Beiträge von Decima Seiana

    Seiana registrierte das Lächeln der Sklavin, und sie erwiderte es flüchtig. Hätte sie geahnt, was Aristea durch den Kopf ging, hätte sie ihr nur beigepflichtet – natürlich war es keine reine Nettigkeit, die sie dazu brachte, ihr ein paar Freiheiten in Aussicht zu stellen. Allerdings war das etwas, worauf Aristea sich auch verlassen konnte – arbeitete sie gut, war sie loyal, würde sie diese Freiheiten auch bekommen. „Ja“, antwortete Seiana auf die Frage nach der Hausbibliothek. Die wirklich wertvollen Schriften hatten die jeweiligen Besitzer auf ihren Zimmern, und auch so würde es letztlich irgendwann auffallen, sollte Aristea versuchen zu stehlen. Und: eine Einschränkung hatte Seiana dann doch. „Sofern du in der Bibliothek liest. Wenn du eine Schrift mitnehmen möchtest in deine Unterkunft, dann gib vorher dem Sklaven Bescheid, der sich um die Bibliothek kümmert.“


    Seiana musterte Aristea einen Moment lang. Bisher machte sie einen guten ersten Eindruck – kein Wunder, immerhin war sie von Geburt an Sklavin. Es machte einfach einen Unterschied, ob sie frei geboren waren oder nicht. „Nun, sofern du keine Fragen mehr hast, würde ich sagen, dass wir vorerst fertig wären. Lass dir das Haus zeigen. In den nächsten Tagen wirst du auch noch das Zeichen der Decima erhalten.“ Ob ihre vorherige Besitzerin sie hatte zeichnen lassen oder nicht, fragte Seiana nicht – letztlich war das egal, denn behalten würde Aristea es nicht. „Nutz deinen ersten Tag hier, um dich etwas einzugewöhnen. Ab morgen erwarte ich dann, dass du dem nachkommst, was ich dir aufgetragen habe.“

    Lobo
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    Lobo konnte sich ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen, als er diesmal – endlich! – traf. Er war zu schnell, zu schnell für seinen Gegner! Und wie immer, wenn sich in einem Kampf seine Schnelligkeit als Vorteil erwies – durchströmte ihn ein Gefühl der Genugtuung. Auch wenn die Wunde nicht tief war, wie er gleich darauf zu seinem Bedauern feststellen musste, immerhin war er nun nicht mehr der einzige, der etwas abgekriegt hatte, nicht der einzige, bei dem Blut geflossen war. Und bei seinem Gegner floss eindeutig mehr als bei ihm. Als Lobo dem zurückweichenden Thraker nun erneut nachsetzte, war das Grinsen immer noch auf seinem Gesicht, aber es war kein sonderlich schöner Anblick – im Gegenteil, die wilde Genugtuung, die in diesem Augenblick durch seine Adern jagte, verzerrte sein Gesicht vielmehr zu einer hässlichen Maske des Triumphs. Und eben dieses Gefühl war es, das ihn noch weitere Kraftreserven mobilisieren ließ. Er bedrängte Abrax weiter, ließ seine Klingen immer wieder vorschnellen, immer wieder gerade auch auf die verletzte Seite, dort, wo der andere nun eine Schwachstelle hatte. Er versuchte, noch schneller zu werden, was zulasten seiner Taktik ging – ebenso wie der Ästhetik seines Kampfstils, die ohnehin bei Lobo stets unter der Zweckmäßigkeit zu leiden hatte, die für ihn das einzig Wichtige war in einem Kampf –, und so befand er sich rascher, als er es verhindern konnte, wieder in derselben Zwickmühle wie vorhin. Eines seiner Schwerter verhakte sich in der Krümmung von Abrax’ Klinge. Aber diesmal war Lobo, durch keine Wunde gehindert und immer noch auf der Welle reitend, die Abrax’ Blut im Sand für ihn bedeutete, im Vorteil, und er nutzte ihn. Mit einer raschen Bewegung schaffte er es nicht nur, seine Klinge zu befreien, sondern genug Druck aufzubauen, dass es dem Thraker die Waffe aus der Hand riss.


    Ein triumphierender Aufschrei entfuhr Lobo. Noch hatte er nicht gewonnen, das wusste er auch, aber im Grunde so gut wie. Ohne Waffe war das Ding für den Thraker gelaufen, er musste das nur noch einsehen – und je länger er es nicht einsah, desto besser, denn Lobo hatte Blut geleckt und wollte mehr davon sehen. Geschickt verhinderte er, dass Abrax zu seiner Waffe gelangen konnte, und mit seinen schnellen Angriffen versuchte er auch zu verhindern, dass Abrax die Möglichkeit zur Aufgabe bekam. Er wollte nicht, dass der andere aufgab. Er wollte, dass er dran glauben musste. Wieder setzte er dazu an, eine neue Attacke zu starten – und gerade in diesem Moment begann der Thraker, sich auf die Knie sinken zu lassen. Lobo wusste, was das hieß. Wut flammte in ihm auf. Einen winzigen Augenblick zögerte er, war versucht, dennoch zuzuschlagen – in einem Kampf ging doch alles so schnell, wer wollte ihm denn schon nachweisen können, dass er gesehen hatte, wie Abrax Anstalten machte aufzugeben… Aber es waren viele Augen auf ihn gerichtet hier, und dieser winzige Moment des Zögerns hatte schon ausgereicht, um dem Thraker die Zeit zu geben, auf seinen Knien anzulangen und den Schild fortzulegen. Erneut brüllte Lobo kurz auf, frustriert diesmal, das Gejohle des Publikums völlig ignorierend, aber seine bereits erhobenen Klingen fuhren deutlich von seinem Gegner entfernt harmlos durch die Luft gen unten, während er den Thraker anstarrte.

    Der Octavier hatte auf ihre Worte noch nicht reagiert, da gesellte sich noch ein Mann zu ihnen – noch einer, den Seiana erkannte, nicht nur von dem Kurs, den auch er besucht hatte. Sie konnte sich noch gut – zu gut – an den Vorfall bei der aurelischen Hochzeit erinnern. Und daran, wie sie danach den Duccier aufgesucht hatte, um sich bei ihm zu entschuldigen, ebenso wie bei Aurelius Ursus und seiner Frau. Ob Caius den Anstand besessen hatte, das gleiche zu tun, wusste sie indes nicht. Ihn danach zu fragen, ihn gar zu bitten oder aufzufordern, hatte sie keine Gelegenheit mehr gehabt, keine, bevor sich das Blatt schließlich so gewendet hatte, dass es sie nichts mehr anging, was er tat oder nicht. Erinnern konnte sie sich allerdings auch noch daran, dass der Duccius sehr anständig reagiert hatte – ebenso wie der Aurelius und die Tiberia. Keiner von ihnen hatte ihr das Gespräch schwerer gemacht als es ohnehin schon gewesen war für sie.


