu viel zu machen. Und er hatte ihr ja auch recht deutlich zu verstehen gegeben, dass es ihn nicht interessierte, was man über ihn dachte. Es war um den Praefectus Urbi gegangen, aber es war gut möglich, dass er allgemein diese Einstellung pflegte.


    Faustus in jedem Fall dürfte glücklich darüber sein. Wenn er denn darüber hinwegsehen konnte, dass sie das wieder allein angegangen war – oder sie ihm diese Sache so verkaufen konnte, dass er glaubte, sie wäre seinem Rat gefolgt. Seine Briefe hatte sie auch wieder erhalten, und diese hatte sie sofort erneut gelesen, auf der Suche nach Bemerkungen über den Terentius, zum Zeitpunkt der Briefe noch Praefectus Aegypti. Viel war es nicht gewesen, aber was Faustus geschrieben hatte, insbesondere in seinem letzten Brief… Er würde zufrieden damit sein, dass sie nun diesen Mann heiratete. Er hatte ihn ja selbst vorgeschlagen, und das war der Punkt, an dem sie einzuhaken gedachte, wenn sie mit ihm darüber sprach. Da war nur das kleine Problem, dass die Prätorianer das Haus durchsucht hatten. Sie wusste noch nicht, wie sie das einweben konnte, ohne zu viel zu verraten, dass alles auch… glaubhaft wirkte. Aber sie konnte das auch nicht einfach unter den Tisch fallen lassen, immerhin war das hier die Casa der Familie – sie hätte es vielleicht dennoch getan, aber es hatten hier im Haus einfach zu viele mitbekommen. Sie musste ihm davon erzählen… und irgendetwas musste ihr da noch einfallen.


    Und während der ganzen Zeit, die sie im Garten verbrachte, grübelte, den ein oder anderen Brief aufsetzte, wieder grübelte… klammerte sie vollkommen, unbewusst, jegliche Grübeleien darüber aus, aus welchem Grund sie sich verloben würde – und mit welcher Art von Mann.

    „Ich danke dir“, antwortete Seiana dem Aedituus, bevor sie sich abwandte und zu einem der Wirtschaftsräume ging, zu denen der Mann gewiesen hatte. Im Inneren angekommen suchte sie nach dem Waschraum, wo sie zunächst einen Augenblick innehielt und bewusst versuchte, sich zu sammeln, sich zu beruhigen. Zeit. Nichts bräuchte sie mehr als Zeit in diesem Moment, mehr Zeit – aber die hatte sie nicht. Und es brachte nichts, nun zu hetzen, nicht in dieser Sache. Sie musste sich sorgfältig vorbereiten, dieses Opfer war ihr zu wichtig, um es durch einen Fehler, geboren aus Flüchtigkeit oder Hast, zu gefährden. Sie begann sich zu reinigen, löste dann die Spangen in ihren Haaren, bis sie offen über ihre Schultern fielen, zog die leichten Sandalen aus und drapierte das weiße Tuch über ihren Kopf, das sie mitgebracht hatte. Mit einer Ruhe, die sie innerlich nicht wirklich empfand, verließ sie den Raum dann wieder und betrat das Innere des Tempels, wo sie sich dem Altar der Minerva zuwandte, der zur Rechten des Iuppiter zu finden war. Ihre Sklaven hatten bereits alles vorbereitet, was sie hier drinnen benötigte, so dass sie nicht mehr warten musste. Mit einer Handbewegung scheuchte sie die Sklaven fort und trat dann an den Altar heran.


