Beiträge von Decima Seiana

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    Marcus musterte die Prätorianer vor sich, während einer nun das Wort ergriff. Sie wollten etwas über Decimus Livianus erfahren. Dem Ianitor war nicht so wirklich wohl bei der Sache, aber wem war das schon, wenn die Schwarzröcke vor der Tür standen. „Wenn ihr einen Augenblick warten würdet“, antwortete er höflich, „ich werde mich erkundigen, ob euch jemand empfangen kann.“ Damit schloss sich die Tür vorerst. Viel Auswahl gab es im Moment nicht, Decima Seiana war die einzige der Familie, die anwesend war gerade – und er ging nicht davon aus, dass sie Prätorianer einfach so ein Gespräch verweigern würde. Dennoch würde er die Männer auch nicht einfach so ins Haus lassen ohne ihre Erlaubnis, und so schickte er einen anderen Sklaven los, der zur Decima flitzte.


    Wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür wieder. „Decima Seiana empfängt euch.“ Mit einer Geste bat der Ianitor die Prätorianer herein, und ein Junge führte die Gäste ins Atrium, wo er ihnen ein Platz und etwas zu trinken anbot.





    IANITOR - GENS DECIMA

    Er gab ihr die Tafel, ohne groß Aufhebens darum zu machen, und ein Teil von ihr war dankbar dafür, dass sie das verfluchte Ding weglegen konnte, wieder, ohne es aufzuklappen und zu lesen, und mit dem Siegel nach unten, um auch dieses nicht mehr sehen zu müssen. Sie setzte sich allerdings nicht wieder hin. Sie wollte es, wollte sich hinsetzen, irgendetwas in die Hand nehmen, lesen, all die Zeichen setzen, die einem anderen bedeuteten, dass seine Anwesenheit nicht mehr gewünscht war. Und so sehr sie einen Moment zuvor noch die Ablenkung zu schätzen gewusst hatte, wollte sie nun allein sein. Um sich zu sammeln. Um ihre bröckelnde Fassade wieder zu festigen, hinter der sie sich versteckte, die Fassade, die sie nach außen hin so mühelos ruhig und glatt scheinen ließ, während die Ruhe, die sie im Augenblick bewahrte, einfach nur angestrengt und angespannt wirkte. Der Duccius allerdings stellte noch im gleichen Augenblick, in dem er ihr die Tafel zurückgab, eine Frage, und Seiana blieb stehen und sah ihn an. Sie wusste zunächst nicht, was sie darauf sagen sollte. Das Eingeständnis, einen Feind zu haben, mochte ihr schwer gefallen sein, aber das war dem Grund geschuldet, das wusste sie auch. Feinde zu haben in Rom war nichts Ungewöhnliches, schon gar nicht in einer Position wie der ihren. Umso mehr war aber Vorsicht geboten, mit wem man über was sprach, und in diesem speziellen Fall kam noch dazu, dass Seiana eigentlich gar nicht darüber reden wollte. Sie wollte das Ganze einfach nur vergessen. Aber wie konnte sie das, wenn sie mit der Familie nach wie vor Kontakt hatte, den sie auch nicht so einfach brechen konnte? Der Senator spendete häufig für die Acta, und davon abgesehen würde es schlicht auffallen, ihm, seiner Frau, diversen anderen, wenn sie von einem Tag auf den anderen mit den Sicinii brach. Und ohnehin war sie sich nicht so sicher, ob das wirklich helfen würde. Ob sie dann vergessen würde, wenn sie nur ihre Ruhe hatte.


    Einen Augenblick lang stand sie da und sah ihn einfach nur an, aber bevor ihr etwas einfiel, was sie erwidern konnte, fügte er noch ein paar Worte an, und diese nun ließen sie aufhorchen, machten sie doch deutlich, dass er kein Freund des Seniors war. „Einer seiner Söhne“, antwortete sie langsam. Gegen den Vater direkt hegte sie keinen Groll, auch wenn der Mann nun niemand war, mit dem sie je wirklich mehr als unbedingt nötig hätte zu tun haben wollen. „Haben wir dennoch etwas gemein?“ Möglich, dass dem Duccius die Söhne völlig egal waren. Möglich auch, dass er nun einen Rückzieher machte. Möglich aber ebenso, dass er dennoch bejahte... Sie wusste zwar noch nicht, was das bedeuten könnte, wenn die Antwort des Duccius nun ja lautete. Aber der Gedanke, jemanden zu haben, der ihren Widerwillen gegen den Sicinus teilte – völlig egal, ob nun tatsächlich der Sohn gemeint war –, zündete in ihr das Gefühl, nicht mehr ganz so allein zu sein... Nicht mehr ganz so verloren. Und nicht mehr ganz so hilflos.

