Beiträge von Decima Seiana

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    Original von Duccia Venusia
    Es war zwei Tage nachdem Seiana mit der Amme und den Kindern auf dem Landsitz angekommen waren. Ihr tat der der plötzliche Abgang sehr leid und sie wollte sich nochmals und richtig bei ihrer angeheirateten Verwandten bedanken. Sie wusste um die Mühen, die ihre beiden Sprößlinge verursachen konnten. Leider hatten sie es nach der Ankunft irgendwie nicht mehr zu einander geschafft. Das sollte nun nachgeholt werden. Es war Abends und die beiden Racker lagen friedlich schlafend in ihrem Bett als Venusia in der Hoffnung, dass Seiana in ihrem Zimmer war an der Tür klopfte...


    Seiana saß in einem Korbsessel, auf einem kleinen Tisch neben sich die obligatorischen Unterlagen, in die sie ihren Kopf steckte, um sich zu beschäftigen, dazu eine Karaffe Rotwein und ein gefüllter Becher, den sie bisher aber kaum angeführt hatte, als es klopfte. „Herein“, antwortete sie, während sie zugleich eine der Tafeln sinken ließ und aufblickte. Als sie die Duccia eintreten sah, zuckten ihre Mundwinkel in der vagen Andeutung eines Lächelns, und sie stand auf, um sie angemessen zu begrüßen. „Venusia. Möchtest du dich setzen?“

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    Original von Marcus Decimus Mattiacus
    Mattiacus fasste sich an den Kopf. "Ohje, das habe ich ja ganz vergessen. Sein Dienstherr hat ja ein Anrecht darauf zu erfahren, wie und wo und überhaupt, dass Magnus gestorben ist. Ich werde sofort noch ein Schreiben verfassen." sagte Mattiacus, so als ob er auf einmal aus irgendeiner Welt plötzlich wieder im Hier und Jetzt angekommen ist.


    "Wir müssen uns auch nochmal über die Erbschaft unterhalten. Wir beide, aber erst nach der Trauerfeier." sagte Mattiacus noch zu Seiana.


    „Ich glaube nicht, dass uns das jemand verübeln kann in dieser Situation, dass die Nachricht ein wenig verspätet kommt“, antwortete Seiana. „Ich bin auch nur auf den Gedanken gekommen, weil vor ein paar Tagen ein Tribun der Classis bei mir war, der nach Magnus' Verbleib gefragt hat... Offenbar hat es da ein paar Kommunikationsschwierigkeiten innerhalb der oberen Führungsriegen gegeben, warum und wohin er weggebracht worden ist.“ Seiana fuhr sich über ihre Stirn und verwandelte die Geste dann, als ihr klar wurde dass diese nur ein Ausdruck ihrer Müdigkeit war, in ein Wegstreichen einer imaginären Haarsträhne. „Ich weiß nicht genau, was da los war. Er wollte auch hierher kommen, um sich persönlich davon zu überzeugen, dass Magnus hier ist.“ Sie musterte Mattiacus und nickte dann, als dieser von dem Erbe sprach. Nicht, dass das etwas war, was sie wirklich interessierte... Und Mattiacus ebenso wenig, wenn sie seinen Verweis auf nach der Beerdigung richtig deutete. Aber er hatte Recht, gewisse Dinge mussten geregelt werden. „Gerne. Ich habe es so eingerichtet, dass ich ein paar Tage bleiben kann.“

    Was der Tribun sagte, klang durchaus logisch. Jedenfalls was die Tatsache betraf, dass er darauf bestand, ihren Onkel mit eigenen Augen sehen zu wollen. Sie nickte hierzu leicht – und es gab auch nicht wirklich viel, was sie sonst hätte tun sollen. Sie konnte den Pompeius nicht daran hindern, zu dem decimischen Landgut zu reiten, wenn er das unbedingt wollte.


    Das andere Thema allerdings stimmte sie immer noch nachdenklich. Wieder überlegte sie, wie sie am besten vorgehen sollte... und wieder entschied sie sich für eine der direkteren Varianten. „Du weißt, dass ich die Auctrix bin?“ Die Frage war nur rhetorisch gemeint, weswegen Seiana die Antwort gar nicht abwartete. „Es mutet etwas seltsam an, dass du ausgerechnet mir gegenüber davon berichtest.“ Wäre der Tribun nicht gekommen, hätte sie gar nichts davon erfahren, dass es offenbar zu Kommunikationslücken innerhalb der Classis gekommen war. „Verzeih, wenn ich das so offen sage, aber mir drängt sich eher der Verdacht auf, dass bekannt werden soll, dass es zu Fehlern kam.“ Sie machte eine kleine, gezielte Pause, bevor sie dann weitersprach. „Versteh mich nicht falsch – wenn es in der Classis tatsächlich Probleme gibt, dann ist das etwas, das die Acta durchaus interessiert. Nur möchte ich dann ein wenig mehr erfahren. Und ich würde gerne wissen, welche Bestrebungen dahinter stehen, diese Informationen der Acta zuzuspielen.“

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    Iarets Miene blieb undurchdringlich, als die Claudia zu sprechen begann. Als sie gerade von erzählte, sie hätte das Gefühl ihr Kopf würde bersten, hob er seine Hände und begann, ihren Kopf abzutasten, zunächst die Schläfen, dann von dort aus nach hinten wandernd, zum Nacken, übte hier und dort mal leichten, mal stärkeren Druck aus. „Wie lange leidest du schon darunter? Hattest du bereits als Kind diese Kopfschmerzen?“ Er zog seine Hände zurück. „Und wie häufig passiert das?“ Er wollte präzise Angaben, so präzise wie möglich.





    MEDICUS

    Reglos stand Seiana am Fenster und starrte hinaus. Ein dumpfes Pochen dröhnte zwischen ihren Schläfen, und sie hatte das Gefühl, als stünde ihr Kopf kurz vor dem Platzen. Da war zu viel, was darin herum schwirrte. Zu viel, woran sie denken, worüber sie nachdenken musste. Und anders als sonst bekam sie keine klare Linie in ihre Gedanken. Sie schaffte es nicht, sie zu sortieren, weil sie beinahe wie eigenständige kleine Lebewesen in ihrem Kopf herum tanzten und sprangen, ganz nach eigenem Gutdünken, und ihr den Einfluss verweigerten, den sie sonst auf sie hatte. Wie sehr sie auch versuchte sie in strukturierte Bahnen zu zwingen... sie brachen immer wieder aus.
    Dass sie kaum Schlaf bekam, tat noch das Seinige dazu, dass sie sich nicht vernünftig konzentrieren konnte. Kaum Schlaf. Und wenn, dann war er voller Träume, wirr, drückend, und nur allzu häufig quälend. Und wenn sie am Morgen dann erwachte, echote ihr Inneres mit dem Nachhall ihrer Träume. Manchmal spürte sie das Echo noch den ganzen Tag in sich – so wie auch in diesem Augenblick. Das waren die Tage, an denen es am schwersten war klar zu kommen. Die Tage, an denen sie durchaus in Erwägung zog, sich in eine Klinge zu stürzen, wie es eigentlich von einer ehrenhaften Frau erwartet wurde. Natürlich war ihr dieser Gedanke schon häufiger gekommen. Sie hatte von Anfang an daran gedacht, gerade weil es erwartet wurde, vielleicht nicht von allen, aber doch von vielen der Gesellschaft. Nur: hierbei ging es um die Ehre. Und das war nicht das erste Mal gewesen, dass sie mit einem Mann das Bett geteilt hatte. Um der Ehre genüge zu tun, hätte sie sich umbringen müssen, nachdem sie mit dem Duccier zusammen gewesen war. Es jetzt zu tun, nur weil ein Mann sich mit Gewalt genommen hatte, was sie zuvor einem anderen schon freiwillig gegeben hatte, ohne verheiratet zu sein, würde keine Ehre wieder herstellen, nicht die ihre und nicht die ihrer Familie.
    Nein, die einzige Möglichkeit, die Familienehre zu schützen war, dafür zu sorgen dass niemand davon erfuhr. So zu tun, als sei es niemals passiert. An Tagen wie diesen allerdings dachte sie dennoch darüber nach, wie es wäre, wenn sie sich töten würde. Eine rasche Bewegung... und alles würde sich so rot färben, wie sie es in ihren Träumen – des Tags und des Nachts – sah. Rote Schlieren, die sich über den Boden zogen. Sie sah dieses Bild, in verschiedensten Variationen, immer wieder seit jener Nacht, und im Gegensatz zu den anderen, die sie nur quälten, war dieses das einzige, das eine gewisse, morbide Art von Faszination auf sie ausübte. Blut.
    Unbewusst strich sie mit den Fingern der Rechten über das linke Handgelenk, dort, wo die Haut so dünn war, dass die Adern deutlich durchschienen. Als ihr die Bewegung dann klar wurde, verschränkte sie rasch die Arme vor der Brust. Selbstmord war keine Option. Es wäre eine Flucht, nicht mehr, und sie gedachte nicht zu fliehen. Sie mochte nur eine Frau sein, aber sie war in einer Soldatenfamilie groß geworden, und in einer Familie, deren Motto lautete: honor et fortitudo. Ehre und Stärke. Flucht kam nicht in Frage, auch nicht die Flucht in den Tod, so barmherzig er ihr manchmal auch erscheinen mochte.