    „Minerva Tritonia, Custos Urbis.“ Mit ruhigen Handbewegungen verteilte Seiana Weihrauchkörner in den Feuerschalen auf dem Alter, wo sie mit einem leisen, knisternden Geräusch anfingen zu rauchen, zu brennen, und nur einen Moment später kräuselte sich der erste, feine Rauch nach oben und begann, den Altar und die nähere Umgebung nach und nach mit seinem typischen Geruch zu erfüllen. Seiana hob die Hände, richtete die Handflächen nach oben. „Ich rufe dich, weiseste aller Göttinnen, Schutzpatronin der Künstler, Handwerker und Lehrer, und bitte dich um deinen Beistand.“ Sie wartete, geduldig, ließ den Weihrauchgeruch sich verbreiten und sie gänzlich einhüllen, bevor sie die Hände herabnahm und die Gaben für das Voropfer auf den Altar legte: Blumen und Früchte, Dinkelkekse, und ein silbernes Amulett, das ihrer Mutter einst gehört hatte. Es fiel Seiana schwer, sich davon zu trennen, hatte sie doch nicht viele Andenken an ihre Mutter, und diese wenigen hütete sie wie einen Schatz. Aber wie auch bei der Entscheidung, dass sie der Göttin ein Rind opfern würde und kein kleineres Tier, zählte auch hier einzig, wie wichtig ihr dieses Opfer war, wie sehr sie Unterstützung brauchte. Sie verteilte die Gaben auf dem Altar und hob ihre Hände erneut, wieder in der gleichen Geste. „Minerva Perspicax, leih mir deine Weitsicht. Kläre meinen Verstand, befreie ihn von den menschlichen Fesseln, die ihn einengen, und leih mir für kurze Zeit deinen göttlichen Scharfsinn, auf dass ich so weise sehen kann wie du, was richtig ist, so weise entscheiden kann wie du, wo mein Weg hinführen muss.“ Sie hatte noch kurz überlegt, ob sie die Göttin um einen Hinweis auf eine mögliche Lösung bitten sollte… natürlich hatte sie das. Aber sie hatte sich dagegen entschieden. Sie war der Überzeugung, dass die Beziehung zu den Göttern so nicht funktionierte, oder wenn dann nur selten – und ein Gefallen wie dieser wäre ein sehr großer gewesen. Das, worum sie nun hingegen bat, war kleiner, deutlich bescheidener… und sie wollte ja durchaus auch selbst eine Lösung finden. Sie brauchte nur… sie brauchte eben Unterstützung, um klar denken zu können, weil sie das Gefühl hatte, dass ihr Verstand schon ganz benebelt war von all den Ereignissen des letzten Tages, von den Grübeleien der vergangenen Nacht, den Ideen, entstanden und verworfen und wieder aufgegriffen und wieder verworfen, den Irrwegen, die ihre Gedanken genommen hatten… und nicht zuletzt der Schlaflosigkeit. Und sie hoffte, betete, dass Minerva ihr dies gewährte, dass sie ihr einen klaren, kühlen Kopf schenkte, unbeeinflusst von Müdigkeit, Ablenkungen und Schwäche, für diesen einen Tag. Sie musste etwas finden, was sie dem Terentius anbieten konnte, damit er sie nicht verhaftete und versuchte, sie anzuklagen wegen Hochverrats. Sie musste. Denn mittlerweile, mit einem Tag Abstand zu der Befragung, war Seiana überzeugt davon, dass er einen Weg finden würde, ihr das Schicksal angedeihen zu lassen, das er ihr angedroht hatte. Er musste ihr nur genug anhängen. Er musste nur das, was er bei ihr gefunden hatte, weit genug verdrehen und noch genug ähnliches, aber fingiertes Material hinzufügen, dass es für eine Anklage und einen Prozess reichte – und dann die Richter bestechen, um das Urteil zu bekommen, das er im Sinn hatte. Als Praefectus Praetorio war das ganz sicher kein Ding der Unmöglichkeit für ihn. Ihr musste etwas einfallen. Sie hatte gar keine Wahl. „Lass mir bitte deine Unterstützung, deine Hilfe zuteil werden, Minerva.“ Das letzte war leiser gesagt, persönlicher. Einen Moment lang verharrte Seiana noch, wie sie war, dann beendete sie das Voropfer mit einer Drehung nach rechts, bevor sie den Tempel verließ, um wieder auf den Vorplatz zu gehen – wo das Hauptopfer vollzogen werden würde.

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    Raghnall ließ sich widerstandslos durch Rom zur Castra bringen, und ein wenig überrascht stellte er fest, dass es bereits dunkel geworden war – er hatte gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war an diesem Tag. Die Prätorianer schwiegen, und er tat es ihnen gleich, vermutete er doch, dass es wenig Sinn haben würde auch nur zu versuchen, einen von ihnen in ein Gespräch zu verwickeln. Die waren ja schon von Beginn an nicht die gesprächigsten gewesen, und der Ausgang des letzten Intermezzos in der Acta – das ja bekanntermaßen damit geendet hatte, dass er nun quer durch Rom zur Castra geschleppt wurde, als Gefangener – war Hinweis genug, dass sich das eher noch verstärkt hatte als gebessert.