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    Es klopfte, und Marcus öffnete die Tür. Wie üblich. Auf den Lippen hatte er bereits eines der Willkommens-und-wie-kann-ich-behilflich-sein-Sprüchlein. Ebenfalls wie üblich. Die Worte blieben ihm dann allerdings erst mal im Hals stecken. Nicht wie üblich. Ganz und gar nicht wie üblich. Der alte Ianitor konnte sich nicht daran erinnern, wann zuletzt Prätorianer hier vorstellig geworden waren, und dann nicht nur ein oder zwei von den Schwarzröcken, sondern ein ganzer Trupp von ihnen. Sein Blick suchte den Anführer, und er neigte höflich den Kopf. „Salvete“, grüßte er, und abgesehen von diesem ersten, winzigen Augenblick, in dem er erst einmal den Anblick vor sich aufgenommen hatte, war ihm nichts anzumerken. Man blickte ja schließlich nicht umsonst auf jahrzehntelange Erfahrung als Ianitor zurück, da ließ man sich von einem Trupp Prätorianer vielleicht zuerst mal ein wenig überraschen, aber nicht aus der Fassung bringen. „Wie kann ich euch behilflich sein?“





    IANITOR - GENS DECIMA

    Seiana strich sich mit den Fingern über das Kinn, während sie zuhörte und nachdachte. „Wenn es einen Bericht dazu gibt, wird sein Name nicht auftauchen“, versicherte sie dem Tribun, als dieser nun doch jemanden namentlich nannte. „Nun... wenn du sonst nichts weiter zu berichten weißt, dann würde ich mir nun überlegen, was sich daraus machen lässt. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob das wirklich reicht – falls dir also noch etwas auffällt, wäre ich dir dankbar, wenn du mich informieren würdest.“ Sie würde auch eigene Erkundigungen einziehen – da ihr Onkel davon betroffen war, erst recht.

    Ein angedeutetes Schmunzeln umspielte ihre Mundwinkel, als der Duccier relativ freimütig zugab, selbst das ein oder andere von den Erzählungen auf der Straße gestreut zu haben. Sie nickte zustimmend, als er geendet hatte – und übersah, wie er versuchte einem der Sklaven ein Zeichen zu geben, weil ihr in diesem Moment die Tafel auffiel. Oder besser gesagt: das Siegel, welches sie effektiv für einige Augenblicke in seinen Bann zog, so sehr, dass sie für nichts Augen oder Ohren hatte, was sich außerhalb dieses winzigen Raums abspielte, der das Siegel und sie einnahm und innerhalb eines einzigen Lidschlags gefüllt war mit Bildern.


    Als Seiana wieder auftauchte, langsam, dachte sie zunächst kaum daran, dass der Duccius etwas gemerkt haben könnte. Und als sie seiner gewahr wurde, versuchte sie, nahtlos an das Gespräch anzuknüpfen, und seine erste Reaktion machte ihr berechtigte Hoffnung, dass ihm entweder tatsächlich nichts aufgefallen oder er taktvoll genug war, einfach darüber hinweg zu gehen, was auch immer er bemerkt haben mochte. Aber dann kam er zu ihr und griff nach der Tafel, bevor sie ihn daran konnte. Oh, sie versuchte es noch, im ersten Augenblick, sie reagierte reflexartig, neigte sich leicht nach vorn und versuchte im Gegenzug nach der Tafel zu greifen, um sie wieder an sich zu nehmen, aber in diesem Moment war es schon zu spät – einen weiteren machte keine Anstalten mehr, sie noch zu bekommen. Dieser erste Augenblick war aus reinem Impuls heraus geschehen, aber im nächsten hatte schon wieder ihre Kontrolle die Oberhand, die sie daran hinderte, etwas zu tun, was sie unter die Kategorie sich gehen lassen einordnete. In diesem Fall noch schlimmer: sich verraten, mit dieser Reaktion, noch mehr als ohnehin schon.
    Langsam ließ sie sich also wieder zurück sinken und beobachtete ihn, ihr Gesicht verschlossen, die Lippen zu einem schmalen Strich zusammengepresst, die Kiefer so angespannt wie ihr Hals und ihre Schultern. Und wartete. Darauf, dass er ihr die Tafel zurückgab, darauf, dass er etwas sagte, darauf, dass er irgendetwas tat. Idealerweise: einfach die Tafel wieder hinlegen und kein Wort darüber verlieren.


