Der letzte Rest der Haare war zu Asche geworden, die sanft von einem Windzug fortgeweht wurde. Fhionn verfolgte Die Aschenreste mit ihren Augen. Sie war sich sicher, ihre Göttin hatte das Opfer wohlwollend angenommen. Dann konnte sie morgen auf ihre Hilfe hoffen. Ein tröstlicher Gedanke, wenn man bedachte, welches Schicksal ihr bevorstand.
Fhionn hatte die Stille des Augenblicks genossen. Sie war in sich gekehrt, ja fast geistig abwesend gewesen, nur ihr Körper war wie eine scheinbar schwere Last zurückgeblieben. Erst viel später bemerkte sie Sivs Blicke. Sie wollte ihr Hoffnung geben, obwohl es doch gar keine Hoffnung mehr gab. Die Hoffnung war mit Corvinus´ Zurückweisung am Abend gestorben. Doch sie verstand, was Siv ihr damit sagen wollte und sie war dankbar dafür. Sie hätte es wahrscheinlich auch nicht anders gemacht. "Ja, jetzt haben Nacht," antwortete sie ihr schließlich und versuchte dabei etwas zu lächeln. Noch einige wenige Stunden blieben ihr und sie wünschte sich, diese Nacht würde ewig Bestand haben. Die Zeit allerdings war nicht auf Fhionns Seite. Sie ging unbarmherzig weiter. Bald schon würde der Morgen grauen und dann, wenn es hell war, würde man sie holen und hinaus aus der Stadt bringen. Nein, sie wollte nicht weiter darüber nachdenken, was dann geschehen würde! Das würde sie noch früh genug am eigenen Leib erfahren. Sie atmete tief durch, um sich damit letztlich selbst wieder zu beruhigen. Um sich abzulenken, half schlicht und einfach nur, über etwas anderes nachzudenken und darüber zu sprechen.
"Kinder sind getötet in Überfall, wen Römer kommen. Ich können nicht helfen Kinder. Ich zusehen. Aber dann ich getötet Römer, der getötet Kinder. Mann ist gestorben in Kampf. Fast alle tot. Die nicht tot, sind Sklaven." Darüber, was passiert war und wie ihre Kinder den Tod gefunden hatten, hatte sie mit noch niemandem gesprochen. Diese schrecklichen Erinnerungen hatte sie stets tief in sich vergraben. Es waren ihre Erinnerungen und sie hatte es nie geschafft, diese Erinnerungen mit jemand anderem zu teilen. Wem hätte sie auch davon erzählen sollen? Sie ging mit ihrer Geschichte nicht gerne hausieren. Von außen ließ sie sich auch den Verlust, den sie erlitten hatte, nur sehr selten anmerken. In Siv hatte sie eine würdige Zuhörerin gefunden, der sie gerne erzählte und bei der sie wußte, ihre Geschichte war gut aufgehoben. "Wie dein Mann sterben? Auch in Kampf?"
Beiträge von Fhionn
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Nein, Fhionn hatte weder von Athen noch von Achaia gehört. Die Welt, die sie kannte war das grüne Fleckchen Erde, wo sie einst lebte und vor langer Zeit auch einmal glücklich gewesen war. Selbst Rom, die Stadt, die man ihr als neue Heimat aufgezwungen hatte, war ihr eigentlich noch fremd.
Das, was sie über das Volk der Griechen sagte, erinnerte sie sehr stark daran, wie so mancher Römer, zu Hause in ihrer Heimat über ihr eigenes Volk dachte redete. In ihren Augen war sie und ihr Volk nichts weiter, als Barbaren. Sie waren alle so überheblich und arrogant. Fhionn hatte für solcherlei Leute nur wenig übrig. Doch ihrem Gegenüber wollte sie dergleichen nichts verlauten lassen. Nein, sie traute nichts und niemandem, der römisch war. Wahrscheinlich würde sich dies auch niemals ändern.
"Nein, nicht kennen..." Weiter kam sie nicht, denn plötzlich betrat einer der Aurelier das Atrium. Durch Urus Erscheinen war sie schon etwas erleichtert. Wenigstens war sie jetzt nicht mehr gezwungen, sich weiterhin mit der Römerin unterhalten zu müssen.