    Es war zu viel, im Moment. Zu viele Gedanken. Zu viele verschiedene Stränge, die alle im Auge zu behalten waren. Da waren ihre Träume und das Erlebte, das immer wieder kam, immer wieder, ohne dass sie es wirklich effektiv verdrängen konnte. Da waren die Acta und die Schola, die ihr dankenswerterweise zwar Ablenkung zur Genüge verschafften, aber zugleich auch an ihren derzeit ohnehin nicht übermäßig gut gefüllten Energiereserven zehrten. Da war Faustus, um den sie sich inzwischen solche Sorgen machte, dass sie schier verrückt zu werden glaubte, wenn sie dem nur nachgab. Der Brief, den er ihr geschrieben hatte, hatte nicht wirklich dazu beigetragen, ihre Sorgen zu mildern. Eher im Gegenteil. Das Schreiben bewies, dass er immerhin noch am Leben war, aber er war verwundet worden, und Seiana konnte nicht anders, als sich Sorgen zu machen. Und ein schlechtes Gewissen dazu. Er hatte einen Krieg hinter sich, einen weiteren, und was hatte sie getan? Anstatt das zu tun, was richtig gewesen wäre – das, was er umgekehrt tat –, nämlich zu versichern, dass alles in Ordnung sei und er sich keine Sorgen machen müsse, hatte sie ihn mit ihren Fragen und Problemen belastet. Mit der Frage, ob es in Ordnung sei den Quintilius zu heiraten – anstatt damit zu warten. Mit ihrem Fürspruch für die Iunia, von der sie nun, von ihrem Bruder, erfahren musste, dass sie Nichte einer Bordellbesitzerin war; und wenn das stimmte – und Seiana hatte keinen Grund an ihrem Bruder zu zweifeln –, dann war Axilla vielleicht doch nicht so unschuldig, wie sie immer wirkte, und wie Seiana auch angefangen hatte zu glauben, weil sie dachte dass kein Mensch auf Dauer so etwas spielen konnte. Und mit ihren Problemen mit Verus.
    Überhaupt, Verus. Sie hatte seinen Brief noch, den er ihr als Antwort geschickt hatte. Und es ging ihr nicht aus dem Kopf, was er Raghnall als Botschaft mitgegeben hatte – oder was der Sklave ihr von Verus' Reaktion erzählt hatte, dem, was in seinem Mienenspiel und seiner Haltung zu lesen gewesen war. Er habe Hass gesehen, hatte Raghnall ihr erzählt. Und Verus' Worte waren ebenso deutlich gewesen. Er war Salinator's Mann durch und durch – sie hatte keine Ahnung, wann er dazu geworden war oder warum, aber es war so. Er konnte nicht ernsthaft glauben, dass der Vescularius das Beste für Rom war. Dass es das Beste war, wenn dieser Mann in Rom seine Strippen zog, während der Kaiser krank in Misenum lag, so krank, dass er sich nicht einmal mehr zu offiziellen Anlässen seinem Volk zeigen konnte. Oder dass Livianus, und sie, gegen Rom waren. Er konnte das nicht wirklich glauben. Und falls er gegen jede ihrer Erwartungen doch daran glaubte, dann machte es das nicht wirklich besser. Im Gegenteil... Ein Mann, der aus reinem Kalkül und Machtstreben gewisse Allianzen einging, war nicht bereit, jedwedes Risiko einzugehen, und vor allem: er war berechenbar. Ein Mann, der von einer Sache überzeugt war, war nur in einer Hinsicht berechenbar: er könnte zu allem möglichen fähig sein. Und genau das bereitete ihr Kopfzerbrechen. Verus hatte in der Vergangenheit mehrfach bewiesen, dass er seine Entscheidungen nicht rational fällte. Dazu kam, dass er nicht der Zuverlässigste war, und seine Gens schien ihm auch schon jeher nicht allzu viel bedeutet zu haben – wie sonst war zu erklären, dass er einfach sang- und klanglos verschwunden war vor einiger Zeit? Und sein Lebenslauf zeugte von großen Schwankungen, die bestenfalls von einem Menschen erzählten, der einfach nur... planlos war und selbst nicht so recht wusste, was er vom Leben wollte – im schlimmeren Fall aber von einem Mann, der seine Sinne nicht mehr ganz beisammen hatte. So oder so zeugte Verus' Lebenslauf aber von einem, der immer wieder versucht hatte, einen Fuß auf den Boden zu kriegen. Und jetzt, wo er dies geschafft zu haben schien, indem er dem Vescularius die Stiefel leckte... würde er sich das so einfach wegnehmen lassen? Seiana glaubte nicht daran. Sie hatte sich tagelang den Kopf darüber zerbrochen, hatte es hin und her gewendet, von den unterschiedlichsten Perspektiven betrachtet. Aber egal, ob Verus nun tatsächlich an den Praefectus Urbi glaubte oder ihm nur aus Machtstreben heraus hörig war – sie glaubte nicht, dass er sich das nehmen lassen würde. Dass er zulassen würde, dass das Leben, das er nun schon zum x-ten Mal angefangen hatte sich aufzubauen, ein weiteres Mal zerstört werden würde – dieses Mal, weil seine Familie nichts mehr mit ihm zu tun haben wollte und ihn verstieß. Seiana wagte zwar zu bezweifeln, dass Verus seinen Posten verlieren würde, nur weil seine Familie sich von ihm abgewandt hatte, aber so etwas zog seine Kreise in Roms Gesellschaft. Ganz abgesehen von der Unterstützung der Decimer und ihrer Verbündeten, die Verus in Zukunft fehlen würde.