    Dass es so einfach nicht werden würde, war ihr schon in dem Moment klar gewesen, als er sich die Nachricht einfach genommen hatte. Dennoch lief es ihr heiß und kalt den Rücken hinunter, als der Duccius sie nun tatsächlich darauf ansprach. Sie begegnete seinem Blick und versuchte ihm standzuhalten, öffnete den Mund, wollte etwas sagen, leugnen, verharmlosen, oder vielleicht auch erklären – dass sie nach wie vor nicht wusste, von wem die Botschaft denn nun genau war. Aber sie presste die Lippen wieder aufeinander, bevor ein Wort darüber kommen konnte. Sie wusste, dass sie sich verhaspeln würde, bei allen Varianten, die letztlich nur dem Zweck dienen würden, auszuweichen. Was diese Sache betraf, fehlten ihr die Worte dafür, die Fantasie, sich etwas auszudenken, was annähernd glaubhaft gewesen wäre, und nicht zuletzt die kühle Selbstsicherheit, es so zu präsentieren, dass es Nachfragen von vornherein lächerlich machte und alles weitere einfach an ihr abprallen ließ. Der Sicinius und alles, was mit ihm zu tun hatte, traf einen höchst empfindlichen Nerv bei ihr, und sie hasste ihn – und sich – nur umso mehr dafür, dass sie das nicht in den Griff bekam. Nicht nachts, in ihren Träumen, nicht tags, wenn sie etwas daran erinnerte.
    Mit halbgaren Ausflüchten, die noch dazu schlecht vorgebracht wurden, würde sie sich wohl nur erst recht verdächtig machen. Und lächerlich. Und das immerhin konnte sie vermeiden. Trotzdem wandte sie ihren Blick ab, wich dem seinen aus und sah für endlose Augenblicke zur Seite, während sie unbewusst eine Hand zur Faust ballte. „Ja“, gestand sie schließlich ein. Es spielte keine Rolle, von wem die Nachricht genau war. Es ging um den, der ihre Reaktion ausgelöst hatte, nicht um den, der möglicherweise die Worte auf jener Tafel verfasst hatte. „Davon kannst du ausgehen.“ Erst danach schaffte sie es, ihn wieder anzusehen, und das auch nur kurz. Ihr Blick wanderte gleich darauf zu der Tafel in seiner Hand, und sie streckte die ihre danach aus, die Faust dabei lockernd, nicht in der Absicht sie ihm wegzunehmen, aber doch in einer auffordernden Geste – und änderte noch in derselben Bewegung ihre Absicht, als sie bemerkte, dass ihre Hand zitterte. Sie erhob sich leicht, neigte sich nach vorn, um den Abstand zu ihm zu überbrücken, und legte ihre Finger an die Tafel, um einen Halt zu haben. Sie machte allerdings keine Anstalten, sie ihm aus der Hand zu reißen, sondern sah ihn nur auffordernd an. „Darf ich?“

    Seiana unterdrückte den Impuls, ihre Brauen leicht zusammenzuziehen, als der Duccier es ablehnte sich zu setzen – dennoch änderte das nichts daran, dass sie leicht irritiert darüber war. Sie mochte es nicht, nicht auf gleicher Augenhöhe zu sein in einem Gespräch. Wenn sie Sklaven oder Acta-Mitarbeitern Anweisungen gab, war das etwas anderes. Aber bei Römern hatte es etwas von... herabsehen. Und sie mochte es nicht, wenn andere auf sie herabsahen. Aber vielleicht hatte er auch nur vor, ihr nicht allzu lange Gesellschaft zu leisten, was er durch seine Ablehnung bereits klar machen wollte.