    Unwillkürlich lenkten diese Gedanken sie wieder für einen Moment zu dem Artikel, den sie in den Händen hielt, aber sie überspielte diesen Augenblick gekonnt. Sie konnte ohnehin nichts an dem ändern, was geschrieben stand, und egal von wem sie hierzu gefragt wurde – eine andere Antwort zu geben als sie es bei dem Octavius getan hatte, stand für sie nicht zur Debatte. Sie erwiderte den Gruß des Ducciers mit einem leichten Nicken und einem ebensolchen Lächeln, wie es der Octavier zuvor bekommen hatte. Sie konnte das Lächeln des Duccius nicht wirklich einschätzen, hatte er beim Kurs doch kaum ein Wort verloren. Aber die Worte des Octavius, über sie, über ihre Arbeit, konnte sie noch weniger einschätzen, und das hinderte sie nicht daran, damit umgehen zu können. Und wenn sie zur Not ignorierte, wie so häufig, was sie nicht einzuschätzen wusste. „Salve, Duccius.“

    Keine musikalischen Fähigkeiten also – und den Worten der Sklavin nach zu schließen, auch keine Aussicht darauf, dass sie das würde lernen können. Ein gewisses Talent musste dafür einfach gegeben sein, und davon ganz abgesehen: wenn Aristea bis jetzt kein Instrument gelernt hatte, war es ein bisschen spät, nun damit anzufangen. Was Seiana auf eine weitere Frage brachte: „Wie alt bist du?“ Was das Musikalische betraf, fand sie es in jedem Fall nicht sonderlich schade, dass Aristea ihre Frage verneint hatte. In der Casa Decima gab es genug Sklaven, die zur Unterhaltung beitragen konnten, Seiana würde es eher für Verschwendung halten, eine Sklavin ihr eigen zu nennen, der sie dann nur Aufgaben dieser Art geben konnte. Das gleiche galt für die Tätigkeiten einer Ornatrix. Natürlich war es von Vorteil, wenn die eigene Sklavin derartiges beherrschte, aber Seiana erwartete mehr. Und wenn Aristea nicht zeigte, dass sie zu mehr in der Lage war, würde sie auf Dauer – egal wem sie auf dem Papier gehörte – ein normales Leben als Haussklavin in der Casa Decima führen, aber nicht sonderlich viel mit Seiana zu tun haben. Eine Gesellschafterin jedenfalls brauchte die Decima nicht. „Ob ich dir das zutraue oder nicht, spielt keine Rolle. Wir werden sehen, ob du in diese Aufgaben hineinwachsen kannst.“ Seianas Tonfall war in keiner Weise wertend, sondern völlig neutral. Im Grunde war es tatsächlich so einfach für sie. Livianus schenkte ihr diese Sklavin – was hieß, sie selbst konnte mit ihr keinen Verlust machen, nur Gewinn. Im schlimmsten Fall erwies sich Aristea als unfähig, und sollte dieser eintreten, so würde sie eben als Haussklavin hier arbeiten. Wenn überhaupt war Livianus derjenige, der dann einen Verlust gemacht hatte – vorausgesetzt er hatte mehr gezahlt als für eine Haussklavin üblich war.


    Seianas Gesichtsausdruck änderte sich auch nicht, als Aristea nun von ihren eigenen Interessen sprach. Ein wenig oberflächlich mochten sie vielleicht anmuten, andererseits waren das auch genau die Dinge, die Elena gern tat, abgesehen vom Lesen. „Wenn du gute Arbeit leistest und zuverlässig bist, wirst du auch Gelegenheit bekommen, deinen eigenen Interessen nachzugehen.“ Was öffentliche Veranstaltungen betraf, ging sie in der Regel ohnehin nie ohne Sklavenbegleitung, und auch freie Zeit für Marktbesuche oder ähnliches würde Aristea haben – sofern sie sich gut machte. Es hatte seine Vorteile, keine normale Haussklavin zu sein, jedenfalls bei Seiana. „Was das Lesen betrifft, haben wir offenbar etwas gemeinsam. Allerdings ziehe ich es zumeist vor, selbst zu lesen – dein Können als Vorleserin werde ich nur selten beanspruchen. Du kannst aber gern deine freie Zeit nutzen, um zu lesen – in der Hausbibliothek wirst du sicher fündig.“ Fragen an ihre neue Herrin schien Aristea dagegen wenig zu haben, und keine persönlichen – wenn doch, dann stellte sie sie nicht. Seiana fand das eher positiv. Ein Mindestmaß an Interesse ihrer neuen Familie und Herrin gegenüber sollte zwar da sein, aber zu große Neugier bei Sklaven war nichts, was sie gebrauchen konnte, ebenso wenig das Überstrapazieren eines – im Moment noch nicht einmal vorhandenen – Vertrauensverhältnisses. „In den nächsten Tagen wirst du zunächst Aufgaben als Ornatrix wahrnehmen, vor allem bei mir, aber auch bei der Frau meines Onkels, wenn sie in Rom weilt und deine Hilfe benötigen sollte.“ Seiana begegnete Venusia nur selten, zu sehr nahm sie ihre Arbeit in Anspruch, aber sie wusste, dass die Duccia von Zeit zu Zeit in Rom war. „Darüber hinaus möchte ich, dass du dir in den nächsten Tagen überlegst, wie du dir die Verwaltung eines Betriebs vorstellst, und es aufschreibst. Und du wirst dir das Haus zeigen lassen und die anderen Sklaven kennen lernen, ebenso wie die Aufgaben, die sie erledigen. Ich werde Demochares, den Vilicus, informieren, damit er sich darum kümmert.“ Unabhängig davon, ob Aristea sich als Verwalterin als geeignet erweisen würde oder nicht – es konnte nicht schaden, wenn sie über alles Bescheid wusste, was die Tätigkeiten der anderen in diesem Haus anging.

    Lobo
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    Die Wucht des Hiebs trieb Lobo die Luft aus den Lungen, und mit einem Aufkeuchen sog er neue hinein. Die Kante des Schilds hinterließ einen roten Abdruck auf seinen Rippen, und er musste kein Iatros sein, um zu wissen, dass sich der Bereich bis spätestens morgen bläulich-schwarz verfärbt haben würde. Aber in diesem Moment stachelte ihn der Schmerz nur noch mehr an. Es ärgerte ihn, dass ihm diese Unachtsamkeit überhaupt unterlaufen war. Er wich zurück und achtete wieder darauf, keine Lücke in seiner Deckung zu präsentieren, während der Thraker diese Gelegenheit nun nutzte, um selbst zum Angriff überzugehen. Lobo wollte einen Schlag blocken, der jedoch eine Finte war, so dass seine Klingen erneut Kontakt mit dem Schild des anderen hatten, parierte einen weiteren und merkte ein ums andere Mal, dass sein Kampfstil nicht geschaffen war dafür zu verteidigen – oder allzu lange zu kämpfen. Ausdauer war eine Sache, die Kraft, die bei solchen Kämpfen aufgewendet wurde, eine andere, und Lobo begann zu spüren, dass er bald eine Entscheidung herbeiführen musste, wollte er verhindern, dass Abrax seine Vorteile endgültig so ausspielen konnte, dass sie ihm auch tatsächlich nutzten.


    Den nächsten Hieb wehrte er erneut ab, obwohl es diesmal knapp wurde, dem dritten wich er aus, das hieß, er wollte ausweichen – konnte aber nicht mehr verhindern, dass ihm die Spitze einen Kratzer auf dem Arm zufügte. Jetzt hatte Lobo endgültig genug. Als der Thraker nun selbst etwas zurückwich, setzte Lobo ihm nach. Er ignorierte das Ziehen in seinen Armen, das eingesetzt hatte, ignorierte den Schweiß, der ihm in die Augen lief, ignorierte den Schmerz auf seiner linken Seite, wo ihn der Schild erwischt hatte. Zwei, drei Hiebe gingen auf Abrax ein, die aber mehr der Ablenkung dienten denn ein wirklicher Angriff waren. Lobo war kein großer Stratege, aber ein gewisses Maß an Taktik war, wenn er gegen einen Schildkämpfer antrat, einfach vonnöten, wollte er gewinnen. Ein weiterer Hieb, so gerichtet, dass der Thraker ihn mit dem Schild blocken konnte, noch zwei schnelle Schritte – und dann befand Lobo sich in der Position, in die er hatte kommen wollen: auf der Schwertseite seines Gegners. Wo ihm sein Schild, der, obwohl kleiner als manch anderer, dennoch zu schwer war, um ihn einfach so herumzureißen, nichts nützte. Die Chance, die sich Lobo hier bot, war minimal und würde wohl nur für den Bruchteil eines Augenblicks bestehen bleiben, aber er hatte vor sie zu nutzen, und seine Klingen blitzten auf, als seine Schwerter ein weiteres Mal vorschnellten.