    Mit einem Ruck wandte Seiana sich vom Fenster ab und ging zu einem der Sessel hinüber, die in einem Eck des Raums standen, änderte dann jedoch ihre Richtung und ging zum Schreibtisch. Am seitlichen Ende blieb sie stehen und berührte mit den Fingern der linken Hand sachte die Platte. Wenn sie davon ausging, dass Verus nicht zulassen würde, dass seine Pläne in Gefahr gerieten – und davon ging sie aus –, dann musste sie auch davon ausgehen, dass er etwas tun würde. Irgendetwas. Irgendetwas gegen seine Gens. Gegen sie. Natürlich konnte sie das nicht absoluter Gewissheit sagen... und sie hatte auch keine Ahnung, was er wohl tun mochte. Aber konnte sie das Risiko eingehen, einfach abzuwarten und sich überraschen zu lassen von dem, was er sich wohl ausdenken mochte? Nein, wisperte eine Stimme in ihren Gedanken, wie jedes Mal in den letzten Tagen, wenn sie sich diese Frage gestellt hatte. Nein. Sie durfte nicht abwarten, bis sie nur noch reagieren konnte, denn dann war es möglicherweise schon zu spät. Sie hatte zu viel zu verlieren, ihre Familie hatte zu viel zu verlieren. Die Decimer hatten ohnehin nicht den besten Stand zur Zeit, mit Meridius und Livianus im Ruhestand in Tarraco, mit Magnus auf dem Sterbebett und ihrer Position gegenüber dem Vescularius, die vor allem Livianus eindeutig klar gemacht hatte. Sie konnte nicht warten, bis Verus sie gänzlich in den Untergang stieß – oder riss, je nachdem. Sie musste agieren.



    Kurze Zeit später stand Raghnall im Zimmer der Decima.
    „Ich habe einen Auftrag für dich. Einen, bei dem du deine... Kontakte brauchen wirst.“
    Raghnalls Augenbrauen rutschten ein wenig nach oben, aber davon abgesehen blieb seine Miene ruhig. „Meine Kontakte.“
    „Deine Kontakte“, wiederholte sie kühl, bevor sie ihm in knappen Worten erläuterte, was sie wollte.


    Und nicht allzu lang nach diesem Gespräch verließ der Gallier die Casa Decima. Sein Auftrag war eindeutig, und vor allem anderen hatte ihm die Decima eines eingebläut: es durfte keine Spuren geben, die in irgendeiner Form zu ihr zurück zu verfolgen waren. Aber da Raghnall nicht nur Kontakte hatte, wie die Decima es genannt hatte, sondern darüber hinaus sich bei seinen Streifzügen durch die Halbwelt Roms nie als der ausgab, der er war, war er zuversichtlich, dass das kein Problem werden würde. Das einzige, das etwas knifflig war, war die Sache mit dem Ring. Aber er wäre nicht er, wenn er das nicht irgendwie hinbekommen würde.


    Tage später stand Seiana wieder am Fenster, in einer recht ähnlichen Pose, und starrte nachdenklich hinaus. Hinter ihr, auf dem Schreibtisch, lag der Brief eines gewissen Iulius, der für Verus gearbeitet hatte. Und sein Freund gewesen war, wisperte eine Stimme in ihr, und Seiana schloss für einen Moment die Augen und presste die Lippen aufeinander, bevor sie wieder reglos hinaussah. Überfallen, erschlagen, ausgeraubt. In den Tiber geworfen. Und wieder aufgetaucht... wie im Leben, so schien Verus auch im Tod nicht gewillt zu sein, einer Sache treu zu bleiben. Sie würde mit Raghnall reden müssen, darüber, dass die Männer zwar gute Arbeit geleistet hatten, aber ganz offensichtlich nicht ganz so zuverlässig gewesen waren wie von ihr gewünscht. Aber das hatte noch Zeit. Für den Moment stand sie einfach da, starrte nach draußen und war dankbar, dafür, dass es dennoch so gut geklappt hatte und es eine Bedrohung weniger gab. Dafür, dass das wirre Treiben in ihrem Kopf wenigstens um eine Sache ärmer geworden war. Und nicht zuletzt dafür, dass da im Moment eine Kälte in ihr war, die so manches ein wenig erträglicher machte.
    Und während sie da stand und hinaus starrte, drehte sie in ihren Fingern beständig einen Siegelring der Decima.

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    Original von Duccia Venusia & Marcus Decimus Mattiacus


    Es dauerte nicht lang, und auch Seiana gesellte sich zu den wenigen Menschen dazu, die bei der Bestattung anwesend sein würden. Auch sie trug schwarz, selbstredend, und auch sie machte nicht den besten Eindruck, aber wer tat das schon bei einer Bestattung. Dies war einer der Aspekte, der ihren Aufenthalt hier wiederum beinahe leichter machte als in Rom. Niemand wunderte sich, dass sie blass war, müde aussah und noch verschlossener wirkte.


    Als Seiana hinzutrat, waren alle in Schweigen versunken, ein Schweigen von der Art, das in ihren Ohren zu dröhnen schien – und trotzdem ihr den Eindruck vermittelte, dass sie es lieber nicht brechen wollte. Und so nickte auch sie nur zum Gruß. Am liebsten hätte sie ihre Arme um den Oberkörper geschlungen, weil ihr plötzlich kalt war, aber sie behielt ihre ruhige, aufrechte Haltung bei.

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    Original von Duccia Venusia


    Ein wenig überrascht über den schnellen Abschied der Duccia sah Seiana ihrer angeheirateten Tante hinterher. Sie hatte einiges fragen wollen. Dinge, die zu regeln waren. Wer noch alles informiert werden musste, oder ob sie – oder auch Mattiacus – bereits alles erledigt hatten. Ob sie, Seiana, irgendwo helfen konnte, unterstützen. Aber das hatte wohl Zeit, mutmaßte sie, in Anbetracht der Tatsache, was Venusia ihren Kindern beibringen musste. Und so setzte auch Seiana sich nach einem weiteren Augenblick in Bewegung und betrat die Landvilla, wo sie den Sklaven Anweisungen gab, ihr ein Zimmer herzurichten und ein Bad.

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    Original von Marcus Decimus Mattiacus


    Seiana lächelte flüchtig, als Mattiacus kurz über den Bart sprach – allerdings weniger, weil ihr tatsächlich nach lächeln zumute war, sondern mehr, um ihm einen Gefallen zu tun. Und bei seinen nächsten verging ihr das Lächeln schon wieder. Es ging ihm gut. Körperlich. Allein das sagte im Grunde schon alles aus, der nachdenkliche Blick ins Leere unterstrich das nur noch.


    Seiana, sonst nicht immer unbedingt die Einfühlsamste, glaubte zu verstehen, wovon er sprach, was er meinte – was in der Situation allerdings auch nicht sonderlich schwierig war. Sein Bruder war gestorben. Wie sollte es ihm da wohl gehen? Und sie wusste ja, wie das war, hatte sie doch selbst bereits zwei ihrer Brüder verloren. Wenn auch den Göttern sei Dank nicht den, der ihr von allen mit Abstand am meisten bedeutete... aber wie nahe Mattiacus und Magnus sich gestanden waren, wusste sie nicht.
    Allerdings: sie sprach nicht gern über Trauer. Vor allem nicht über ihre eigene. Und sie wusste nicht so recht, was sie sagen sollte, wusste nicht, was die richtigen Worte waren, die vielleicht ein wenig helfen könnten. So war es nur ein leises „Das kann ich mir vorstellen“, das sie murmelte, als Mattiacus davon sprach, dass es etwas anderes war, einen Angehörigen sterben zu sehen, als einen Patienten – und sie fühlte sich hilflos dabei. Und dann kamen die nächsten Worte, Worte, die sie um Jahre in die Vergangenheit zurück warfen, in ein anderes Land, ein anderes Haus. Eine andere Zeit, wie es ihr schien. Als sie ihrer eigenen Mutter beim Sterben hatte zusehen müssen. Wie sie immer schwächer geworden war. Wie sie mehr und mehr die Kraft verloren hatte, und nicht einfach irgendeine, sondern die Kraft zu leben...
    Seiana, ein wenig blasser geworden als ohnehin schon, nickte vage und suchte nach Worten, egal welchen, Hauptsache sie vertrieben die Erinnerung. „Es... es tut mir so leid. Ich wünschte es hätte noch etwas gegeben, was ihr hättet tun können.“ Sie presste die Lippen aufeinander. „Hast du der Classis geschrieben, dass Magnus gestorben ist? Und dem Palast?“ fragte sie schließlich nach einem Augenblick des Schweigens, um ein wenig abzulenken.