    Dennoch antwortete er auf ihre Frage recht ausführlich, und Seiana erwiderte sein Lächeln, wenn auch nur vage. „Und dein abgeleistetes Tribunat verschafft dir keinen Bonus? Wie man hört, soll es doch recht erfolgreich gewesen sein. Es gibt Menschen, die dich einen Helden nennen.“ Sie musterte ihn, versuchte seine Reaktion zu deuten, bevor sie den Blick kurz abwandte und die Tafeln vor ein wenig beiseite schob. Dabei rutschte eine von denen herunter, die sie noch nicht die Gelegenheit hatte zu inspizieren. Seiana nahm sie in die Hand und wollte sie zurück an ihren Platz legen, warf dabei einen flüchtigen Blick darauf – und erstarrte, als sie das Siegel sah. Für einen winzigen Moment waren all die Bilder da, die sie so mühsam bekämpfte, überfluteten ihre Gedanken und ließen sie kalt und bleich und leer zurück.
    „Vielleicht haben sie genau davor Angst“, murmelte sie, als sie sich wieder in die Gegenwart zwang, aber ihr Blick immer noch auf die Tafel gerichtet, und in diesem Moment wusste sie nicht so genau, ob sie nicht eher sich selbst damit meinte – in der Rolle derjenigen, die Angst hatte. Und dabei wusste sie noch nicht einmal, von welchem Sicinius die Botschaft stammte, konnte nur spekulieren, dass es weit wahrscheinlicher wahr, dass der Vater ihr geschrieben hatte. Ekel, getüncht mit Hass, wallte in ihr hoch, ebenso gegen sich selbst gerichtet, weil sie sich so leicht aus der Fassung bringen ließ, wie gegen den Mann, der das bewirkt hatte. Mit einer ruckartigen Bewegung legte sie die Tafel fort – obwohl in ihr der Wunsch nach Gewissheit brannte –, und sah nun endgültig wieder zu dem Duccius. „Ein Außenseiter, der droht sie zu überflügeln mit seinen Leistungen, ist mindestens unbequem, vor allem für die, die sich nur auf ihrem Namen ausruhen.“

    Seiana blieb ein wenig zurück gelehnt sitzen, nichtsdestotrotz hörte sie aufmerksam zu, was der Pompeius ihr nun erzählte. Das erste, was sie innerlich für sich zusammenfasste, als er geendet hatte war: er schien es nicht darauf abgesehen zu haben, ihren Onkel und damit ihre Familie in einem schlechten Licht da stehen zu lassen – immer vorausgesetzt natürlich, sie konnte ihm trauen. Das zweite war: irgendjemand hatte offenbar Magnus in einem schlechten Licht da stehen lassen wollen, ob nun bewusst oder nur um sich selbst zu schützen, war vorerst dahin gestellt... oder hatte eine recht verquere Ansicht davon, wie – und vor wem – er seinen Praefectus zu schützen hatte. Und das dritte: irgendetwas schien zwar tatsächlich im Argen bei der Classis, aber ob diese Sache mit ihrem Onkel allein ausreichend war für einen Bericht, darüber war sie sich noch nicht ganz sicher. „Ich gehe davon aus, du nennst mit Absicht keine Namen.“ Sie musterte ihn. „Und du hast tatsächlich keinerlei Anhaltspunkt, warum man dich im Unklaren gelassen hat über die Krankheit meines Onkels?“ Immerhin war Magnus bereits lange erkrankt – und selbst seine engste Familie war nicht informiert worden darüber, weshalb Seiana durchaus auch ein persönliches Interesse daran hatte, das zu erfahren. Magnus' Frau war es gewesen, die schließlich die Kunde von seiner Krankheit gebracht hatte, nachdem sie ihn in Misenum besucht hatte.
    Und die wichtigste Frage, jedenfalls was einen möglichen Artikel anging: „Gab es noch weitere Vorfälle?“


    Seiana schenkte ein und reichte ihrer Tante den Becher, bevor sie nun endlich auch den ihren zum ersten Mal in die Hand nahm, seit sie sich her gesetzt hatte, und daran nippte. Mit der Verantwortung wächst auch die Arbeit. „Ja...“, lächelte Seiana vage. „Das ist wohl wahr. Wenn man am Ende dann die Verantwortung trägt, gibt es einfach gewisse Dinge, die man auch selbst erledigen sollte.“ Dann konnte man wenigstens auch guten Gewissens dafür gerade stehen... denn gerade stehen musste man, so oder so. Wer Verantwortung trug, konnte sich in ihren Augen nicht damit herausreden, dass man delegiert und damit jemand anderes den Fehler gemacht hatte. Man stand auch und gerade für die eigenen Mitarbeiter ein.