    In der Castra angekommen sah Raghnall sich aufmerksam um, sog die Eindrücke auf – wenn man schon mal hier war, war es ja geradezu fahrlässig das nicht auszunutzen –, und ließ sich weiter ziehen, hinein in eines der Gebäude. Hinein in den Carcer, wie von dem Miles versprochen. Die Stille, die hier herrschte, fiel ihm als erstes unangenehm auf, aber damit blieb die Stille den Göttern sei Dank nicht allein, denn da war noch der kleine Raum, oh, und der Schemel, auf den er sich setzen musste, der es schaffte irgendwie so unbequem zu sein, dass er lieber gestanden wäre. Die beiden Prätorianer, die er nun schon kannte, blieben da – und dann noch ein dritter, ihm unbekannter, und es war dieser, dem Raghnall einen leicht misstrauischen Blick zuwarf, bevor er ihn wieder auf den Sprecher der drei richtete, der folgerichtig auch jetzt das Wort ergriff. „Alles was ich weiß? Ich hoff ihr habt Zeit, das kann dann etwas dauern…“ Nein, er konnte es nicht lassen, auch in dieser Situation nicht wirklich – obwohl er sich ja selbst sagte, dass es bescheuert war, seine lose Zunge jetzt nicht im Zaum zu halten. „Ich habe meiner Herrin von unserer Begegnung in der Casa erzählt“, berichtete er dann wahrheitsgemäß. Das war auch nichts weiter Besonderes, so weit. Nur was danach? Wenn er erzählte, dass er von der Decima sofort losgeschickt worden war, würden sie wissen, dass er noch vor ihnen in der Acta gewesen war und nicht erst in dem Moment gekommen, in dem der auf den Miles gestoßen war… und dann kam ihm, plötzlich, eine Idee. Nichts, was er jetzt sofort würde umsetzen können, aber wenn die Männer weiter bohrten, wenn sie… intensiver fragten, dann… vielleicht… Für den Moment beschloss er, über Zeiten keine allzu genauen Angaben zu machen, sondern das kleine, feine, herrlich dehnbare Wörtchen zu bemühen, dass in etwa so schön war wie das Wörtchen bald und von dem Prätorianer selbst ins Spiel gebracht worden war: später. „Sie hat mich dann später zum Domus der Acta geschickt. Um dort nach dem Rechten zu sehen, wie ich schon gesagt habe. Sie konnte sich denken, dass ihr dort auch auftauchen würdet, und wollte wissen, ob alles in Ordnung ist. Vor allem bei ihren Mitarbeitern. … Und bei euch“, fügte er noch an, und da war es wieder, dieses leichte Grinsen. „Hätte ja sein können, dass ihr Hilfe braucht beim Chaos anrichten.“





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Sie durfte also gehen. Der Zug um ihre Mundwinkel verhärtete sich wieder ein wenig, aber sie sparte sich jeden Kommentar. Es würde kaum etwas bringen, nun etwas zu sagen – außer das Risiko, dass er es sich vielleicht doch noch überlegte. Aber sie wusste jetzt schon, dass sie Schwierigkeiten haben würde sich diesen Ton auf Dauer gefallen zu lassen, wenn er sich immer so gab.


    Für diesen Moment allerdings schluckte sie jeden scharfen Kommentar, der ihr auf der Zunge lag, kontrollierte ihre Gesichtszüge und nickte nur. „Vale, Praefectus“, erwiderte sie, bevor sie sich erhob und zuerst das Zimmer und kurze Zeit später das Haus verließ.

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    Der Prätorianer machte Ernst damit. Der wollte ihn also tatsächlich mitnehmen... Das lief in der Tat unerfreulich. Aber es gab einfach nichts mehr zu sagen, wenn dann mussten sie schon die Decima ins Spiel bringen – und sich wehren konnte er auch schlecht. Die Soldaten legten ihm zwar keine Ketten an, aber dass war auch gar nicht nötig, so überlegen wie sie waren. Davon abgesehen hätte das ein nur noch schlechteres Licht auf seine Herrin geworfen, wenn er jetzt irgendwelche Sperenzchen machen würde. Und... Raghnall war sich nicht so sicher, dass die Prätorianer davor zurückscheuen würden, anderer Leute Eigentum zu beschädigen. Bei Privatmenschen konnte man sich als Sklave in der Regel herrlich darauf verlassen, dass sie nicht handgreiflich werden, sondern höchstens zur Decima laufen und in irgendeiner Form Genugtuung oder sonst was verlangen würden, aber diese Burschen hier... Nein, das Risiko wäre er auch dann kaum eingegangen, wenn sonst mehr dafür gesprochen hätte.