    Seiana sah den Tribun nachdenklich an. Immer noch wusste sie nicht so recht, was sie von dem Ganzen halten sollte. Sie glaubte kaum, dass es üblich war, so offenherzig darüber zu reden, dass offenbar etwas schief lief bei der Classis. „Nein...“, antwortete sie ein wenig gedehnt auf den Kommentar mit der Schuld. „Ich kann mir jedenfalls nicht vorstellen, dass meine Verwandten sich nicht darum gekümmert haben, dass die zweite Offiziersriege Bescheid wusste.“


    Damit schien im Grunde schon alles erledigt zu sein, was der Pompeius wollte – bei seinen nächsten Worten allerdings wurde Seiana schon wieder stutzig. Dass er Magnus besuchen wollte, um noch einmal mit ihm zu reden, kam ihr nicht ganz schlüssig vor. Er wusste nun, wo sein Praefect sich aufhielt und dass er krank war – viel mehr würde er auf dem Landgut auch nicht in Erfahrung bringen können. Seine Anwesenheit würde allerdings Mattiacus und Venusia wohl noch zusätzlich zur Last fallen, und wenn Seiana das vermeiden konnte, würde sie es tun. „Ich halte es für keine gute Idee, wenn du meinen Onkel nun besuchst. Ich kann nur wiederholen, was ich gerade schon sagte: der Praefect ist schwer krank. Er wird derzeit kaum in der Lage sein, dir adäquat weiter zu helfen, und ich gehe davon aus, dass sowohl mein anderer Onkel als auch Magnus' Frau im Augenblick anderes im Kopf haben. Vielleicht kann ich dir ja noch weiter helfen. Oder du schreibst vielleicht zuerst eine Botschaft“, schlug sie vor.
    Und dann war da schon wieder eine Bemerkung darüber, dass manche Abläufe innerhalb der Classis derzeit nicht so ganz zuverlässig funktionierten. Dass niederrangige Angehörige der Flotte – oder auch der Legion – sich über das ein oder andere beklagten, war nicht unüblich. Aber der Pompeius war nicht irgendwer. Er war ein Offizier der Classis. Und sie war keine gute Bekannte von ihm. Sie war die Nichte des Praefectus und ganz nebenbei Auctrix. „Was die Classis angeht...“ Sie taxierte den Tribun einen Moment lang schweigend. In diesem Fall schien ihr die direkte Methode die beste zu sein. „Warum erzählst du mir davon, dass in der Classis derzeit... nun, offenbar einige Missstände herrschen?“

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    Original von Titus Duccius Vala
    Edit: da du sein direkter Untergebener warst, könntest du kurze Briefe verschicken, in dem du von dem Fund berichtest. Das ist aber nur eine Möglichkeit einigermaßen kausal eine SimOn-Grundlage zu schaffen.


    Darum bitte ich auch. Wenigstens der Familie in Rom, um alles weitere kann Seiana sich dann kümmern.

    Seiana nickte langsam, als der Pompeius bestätigte, im Auftrag des Kaisers zu handeln. Allerdings fiel ihr durchaus auf, dass seine Wortwahl... vage blieb. Es konnte alles und nichts heißen. Und sie fand es immer noch äußerst merkwürdig, dass tatsächlich niemand von Magnus' Führungsstab gewusst haben wollte, dass dieser krank war, oder wo er nun hingebracht worden war. Genau das war es allerdings zugleich auch, warum sie eigentlich keinen Grund hatte, dem Pompeier dieses Wissen vorzuenthalten. Er war Tribun der Classis, eigentlich hätte er von seinen Vorgesetzten dort informiert werden müssen. Wenn die Classis Kommunikationsdefizite aufwies, war das sicherlich eine interessante Information für sie und vielleicht die Acta, aber es war nicht ihr Problem, sondern das der Classis. So oder so konnte sie sich jedoch nicht vorstellen, dass niemand wusste, wie es mit Magnus stand. Der Mann hatte lange Zeit seiner Krankheit noch in seiner Unterkunft bei der Classis verbracht, nach allem was sie wusste. Er würde sich dort kaum eingesperrt haben, sondern er würde versorgt und gepflegt worden sein. Er würde sicherlich auch die Geschäfte der Classis weiter geführt haben, so lange ihm das noch möglich war. Und zu guter Letzt war sich Seiana sicher, dass Mattiacus dafür gesorgt haben würde, dass irgendjemand informiert war, als er und die Duccia Magnus schließlich fortgebracht hatten. Nein, das Problem musste irgendwo im Führungsstab der Classis liegen, was ihr aber nach wie vor merkwürdig vorkam – oder aber der Pompeier war in Wahrheit aus einem anderen Grund hier und nutzte Magnus' Krankheit und den angeblichen Informationsmangel darüber als Vorwand. Nur: was war es, das er sonst noch wollte?


    „Nun, Tribun, dieses... Informationsdefizit erscheint mir offen gestanden etwas merkwürdig. Ich hoffe dass dies ein Einzelfall ist.“ Sie lächelte flüchtig und sehr vage, bevor ihre Miene wieder ernst wurde. „Was meinen Onkel angeht, kann ich dir allerdings nur bestätigen, dass er krank ist. Schwer krank, nach allem was ich weiß – sein Bruder Mattiacus ist bei ihm und hat ihn auf eines unserer Landgüter zur Erholung gebracht, in den Albaner Bergen. Aber um die Wahrheit zu sagen: ich glaube nicht, dass die Classis mit einer baldigen Rückkehr ihres Kommandanten rechnen kann. Nach dem, was Mattiacus mir geschrieben hat, dürfte Magnus lange brauchen, bis er sich wieder erholt hat.“ Wenn er sich denn überhaupt erholte, aber das sagte sie nicht laut. Wenn das Schlimmste eintrat, war es so, aber diese Befürchtungen waren nichts, was sie gegenüber Fremden einfach so äußern würde, selbst wenn sie von der Classis waren.

    Sie saß da und musterte den Duccier, aber der sagte zunächst gar nichts, sondern sah nur – mit einem Ausdruck auf seinem Gesicht, der Überraschung zu sein schien – zurück, bis er sich leise mit dem Sklaven austauschte, der ihm gefolgt war. Und während dieses Schweigens, so kurz es auch sein mochte, hatte Seiana Zeit genug, sich an ihr letztes Zusammentreffen zu erinnern. Sie wusste nur nicht, was sie damit anfangen sollte. Oder inwiefern das hier eine Rolle spielen würde... könnte... sollte.
    Der Duccius stellte für sie allerdings eine Ablenkung dar, die sie im Augenblick zu gut brauchen konnte, besah sie sich ihren derzeitigen Mangel daran, als dass sie ihn durch beredtes Schweigen oder unpassende Kommentare ihrerseits vergraulen wollte. Jener Morgen danach war ihr peinlich genug gewesen, weil sie nicht gewusst hatte, wie sie reagieren sollte. Als er also zurück grüßte, beschloss Seiana, das zu tun, was sie ohnehin recht gut konnte und worin sie zur Zeit, wenn man so wollte, noch geübter war: sie verdrängte.