Ursus begrüßte sie und erkundigte sich, ob man ihr schon etwas angeboten hatte. Die Römerin wiederum schüttelte daraufhin den Kopf, was Fhion mehr als traf. Natürlich, sie war eben eine Römerin! Einer der man nicht trauen konnte und durfte. Hätte sie jemals etwas anderes erwarten dürfen?
Fhionn beantwortete die Anweisungen des Aureliers nur mit "Ja" und verschwand daraufhin, während sie die Römerin nicht mehr weiter beachtete. -
Es dauerte noch eine ganze Weile, bis Fhionn abermals Schritte hörte. Durch das lange Warten war sie immer nervöser geworden. Diesmal war es eine römische Dame, die erschien. Das mußte die Flavierin sein, zu der sie Chimerion bringen sollten. Sie trug eine feine Tunika und reichlich Schmuck an den Ohren und um den Hals. Kein Zweifel, das war sie!
Die Römerin macht auf sie einen arroganten Eindruck. Alleine schon die Art und Weise, wie sie Tilla, Chimerion uind sie selbst musterte, mißfiel der Keltin. Innerlich hatte sie bereits Mitleid mit Chimerion, sollte er denn tatsächlich an sie geraten.
Fhionn selbst, versuchte so natürlich, wie möglich zu wirken. Sie wollte die Römerin nichts von ihrer inneren Aufgewühltheit spüren lassen.
Allerdings, als die Flavierin so da stand , sie anstarrte und kein Wort sagte, konnte sie ihre Gefühle kaum noch verbergen.
Endlich begann sie zu sprechen. Das was sie sagte, paßte zu ihrer Erscheinung. Fhionn überlegte, ob sie sprechen sollte. Es gab aber nicht viel zu überlegen, denn schließlich war sie die Einzige, außer Chimerion, die sprechen konnte. Also mußte sie wohl oder übel sprechen.
"Verzeihung stören, wir haben Nachricht für dich. Bringen Sklaven zu dir!" Sie deutete unsicher auf Chimerion und tippte dann Tilla sanft am Arm, damit sie der Römerin die Schriftrolle übergab, die alles erklären sollte. -
Eine Männerstimme drang aus dem Raum und bald darauf erschien dann auch der Sklave, der die beiden Sklavinnen fragend ansah. Sicher wollte er wissen, was es zu tun gab. Wahrscheinlich ahnte er gar nicht, daß seine Zeit in der Villa Aurelia nur von kurzer Dauer war, woher asollte er auch? Er war ja gerde gestern erst angekommen.
Fhionn blickte erwartungsvoll auf Tilla, die immer noch das Wachstäfelchen der Römerin bei sich trug. Da es ja eigentlich um den Auftrag der jungen Sklavin handelte, wollte sie sich nicht einmischen. Sie würde Tilla helfen, wenn diese Hilfe benötigte. Doch als das Mädchen keinerlei Anstalten machte, Chimerion die Wachstafel zu übergeben, damit er auch wusste, was mit ihm geschehen sollte, griff sie doch ein. Sicher war es bei Tilla die Aufregung gewesen. Womöglich hatte sie sogar Angst vor dem fremden Mann. Jedoch war Fhionn ja bei ihr und sie wollte sie auch begleiten. Das hatte sie versprochen.
"Tilla, du geben Chimerion die Wachstafel?" -
Bisher hatte Fhionn nur den Sklaventrakt der Villa gesehen, wenn sie hier weilte, um dem Unterricht für die Sklaven beizuwohnen. Das wohlausgestattete Atrium hatte sie bis dahin noch nicht betreten.
Sie staunte nicht schlecht, als sie sich umsah. Dieses Atrium stand dem in der Villa Aurelia in nichts nach. Die reichverzierten Wände, das Mobiliar und das impluvium, in dessen Mitte Seerosen schwammen, zeugte davon, in welchem Reichtum die Bewohner der Villa leben mußten.
Chimerion ging es genau so. Auch er schaute sich um. So etwas wie Nervosität konnte man ihm allerdings nicht ansehen. Womöglich hatte er sich bereits mit dem Gedanken abgefunden, wieder einmal seinen Besitzer zu wechseln. ob es denn dazu überhaupt kam, stand noch in den Sternen. Schließlich hatte man ihnen ja aufgetragen, den Sklaven erst einmal der Dame anzubieten. Falls sie sich dann tatsächlich zu einem Kauf entschloß, lag dann nur bei ihr.