    Seiana registrierte, wie überrascht der Octavier war, als er seinen Gensnamen hörte – aber es lag wohl in der Natur der Sache, dass sie ihn schneller erkannte als er. Immerhin war sie nur eine von mehreren gewesen, die seinen Kurs belegt hatten – auch wenn es wenige waren und sie die einzige Frau –, und sie hatte während des Kurses genügend Zeit gehabt, den Klang seiner Stimme zu verinnerlichen. Schließlich war es viel Stoff gewesen, denn der Octavier ihnen vermittelt hatte. Der schien in eben jenem Moment auch sie zu erkennen und grüßte sie ebenfalls mit Namen. Seiana war versucht, ihr Lächeln ein wenig breiter werden zu lassen, als plötzlich das Wort Mist fiel. Statt einem Lächeln trat nun ein leichtes Stirnrunzeln auf ihre Züge. „Den… Mist?“ Die winzige Pause war gewollt. Es spielte keine Rolle, dass sie diesen Artikel gar nicht vorab zu lesen bekommen hatte. Es spielte auch keine Rolle, dass sie als Lectrix die Artikel lediglich Korrektur las und sie redigieren konnte, aber nicht die Veröffentlichung verhindern – obwohl sie gerade in einem Fall wie diesem wohl weitgehend von ihren Redigierrechten Gebrauch gemacht hätte, sofern sicher gestellt gewesen wäre, dass es niemand mitbekam. Es spielte nur eine Rolle, dass sie Lectrix war – und als solche bei der Acta beschäftigt. Und selbst wenn sie der Meinung war, dass der ein oder andere Artikel nicht oder nicht in der Form hätte veröffentlicht werden sollen, war das doch nichts, was sie vor anderen zugeben würde. „Sofern es tatsächlich Artikel der Acta sind, die du als Mist bezeichnest“, sie hob leicht den Papyrus an, „das Ergebnis meiner Arbeit ist hier.“ Keine Lüge. Aber eben auch nicht die Wahrheit. Nebenbei fragte sie sich, ob der Octavier tatsächlich ihre Arbeit als Lectrix kritisierte. Sie musterte ihn. „Wenn du den Namen des Schreibers erfahren möchtest, würde ich vorschlagen, du fragst den Auctor.“

    Seiana lächelte. „In Ordnung, ich werde deinem Scriba einen Termin zukommen lassen.“ Gedanklich machte sie sich eine Notiz, dass sie mit dem Iatros würde reden müssen. Es genügte, wenn Iaret sich mit ihrem Patron traf, fand sie – der Junge war nicht notwendig dabei. Obwohl Crios nicht wirklich jünger war als sie und sie das auch wusste, war es ihr doch bisher gelegentlich so vorgekommen, als lägen Jahre zwischen ihnen. Nein, Iaret war völlig ausreichend. Immerhin würde es auch er sein, der Corvinus und die Seinen behandeln würde, sofern sie zu einer Übereinkunft kamen – es fiel Seiana im Traum nicht ein, dem Jungen das anzuvertrauen, so talentiert der auch sein mochte.


    Bei den folgenden Worten senkte Seiana für Momente ihren Blick und konzentrierte sich darauf, sich nicht anmerken zu lassen, dass sie sich geschmeichelt fühlte. Gegen die zarte Röte auf ihren Wangen konnte sie wenig tun, aber sie verbiss sich das Lächeln, und als sie wieder aufsah, wirkte sie – abgesehen von der Röte – so gefasst und professionell wie stets. „Wie gesagt, es ist sicher eine Herausforderung. Eine, die ich gern annehme.“ Jetzt lächelte sie doch, als Corvinus auf ihre Tante zu sprechen kam. „Ihrem letzten Brief nach zu schließen, geht es ihr sehr gut. Sie hält sich derzeit in Gallien auf, bei einer Freundin in Narbo Martius.“ Dann wandte sich das Thema wieder der Acta zu, ihrer Nachfolge als Auctor und wie Corvinus das in die Wege leiten würde. Seiana spürte plötzlich ein merkwürdiges Kribbeln in der Magengegend. „Werde ich vor dem Senat selbst vorsprechen müssen?“ Oder genügt es, wenn du mich vorschlägst. Das sprach sie nicht laut aus, aber im Grunde war es das, was sie insgeheim hoffte. Der Gedanke, möglicherweise vor den Senatoren sprechen zu müssen, gefiel ihr nicht wirklich. „Nun, mich würde es freuen, wenn du der Acta erhalten bleibst. Wenn Germanica Aelia an meiner Statt Lectrix werden möchte, würdest du dann den Posten des stellvertretenden Auctor übernehmen?“ Sie lächelte, eine Spur verlegen nun. „Verzeih bitte, ich möchte nicht zu voreilig erscheinen. Die Gründe, die dich zum Rücktritt von deinem Posten als Auctor bewegen – ich hoffe sie hindern dich nicht daran, den des stellvertretenden wenigstens in Betracht zu ziehen.“

    Dass die Aurelia sich Gedanken machte über sie und ihr Verhalten, entging Seiana größtenteils, was einerseits daran lag, dass auch die Aurelia – wie so viele Römerinnen – wohl gelernt hatte, wenigstens bis zu einem gewissen Grad ihre Gedanken zu verbergen, andererseits aber auch ganz klar daran, dass Seiana immer wieder in ihre eigene Gedankenwelt versank. Für gewöhnlich war sie eine recht gute Beobachterin, aber im Moment nützte ihr das nicht sonderlich viel. Dass Narcissa jedoch von ihrer Einladung, sich zu setzen, überrascht war, das wiederum bemerkte Seiana. Erneut zeigte sich ein vages Lächeln auf ihren Zügen, aber sie kommentierte das Erstaunen nicht. Ruhig wartete sie ab, bis die Aurelia sich gesetzt hatte, bis sie ihr Getränk erhalten und auch ihr Sklave sich einen Becher genommen hatte, bevor auch sie sich setzte. Einen Becher Wasser nahm sie ebenfalls, verzichtete jedoch darauf, mehr als einen kleinen Schluck zu trinken – es war mehr die Höflichkeit, die sie dazu veranlasst hatte. „Es ist draußen bereits erstaunlich warm. Bald bricht wohl die Zeit an, in der Rom nahezu unerträglich sein wird…“ Ohne es sich bewusst einzugestehen, realisierte ein Teil von Seiana, dass sie diese kleine Unterbrechung genoss. Zu viel hatte sie sich in den letzten Tagen nur mit ihrer Arbeit, mit den Betrieben, der Acta, der Schola beschäftigt. Sie genoss es tatsächlich, ein wenig zu plaudern, und die Aurelia war eine angenehme Gesellschaft.