    Bei seinen Worten zuckte kurz eine ihrer Augenbrauen nach oben. „Dasselbe trifft umgekehrt zu, Duccius.“ Umgekehrt traf es sogar noch besser zu, fand sie jedenfalls. Offenbar war er ein engerer Verwandter Venusias, und es war verständlich, dass er gekommen war, um sie zu unterstützen, dennoch war ein Mitglied ihrer Familie gestorben, nicht seiner. „Ich hatte nicht erwartet, dich hier zu treffen.“ Eine kurze Pause. „Ich danke dir für dein Beileid. Magnus war mein Onkel“, beantwortete sie die unausgesprochene Frage, die in seinen Worten mitzuschwingen schien.
    Für einen Moment schwieg sie dann. Höfliches Geplänkel war weder ihre Stärke noch ihre Vorliebe, und obwohl ihr kurz der Gedanke durch den Kopf schoss, dass es – in Anbetracht ihres letzten Treffens – eigentlich irgendwie absurd war, überhaupt auf dieser Ebene miteinander zu sprechen, wollte ihr auch nichts anderes einfallen. Nichts außer dem Thema, das Rom derzeit ohnehin beherrschte, und über das sie als Auctrix bestens informiert war: „Wie läuft dein Wahlkampf?“ Noch während sie sprach, bot sie ihm mit einer Geste einen Platz an.

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    Original von Marcus Decimus Mattiacus
    [...]


    "Salve Seiana, schön dass du hier bist, auch wenn es kein fröhlicher Anlass ist."


    Wie so häufig in diesen Tagen saß Seiana im Tablinum und beschäftigte sich mit irgendwelchen Unterlagen, weniger, weil sie es musste, sondern mehr, um etwas zu tun zu haben, was sie ablenkte. Die Träume suchten sie hier ebenso heim wie in Rom, und hier drohten ihre Gedanken auch tagsüber häufiger abzudriften, als ihr lieb war. Wenn es nur die Erinnerungen selbst gewesen wären... aber vor allem in ihren Träumen sah Seiana nach wie vor blutgetränkte Bilder. Sie sah nie, wie sie die Wunden zugefügt bekam, sie sah nicht einmal die Wunden selbst, und sie empfand auch keinen Schmerz – sie sah nur das Blut, wie es rann und floss und sprudelte, und sich unaufhaltsam ausbreitete. Und sie wurde die Bilder nicht los, nachts nicht, tags nicht. Sie brauchte unbedingt wieder ihr übliches Arbeitspensum, das stellte sie mit jedem weiteren Tag, den sie hier war, fest.


    Als Mattiacus irgendwann nach ihrer Ankunft zu ihr kam, um sie ausgiebiger zu begrüßen, war beinahe so etwas wie ein Lächeln auf ihrem Gesicht zu sehen. Wie er war sie in schwarz gekleidet, was sie recht blass wirken ließ, aber davon abgesehen achtete Seiana sehr darauf – hier beinahe noch mehr als in Rom –, dass ihr ihre Erschöpfung nicht allzu sehr anzusehen war. „Salve, Mattiacus“, antwortete sie, während sie sich erhob und ihrem Onkel entgegen kam, um ihn zu begrüßen. „Es war selbstverständlich, dass ich komme.“ Auch wenn da nicht Magnus' Kinder gewesen wären, die sie – als einzige Verwandte in Rom derzeit – so oder so hierher begleitet hätte, wäre sie gekommen. „Nein, der Anlass ist... keineswegs ein fröhlicher. Wie geht es dir?“ fragte sie nach einem Moment des Schweigens schließlich. Die Frage war nicht sonderlich geschickt in Anbetracht der Situation, aber sie war immer noch eine der besten, zumal sie aufrichtig gemeint war – und sie waren Familie. Es war etwas anderes, wenn eine solche Frage von einem Unbeteiligten kam, der sie mehr heuchelte und die Wahrheit gar nicht wissen wollte.

    Einige Tage waren nun schon vergangen, seit Seiana mit den Kindern ihres Onkels auf dem decimischen Landgut angekommen war. Und sie war sich nicht so sicher, ob es ihr gut tat. Nun, da war der überaus unerfreuliche Anlass für diesen Besuch, der ganz sicher kein Grund zur Freude war. Aber davon einmal abgesehen... es gab die Momente, in denen sie zumindest das Gefühl hatte, dass es ihr gut tat, Rom für ein paar Tage den Rücken gekehrt zu haben. Wenn sie in dem weitläufigen Garten war und die frische Luft roch, den Wind und die Sonnenstrahlen auf ihrer Haut spürte und für wenige, kostbare Augenblicke tatsächlich schaffte, an gar nichts zu denken. Solche Augenblicke waren in Rom bislang weit rarer gesät gewesen als hier.
    Andererseits gab es hier weit weniger Möglichkeiten, die sie zum Ablenken nutzen konnte, und das hieß, dass es die meiste Zeit ein weitaus größerer Aufwand für sie war, sich irgendwie vom Grübeln abzuhalten. Sie unterstützte Venusia, wo sie konnte, aber das Problem war, dass die Duccia selbst die Ablenkung zu brauchen schien – was Seiana nur allzu gut verstehen konnte. Und sie wollte der frischen Witwe ganz sicher nichts wegnehmen, was dieser half, zumal Venusia gegenüber ihren Kindern stark sein musste. Seiana versuchte also, sich so gut als möglich den Aufgaben zu widmen, die sie von Rom mitgebracht hatte, aber ihr fehlte das übliche Tagesgeschäft, das sie in Rom auf Trab hielt, ohne dass sie sich groß die Mühe machen musste, erst nach Beschäftigung zu suchen.


    Als sie zum gefühlten hundertsten Mal die Berichte und Zahlen ihrer Betriebe, der Landgüter, der Acta und der Schola durchgegangen war, hatte sie jemanden nach Rom geschickt, um ihr die Nachrichten zu bringen, die mittlerweile die Casa Decima für sie erreicht haben mochten, und dieser war heute wieder eingetroffen. So saß sie nun im Tablinum, das sie für die Dauer ihres Aufenthalts hier als ihr Officium nutzte, einige Nachrichten bereits geöffnet und gelesen, einige andere noch unberührt vor sich. Der Verwalter eines der Güter hatte ihr einen ausführlichen Bericht geschickt, der wenigstens einigermaßen Lesestoff bieten würde, und mit etwas Glück genug an Arbeit für sie, dass sie die restlichen Tage hier beschäftigt war.
    Für den Moment allerdings legte sie den Bericht beiseite und widmete sich zunächst den übrigen Nachrichten, als sie jemanden den Raum betreten hörte. Sie sah hoch, um zu sehen, wer da kam – Mattiacus war nach wie vor hier, ebenso wie Venusia, und ein Sklave hatte ihr berichtet, dass vorhin ein weiterer Besuch angekommen war. Allerdings war sie dann doch überrascht, als sie nun sah, wer dieser Besucher war. „Duccius.“ Für einen Moment mochte die Überraschung zu sehen gewesen sein, auf ihrem Gesicht, in ihren Augen, dem leichten Anheben ihrer Brauen, aber dann hatte sie sich wieder im Griff.

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    Original von Duccia Venusia
    Wie es sich gehörte, hatte Venusia sich nach den Ritualen in Schwarz kleiden lassen. Hier nach hatte sie nichts mehr zu tun. Doch sie konnte nicht untätig sein. Noch nie und erst recht jetzt nicht. So scheuchte sie den Verwalter und dieser dann die Sklaven durch das Haus, ließ Blumenarrangements aufstellen, den Garten vom Unkrauf und verwelkten Blumen befreien und neue Blumen und Büsche anpflanzen. Ebenso mussten einige Einrichtungsgegenstände den Platz wechseln. Sie brauchte etwas zu tun. Nachdem das alles erledigt war, zog es sie wieder zu ihrem Mann. Viel Zeit verbrachte sie hier nun bis ihre Kinder und die Verwandte aus Roma eintrafen.