    Widerstandslos also ließ Raghnall sich von den Prätorianern mitnehmen zur Castra.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Seiana stand am Fenster in ihrem Cubiculum und sah hinaus – was eine ihrer Lieblingsbeschäftigungen geworden war, jedenfalls dann, wenn sie grübelte. Was sie im Moment durchaus schon wieder tat. Marcus hatte einen Gast ankündigen lassen, und da sie in der Regel nicht einfach so Besuch bekam, ging sie davon aus, dass dies jener Gast sein würde, den ihr der Duccius vor wenigen Tagen angekündigt hatte. Ein Schauer lief über ihren Rücken, und unwillkürlich verschränkte sie die Arme. Sie hatte mit dem Duccius nicht mehr gesprochen über diese Sache, seit sie sich bei Magnus' Beerdigung begegnet waren. Sie hatte ihn seither nicht einmal mehr gesehen, und dennoch war die Bedeutung seiner Äußerungen damals eindeutig gewesen, oder jedenfalls glaubte sie das. Rache. Etwas anderes als Rache konnte er nicht meinen, wenn er sagte, dass sie etwas gemein hatten in ihrer Abneigung gegen einen Sicinius, und dass er deswegen auf sie zukommen würde. Und sie wollte Rache – nach dem Gespräch mit dem Duccius war ihr das klar geworden. Es war im Grunde schon vorher klar gewesen, sie hatte diesen Gedanken nur nie zugelassen. Aber sie wollte Rache, für das was geschehen war, für das was sie danach erlebt hatte, für das was sie selbst heute noch hin und wieder heimsuchte. Sie war sich nur nicht ganz so sicher, wer nun dieser Besuch war und was er wohl anbieten würde – ob der Duccius tatsächlich dasselbe im Sinn hatte wie sie.


    Egal was er allerdings im Sinn hatte, es ging um ein delikates Thema, eines, von dem sie ganz sicher nicht wollte, dass es irgendwelche unerwünschten Ohren erreichte. Jetzt, wo Faustus heimgekehrt war und sie wohl den Praefectus Praetorio heiraten würde, wenn denn alles glatt lief, noch viel weniger. Allein deshalb schon musste sie irgendwie dafür sorgen, dass der Sicinius zum Schweigen gebracht wurde. Bisher hatte er keinen Ton von sich geben, nicht dass sie wüsste jedenfalls, aber wenn bekannt wurde, wenn sie heiraten würde... überlegte er sich vielleicht doch noch einmal. Sie wollte weder erpressbar sein noch sich irgendwie zum Gespött machen – und erst recht nicht dieses fragile Bündnis mit dem Terentius gefährden.
    Entsprechend hatte sie den Gast in ihr Cubiculum bitten lassen, etwas, das sie selten tat – obwohl ihre privaten Räume ihr auch als Officium dienten, was einem Teil davon auch anzusehen war, hielt sie diese in der Regel auch privat und empfing keine Besuche hier. Aber es gab immer Ausnahmen, und das hier gehörte dazu.


    Als sie ein Klopfen an der Tür hörte, drehte sie sich mit einem „Herein“ um, blieb aber vor dem Fenster stehen. Im Gegenlicht des Sonnenscheins, der hereinfiel, würde sie nicht sofort so gut zu erkennen sein wie ihr Gegenüber, und das war durchaus beabsichtigt von ihr. Mit einer angedeuteten Kopfbewegung bedeutete sie dem Sklaven, zu verschwinden – dass sie jetzt um keinen Preis mehr gestört werden wollte, hatte sie ihm zuvor schon eingeschärft –, und wandte sich dann ihrem Besucher zu. „Salve, Cispius. Du wolltest mit mir sprechen?“

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    Wie üblich war es Marcus, der die Tür öffnete. Der Gast diesmal erschien reichlich unscheinbar, und auch der Name sagte ihm nicht wirklich etwas – allerdings hatte die Decima ihm gesagt, dass sie Besuch erwartete. „Wenn du einen Moment warten würdest...“ Kurze Zeit später erschien Marcus wieder in der Tür, begleitet von einem Sklavenjungen, der den Gast hinein bringen würde.