    Venusias nächste Worte ließen Seiana für Augenblicke gleichermaßen sprach- wie hilflos zurück. Sie hatte zwar gefragt, und sie hatte ihre Frage auch tatsächlich ehrlich gemeint – aber dass sie eine so offene Antwort bekommen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Und, mehr noch, darauf war sie nicht gefasst gewesen. Und sie war nicht sonderlich gut im Improvisieren, jedenfalls nicht, wenn es um Themen wie dieses ging. Genauso wenig wie sie gut war darin, Gefühle zu zeigen, oder auf die gezeigten Gefühle anderer angemessen zu reagieren. „Ich... Tante, ich wünschte ich könnte irgendetwas tun...“ Man konnte ihr ihre Hilflosigkeit anhören, fürchtete sie, und das... beschämte sie irgendwie. Sie sollte stark sein. Sie sollte Worte finden, die richtigen Worte, und nicht hilflos von sich geben, dass sie sich zwar wünschte zu helfen, aber keine Ahnung hatte wie sie das anstellen sollte. „Ich glaube nicht, dass du etwas hättest tun können. Er war bei der Classis, und das Militär hat doch ausgezeichnete Ärzte. Wenn sie ihm nicht helfen konnten...“ Seiana hob ganz leicht die Schultern an und ließ den Satz unvollendet. Wenn die Ärzte der Classis ihm nicht hatten helfen können, dann war es wohl der Wille der Götter gewesen, ihn zu holen. „Wenigstens hattest du diese letzten Wochen noch mit ihm“, murmelte sie stattdessen. Sie wusste, wovon sie sprach. Sie wusste, wie hart es war, einen Sterbenden auf seinem letzten Weg zu begleiten, sie hatte es selbst erlebt. Entsprechend wusste sie aber auch, was einem, trotz allem Leid, dass dies bedeutete, geben konnte. So schwer es gewesen war, ihrer eigene Mutter auf diesem Weg zur Seite zu stehen, wollte sie doch keinen Augenblick davon missen, keinen einzigen, den sie noch gehabt hatte, und sei es nur deshalb, weil sie wusste, dass die Vorwürfe, die sie sich selbst machen würde wäre sie nicht dabei gewesen, viel größer gewesen wären.

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    „Ich danke dir“, lächelte Raghnall charmant. Oh ja, das war definitiv eine andere Behandlung als beim letzten Mal, wo er auf der Straße stehen gelassen worden war. Während er eintrat, überreichte er der Frau die Botschaft, die er dabei hatte.



    Medicus Germanicus Avarus
    Casa Germanica
    Roma


    Werter Senator,


    in der vergangenen Zeit hat einer meiner Verwandten – Titus Decimus Verus – unter deinem Dach eine Gastfreundschaft und die deiner Familie erfahren. Mit Betroffenheit muss ich dir nun mitteilen, dass Verus einem Überfall zum Opfer gefallen ist.


    An dieser Stelle möchte ich dich für deine Gastfreundschaft ihm gegenüber danken und dich zugleich bitten, seine Habseligkeiten dem Boten mitzugeben, der diese Nachricht überbringt.


    Mögen die Götter dich und die deinen behüten!


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    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    An
    Appius Decimus Massa
    Legio XXII Deiotariana
    Nikopolis, Aegyptus



    Werter Massa,


    da wir bislang noch keinen Kontakt hatten, möchte ich mir dir zunächst einmal vorstellen: mein Name ist Seiana; ich bin Faustus’ Schwester, der als Tribun gemeinsam mit dir bei der XXII dient.


    Es schmerzt mich, dir diesen Brief schreiben zu müssen – umso mehr, da dies der erste Brief ist, den du von mir erhältst. Dein Onkel Titus Verus ist kürzlich tot aufgefunden worden. Nach meinen Informationen wurde er auf offener Straße überfallen, ausgeraubt und im Verlauf dieses Überfalls offenbar erschlagen. Sein Körper wurde in den Tiber geworfen, und wir können den Göttern dafür danken, dass er in den Fluten nicht verschwunden ist, sondern an Land getrieben wurde, so dass wir ihm noch die gebührende Ehre der Aufbahrung und Beisetzung erweisen konnten.
    Ein weiteres Familienmitglied ist ebenfalls von Pluto geholt worden: Primus Magnus, seines Zeichens Präfekt der Classis und Faustus’ und mein Onkel. Er litt schon längere Zeit an einer schweren Krankheit, der er nun erlegen ist.


    Obwohl du deinen Onkel nicht kennen lernen konntest, ist der Verlust eines so engen Verwandten sicherlich dennoch nicht einfach. Ich wünsche dir, dass du Trost in dem Gedanken findest, dass auch jener Zweig der Decima, der nur entfernt mit dem deinen verwandt ist, stets für dich da sein wird.