    Natürlich eilte sie sofort nach draußen um Sevilla und Lucius zu begrüßen, in ihre Arme zu schließen. Sie hatte wieder einen Grund stark zu sein und das würde sie auch sein, das musste sie und das half ihr. Nachdem die beiden Kinder begrüßt worden waren, wandte sie sich Seiana zu.
    "Seiana, vielen Dank, dass du so schnell kommen konntest."
    Dann umarmte sie auch ihre Verwandte...


    Seiana wartete geduldig, bis die Duccia ihre Kinder begrüßt hatte, bevor sie auch ihr entgegen kam. „Das ist doch selbstverständlich“, antwortete sie – nur um dann etwas hilflos da zu stehen für einen Moment, als Venusia sie umarmte. Zögerlich erwiderte sie die Umarmung dann, immer noch ein wenig überrascht und in erster Linie... ja, hilflos. Und ein klein wenig unangenehm berührt, weil sie es bis auf wenige Situationen bevorzugte, Distanz zu anderen Menschen zu halten. Allerdings hatte sie sich gut genug im Griff, um sich davon nichts anmerken zu lassen.
    Als sie die Umarmung beendeten, fühlte Seiana sich auch schon wieder sicherer. „Dein Verlust tut mir unendlich leid, Venusia.“ Einen Moment lang lag Seianas Hand noch auf der Schulter der anderen und drückte sie leicht, bevor sie auch den letzten körperlichen Kontakt unterbrach. Ihr Blick wanderte zu den Kindern hinüber, und als sie wieder zu deren Mutter sah, senkte sie ihre Stimme, so weit, dass die beiden sie nicht würden verstehen können. „Die Kinder wissen noch nichts davon. Ich dachte mir, dass es das Beste ist, wenn die Mutter es ihnen sagt.“ Und nicht etwa eine Amme – oder gar eine Frau, die zwar ihre Cousine war, die die Kinder aber nicht wirklich kannten.

    Die Reise von Rom war nicht beschwerlich gewesen – jetzt, im Frühling, war die beste Zeit zu reisen –, und hatte auch nicht sonderlich lang gedauert, waren die Albaner Berge doch nur wenig weiter entfernt von Rom als Ostia. Dennoch fühlte Seiana sich erschöpft, als sie endlich auf Meridius' Landgut ankamen. Sie waren in einer Kutsche gereist, mit berittener Begleitung, die sich außerhalb Roms zu ihnen gesellt hatte, und sie hatte sich Arbeit mitgenommen, aber es war schwer, sich vernünftig zu konzentrieren, wenn man längere Zeit mit zwei Kindern unterwegs war. Und wo sie gerade bei Kindern war: Seiana bekam das dumpfe Gefühl, dass sie mit ihnen nicht wirklich umgehen konnte. Bisher hatte sie diese Erkenntnis recht einfach dadurch vermeiden können, dass sie nie wirklich mit den Kindern ihres Onkels über einen längeren Zeitraum in engere Berührung gekommen war, und schon gar nicht allein, nur begleitet von deren Amme. Jetzt allerdings konnte sie nicht anders als sich einzugestehen, dass sie mit Kindern nichts anfangen konnte. Wie für so vieles schien sie auch dafür kein Talent zu haben.


    Aber Erschöpfung schien derzeit ein Dauerzustand werden zu wollen bei ihr, also ignorierte sie das, so gut sie konnte. Froh, das Gerüttel endlich hinter sich zu haben, froh auch, dass sie aus der Gegenwart der Kinder flüchten konnte, die noch keine Ahnung hatten, dass ihr Vater gestorben war – gemeinsam mit der Amme hatte Seiana beschlossen, dass das etwas war, dass ihnen am besten die Mutter selbst mitteilte –, stieg Seiana aus der Kutsche aus und wurde vom Ianitor in die weitläufige Villa gelassen, der, ebenso wie die anwesenden Herrschaften, von einem zu Pferd vorauseilenden Boten bereits über die Ankunft informiert worden war.


    Sim-Off:

    Wie alt sind eigentlich die Kinder? :D

    Müde. Sie war so müde. Sie saß in der Bibliothek, zwei Briefe vor sich auf dem Tisch, einen, der ganz normal abgegeben, und einen, der bei Nacht und Nebel an der Porta hinterlassen worden war. Mit letzterem wusste sie nichts anzufangen. Sie fragte sich, welcher Verrückte sich nun an ihre Fersen geheftet haben mochte, aber das war etwas, worum sie sich weniger Sorgen machte. Die Worte auf der Tafel ergaben wenig Sinn, aber wenigstens so weit schienen sie ihr klar zu sein, dass sie keine Gewalttätigkeit verrieten, nichts, was sie oder die Decima unmittelbar bedrohen würde. Sie würde die Tafel dem Maiordomus übergeben und ihn bitten, die Augen und Ohren offen zu halten, aber das war auch alles.
    Der zweite Brief bereitete ihr weit mehr Magenschmerzen. Magnus war tot. Einer ihrer Onkel. Nicht dass sie in den letzten Jahren viel mit ihm zu tun gehabt hätte, aber dennoch, einer der Brüder ihres Vaters. Und einer der wenigen, den die Decima noch in einer hohen Position hatte. Der letzte, wenn man bedachte, dass sich nun auch Livianus nach Hispania zurückgezogen hatte, so wie Meridius vor einigen Jahren.


    Seiana stützte die Ellbogen auf der Tischplatte auf, senkte ihren Kopf ein wenig und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Sie wusste nicht, was sie tun sollte. Irgendwie... schien alles zu zerrinnen, wie Wasser, das zerlief, oder Sand, der durch ihre Finger rieselte. Kein decimischer Senator mehr in Rom. Kein hochrangiger Ritter mehr. Faustus war Tribun, aber er war in Aegyptus, und sie wusste noch nicht einmal, wie es ihm ging – und welche Ambitionen Mattiacus haben mochte, davon hatte sie keine Ahnung. Und Magnus hatte die Flotte kommandiert. Ein Posten wie dieser konnte kein Mann so einfach für sich gewinnen.
    Langsam ließ sie ihre Hände sinken, starrte auf die nach oben gewandten Handflächen. Etwas musste sich doch tun lassen. Irgendetwas. Aber ihr wollte nichts einfallen. Sie selbst tat, was sie konnte, aber es war nicht genug, so wie es nie genug zu sein schien – und es war nach wie vor nicht das, was von einer Frau eigentlich erwartet wurde.
    Ihre Hände begannen zu zittern, noch während sie sanken, während sie beobachtete, und abrupt drehte sie sie und presste sie, Innenflächen nach unten, hart auf den Tisch. Sie war ungeeignet. Sie konnte das nicht. Sie hatte das Gefühl, dass es ihr zu viel wurde, was sie hier versuchte zu tun. Sie konnte nicht einmal ihr eigenes Leben in den Griff bekommen. Nicht einmal sich selbst, wenn sie an die Abende dachte, die Nächte, die nach wie vor geplagt waren von Bildern, die sie regelmäßig schreiend aufwachen ließen. Immerhin gelang es ihr mittlerweile, mit Raghnall zu schlafen, ohne dass sie... irgendetwas... irgendetwas anstellte. Wie beispielsweise einfach zu erstarren, vor Angst, vor Horror, weil die Bilder sie überwältigten. Oder völlig unkontrolliert zu zittern. Oder gar zu heulen. Das erste Mal war furchtbar gewesen, und sie wollte gar nicht daran denken, was für ein Bild des Elends sie abgegeben haben musste. Natürlich hatte sie sich nicht gut genug unter Kontrolle gehabt, bei weitem nicht gut genug, und als Raghnall schließlich gefragt hatte, was los war, war das der Tropfen gewesen, der in diesem Moment das Fass zum Überlaufen gebracht hatte. Der Sklave hatte sich zunächst schlichtweg geweigert, sie weiter anzurühren, als sie zusammengebrochen war, selbst, als sie es ihm befohlen hatte. Erst, als sie ihm mit der Peitsche gedroht hatte – und ihn absurderweise zugleich gebeten hatte, sie nicht betteln zu lassen –, hatte er schließlich getan, was sie wollte.
    Die nächsten Male hatte sie sich davor mit Wein beholfen, was allerdings nicht immer funktionierte. Es gab die Momente, in denen ihr der Alkohol half, aber ebenso häufig gab es jene, in denen er alles nur noch verschlimmerte, und so verzichtete sie bald wieder darauf. Und zumindest insofern erwies sich ihre Theorie als richtig, dass sie sich daran gewöhnte. Dass es ihr leichter zu fallen begann, auch in diesen Momenten gewisse Erinnerungen zu verbannen.
    Dennoch gelang es ihr nicht, ihre Träume zu kontrollieren. Es gelang ihr nicht, sich so zu beherrschen, wie sie es müsste, jedenfalls in ihrer Vorstellung. Wie sollte sie es da schaffen, die Decima hier in Rom die Stellung zu halten? Sie war dafür einfach nicht geeignet, sie war nicht die Richtige, und doch: mit Mattiacus war sie die Einzige hier. Und der war nun schon seit längerem fort, weilte bei Magnus, der nun gestorben war.