    Als Narcissa ihre Frage nach Sappho beantwortete, konnte Seiana sich ein Schmunzeln – ein echtes diesmal – nicht verkneifen, und sie sah es gespiegelt in den Augen ihres Gegenübers, die, wie sie in diesem Moment zum ersten Mal bemerkte, auffallend grün waren. Götterhymnen also. Wie alt mochte die Aurelia wohl sein? In jedem Fall keine 20, schätzte Seiana. „Die gibt es wohl. Als Literaturliebhaber wäre es aber schade, Sappho zu versäumen. Nicht umsonst hat Plato sie als zehnte Muse bezeichnet. Du magst sie offenbar, nicht wahr?“ Sonst würde Narcissa wohl kaum etwas kaufen von ihr. Seiana war sich selbst nicht so ganz schlüssig, was sie von Sappho halten sollte. Von manchen ihrer Texte. Von ihrem Leben. Sappho war frei gewesen… und war, nach allem was man wusste über sie, nicht wirklich ehrbar gewesen. Allerdings war es eine andere Zeit gewesen, eine völlig andere als die, in der sie nun lebten. Manchmal fragte Seiana sich, ob sie es leichter gehabt hätte, wäre sie zu einer anderen Zeit geboren worden. Obwohl es müßig war, darüber zu spekulieren, hing Seiana dennoch für einen Moment diesem Gedanken nach. Ein feines Lächeln umspielte nun Seianas Mundwinkel. „Wenn wir uns das nächste Mal begegnen, musst du mir berichten, was du von dieser Schrift hältst.“

    Mit dem Griechischen schien die Sklavin tatsächlich nicht die geringsten Probleme zu haben – ganz im Gegenteil war ihre Aussprache besser als Seianas, die einen vagen lateinischen Akzent nie ganz fortbekommen hatte, trotz der Bemühungen ihres Lehrers. Sie schmunzelte ganz leicht, als Aristea von germanischen Schimpfwörtern sprach, aber sie ging nicht darauf ein, hörte sich stattdessen mit Interesse an, was die Sklavin noch erzählte. Lesen, Schreiben und Rechnen konnte sie – das war tatsächlich etwas, was von Nutzen sein konnte und würde, auch wenn sie bisher damit noch nichts Wichtiges gemacht zu haben schien. Vorlesen also… konnte gelegentlich nützlich sein. „Wie sieht es mit anderen Unterhaltungsfähigkeiten aus? Singst du, spielst du ein Instrument?“ Livianus war in der Zwischenzeit – unbemerkt von ihr – aus ihrem Zimmer gegangen und hatte sie allein gelassen, aber zu ihrem Gespräch hatte er ohnehin nichts mehr beitragen können. „Nun… schade, dass du noch keine Erfahrung hast, was Geschäfte betrifft.“ Seiana überlegte einen Moment, ob sie damit nicht zu weit ging, jetzt schon. Aber es konnte nicht schaden, Aristea ein Ziel zu geben, auf das sie hinarbeiten konnte. Ob sie es erreichte, stand auf einem anderen Blatt. „Aber sofern du möchtest und das nötige Talent hast – und dich selbstverständlich als vertrauenswürdig erweist –, wirst du mir in Zukunft vielleicht bei der Verwaltung meiner Betriebe behilflich sein können.“ Es wurde ihr jetzt beinahe schon zu viel, was sie an Arbeit hatte, nach einem Verwalter hatte sie sich also ohnehin umsehen wollen. Ebenso wenig war sie jedoch bereit, die Verwaltung ihrer Betriebe auf einmal und zur Gänze aus der Hand zu geben – einen gewissen Überblick würde sie immer behalten wollen, und was den Rest anging, hatte sie eher daran gedacht, Stück für Stück ein wenig Verantwortung abzugeben. Umso besser also, wenn sie das tatsächlich in die Hände ihrer eigenen Sklavin geben konnte.


    Dann lächelte Seiana erneut, wenn auch nur leicht und ohne echte Herzlichkeit – die ihr aber ohnehin nur selten anzusehen war. „Ich meinte deine eigenen Interessen. Abgesehen von deinen Tätigkeiten als Sklavin.“ Sklaven waren Menschen, das war Seiana durchaus bewusst, auch wenn sie Sklaven waren. Natürlich hatten sie eigene Interessen. Und genau das war es, was in der Regel mehr Aufschluss gab über sie als das, was sie konnten oder bisher getan hatten. Und Seiana schloss noch eine weitere Frage an, eine Frage, die ebenso wie die vorige Aufschluss geben konnte über Aristea. „Hast du irgendwelche Fragen an mich?“

    Lobo
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    Das kurze Verhaken der Waffen, das in Lobos Augen zu seinem Nachteil ausgegangen war – weil er zurück hatte springen müssen, weil er nachgeben hatte müssen, weil er dieses kurze Duell innerhalb ihres Zweikampfes verloren hatte geben müssen –, machte ihn wütend. Er maß sich gern mit Gegnern, er liebte die Kämpfe, gerade die vor Publikum, nicht wegen dem Publikum, sondern weil das die echten waren, die, wo es keinen Grund gab sich zurück zu halten und seinen Gegner schonen zu müssen. Und natürlich durfte es nicht zu einfach werden, sonst war es langweilig, und auch wenn Lobo kein Problem damit hatte, einen deutlich Unterlegenen ebenso nieder zu prügeln – ein geschenkter Sieg war kein richtiger Sieg. Es war etwas anderes, wenn der Gegner sich zu wehren verstand. Was allerdings nicht gleichzusetzen war damit, dass er Lobo mit seinen Nachteilen konfrontierte.


    Bei seinem darauffolgenden Angriff tat der Thraker das, was im Grunde zu erwarten gewesen war – die eine Klinge wurde vom Schild geblockt, die andere von seinem gebogenen Schwert. Dennoch ärgerte sich Lobo, dass auch diese Aktion fehlschlug. Und es wurde nicht besser. Abrax veränderte den Winkel seines Schilds so, dass die Klinge ab- und ins Leere rutschte. Lobo verstärkte den Druck auf seine andere Klinge, um das Schwert des Thrakers zu blockieren – an dieser Stelle kam nun ihm die Krümmung zugute –, während er zugleich die andere Klinge nach hinten führte, um von neuem Schwung zu holen und durch die Deckung zu brechen. Bevor er seinen Zug jedoch zu Ende führen konnte, traf ihn der Ellbogen des anderen an der Schulter, und nur seinem breitbeinigen Stand war es zu verdanken, dass Lobo nicht ernsthaft ins Wanken geriet. Ein Stolpern, und sei es noch so winzig, hätte tödlich für ihn enden können an dieser Stelle, so dicht beieinander wie sie standen. Als Abrax den Druck noch verstärkte, machte Lobo kleine Ausfallschritte, die dazu beitragen sollten, sein Gleichgewicht zu wahren – im jedoch nicht im Geringsten halfen, diese Situation zu seinem Vorteil zu drehen. Das einzig Gute war, dass der Thraker ebenso wenig weiterkam wie er, was schließlich darin resultierte, dass er Lobo von sich stieß – was dieser mit einer gewissen Erleichterung registrierte. Die ihn sofort ärgerte. Dass Abrax ihm gleich darauf zunickte, stachelte Lobo nur noch mehr an. In seiner Welt kam er nicht einmal auf den Gedanken, der Thraker könnte das eventuell anerkennend gemeint haben für das kurze ringkampfartige Aufeinandertreffen, aus dem keiner als Sieger hervorgegangen war. Es konnte nicht anders gemeint sein als herablassend, dazu kam, dass es der Thraker gewesen war, der Lobo fortgestoßen hatte – nicht umgekehrt.


    Seine Augen blitzten auf, als er verächtlich ausspuckte. Er wich dem nächsten Hieb aus und einem weiteren, tanzte beinahe um seinen Gegner herum und ließ seine Klingen wieder vorschnellen. Seine Angriffe gewannen nicht an Kraft, aber an Geschwindigkeit – zeitigten jedoch immer noch keinen Erfolg, und das nervte ihn. Den folgenden Angriff des Thrakers blockte er mit mehr Wucht, als nötig war – und wider besseren Wissens mit beiden Schwertern. Dieser Kampf dauerte schon zu lange, ohne dass er einen Treffer hatte landen können, jedenfalls fand er das. Das war nicht unbedingt etwas Besonderes, im Grunde fand Lobo bei nahezu jedem Kampf, bei dem er nicht bereits in den ersten Momenten einen Treffer setzte oder zumindest hätte setzen können, dass es sich zu lange hinzog. Dennoch störte es ihn jedes Mal wieder, wenn es nicht so lief, wie er sich das vorstellte. Der Ärger, den das schürte, gab ihm Kraft und befeuerte seinen Ehrgeiz nur noch mehr – aber es war stets ein schmaler Grat, den Lobo entlang wanderte, sobald er in einem Kampf diesen Punkt erreichte. Die Klingen blitzten in der Sonne auf, und ein schleifendes Geräusch ertönte, als Lobo, nun doch mit einer leichten Drehung, nach hinten zurückwich, als ihm nur einen Augenblick später klar wurde, dass er gerade seine rechte Seite für Augenblicke völlig ungeschützt dem Schildarm des Thrakers präsentierte.