Plötzlich hörte Fhionn Schritte und sie sah sich um, aus welcher Richtung sie gekommen waren. Noch einmal ging sie im Geiste durch, was sie sagen sollte. Sie war so aufgeregt.
Es war allerdings ein Mann, der das Atrium betrat, nicht die Flavierin. Fhionn atmete erleichtert auf. Man hatte ihr noch etwas Aufschub gewährt.
Vorerst beachtete sie den Mann nicht, solange er sie nicht ansprach. -
Sim-Off: Macht nix!
Fhionn zuckte ängstlich zusammen. Hatte sie die Römerin jetzt erzürnt? Der Drang, einfach wieder verschwinden zu können, wurde in ihr wieder stärker. Wenn sie sich doch nur hätte davon schleichen können. Aber da sie mit ihr ja praktisch alleine war, wäre das mit hundertprozentiger Sicherheit aufgefallen! (:D) Also war Stellung halten die Devise.
"Tut mir leid! Ich dich nicht wollte Ärger!" Fhionns Stimme klang verschüchtert. Sie saß hier in der Falle und sah keinen Weg mehr, zu entkommen. Hoffentlich kommt bald Corvinus, dachte sie und seufzte unbewußt, so wie es das römische Mädchen auch getan hatte. Es mußte doch irgendetwas geben, was sie machen konnte. Ratlos schaute sie zu ihr hinüber, dann zu ihrem Begleiter und als sich nichts tat, wich ihr Blick zu den schön bemalten Wänden, die ihr bereits an ihrem ersten Tag aufgefallen waren.Allerdings war dies auf die Dauer auch nicht das Wahre! Vielleicht sollte sie doch noch ein Gespräch anfangen. So wäre ihnen beiden geholfen, während sie warteten.
"Du kommen auch A..Achia? Wo ist das? Ich nicht kennen das." -
Sim-Off: Ja also, die Tomaten sind jetzt mal weg von meinen Augen und hey, da hab ich doch gleich mal gesehen, daß ich hier schon lange nicht mehr gepostet habe
Mehr oder weniger passiv beobachtete Fhionn, was hier vor sich ging. Eigentlich hatte sie sich schon damit abgefunden, nichts vorweisen zu können. Nicht einmal schreiben und lesen konnte sie.
Verständnislos hörte sie sich den Disput zwischen den beiden männlichen Sklaven an. Als sich dann auch noch Bridhe erhob, um auch ihren Teil einzubringen, verstand sie gar nichts mehr. Sie hörte noch, wie der paedagogus meinte, man solle doch gemeinsam etwas lesen. Zerknirscht wandte sie sich ab. Sie konnte doch gar nicht lesen! Wie hätte sie da etwas dazu beitragen können, wenn man etwas gemeinsames lesen wollte? Fhionn wäre am liebsten wieder zurück in die aurelische Villa gelaufen. Sie traute sich nich, zuzugeben, daß sie weder lesen noch schreiben konnte. Die anderen würden sie dann bestimmt auslachen. Aber es zu verschweigen, war auch keine Lösung. Sie saß in einer Zwickmühle.
Doch viel Zeit, um sich deswegen den Kopf zu zerbrechen, hatte sie nicht. Mit einem Mal war Siv aufgestanden und winkte Merit und sie zu sich. Nur zögerlich erhob sich Fhionn. Sie fragte sich, ob Siv und Merit des Lesens und Schreibens mächtig waren. Merit konnte es sicherlich, wenn sie doch eine völlig fremde Sprache beherrschte.Siv stand an einem Tisch gelehnt und wartete auf Merit und sie. Es war jetzt wohl beschlossene Sache, daß dieser Cassim sie unterrichten sollte. Der Sklave war ihr nicht ganz geheuer.
Fhionn stellte sich ganz nah zu Siv und wisperte ihr etwas zu.