    Seiana spreizte die Finger, die auf dem Tisch lagen. Es half nichts, zu jammern, auch nicht in Gedanken. Sie konnte nur weiter machen – und wenn sie im Augenblick nicht in der Lage zu sein schien, ein größeres Konzept zu erstellen, dann musste sie eben Schritt für Schritt das Notwendige tun. Und der nächste Schritt war die Reise zu den Albaner Bergen. Sie rief einen Sklaven herbei und beauftragte ihn damit, alles herzurichten dafür, bevor sie die Amme der Kinder zu sich holte und auch diese instruierte. Anschließend regelte sie, Stück für Stück, Schritt für Schritt, alles weitere, was nötig war während ihrer Abwesenheit. Und noch am selben Tag brachen sie auf.

    Sie wollte schlafen. Sie sehnte sich danach, zu schlafen.


    Aber sie konnte nicht.


    Jede Nacht war es das gleiche Spiel. Es war nicht so, dass sie nicht müde wäre, ganz im Gegenteil. Sie arbeitete, härter als je zuvor, oft bis spät in die Nacht hinein, jeden Tag so lange, dass sie kaum noch die Augen offen halten konnte. So lange, dass sie fast schon im Stehen einschlief. Und dennoch half das wenig, wenn sie dann endlich lag und einschlafen wollte. Ungewollte, unerwünschte Bilder drängten sich vor ihr inneres Auge. Tagsüber konnte sie verdrängen, was passiert war, aber abends, wenn sie so furchtbar müde war und dennoch nicht schlafen konnte, durchlebte sie wieder und wieder, was passiert war. Sie lag starr im Bett, ins Leere starrend, ihre Gedanken gefangen in einer Spirale, die immer weiter abwärts zu führen schien und in der sie manchmal so rasant unterwegs war, dass ihr tatsächlich schwindlig wurde. Das Schlimmste war vielleicht, dass sie wusste, dass sie in einer Spirale gefangen war, die ihre Gedanken nur immer weiter im Kreis drehen ließ – sie aber nicht daraus ausbrechen konnte, um es zu beenden. Sie versuchte es, zwang sich, an etwas anderes zu denken, aber damit zwang sie sich zugleich auch, wach zu bleiben, und jedes Mal, wenn die Müdigkeit überhand nahm, ließ auch ihre Kontrolle nach, und die Bilder stürmten erneut auf sie ein.
    Bis sie irgendwann dann doch einfach einschlief. Und wenn sie dann in den Schlaf fand, warteten schon die Träume.


    Nein, sonderlich erholsam waren die Nächte nicht für sie zur Zeit. Genauso wenig die Tage, in denen sie sich mit Arbeit regelrecht überhäufte. Sie versuchte so viel Distanz wie möglich zu bekommen, und obwohl sie wusste, dass dadurch nichts ungeschehen gemacht werden würde, war sie doch überzeugt davon, dass der beste, der einzige Weg war. Einfach weiter zu machen. Sie musste nur irgendwie fertig werden mit den Problemen, die sich ihr stellten, dem Einschlafen, den Träumen, und ihrer Erschöpfung im Moment.
    Und dann war da noch Sex. Von ihrem Verstand beherrscht wie Seiana war, zwang sie sich auch diesen Aspekt durch zu denken, freilich immer mit dieser kühlen Distanz, die sie zu dem Geschehen selbst zu wahren versuchte. Was letztlich gar nicht so schwierig war, denn in ihren Gedanken, so lange sie sie bewusst steuerte, hatte es für sie allzu häufig nicht mehr den Anschein, als wäre der Sicinius über sie hergefallen. Es war jemand anders, irgendjemand, aber nicht sie. Diese Sichtweise ermöglichte es ihr, beinahe kühl zu analysieren, welches Problem noch vor ihr lag. Denn Sex konnte nicht nur, es würde zu einem Problem werden, wenn sie nichts unternahm. Einem Teil von ihr, dem, der nur schwer kontrollierbar war, schauderte bei dem Gedanken daran, einen Mann wieder in ihr Bett zu lassen. Sie wusste, sie hatte es erlebt, wie befriedigend das sein konnte. Aber immer, wenn sie nun daran dachte, verlor sie die sich selbst auferzwungene Distanz. Andere Bilder schoben sich vor ihrem inneren Auge unwillkürlich dazwischen, Bilder, die sie geschafft hatte in ihre Träume zu verdrängen und in jene Momente vor dem Einschlafen, vermengten sich mit der Vorstellung, mit einem Mann wieder das Bett zu teilen, bis sie sie schließlich überlagerten. Für den Moment konnte sie sich damit behelfen, indem sie schlicht auf Distanz schob oder, wenn möglich, ganz verdrängte, was sie an jene Nacht erinnern könnte. Sie konnte ihre Gedanken, ihre Erinnerungen nicht komplett kontrollieren, konnte nicht verhindern, dass sie dennoch immer wieder aus den Tiefen ihres Inneren an die Oberfläche schossen, aber es war das Beste, was sie im Augenblick leisten konnte. Und zumindest tagsüber war es schon deutlich leichter geworden, leichter, gewisse Erinnerungen zu verbannen.
    Aber sie wusste, dass das nicht reichen würde. Die Nächte quälten sie nach wie vor. Und sie würde heiraten. Es mochte sich zwar noch ein wenig ziehen, bis die Zeremonie tatsächlich durchgeführt wurde, und vielleicht würde es doch nicht der Quintilius werden, je nachdem was ihr Bruder sagte, aber früher oder später würde sie heiraten, denn so sehr sich ihre Ansichten bezüglich der Familienehre und wie diese gewahrt bleiben sollte auch geändert haben mochten, über diesen Punkt war nicht zu diskutieren: eine gute Römerin hatte verheiratet zu sein, und ihrem Mann Erben zu schenken. Und sie würde diesen Anspruch erfüllen. Später als die meisten Römerinnen, später als im Grunde akzeptabel war, aber sie würde ihn erfüllen, und wenn sie ihn erfüllt hatte, würde kaum noch jemand beachten, dass sie so lange dafür gebraucht hatte, oder danach fragen warum.
    Sie würde also heiraten. Und sie würde mit ihrem Mann das Bett teilen. Es reichte also nicht zu lernen, diese Erinnerungen tagsüber effektiv zu verbannen – sie würde lernen müssen, das auch abends, nachts zu tun, und sie würde lernen müssen, irgendwie damit umzugehen. Denn sie würde es ganz sicher nicht einfach so darauf ankommen lassen, dass sie sich in ihrer Hochzeitsnacht so gut unter Kontrolle haben würde, dass ihr Mann nichts merkte. Sie hatte nicht vor, sich eine Blöße zu geben. Schwäche zu zeigen. Vor niemandem – erst recht nicht vor dem Mann, dessen Frau sie sein würde. Zweckehe oder nicht, sie wollte, dass er sie respektierte, nicht bemitleidete oder gar für schwach hielt. Nein, sie hatte nicht vor, sich auch nur das Geringste anmerken zu lassen, wenn es so weit war. Und eigentlich hatte sie nicht einmal vor, ihrem Mann etwas vorzuspielen, wenn sie mit ihm schlief. So schwer sie sich das im Moment auch vorstellen konnte – es musste möglich sein, das Gewesene so sehr zu rationalisieren und objektivieren, dass sie sich genug davon distanzieren konnte, um es endgültig zu verbannen. So sehr, so tief, dass es keine Rolle mehr spielte, nicht einmal mehr dann, wenn sie mit einem Mann das Bett teilte.