    IANITOR - GENS DECIMA

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    „Oh, kein Problem“, antwortete Raghnall mit einem leichtfertigen Grinsen und einem Achselzucken. Warum sollte er sich auch darüber lustig machen, dass Delon ein Eunuch war? Abgesehen davon, dass das viel zu oberflächlich und offensichtlich war und ganz sicher nicht geeignet, um seine Zunge daran auszuprobieren. „Sie... sind Herren. Manchmal nett, manchmal... nicht so nett. Aber sie sind in Ordnung. Sie behandeln uns Sklaven gut, wenn wir uns entsprechend verhalten.“ Er machte eine vage Handbewegung, die eigentlich gar nichts aussagte. „Neben Decima Seiana und Faustus Decimus Serapio leben hier noch Marcus Decimus Mattiacus und Duccia Venusia, die Witwe eines Onkels von Seiana und Serapio, mit ihren beiden Kindern. Oh, und seit neuestem auch Titus Decimus Pinus. Bei dem wär ich ein bisschen vorsichtig, da weiß man nie so recht, wo man dran ist bei ihm. Wenn er euch mag, ist alles in Ordnung.“ Raghnall grinste. Er mochte Pinus irgendwie, auch wenn er wusste, dass seine Herrin nicht wirklich angetan war von dem jungen Decimus. „Garulf, weißt du schon wofür du gekauft wurdest?“





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

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    Iaret lauschte den Erklärungen des Jungen, während er ihn betrachtete. Die Augen schienen klar zu sein, jedenfalls konnte er keine Trübung erkennen.* „Moment“, antwortete er ruhig auf dessen Frage. Noch war er nicht fertig, und vorher würde er keine Einschätzung abgeben. „Augen zu“, kommandierte er dann, um vorsichtig eben jene über den geschlossenen Lidern abzutasten, zu fühlen, ob sie härter waren als gewöhnlich.** „Schmerzen deine Augen auch? Sind sie häufiger gerötet? Bleibt es beim verschwommen Sehen, oder ist dir auch etwas anderes aufgefallen... verändern sich Farben oder Licht und Schatten, bist du empfindlich bei Helligkeit, solche Dinge?“ Er ließ das Gesicht des Jungen wieder los und trat einen Schritt zurück. „Weißt du noch, wann du die ersten Anzeichen gemerkt hast?“ wiederholte er seine erste Frage, weil der Flavius diese nicht beantwortet hatte.



    Sim-Off:

    *Falls das nicht stimmt, sag Bescheid, dann editier ich :)
    **Sind sie's?





    MEDICUS

    Seiana nickte leicht. „Ja. Das freut mich auch.“ Und auch wenn sie nicht unbedingt so wirkte – sie freute sich. Oder besser, sie war erleichtert. Sie hatte eine Lösung gefunden, ein Angebot, das ihn zufrieden stellte, und er hatte mit sich reden lassen... auf gewisse Art. Das war es, was zählte. Dass sie sicher war, dass ihr nichts angehängt werden würde. Dass damit auch ihre Familie, allen voran Faustus, aus dem Schneider war. Dass er seine überlegene Position ein wenig heraushängen ließ, nun, damit kam sie klar, irgendwie – und abgesehen davon konnte sie ihn daran ohnehin nicht hindern. „In Ordnung.“ Sie hoffte nur, ihr Bruder würde bald in Rom eintreffen, damit sie das so bald wie möglich hinter sich bringen konnte. Damit alles festgelegt werden und sie es offiziell machen konnten, denn erst dann würde sie sich wohl wirklich sicher fühlen können. Plötzlich begann sie, wieder die Müdigkeit zu spüren. „Wenn es nichts mehr zu besprechen gibt, würde ich mich nun verabschieden. Du... weißt ja, wo du mich erreichen kannst, wenn es irgendetwas geben sollte.“

    Diesmal war sie sich sicher. Er machte sich über sie lustig. Er machte sich über sie lustig! Für einen winzigen Augenblick verdüsterte sich nun ihr Gesichtsausdruck, aber sie hatte sich schnell wieder im Griff. Diesmal beschloss sie allerdings, auf seinen Kommentar einzugehen. „Es wäre ganz sicher kein schöner Anblick“, entgegnete sie, ihre Stimme freundlich, ihr Lächeln jedoch eher eines von der schneidenden Sorte. „Ich danke dir für dein Entgegenkommen.“