"Siv, du können lesen?" -
Erleichtert stellte sie fest, daß ihre Fragerei ohne Folgen bleiben würde. Die junge Frau entschloß sich, ihr sogar zu antworten. Fhionn registrierte auch eine entspanntere Körperhaltung bei dem Mädchen. Vielleicht brauchte sie einfach jemanden zum reden. In diesem Alter waren Mädchen nun einmal sehr schwierig. Es war die Zeit, in der man die ersten eigenen Erfahrungen machte und seinen eigenen Weg suchte. Deibei waren Streß und Ärger meist vorprogrammiert.
Sie nannte ihren Namen und den ihres Vaters. Dabei mußte Fhionn gewaltig stutzen. Aurelius Cotta war ihr Vater und der war tot? Nein, war er doch gar nicht! Der saß doch in seinem cubiculum und erfreute sich, na ja nicht so der besten Gesundheit.
"Nein, nicht tot sein, Aurelius Cotta! Er ist leben hier! Er dein Vater?" Sie wollte immer noch nicht recht daran glauben. Dieser Cotta war doch noch so jung. Oder unterlag sie hier einem Irrtum? "Dein Vater seien wirklich tot? Aber hier wohnen auch Aurelius Cotta!"
Allmählich dämmerte es ihr, daß sie sich doch geirrt haben mußte. Es mußte einen Zweiten dieses Namens gegeben haben! Vor Scham lief sie rot an und hätte sich sicher am liebsten verkrochen. Wohin, wußte sie aber selbst nicht so genau.
Sie räusperte sich, um ihre Verlegenheit zu verbergen und sich nun wieder ihrer Fragen widmen zu können. Sicher war sie in erster Linie an den Namen ihrer Verwandten interessiert.
„Hier wohnen dominus Corvinus, Aurelius Ursus, kommen zurück von Germanien, Aurelius Avianus und Aurelius Catullus, das seien Brüder, dann Aurelius Orestes, Aurelia Minervina, das Schwester von Ursus und dann noch Aurelia Prisca, das seien Nichte von Corvinus. Ja, und dann noch Aurelius Cotta hier wohnen!“ So, jetzt hatte sie alle aufgezählt und hatte hoffentlich niemanden vergessen. Bei so vielen Menschen konnte man leicht die Übersicht verlieren. -
Daß die beiden Fremden einander nicht besonders mochten, bedurft gar keiner Worte, man sah es an ihrem Blick und auch an der Art, wie der Mann gelegentlich einen Blick auf das Mädchen warf. Davon unbeirrt, schenkte Fhionn dem Mann etwas von dem verdünnten Wein in seinen Becher. Der dankte es ihr freundlich und trank.
Nachdem das Mädchen Fhionns Angebot, ihr etwas eßbares zu bringen, dankend abgeleht hatte, wollte sie schon gehen. Aber etwas ließ sie dann doch zögern, schließlich wollte sie die Fremde hier nicht völlig alleine sitzen lassen. Aber nur so in der Gegend herum stehen, war Fhionn auch unangenehm. Dann dieses Schweigen, das nun im Atrium herrschte, einem Ort, an dem sonst das Leben der Villa pulsierte, hatte etwas Bedrückendes an sich.
Sie nahm es dann auch als Erleichterung auf, als das Mädchen, zwar etwas mit gelangweiltem Ausdruck, aber immerhin, sie etwas fragte. Die keltin lächelte freundlich und antwortete ohne zu zögern.
"Ich heißen Fhionn. Komme aus Albion, ähm... Britannia. Ich jetzt sein mehr als ein Jahr hier.... Und du?"
Kaum hatte sie ihre kleine harmlose Frage gestellt, biß sie sich auch schon wieder auf die Zunge. Es war garantiert keine gute Idee gewesen, sie danach zu fragen, wer sie war und woher sie kam. Aber jetzt war es zu spät. -
Fhionn betrachtete die junge Dame von der Seite, als sie das gewüschte Getränk in den Becher einschenkte. Nun ja, von 'Dame' im eigentlichen Sinne, konnte bei ihr noch nicht die Rede sein. Sie war fast noch ein Kind! Sie schätzte sie auf dreizehn, vierzehn, allerhöchstens fünfzehn Jahre.
Wenigstens war ihre miesepetrige Laune auf dem Rückzug, denn als Fhionn ihr die Erfrischung servierte, legte sie gleich eine etwas freundlichere Miene auf.