    Obwohl Seiana für gewöhnlich ein Mensch war, der nicht lange fackelte, wenn es darum ging einen einmal gefassten Entschluss durchzuführen, dauerte es diesmal Tage, bis sie die einzig logische Konsequenz, die sich für sie aus diesen Überlegungen ergab, auch in die Tat umzusetzen vermochte. Gewöhnung war der Schlüssel, davon war sie überzeugt. Sie musste sich nur... daran gewöhnen. Oft genug mit einem Mann schlafen, bis sie ihre inneren Verteidigungslinien so perfektioniert hatte, dass nichts mehr ungebeten daran vorbei dringen konnte.
    Allerdings war es eine Sache, sich das zu überlegen – eine völlig andere jedoch, es auch zu tun. Aber der Gedanke daran wurde nicht besser, je länger sie wartete, und mit jedem Tag, mit dem sie es weiter hinaus zögerte, kam sie sich feiger vor – bis sie sich schließlich endgültig dazu durchrang und Raghnall wieder zu sich rief.

    ]An
    Tribunus Angusticlavius
    Faustus Decimus Serapio
    Legio XXII Deiotariana
    Nikopolis, Aegyptus


    Lieber Faustus,


    wie geht es dir? Die Nachrichten aus Aegyptus kommen nur spärlich zu uns und mit großen Abständen, aber dennoch weiß man hier, dass es heftige Kämpfe bei euch gibt. Es ist wie so oft – was man weiß, ist nicht wenig genug, als dass man sich keine Sorgen machen würde, aber bei weitem nicht genug, um wenigstens einige dieser Sorgen zu zerstreuen. Ich hoffe du bist wohlauf und bete zu den Göttern, dass sie dich schützen.


    Eine Bitte habe ich auch an dich – sie betrifft Iunia Axilla. Es mag vielleicht seltsam klingen, dass ich dich ausgerechnet für diese Frau um einen Gefallen bitte, allerdings muss ich dazu sagen, dass ich mir nicht mehr ganz so sicher bin wie früher, wie groß der Teil an Schuld sein mag, den sie zu tragen hat für das, was passiert ist. Ich glaube nicht, dass ich mich mit ihr je wirklich gut verstehen werde – dafür ist einfach zu viel passiert, was ich nicht vergessen kann. Außerdem komme ich auch mit ihrer Art nicht wirklich zurecht. In meiner Gegenwart wirkt sie immer regelrecht eingeschüchtert – andere Acta-Mitarbeiter berichten mir, dass sie aber durchaus auch fröhlich, und zumindest früher, vor der Entlobung, habe ich sie auch so kennen gelernt. Aber sie ist eine gute Mitarbeiterin der Acta, und ich kann über nichts klagen, was die professionelle Zusammenarbeit mit ihr betrifft.
    Jedenfalls: sie möchte wieder heiraten. Und ich wollte dich fragen, ob sie vielleicht eine Kandidatin für dich wäre. Ich möchte dich wirklich nicht zu etwas drängen, was du nicht möchtest – ich weiß auch nicht, welche Pläne du und Celeste verfolgen. Sieh es einfach als weitere Option für dich. Die Iunia stammt aus einer alten Familie, diese Verbindung könnte dir auf deinem weiteren Weg helfen, egal welche Richtung du einschlagen möchtest. Was aber noch wichtiger ist: ich denke du könntest ehrlich mit ihr sein. Ich möchte nur, dass du glücklich bist – wenn du also dem Druck, heiraten zu müssen, irgendwann nachgeben willst, dann will ich, dass du eine Frau heiratest, die nichts erwartet was du nicht erfüllen kannst oder willst.
    Wie gesagt: sieh es einfach als weitere Option. Falls du allerdings jetzt schon sagen kannst, dass das für dich nicht in Frage kommt, könntest du dann mit Octavius Dragonum sprechen? Ich weiß noch nicht, wie du zu dem Ansinnen des Quintilius stehst, aber falls du es befürwortest, dass ich ihn heirate – könntest du deinen Praefecten fragen, ob er sich eine Ehe mit Iunia Axilla vorstellen könnte?


    Es gibt wie immer auch ein paar kleinere Neuigkeiten… Onkel Livianus hat sich nach Spanien zurückgezogen, es scheint, als sei er der Politik überdrüssig geworden und sehnt sich nach einem ruhigen Lebensabend. Nach allem, was er erlebt hat, und all der Zeit kann ich das auch verstehen – obwohl ich mir gewünscht hätte, dass er wieder nach Rom kommt. Zumal die Situation mit Verus nicht einfacher wird. Nachdem ich ihm geschrieben habe, was ich von seiner Anbiederung an den Praefectus Urbi halte, hat er mir eine Antwort geschickt, die nicht anders denn als mehr oder minder offene Drohung verstanden werden kann. Er wirft mir vor, ihn zu einer Wahl zwischen Rom und Familie zu zwingen – und beschuldigt mich, eine Gegnerin Roms zu sein. Für mich ist dieser Mann kein Decimus mehr, das sage ich dir ganz offen, und auch ihm habe ich das mitteilen lassen. Ich hoffe nur, dass du mich in dieser Sache unterstützt.


    Um diesen Brief mit ein paar positiven Nachrichten zu beenden: kannst du dich noch an den Sklaven meines ehemaligen Verlobten erinnern? Ich weiß gar nicht, ob du ihn einmal kennen gelernt hast, aber vielleicht hat dir Elena von ihm erzählt – die beiden sind ein Paar. Archias wollte, dass ich ihn bekomme, und nach einigen Hindernissen dank des Praefectus Urbi, der Archias’ sämtliche Habe hat beschlagnahmen lassen, hat mir nun Iunia Axilla den Sklaven vorbei gebracht. Elena habe ich bereits vor längerer Zeit nach Spanien geschickt (ich weiß gar nicht, ob ich dir davon erzählt habe), Katander wird sich nun ebenfalls auf den Weg dorthin machen. Ich habe beschlossen, die beiden freizulassen und ihnen ein Leben in Spanien zu ermöglichen – vielleicht möchten sie auf einem der Landgüter unserer Familie bleiben, um dort zu arbeiten, vielleicht aber auch nicht. Ich bin mir aber sicher, dass ich in der nächsten Zeit Nachricht von den beiden erhalten werde, was sie planen.


    Alles Liebe,


    [Blockierte Grafik: http://img77.imageshack.us/img77/1586/seianaunterschrift2aj2.png]


    Sim-Off:

    Familienwertkarte