    Von Faustus habe ich die Nachricht halten, dass ihr den Krieg gegen die Blemmyer erfolgreich beendet habt. Ich möchte dir zu eurem siegreichen Feldzug gratulieren und hoffe, dass ihr und eure Kameraden wohlbehalten nach Nikopolis zurückgekehrt seid. Vor allem anderen aber möchte ich dir dafür danken, dass du meinem Bruder in der Schlacht beiseite gestanden und ihm das Leben gerettet hast. Ich kann mit Worten nicht ausdrücken, was dies für mich bedeutet – sei aber versichert, dass ich dir zutiefst zu Dank verpflichtet bin. Sollte es je etwas geben, das ich für dich tun kann, dann zögere bitte nicht zu mir zu kommen.


    Die Götter mit dir!


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    An
    Tribunus Angusticlavius
    Faustus Decimus Serapio
    Legio XXII Deiotariana
    Nikopolis, Aegyptus



    Lieber Faustus,


    was muss ich da von unserem Berichterstatter in Ägypten lesen? Du bist beinahe umgekommen in dieser Schlacht? Was ist passiert, wie geht es dir – und ich möchte wissen wie es dir wirklich geht, und nicht wie in deinem letzten Brief ein simples: „ich wurde verwundet, aber es geht mir schon besser“ lesen, das so klingt, als sei nichts Besonderes passiert.
    Ich möchte dir natürlich auch gratulieren – zu eurem Sieg, und zu dem, was du geleistet hast, was du beigetragen hast, um ihn zu erringen. Ich hoffe, dass die XXII und du mit ihr inzwischen wohlbehalten in Nikopolis angekommen seid, und du Gelegenheit hattest, dich weiter zu erholen.


    Was die Probleme in Rom betrifft: zumindest jenes mit Verus hat sich – auf traurige Art und Weise – gelöst. Er wurde auf offener Straße überfallen und ausgeraubt, und im Verlauf dieses Überfalls auch erschlagen. Sein Körper ist irgendwann später am Ufer des Tibers gefunden worden, in den die Verbrecher ihn offenbar geworfen hatten. Ich habe Massa hierüber auch einen Brief geschrieben, ich hoffe, er nimmt den Verlust nicht zu schwer.
    Und an dieser Stelle gleich noch eine traurige Nachricht: Onkel Magnus ist ebenfalls gestorben. Venusia war ebenso bei ihm wie Onkel Mattiacus. Nachdem er offenbar schon längere Zeit krank war, haben sie ihn vom Flottenstützpunkt in Misenum auf unser Landgut in den Albaner Bergen gebracht und ihn dort behandelt; allerdings waren jegliche Maßnahmen fruchtlos.


    Ich freue mich, dass du den Quintilier ebenfalls für einen geeigneten Kandidaten hältst. Ich kenne ihn allerdings nicht wirklich, muss ich gestehen, wir haben uns lediglich drei Mal getroffen. Und ich möchte dich auch bitten, Stillschweigen hierüber zu bewahren. Derzeit ist der Quintilius in Germania tätig, und die Götter wissen, wann er wohl wieder nach Rom kommen wird – und ich werde keine Verlobung mehr eingehen, bei der der Hochzeitstermin nicht absehbar ist. Dass er dir aber ebenfalls schreiben und dich um dein Einverständnis bitten soll, habe ich ihm bereits mitgeteilt.


    Was die Iunia betrifft: wie soll ich sagen – ich hatte mich einfach nur bemüht, sie nach dem zu beurteilen, wie ich sie und ihre Arbeit in der Acta mittlerweile kennen gelernt habe. Es bringt mir nichts, diesen Groll ständig mit mir herumzutragen, und ganz gleich, was sie getan haben mag: Archias war ganz sicher nicht völlig unschuldig. Dass die Iunia allerdings die Nichte einer Bordellbesitzerin ist, war mir bislang noch unbekannt, muss ich gestehen… Nun, ich denke dass du am besten wirst einschätzen können, wer wirklich geeignet ist. In Rom jedenfalls gibt es möglicherweise die ein oder andere Kandidatin. Die Helvetia beispielsweise hat zwei unverheiratete Töchter, die derzeit auch in Rom leben. Aelia Vespa ist nach dem Tod des Prudentius nun wieder Witwe; ich weiß nicht, ob sie für dich in Frage käme. Oder vielleicht auch Venusia – ich weiß wirklich nicht, ob das für dich eine Alternative sein könnte, aber immerhin wäre ihr so gezeigt, dass die Decima sie nicht im Stich lässt. Ich werde in jedem Fall die Ohren weiter offen halten, und ich werde auch unseren Verwaltern in Hispania schreiben. Vielleicht hat eine der dort ansässigen römischen Familien mit Wurzeln wie den unseren eine Tochter in heiratsfähigem Alter, was meinst du?