    Lobo
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    Lobo grinste, als er spürte, wie sein Schwert auf Widerstand stieß. Den anderen durch ständige Angriffe müde und mürbe zu machen, bis seine Klingen endlich einen Weg durch die Verteidigung fanden – eine andere Taktik gab es nicht für ihn. Sicher bestand die Gefahr, dass dabei auch er rasch müde wurde, aber er trug weniger Gewicht als seine Gegner, jedenfalls in der Regel. Und er sah sich dabei eindeutig im Vorteil. Es war immer besser, schnell zu sein, aber dass seine Kampfweise die bessere war, fand er sowieso. Dennoch war er gespannt, wie sein Gegner heute sich machen würde. Grinsend, aber davon abgesehen gleichmütig hatte er die Absage des anderen gestern vernommen, auf sein Angebot eines gemeinsamen Trainings, wie es sonst üblich war. Ihm war das recht gleichgültig, ein Thraker war ein Thraker war ein Thraker. Natürlich war er nicht so dumm zu denken, es gäbe überhaupt keine Unterschiede, natürlich wusste er um die Vorteile eines Trainingskampfs, und natürlich wäre es ihm durchaus recht gewesen, vorher mit Abrax zu kämpfen – aber in seiner Weltsicht war sonnenklar, warum der andere abgelehnt hatte. Er hatte Angst. So einfach war das. So musste es sein. Lobo wusste immerhin selbst um seinen Ruf unter seinen Kollegen. Und auch wenn es ganz gut war, den Gegner vorher ein wenig einschätzen zu können, hieß ein Trainingskampf doch auch, dass der andere ebenso zu einer Einschätzung kam. Und so sehr Lobo sich auch bemühte, sich zurückzuhalten in solchen Situationen, ein solcher Kämpfer war er nicht. Er hielt nicht zurück. Er ging aufs Ganze. Und gerade bei Gegnern, die selbst taktisch klüger vorgingen, die tatsächlich imstande waren, sich zurückzuhalten, war dann am nächsten Tag er im Nachteil, das hatte er schon das ein oder andere Mal erfahren müssen.


    Der Thraker in jedem Fall schien zu dem Schluss gekommen zu sein, es ihm gleich tun zu wollen mit ein paar schnellen Angriffen. Dem ersten wich Lobo gekonnt aus mit einem schnellen Schritt zur Seite – er verzichtete in der Regel auf Drehungen. Sie mochten für das Publikum besser aussehen, aber er wollte gewinnen, und Drehungen kosteten nur unnötig Zeit und Kraft, und darüber hinaus hatte er für einen Moment seinen Gegner nicht im Blick. Nein, Drehungen nur dann, wenn es gar nicht anders ging, nicht einmal im Angriff – seine Schwerter waren kurz und leicht genug, dass er den Schwung nicht brauchte. Auch wenn das natürlich ebenso etwas für sich hatte, wenn eine Klinge mit Wucht traf… Noch während Abrax einen weiteren Hieb hinterher setzte, schwang Lobo seine eigenen Schwerter, blockte einen weiteren Hieb, führte mit der anderen Hand einen Schlag gegen den Schild und blockte noch einen, und diesmal verkantete sich seine Klinge für einen Augenblick in der Krümmung der anderen. Lobo verzog das Gesicht und verstärkte kurz den Druck, dann ließ er nach und machte einen Sprung zurück. Er hasste es, mit seinen Nachteilen konfrontiert zu werden. Er war schnell, aber er war nicht so stark wie die meisten anderen Gladiatoren. In einem Ringkampf hätte er kaum eine Chance, mit einem schweren Schild wäre er bald überfordert, und Klinge an Klinge zog er meist den Kürzeren. Und er hasste es. Seine Augen blitzten wütend auf, und wieder wirbelten seine Klingen, als er erneut einen Angriff startete, diesmal mit beiden Schwertern zugleich, so dass eine Waffe den Schild beschäftigte und die andere hoffentlich durchdrang.

    Eisklotz. Hatte sie tatsächlich so auf ihn gewirkt, fragte Seiana sich. Und gleich darauf drängte sich ihr der Gedanke auf, dass das nun eigentlich völlig gleichgültig war. Der Kälte in ihrem Inneren nach zu schließen, traf diese Bezeichnung inzwischen doch zu. Sie fühlte sich kalt, innerlich wie äußerlich, trotz der wärmenden Sonnenstrahlen auf ihrer Haut. Irgendwo in ihr brodelte es, aber darüber breitete sich die inzwischen wohlvertraute Eisschicht aus. Sie starrte auf den Papyrus, nun ohne wirklich die Worte wahrzunehmen, die dort geschrieben waren – aber das musste sie auch gar nicht. Sie wusste auch so, was dort stand.


    Sie hörte zwar, dass sich Schritte näherten, aber sie sah nicht auf. Es war Frühling, sie saß in einem Park, es waren mehrere Menschen unterwegs, und irgendwo hinter ihr waren zwei Sklaven der Decima, die sie begleitet hatten, sich aber auf ihren Wink hin ein Stück zurückgezogen hatten, als sie sich hierher gesetzt hatte. Erst als die Schritte plötzlich verstummten, anstatt an ihr vorbei zu gehen, stutzte Seiana – und noch bevor sie aufsah, erklang eine Stimme. Sie hob den Kopf und runzelte leicht die Stirn, als sie die Worte hörte, gesprochen von einem Mann, dessen Gesicht ihr zwar bekannt vorkam, das sie aber nicht sofort zuordnen konnte. Erst auf den zweiten Blick erkannte sie den Magister, der den Kurs über die Stoa gehalten hatte. Ihre Lippen zuckten kurz in einem angedeuteten Lächeln, das aber so kühl blieb wie der Ausdruck in ihren Augen. „Octavius“, grüßte sie ihn. „Ich bin die Lectrix.“