    Jetzt, zum ersten Mal, griff Seiana nach ihrem Weinbecher und nippte daran. Das Gespräch näherte sich dem Ende, jedenfalls von ihrer Seite, und nun, nachdem sie das Wichtigste hinter sich hatte... war ihr nach einem Schluck Wein. Und nachdem der Terentius weiter sprach und immer noch diesen sarkastischen Unterton pflegte, hätte sie am liebsten gleich noch einen getrunken, aber sie ließ es, sondern stellte den Becher wieder ab. „Nein“, antwortete sie mit einem ironischen Lächeln. „Ich glaube, das sind genug Wohltaten für heute, die ich von dir bekommen habe. Kann ich noch etwas für dich tun?“

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    Seine Antwort schien dem Prätorianer nicht zu gefallen, aber das wunderte Raghnall nicht wirklich. Allerdings musste er sich schon wieder zusammenreißen, um nicht ein weiteres Mal um nach dem Rechten zu sehen zu wiederholen, einfach weil der Mann es so schön vormachte. Es war ja noch nicht mal gelogen, in gewisser Hinsicht hatte er hier nach dem Rechten sehen sollen. Aber das hier war nicht mehr der Moment für Witze, und erst recht nicht dafür, sein Gegenüber auf den Arm zu nehmen. Er sah dem Prätorianer nur ungerührt dabei zu, wie der ein paar Schriftsachen hochnahm, ihm unter die Nase hielt und sie dann durch die Gegend warf. Nutzlos waren die Sachen hier also... dann hatte er wenigstens ein paar wichtige Dinge in Sicherheit bringen können. Allerdings war er sich nicht so sicher, ob das überall so aussah. Er glaubte nicht so recht, dass es ihm und den paar anderen gelungen war, alles möglicherweise relevante Material wegzuschaffen. Wenigstens wussten davon nur eine handvoll Leute im Haus. Raghnall zweifelte nicht daran, dass es hier einige gab, die sofort verraten würden, dass er Sachen weggebracht hatte – aber darauf hatte er geachtet, dass das nur die mitbekamen, die er ohnehin ins Vertrauen gezogen hatte, so wie von der Decima angewiesen. Und in den Archivräumen waren niemand unterwegs, der nicht konkret dort etwas suchte.


    Dennoch blieb das Problem, dass der Prätorianer ihm nicht glaubte. Und auch keine Geduld mehr zu haben schien. Und so wenig Raghnall sonst auf den Mund gefallen war – in diesem Augenblick fiel ihm nichts mehr ein, was er noch hätte sagen können. Nichts jedenfalls, was eine Chance geboten hätte, den Prätorianer noch einmal umzustimmen, ihn irgendwie zufrieden zu stellen. Die Aussicht auf den Carcer gefiel ihm nicht wirklich... zumal er sich nicht so sicher war, ob sie die Decima wirklich verständigen würden – was sie eigentlich tun müssten, da sie seine Besitzerin war. Blieb nur zu hoffen, dass die Acta-Leute schlau genug waren, die Decima zu informieren, wenn sie sahen dass er mitgeschleppt wurde. In einer fast ergebenen Geste zuckte er die Achseln. „Nein“, antwortete er ruhig. „Sie hat mich hergeschickt, und hier bin ich. Wenn du mich deshalb mitnehmen willst... kann ich dich kaum daran hindern.“





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Für einen Augenblick war Seiana sich nicht sicher, wie er das nun meinte. Im nächsten war sie es immer noch nicht. Und in dem darauffolgenden auch nicht. Sie konnte nicht sagen, ob seine Worte ironisch waren, ob er sich über sie lustig machte, oder ob er ehrlich amüsiert war. Und sie wusste nicht, was sie darauf antworten sollte, obwohl ihr durchaus das ein oder andere eingefallen wäre. Dass sie es vielmehr pragmatisch als poetisch fand. Dass ihnen kaum eine Wahl blieb, wenn sie nicht wollten, dass Faustus unangenehme Fragen stellte, weil ihre Versionen sich widersprachen. Oder: dass es nur passend war, wenn sie sich wie Verbrecher absprachen, wo er doch – in ihren Augen jedenfalls – die verbrecherischen Methoden schon so schön eingeführt hatte, indem er ihr Hochverrat hatte anhängen wollen, obwohl er wusste, dass das nicht stimmte. Aber zumindest letzteres sagte sie besser nicht laut, und auch das davor... ohne zu wissen, wie er seine Worte nun genau meinte, zog sie es vor nur zu nicken und erneut ihre Lippen zu einem angedeuteten Lächeln zu verziehen – und im Übrigen zu schweigen.