    Pass gut auf dich auf!



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    Sim-Off:

    Wertkarte Decima, bitte

    Ein Bote gab folgende Nachricht ab:


    An
    Gaius Iulius Lucanus
    Casa Iulia
    Roma



    Werter Iulius,


    stellvertretend für die Gens Decima möchte ich dir meinen Dank aussprechen für deine Nachricht. So traurig es auch ist, was du uns hast mitteilen müssen, so wichtig ist es jedoch, dank dir nun Gewissheit über das Schicksal von Titus Verus zu haben. Deine Worte zeugen von dem Schmerz, den du als sein Freund fühlen musst, und ich bedauere, dass du unter seinem Verlust ebenso leidest wie ein Verwandter.


    Mögen die Götter dich stets behüten.


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    Das war doch ganz eindeutig ein anderer Ianitor als beim letzten Mal. Und Raghnall auf Anhieb ungleich sympathischer. Der Gallier setzte ein Lächeln auf. „Salve. Meine Herrin Decima Seiana schickt mich mit einer Botschaft für den Hausherrn. Es geht um Decimus Verus, der einige Zeit lang Gast dieses Hauses war und nun verstorben ist... Ich muss die Tafel nicht persönlich übergeben, soll aber auf eine mögliche Antwort warten.“ Das hieß, eigentlich sollte er darauf warten, dass er die Habseligkeiten des Decimers gleich mitnehmen konnte, wenn möglich. Er wusste zwar nicht, was genau in ihrer Botschaft stand, aber so viel hatte die Decima ihm vorab gesagt.





    SKLAVE - DECIMA SEIANA

    Seianas bisheriges Verhalten, das unbezweifelt höflich, aber nichtsdestotrotz weit davon entfernt gewesen war, warm oder gar herzlich zu sein, kühlte nun noch ein deutliches Stück ab. Ihre Augenbrauen rutschten ein Stück nach oben, und sie neigte sich ein wenig nach vorn, während sie ihn mit ihrem Blick fixierte. „Ich habe nicht davon gesprochen, dass ich deine Geschichte ausschmücken würde, und das lasse ich mir auch nicht unterstellen.“ Der Satz war von schneidender Schärfe, die sie in ihren nächsten Worten ein wenig abflauen ließ. „Aber die Acta Diurna ist ein Staatsorgan. Ich kann nicht blindlings einfach alles veröffentlichen, was mir erzählt wird, und schon gar nicht irgendwelche Zusagen geben, noch bevor ich weiß, worum es sich handelt. Es erstaunt mich doch, jemandem wie dir erklären zu müssen, dass nicht alles an die Öffentlichkeit gehört – und dass es Dinge gibt, die mit Bedacht angegangen werden müssen.“
    Seiana lehnte sich wieder ein wenig zurück. „So lange ich nicht weiß, um was es sich bei deinen Informationen handelt, werde ich dir keine Zusage über eine Veröffentlichung geben.“ Am Ende verpflichtete sie sich noch, irgendeinen Unsinn über den Kaiser selbst zu veröffentlichen, der sie Kopf und Kragen kosten könnte – nicht dass sie glaubte, der Pompeius käme mit so etwas an, aber das war das Grundprinzip, das ihrer Weigerung, jetzt schon eine Zusage zu geben, zugrunde lag. Allerdings hörte sie durchaus auch, dass der Tribun gerade anbot, ihr in Zukunft des öfteren die ein oder andere Information zu geben, sofern das hier zu seiner Zufriedenheit verlief. Und eine Sache immerhin konnte sie ihm anbieten: „Was ich dir versichern kann ist, dass jede Veröffentlichung, die auf deinen Informationen beruht, dir zuvor gezeigt wird. So kannst du sicher gehen, dass der Bericht auch deinen Vorstellungen entspricht.“

    Dass es irgendeinen Hintergrund haben musste, dass der Tribun ihr gegenüber doch recht freimütig die internen Probleme der Classis erwähnt hatte, war Seiana klar gewesen. Und die direkte Art war tatsächlich der richtige Weg gewesen hier, denn der Pompeius reagierte auf ihre Offenheit nun ebenso offen – genauso gut hätte er dicht machen und sich verabschieden können, ein Risiko, das Seiana eingegangen war.