    Lobo
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    Lobo konnte sich ein leicht gehässiges Schmunzeln nicht verkneifen, als er den Blutfleck auf dem Boden sah. So liefen die Kämpfe ab, die er liebte. Möglichst blutig. Und natürlich möglichst nicht sein Blut, aber das verstand sich ja von selbst. Langsam ging er in die Arena hinein, während die Menge um ihn herum dem letzten Kampf des Tages entgegenjohlte. Die Arme baumelten locker an seinen Seiten herunter, die beiden Schwerter waren bei weitem nicht lang genug, als dass die Spitzen den Boden berührt hätten. Er blendete die Geräusche nahezu völlig aus, bis sie ihm so gedämpft erschienen, dass es mehr einem Rauschen glich denn irgendetwas anderem. Lobo gab einen Dreck auf den Jubel der Menge. Abgesehen davon, dass dieselbe Menge, die ihm jetzt zujubelte, später genauso gnadenlos seinen Tod fordern konnte, wenn er verlor, war er nicht Gladiator, um gefeiert zu werden. Als Straßenkind in Lutetia aufgewachsen und kontinuierliche in… nun, man könnte es schlechtere Gesellschaft nennen – geraten, war er irgendwann eben diesen einen Schritt zu weit gegangen. Oder besser, diesen einen Schritt zu wenig… der ihn in Sicherheit gebracht hätte vor den Römern, die ihm auf den Fersen gewesen waren, nachdem er irgendeinen Kerl ausgeraubt hatte und dabei erwischt worden war. Immerhin, er hatte noch insofern von Glück reden können, dass sie ihn nicht bei den Typen davor erwischt hatten – einem von denen, denen er die Kehle aufgeschlitzt hatte, denn dann hätte er sich vermutlich genauso gut selbst in die Unterwelt schicken können. Wie auch immer: nach einer kleinen Odyssee, weil er nicht unbedingt das war, was man einen Mustersklaven hätte nennen können, war er schließlich in der Gladiatorenschule in Massilia gelandet. Wofür er den Göttern später dankte, hätte es doch genauso gut irgendein Steinbruch sein können. Nein, Lobo war nicht hier, um sich feiern zu lassen. Er war hier, weil ihm das Ganze Spaß machte. Nicht nur das Kämpfen an sich, sondern vielmehr die Gewalt dabei, das Blut, das floss. Er liebte das Gefühl, wenn seine Klingen in Fleisch hinein glitten und Muskeln durchtrennten, er hatte es immer schon geliebt, jedenfalls konnte er sich nicht mehr daran erinnern, dass es jemals anders gewesen wäre. Deswegen war er hier. Wo manch anderer Gladiator letztlich darauf bedacht sein mochte, nicht allzu viel Blut fließen zu lassen, lechzte Lobo regelrecht danach, und deswegen war ihm der letzte Kampf auch stets der liebste von allen, war das Publikum dann häufig selbst am blutrünstigsten – vor allem dann, wenn davor noch nicht allzu viel Blut geflossen war. Gemeinsam mit seinem Hochmut war seine Vorliebe für Gewalt der Grund, warum er in seiner eigenen Schule nicht sonderlich beliebt war. Denn obwohl er sich im Training zurückhielt – er hatte keine andere Wahl, wollte er sich das Gladiatorenleben nicht verspielen –, drang diese Vorliebe doch immer wieder durch. Dass ihn die Besitzer der Schule nicht doch schon los geworden waren, weil er zu brutal war zu den eigenen Kollegen – und damit zu deren Kapital –, lag wohl nur daran, dass er gut war. Was er auch wusste. Und nur allzu gerne heraushängen ließ.


    Für einen Augenblick betrachtete Lobo noch sinnierend den blutigen Fleck Sand, bevor er, seinen Gegner scheinbar ignorierend, der leeren Kaiserloge den üblichen Gruß zollte. Erst danach wandte er sich dem Thraker zu, noch in für das Publikum scheinbar lockerer Haltung, während sich seine Schwerter nun anhoben und sein Körper sich anspannte. Wieder verzogen sich seine Lippen, diesmal in einem Grinsen. Der letzte Kampf. Den Zuschauern sollte etwas geboten werden, er wollte in erster Linie sich selbst etwas bieten. Und er hielt nicht viel davon, allzu lange zu warten. Sein Vorteil war seine Schnelligkeit – er musste schnell sein, ohne Schild, musste schnell ausweichen können, und im Angriff machte sich das genauso bezahlt. Noch bevor der andere mit dem Umkreisen hatte beginnen können, schnellte Lobos rechter Arm vor und führte einen geraden, eher unspektakulär anzusehenden Stich durch.

    Seiana ließ langsam das Stück Papyrus sinken, das sie in den Händen hielt. Ihre Augen waren geschlossen, aber nicht um den Schein der Frühlingssonne zu genießen, wie es für Vorübergehende den Anschein haben konnte. Wer genauer hinsah, mochte den harten Zug um ihre Mundwinkel entdecken. Umso mehr allerdings machte Decima Seiana von sich reden. Sie hatte gewusst, dass diese Aktion von Caius Gerede nach sich ziehen würde. Sie hatte es gewusst. Aber sie hatte nicht gedacht, dass es sogar in der Acta verewigt sein würde. Sie fragte sich, ob das der Grund war, warum sie diesen Artikel nicht vorab bekommen hatte zum Korrektur lesen. Nicht, dass es wirklich eine Rolle spielte – sie hätte daran kaum etwas geändert. Wie hätte das dann ausgesehen, allein schon in der Redaktion? Oder hätte sie? Ihre Finger schlossen sich unwillkürlich ein wenig. Wenn sie die Garantie gehabt hätte, dass es keiner erfahren würde, hätte sie es getan. Sie hätte den Artikel gänzlich verschwinden lassen, außer den Teil über Faustus. Aber irgendwer hatte diesen Artikel geschrieben, er war eingereicht worden, irgendwer in der Redaktion hatte ihn entgegen genommen und gelesen und weiter gereicht… Und wenn herausgekommen wäre, dass ein Artikel völlig unter den Tisch fiel, wenn herausgekommen wäre, dass sie dafür verantwortlich war, hätte das vermutlich für noch mehr negatives Aufsehen gesorgt. Für sie und ihre Familie. Und das einzige, was sie tun konnten gegen das negative Bild, das gerade die Runde machte über ihre Familie, war: das Gegenteil zu beweisen. Livianus war nun als Legat berufen. Faustus ging ohnehin seinen Weg, Mattiacus und Magnus genauso. Dennoch wünschte sich ein Teil von ihr, Meridius möge zurückkehren aus Spanien. Aber nach dem tragischen Verlust, den er nun erlitten hatte, schien es nur noch unwahrscheinlicher zu werden, dass sein Weg ihn wieder nach Rom führen würde.


    Der Zug um ihre Mundwinkel verhärtete sich noch etwas und gewann für einen Augenblick an Bitterkeit. Wenn sie selbst Auctrix war… wenn sich der Senat tatsächlich für sie entschied… würde sie auch nicht mehr tun können. Und es gab auch nichts, was sie tun konnte wegen dieser elendigen Brotgeschichte, die nun noch festgeschrieben war, sichtbar für alle, die es noch nicht mitbekommen hatten. Aber wenigstens schien Piso Erfolg gehabt zu haben. In jedem Fall war es ruhig, bisher. Das Eis in ihr knisterte, flüsterte beinahe zärtlich, als sich Splitter bewegten bei dem Gedanken an ihr Scheitern. Und an die Hilflosigkeit, die sie dabei empfunden hatte. Sie flüchtete sich regelrecht in die Kälte, die den Schmerz und die Scham betäubte und nur noch verletzten Stolz übrig ließ. Und mit diesem konnte sie umgehen. Dieser führte nicht dazu, dass sie sich noch kleiner fühlte… er brachte sie eher dazu, sich wieder aufzurichten. Eisklotz, hatte er sie genannt. Schneekönigin. Er hatte keine Ahnung von ihr gehabt. Er hatte sie nie gekannt, nie wirklich… Ihre Augen öffneten sich wieder, und ihr Blick fiel auf die letzten Worte des Artikels. Gerade wo sich mindestens eine heiratswillige Dame unter den Decimern befindet. Jetzt hoben sich ihre Mundwinkel in einem hauchfeinen, zynischen Lächeln. Es war schade. Um ihr Ansehen war es schade. Um die Jahre war es schade, die sie damit vergeudet hatte, die sie mit ihm vergeudet hatte. Sie konnte nicht leugnen, dass es auch sein Gutes gehabt hatte, die Zeit in Alexandria, aber die Verhältnisse in Rom waren nun einmal wie sie waren. Sie hätte schon längst verheiratet sein sollen. Vor allem aber war es, jedenfalls redete sie sich das in diesem Augenblick ein, um die Verbindung zum Kaiserhaus schade.


    Sim-Off:

    Wer mag?