    Dann allerdings wurde er abermals kälter, und Seianas Lächeln gefror, während sie die Zähne aufeinander presste. Mein Schatz. Vorhin schon hatte er sie meine Liebe genannt. Und ihr fiel durchaus auf, dass er das beide Male in einem Zusammenhang sagte, der fern von jeder Freundlichkeit oder gar einem Annäherungsversuch war. Aber in solchen Situationen bewirkte er damit effektiv, sie an ihr Bündnis zu erinnern, und damit daran, dass sie kaum in der Lage war Forderungen zu stellen. Und sie konnte ihn kaum daran hindern, sie so zu nennen... nicht einmal dann, wenn er es ernst meinte, obwohl sie sich mutmaßlich auch dann nicht wirklich wohl mit einer solchen Vertraulichkeit fühlen würde. Sie ließ andere Menschen nicht gerne so nah an sich heran, dass wirklich Vertraulichkeit entstehen konnte. Es waren nie viele gewesen, die ihr überhaupt so nahe gestanden hatten, aber mittlerweile war Faustus der Einzige, und spätestens seit der Sache mit Archias schien sie verlernt zu haben, sich anderen Menschen, neuen Bekanntschaften zu öffnen.
    Aber das war im Grunde nebensächlich. Sie würde erleben, wie diese Ehe werden würde, wie sich ihr Verhältnis entwickeln würde. Wichtiger im Moment war, was er mit diesem Kosenamen nur garnierte. Denn damit war die Acta wohl raus aus der Abmachung. Nicht komplett, wenn sie ihn richtig verstand, aber... es klang ganz danach, als ob er wenigstens das ein oder andere Opfer haben wollte, die er festsetzen, an denen er womöglich seinen Schauprozess durchführen konnte. Und wenn das so war, wenn sie ihn davon nicht abbringen konnte... Ihre Lippen wurden schmal. Wenn es so kam, konnte sie ihm dabei dann entweder zusehen – oder versuchen, so viel Schaden wie möglich abzuwenden. Was aber nichts anderes hieß als dass sie ihm Opfer würde liefern müssen. Sie würde die aussuchen müssen, die der Acta und den übrigen Mitarbeitern am wenigsten schaden würden... und sie ans Messer liefern. Die Aussicht gefiel ihr gar nicht. Und ebenso wenig gefiel ihr, dass sie ihre Sachen vorerst nicht zurückbekommen würde... aber immerhin hatte er nicht bis zur Hochzeit gesagt.


    „Ich verstehe“, antwortete sie mit erzwungener Ruhe. Jetzt konnte sie ohnehin nichts tun außer abzuwarten, was er und seine Prätorianer ihr auftischen würden. „Was ist mit meinen privaten Dingen? Briefe, beispielsweise. Und die Unterlagen über meine Betriebe. Mit der Acta haben diese ja nichts zu tun, und ich wäre doch sehr dankbar, wenn ich diese noch vor nächster Woche zurück erhalten könnte. Um den reibungslosen Ablauf meiner Geschäfte zu gewährleisten.“

    Das war gut. Das war sehr gut. Seiana war schon halb und halb darauf gefasst gewesen, dass sie dem Aedituus etwas würde zustecken müssen, damit sie das Opfer heute noch vollziehen konnte. Dass dem nicht so war, kam ihr nur entgegen, immerhin war insbesondere das Rind teuer genug gewesen. Sie nickte leicht. „Ich danke dir.“ Sie gab einem Sklaven, der zum Eingang des Tempels wartete, ein Zeichen, woraufhin dieser sich umdrehte, um dafür zu sorgen, dass die Opfergaben hergebracht wurden. „Nein, einen Schlächter habe ich nicht dabei. Ich wäre dir dankbar, wenn der Tempel mir einen zur Verfügung stellen könnte. Und gibt es einen Raum, in dem ich mich vorbereiten kann?“ Weiße Kleidung trug sie zwar bereits, aber sie musste sich noch waschen, und ihr Haar lösen würde sie auch noch, bevor sie ihren Kopf bedeckte. Sicherlich konnte sie das auch hier tun... aber es wäre ihr lieber, wenn sie sich noch einmal für einen Moment zurückziehen konnte.