    Er gab also zu, dass er Hintergedanken gehabt hatte. Dennoch blieb sie noch misstrauisch. Ihr fiel durchaus auf, dass er nur von sich sprach. Das konnte nun tatsächlich stimmen, möglicherweise spekulierte er darauf dafür sorgen zu können, dass nach einem negativen Bericht nur die falschen Leute auf wichtigen Positionen landeten – sondern er unter jenen richtigen war, die einen Posten bekamen. Auch wenn manche das vielleicht verwerflich finden mochten, aber das war gang und gäbe, und wie der Pompeius sich einen besseren Posten verschaffte, war ihr recht gleichgültig – abgesehen davon, dass er ihr einen Gefallen schuldig wäre, sollte er das tatsächlich mit Hilfe der Acta, und damit der ihren, schaffen.
    Vielleicht stimmte aber auch ihr Anfangsverdacht: dass er eigentlich im Auftrag des Praefectus Urbi hier war, und auch im Auftrag eben jenes Mannes nun vorgeblich Informationen preis gab. Ob er damit Magnus oder sie in Misskredit bringen wollte, weil bei einem entsprechenden Artikel die Frage aufkommen würde, ob etwa der Praefect der Classis selbst geplaudert hatte, oder er sich einen anderen Erfolg davon versprach, war da zunächst zweitrangig – sollte tatsächlich der Praefectus Urbi seine Finger im Spiel haben, musste sie vorsichtig sein. Allerdings: es konnte nicht schaden, sich zunächst einmal anzuhören, was der Pompeius zu sagen hatte. Und dieses Mal wählte sie ihre Worte mit ein wenig mehr Bedacht. Ein Mal hatte es funktioniert, dem Tribun gegenüber ihren Verdacht offen anzusprechen, ein zweites Mal würde es das womöglich nicht – selbst wenn der zweite nicht deutlich heikler gewesen wäre als der erste. „Nun… wie bereits gesagt: die Acta ist an diesen Informationen durchaus interessiert. Ich kann dir allerdings jetzt noch nicht garantieren, was ich damit anfange – ob sie veröffentlicht werden, und falls ja, in welcher Form. Falls dir das nichts ausmacht… um welche Probleme genau handelt es sich?“

    „Oh, du störst sicher nicht“, versicherte Seiana, und sie erwiderte vage das Lächeln, dass ihre Tante kurz zeigte. Es war im Grunde ohnehin schon reichlich spät, um noch zu arbeiten, aber wie immer dieser Tage diente es ihr mehr zur Selbstbeschäftigung denn zur tatsächlichen Arbeitsbewältigung. Die Decima setzte sich ebenfalls wieder und legte ein paar der Tafeln ordentlich aufeinander, bevor sie auf die Karaffe wies. „Möchtest du einen Schluck Wein?“ fragte sie nach, bereit, einen Becher einzuschenken, sollte Venusia bejahen. Ein klein wenig fühlte sie sich unbeholfen, wie so häufig in Gegenwart jener Menschen, zu denen sie eigentlich ein vertrauteres Verhältnis haben sollte – es aber nicht wirklich hatte, weil sie es nicht fertig brachte. Venusia war ihre Tante, und Seiana wusste, dass sich Faustus beispielsweise gut mit ihr verstand. Und mit den Kindern hatte er auch gut umgehen können, wenn sie sich recht erinnerte. Aber Faustus wiederum schien sich mit jedem gut zu verstehen, was Seiana allerdings wenig verwunderlich fand. Was ihr selbst bei Verwandten Mühe machte, schien ihm auch bei Fremden spielend leicht zu gelingen.


    Mit einem Blick auf den Stapel auf dem Tisch lehnte sie sich ein wenig in ihrem Sessel zurück. „Ja… Ich habe zwar vor meiner Abreise die wichtigsten Dinge geregelt und Vertreter eingewiesen, aber es gibt doch einiges, um das ich mich lieber selbst kümmere. Und ich“ brauche, lag ihr auf den Lippen, aber das verschluckte sie, „mag die Beschäftigung.“ Sie hätte nicht gewusst, was sie hier sonst hätte tun sollen – und wenn es etwas gab, wovor sie im Augenblick Angst hatte, war es nichts zu tun zu haben. „Wie geht es dir?“ Wie schon bei Mattiacus mochte die Frage ganz sicher nicht die geschickteste sein, aber wie auch bei ihm meinte Seiana sie ernst.