    Aristea hieß sie also. Seiana nickte leicht, und währenddessen sprach die Sklavin bereits weiter und erzählte, was sie konnte, was sie bisher gemacht hatte. Dass sie als Sklavin geboren war, sprach in jedem Fall schon einmal für sie, fand Seiana – geborene Sklaven waren in aller Regel einfach nicht so anstrengend, und obwohl Seiana keine von denen war, die Sklaven ungerecht behandelt hätte, legte sie doch auch keinen allzu großen Wert darauf, sich mehr mit ihnen beschäftigen zu müssen, weil sie aufmüpfig waren. Und was sie gelernt hatte… nun, eine eigene Ornatrix konnte nicht schaden, schon gar nicht hier in Rom. Bisher hatte Seiana sich da auf die Sklavinnen des Hauses verlassen, vorausgesetzt sie wollte eine Frisur, die komplizierter war und über Elenas Fähigkeiten hinausging. „Nun, was die Tätigkeiten einer Ornatrix betrifft, diese kannst du auch bei mir übernehmen“, meinte sie. „Ich habe keine eigene.“ Seiana winkte Aristea näher zu sich und bedeutete ihr, sich hinzusetzen, während sie das Gleiche tat. „Welche Aufgaben hast du als Leibsklavin noch erfüllt? Hast du ihr bei irgendwelchen Geschäften geholfen? Besorgungen erledigt?“ Leibsklaven waren die Vertrauten ihrer Herren, für gewöhnlich kümmerten sie sich noch um mehr als Dinge wie Kleidung. Andererseits, wäre Elena nun in Aristeas Lage, könnte sie wohl auch kaum mehr berichten von den Dingen, die sie getan hatte. „Du sprichst griechisch?“ Seiana lächelte leicht und wechselte selbst ins Griechische, um zu sehen, wie gut die Sklavin wirklich griechisch sprach. „Kannst du noch eine Sprache? Und wie sieht es aus mit Lesen und Schreiben? Welche Interessen hast du?“

    Heimat. Hätte Narcissa ihre Gedanken laut ausgesprochen, Seiana hätte nicht sagen können, was ihre Heimat war. Hispania dann wohl, unter den Maßstäben betrachtet, die die Aurelia für sich selbst anlegte. Heimat. Tarraco war sicherlich ihre Heimat gewesen, früher einmal. Irgendwie. Aber was hieß schon Heimat? Daheim gefühlt hatte sie sich nie an einem Ort, immer nur bei Personen. Genauer gesagt bei ihrer Familie, vornehmlich bei Faustus, ihrem Bruder. Der dann verschwunden war. Ebenso wie ihre beiden anderen Brüder – der ältere tatsächlich, der zweite… geistig. Seiana hatte den Punkt nie benennen können, aber Caius hatte sich irgendwann… abgeschottet von ihr. Von ihnen. Das Verhältnis zu ihm war ohnehin nicht so eng gewesen wie zu ihren beiden anderen Brüdern, aber im Lauf der Jahre hatte es sich noch mehr auseinander entwickelt, und als dann ihre Mutter krank geworden war, hatte er sich dann völlig zurückgezogen, von ihr, ihrer Mutter, jedem, so weit Seiana das beurteilen konnte. Und hatte sie auf diese Weise so allein gelassen wie die beiden anderen. Und nach dem Tod ihrer Mutter… war ohnehin alles anders geworden.


    „Nun… Doch, ich denke schon, dass ich mir das vorstellen könnte.“ Seiana lächelte, aber es erreichte ihre Augen nicht wirklich. Es war nicht so, dass sie die Wahl hatte – wenn sie verheiratet war, war ihr Platz an der Seite ihres Mannes, und auch wenn diese Verlobung geplatzt war, eines Tages würde sie heiraten, weil es sich so gehörte, weil es gar keine Alternative gab für sie, wenn sie ihrer Familie keine Schande bringen wollte. Für einen winzigen Moment bedauerte sie, dass Faustus und sie Geschwister waren. Wie einfach wäre die Welt, wenn sie heiraten könnten. Er müsste keine Verkupplungsversuche ihrer Tanten mehr über sich ergehen lassen, und er hätte eine Frau, der er nichts vorspielen müsste. Und sie… sie hätte einfach ihre Ruhe, sie wäre verheiratet, hätte ihre Pflicht erfüllt, würde nicht mehr aus dem Rahmen fallen, aus der Norm, würde nicht mehr auffallen… Seiana verdrängte diese Gedanken. „So weit und beschwerlich die Reise auch ist, Alexandria ist sie in jedem Fall wert.“


    Als Seiana einen kurzen Augenblick schwieg und in einer Erinnerung versank, die sie nur allzu bald wieder zu verdrängen suchte, bemerkte sie nichts von Narcissas Reaktion darauf. Wie sie kurz stutzte. Hätte sie es bemerkt, hätte Seiana sich sofort gefragt, ob sie nicht zu viel verraten hatte – ob an ihrer Reaktion, ihrem Gesicht zu lesen gewesen wäre, was vorgefallen war, das diese… diese Iunia getan hatte an jenem Abend. So bemerkte Seiana allerdings nur eine leichte Röte auf den Wangen der anderen, die sie nicht ganz zuordnen konnte, und so winkte sie nur ihrem Sklaven kurz zu, das Gewünschte zu bringen, während sie selbst die Schriftrolle entgegennahm und ihr eine leichte Schutzhülle aus Stoff überzog. „Möchtest du Platz nehmen?“ fragte sie und wies auf eine kleine Gruppe aus Korbstühlen und Tischchen, die in einer Ecke standen, noch darauf wartend, im Raum an geeigneten Stellen verteilt zu werden. Der Sklave unterdessen kam wieder mit einem Krug voll Wasser und einem zweiten mit Saft so wie drei Bechern, die er jeweils bis zur Hälfte mit Wasser füllte, bevor er sich wieder daran machte, Schriftrollen auszupacken und zu sortieren. „Wenn du möchtest, kannst du es auch gerne mischen. Ist das deine erste Schrift von Sappho, oder hast du schon einmal was von ihr gelesen?“

    Faustus Decimus Serapio
    Tribunus Angusticlavus
    Legio XXII Deiotariana
    Nikopolis
    Aegyptus


    Lieber Faustus,


    ich hoffe, du hast meinen letzten Brief in der Zwischenzeit bekommen – ich hätte dich ganz sicher eingeladen, ganz egal, was zwischen uns vorgefallen ist. Die Hochzeit hat nur einfach nicht stattgefunden. Die Verlobung wurde ganz aufgelöst, Aelius Archias ist inzwischen mit einer anderen verheiratet. Es tut mir leid, dass ich darüber nur so kurz schreibe, aber ich möchte das Thema gerne einfach auf sich beruhen lassen, und ich hoffe ja, dass dich mein erster Brief erreicht hat. Sag mir einfach Bescheid, wenn er doch verloren gegangen ist, oder wenn du etwas wissen möchtest, dann schreibe ich dir natürlich noch einmal ausführlicher.


    Was du von Ägypten erzählst, klingt einfach fantastisch. Ehrlich gesagt, wenn ich das lese, kriege ich fast Lust, selbst wieder nach Alexandria zu reisen. Das Leben dort war irgendwie… leichter. Unbeschwerter. Ein Besichtigungsprogramm solltest du auf jeden Fall irgendwann machen, wenn du irgendwie Zeit dafür freischaufeln kannst. Kommst du denn wenigstens bei deinen Aufgaben als Tribun ein bisschen herum und siehst so etwas von Alexandria? Oder bist du die ganze Zeit nur in Nikopolis, in dem Haus, das du ganz für dich allein hast? Sag Celeste übrigens schöne Grüße von mir, es hat mich gefreut, sie kennen zu lernen… Allerdings kann ich dir nicht sagen, wie gut sie angekommen ist. Ob Tante Venusia – oder Tante Lucilla, wenn sie davon hört – wirklich begeistert sind. Mh… meinst du denn, du hast dadurch erst mal deine Ruhe? Hast du denn was von Venusia oder Lucilla gehört zum Thema Hochzeit? Und was deine Meditrinalienbekanntschaft angeht: wenn es irgendwas gibt, was ich tun kann… sag einfach Bescheid, ja? Auch wenn es wohl nichts gibt, was ich tun kann, außer darauf zu hoffen, dass du wieder zurück nach Rom versetzt wirst irgendwann… und deine Bekanntschaft dann immer noch so interessant und interessiert ist!