    Seianas Lächeln blieb bestehen, als sie die Antwort des Iunius hörte. „Nein, langweilig wird es mit ihm nicht.“ Was nicht hieß, dass sie immer amüsant fand, was Raghnall sich manchmal so leistete. „Es ist auch oft nicht einfach, aber... nun, jeder Sklave hat seine Vor- und Nachteile, würde ich sagen.“


    Sie wandte ihren Blick wieder dem Händler und dem Sklaven zu. „Nun, offen gestanden... ein Training von zwei Wochen erscheint mir etwas wenig, um dann die Aufgaben eines Leibwächters zu erfüllen. Er wird also noch weiteres Training brauchen“, stellte sie in ruhigem Tonfall fest. Das war eine Tatsache, und es war eine, die den Preis drücken würde – und die der Händler vielleicht beschönigen, aber nicht bestreiten konnte. Selbst für einen Menschen in guter körperlicher Form war es unmöglich, innerhalb von zwei Wochen zu einem wirklich guten Kämpfer ausgebildet zu werden, der sich sowohl mit als auch ohne Waffen zu wehren wusste – was von einem Leibwächter beides gefordert war, denn innerhalb des Pomeriums durften keine Waffen getragen werden. Auch Leibwächter hatten sich daran zu halten... aber mögliche Verbrecher taten das freilich nicht immer, weswegen ein Custos corporis sich zur Not auch mit bloßen Händen gegen einen Bewaffneten zur Wehr setzen können musste.
    Die übrige Ausbildung ließ allerdings kaum zu wünschen übrig, stellte sie fest. „Delon ist in Ordnung“, antwortete sie dem Sklaven, und sie schmunzelte leicht, als sie den Kommentar des Iunius hörte. „Woher genau aus Hispania stammst du? Warum haben dich deine vorigen Herren verkauft?“ fragte sie den Sklaven, diesmal auf Griechisch, um sein Können zu testen, bevor sie – nach der Antwort des Sklaven – wieder zum Händler sah und ins Lateinische wechselte. „Er soll sich ausziehen und zeigen – und vergiss dabei die Zähne nicht.“ Bei einem Leibwächter war der Körperbau wichtig, ob er sich tatsächlich zum Kämpfer eignete. Gute Zähne waren ein weiterer Bonus... Und wenn sie schon einen Eunuchen erwarb, wollte sie auch sicher gehen, dass die Arbeit auch tatsächlich erledigt worden war – und das vernünftig. Der Händler konnte viel anpreisen, aber davon wollte sie sich mit eigenen Augen überzeugen. Zudem würde sie dann gleich sehen können, wie gut die Wunde bereits verheilt war, denn es brachte ihr auch nichts, wenn der Sklave später noch eine Infektion bekam und daran krepierte. „Und lass ihn etwas schreiben. In Latein und in Griechisch.“ Fragend sah sie zu dem Iunius. Wenn sie schon einen Experten bei sich hatte, sollte es sich auch lohnen. „Was sagst du? Weiteres Training wird nötig sein, aber Körperbau, Fähigkeiten... wie beurteilst du sein Potential? Hast du noch weitere Fragen?“

    [Blockierte Grafik: http://img261.imageshack.us/img261/6518/raghnall.png]


    Raghnall konnte ein Zusammenzucken nicht verhindern, als direkt neben seinem Kopf eine Faust gegen die Wand knallte. Das muss weh getan haben, Faust gegen Wand, dachte er im nächsten Moment, aber diesmal hatte er Verstand genug, um das nicht laut zu sagen. Die Faust im Gesicht haben wollte er dann doch nicht, schon gar nicht mit der Wucht. Und so wie der Miles ihn anbrüllte, würde der nicht mehr lange fackeln, bevor er tatsächlich handgreiflich werden würde.


    Dennoch zögerte Raghnall einen Moment. Das war ein ganz schmaler Grat, auf dem er sich jetzt bewegte, und er hatte keine Lust, hinunter zu fallen, weder zur einen noch zur anderen Seite. Was bedeutete: weder die Decima ans Messer zu liefern noch von den Prätorianern verprügelt zu werden. „Um nach dem Rechten zu sehen“, antwortete er dann, diesmal ernst, aber dennoch einigermaßen vage. „Ihr habt heute morgen ihr Haus durchsucht, und es ging um die Acta. Ist doch klar, dass sie jemanden herschickt. Was hättest du an ihrer Stelle getan?“





    SKLAVE - DECIMA SEIANA