    In Rom ist es ein wenig ruhiger geworden. Die Wahlen sind vorbei, und Onkel Livianus wurde leider nicht gewählt zum Consul. Dafür ist er nun zum Legat der II. berufen worden und wird bald nach Germania aufbrechen. Einige Hochzeiten hat es gegeben, in der Acta wurde darüber berichtet – Aurelius Ursus hat eine Tiberia geehelicht, und in Verbindung mit dem Haus Germanica gab es eine Doppelhochzeit. Germanicus Sedulus und Iunia Serrana bilden eines der Paare, das zweite Germanica Calvena und ein Quintilier; die Zeremonien haben sie gemeinsam durchgeführt, Livianus und ich haben teilgenommen an der Feier. Und es wurde noch ein weiteres Mal über unsere Familie berichtet. Ich schicke dir eine Abschrift mit, falls du nicht schon eine hast. Dieser Artikel ging nicht über meinen Tisch, allerdings hätte ich daran kaum etwas geändert, denke ich, ebenso wenig wie am letzten. Das ist letztlich Sache des Auctors, zu entscheiden, was veröffentlicht wird, und ich glaube fast, dass es besser ist einfach abzuwarten, bis das Gerede abflaut. Und immerhin: es wird sehr positiv über dich berichtet!


    Im Augenblick habe ich leider recht wenig Zeit, um selbst Artikel für die Acta zu schreiben. Ich bin nun offiziell Praeceptrix an der Schola, und ich belege auch selbst Kurse. Momentan gerade einen über die Stoa, der sehr interessant ist – und recht intensiv, weil nur wenige Teilnehmer in dem Kurs sitzen. Allerdings hatte ich gehofft, dass sich gerade dadurch mehr Diskussionen ergeben, aber es war recht ruhig. Ich hab ein paar Fragen gestellt, aber darauf hat dann nur der Kursleiter geantwortet. Eine Diskussion hat sich leider nicht entwickelt.
    Meine Betriebe laufen recht gut, ich habe nun für meinen Buchladen auch in Rom ein Geschäft eröffnet – falls du Zeit hast, kannst du ja mal nach dem Rechten sehen in meinen Geschäften in Alexandria. Nicht dass ich meinen Verwaltern dort nicht vertraue, aber es ist doch besser, wenn es gelegentlich eine Kontrolle gibt. Vor allem wenn sie unangekündigt ist. Eine Neuigkeit gibt es auch noch, die ist aber noch lange nicht offiziell: Aurelius Corvinus wird wohl als Auctor zurücktreten, und er hat gefragt, ob ich seine Nachfolgerin werden möchte. Kannst du dir das vorstellen, ich als Auctrix? So wie Lucilla früher! Natürlich habe ich ja gesagt, auch wenn ich dann schauen muss, wie ich Zeit dafür finde – ich denke, ich werde bei der Verwaltung meiner Betriebe kürzer treten und noch jemanden zusätzlich dafür einstellen. In jedem Fall wird Corvinus mich den Senatoren nun als Nachfolgerin vorschlagen, und dann heißt es abwarten, was der Senat entscheidet. Ich halte dich in jedem Fall auf dem Laufenden!


    Liebe Grüße aus Rom,


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    Sim-Off:

    Familienwertkarte :)

    „Nun, nein, eine Taberna medica besitzt mein Onkel nicht.“ Und sie wusste nicht einmal, inwiefern Mattiacus für Freunde etwas berechnete, oder wie viel. In jedem Fall behandelte er, so weit sie das beurteilen konnte, nur Bekannte und Freunde, und bot seine Dienste nicht jedem an – natürlich nicht, bei seiner gesellschaftlichen Stellung. Insofern mochte ihr Patron Recht haben, wenn er meinte, ihr Onkel würde das nicht als Konkurrenz betrachten. „Welche Termine wären für dich günstig in nächster Zeit? Dann werde ich einen entsprechenden arrangieren.“ Ein flüchtiges Lächeln flog über Seianas Gesicht, obwohl ihr bei den folgenden Worten eher weniger danach zumute war. Corvinus hoffte auf Kinder. Natürlich. Kinder, vor allem Söhne, waren doch die Krönung jeder Ehe. Und sie selbst war weiter davon entfernt denn je. Nicht dass sie unbedingt Kinder haben wollte, im Gegenteil, wann immer Caius davon gesprochen hatte, war sie wenigstens innerlich zurückgeschreckt… Aber in der Situation zu sein, dass Nachwuchs ein Thema war… Auch wenn sie nicht glaubte, eine gute Mutter zu sein. „Derzeit leider noch nicht, nein. Aber ich plane, die Taberna noch ein wenig zu erweitern, wenn die Geschäfte gut laufen. An eine Hebamme habe ich dabei bereits selbst schon gedacht, denn ein guter und erfahrener Iatros ist bereits tätig für mich, ebenso wie dessen Schüler, der ihn nun schon seit Jahren begleitet und unter seiner Ägide bereits Behandlungen übernimmt. Sie sind gut aufeinander eingespielt, den beiden durch einen dritten interne Konkurrenz zu verschaffen, halte ich für eher ungeschickt. Eine Hebamme würde das Spektrum der zwei dagegen gut ergänzen.“ Sie machte eine kleine Pause und fuhr dann fort: „In jedem Fall wünsche ich dir, dass Iuno deine Hoffnung erhört.“


    Als Corvinus dann Siegel und Dokument beiseite legte und sie ansah, wurde Seiana unwillkürlich noch aufmerksamer als ohnehin schon. Sein Blick hatte sich ein wenig verändert, auch wenn sie nicht sagen konnte wie – sie spürte es ohnehin mehr als dass sie es sah. Seine Worte bestätigten dieses Gefühl aber nur, und für einen winzigen Moment fragte Seiana sich, was los war, ob sie möglicherweise etwas falsch gemacht haben könnte. Aber je weiter Corvinus sprach, desto deutlicher wurde, dass er ihr etwas ganz anderes sagen wollte. Seianas Augen weiteten sich. „Dein Nachfolger bei der Acta? Ich?“ Für einen Moment konnte sie nicht anders als ihn anzustarren, bevor sie sich wieder in den Griff bekam. „Ich… Es ist traurig, dass du dich zurückziehen möchtest. Aber ich fühle mich geehrt, dass du dabei an mich denkst.“ In Seianas Kopf wirbelte es ein wenig. Auctrix. Es wäre viel zu tun. Er hatte Recht, sie wusste nur zu gut, dass es derzeit nicht sonderlich gut lief. Der feste Stamm der Redaktion war klein, und das war auch gut so, fand sie, aber diese hatten zu wenig Zeit, und sie hatten zu wenig freie Schreiber, um das wettmachen zu können. Es wäre viel Arbeit, mehr, als sie jetzt investierte. Sie würde umdisponieren müssen, würde sich entgegen ihrer Worte von vorhin dann doch auf Verwalter verlassen müssen, was ihre Betriebe betraf… Aber was das bedeutete… Die Acta zu übernehmen. In die Fußstapfen ihrer Tante Lucilla würde sie damit treten. Dass Lucilla eine Matrone war, wie sie im Buche stand, stand außer Frage, daher gab es doch auch keine Diskussion darüber, ob das für eine Frau ihres Standes schicklich war… Vielleicht fand das der ein oder andere, aber diese Menschen würden es auch nicht für schicklich halten, dass sie Betriebe besaß und selbst verwaltete oder bei der Schola tätig war… „Ja“, antwortete sie schließlich. „Mir ist klar, dass es eine Herausforderung sein wird. Und ich würde sie gerne annehmen.“ Dann, erst nachdem sie sich entschieden hatte, fiel ihr noch etwas ein. „Wirst du dich denn ganz zurückziehen, oder wirst du der Acta wenigstens als Subauctor erhalten bleiben?“