"Nicht genau wissen, wann er kommen wieder zurück. Sagen nichts genaues! Sagen nur bald. Das vor zwei Stunden gewesen!" Fhionn zuckte nur mit den Schultern. Sie wußte selbst, wie sehr dehnbar das Wort "bald" war.
Dann sah sie sich zu dem Mann um, der völlig unbeteiligt etwas abseits stand. "Du wollen auch Erfrischung? Verdünnte Wein, Saft und Wasser?" War er dieser Libertus, von dem sie sprach? Was immer das auch war, sie hatte keine Ahnung.Sie fragte sich, woher das Mädchen kam und wie lange sie unterwegs gewesen war. Wenn sie sie genau betrachtete, sah sie etwas dürr aus, fand Fhionn. Sie hatte bestimmt hunger! Wer weiß, wann sie zum letzten Mal etwas gegessen hatte, das arme Kind.
"Du wolle essen, etwas? Hunger?" -
Fhionn konnte so einigem widerstehen, aber einem Jungen der kurz davor stand, wie ein Schloßhund zu heulen, war zu viel des Guten. "Ja, ja, ist schon gut! Ich gehen ja! Dafür du mir schulde etwas!" Sie strich ihm aufmunternd über seine Stoppelhaare. "Außerdem Corvinus nicht da. Ist gegangen weg."
Mit einem Tablett in Händen, auf dem zwei Becher und zwei Krüge, gefüllt mit verdünntem Wein und einen Saft/Wasser Gemisch, traf Fhionn schließlich im Atrium ein. Sie stellte das Tablett ab und sah zu der Dame, die einen schlechtgelaunten Eindruck machte.
"Dominus Corvinus ist nicht da. Ist gegangen weg, aber kommen bald wieder. Du möchten Erfrischung? Verdünnte Wein, Saft und Wasser?"
Fhionn gab sich wirklich die größte Mühe. Im Laufe der Zeit hatte sie ihren Wortschatz erweitert. Auch ihre Aussprache hatte sich um einiges verbessert. -
Mutig ergriff Fhionn das Wort. Sie hatte den flavischen ianitor ja bereits schon durch ihre Besuche des Unterrichts in der villa kennenlernen dürfen. Oftmals war er schlecht gelaunt. Von daher wusste sie, wie sie ihn zu nehmen hatte. Dann begann sie langsam und deutlch zu sprechen. Sie wollte ja keinen Fehler machen. Den Namen der Dame, der sie den Sklaven bringen sollten, hatte sie sich auf dem Weg mehrmals vorgesagt, damit auch ja nichts schief ging.
"Salve, wir von Villa Aurelia. Sollen bringen Sklaven zu Flavia Celerina." Mit ihrem rechten Zeigefinger deutete sie auf Chimerion. -
Tilla und Fhionn hatten sich mit dem fremden Sklaven auf den Weg zur nahe gelegenen Villa Flavia gemacht. Die Keltin kannte den Weg bereits, da sie schon einige Male dem Unterricht beigewohnt hatte, der dort angeboten worden war. Diesem Unterricht hatte sie ihre ersten Fortschritte im Lesen zu verdanken.
Sie trat an die porta und klopfte mehrmals kräftig. -
Fhionn verstand so in etwa, was Tilla meinte. Nachdem sie in die Dunkelheit hinein gerufen hatte, wartete sie eine Antwort ab, die auch bald darauf kam. Sie erkannte Chimerions Stimme wieder. Trotzdem wollte sie sich aber erst vergewissern.
"Chimerion? Du kommen, bitte!"
Fhionn wartete vor der Tür auf den Sklaven, auch wenn sie sich nicht gefürchtet hatte, einzutreten. Um diese Zeit waren wahrscheinlich eh nicht viele Sklaven darinnen. Es war wahrscheinlich aber besser so, denn sie hatte Tillas Scheu bemerkt. Ob es dem Mädchen vielleicht auch lieber war, wenn sie sie anschließend dahin begleitete, wohin sie Chimerion bringen sollte?
Tilla hielt das Wachstäfelchen fest in ihrer Hand. Sicher würde sie es dem Sklaven sofort überreichen, sobald er aus der Unterkunft herausgetreten war. Wenigstens mußte Fhionn dann nichts mehr erklären, was ihr bestimmt schwer gefallen wäre.
"Tilla, ich gehen mit dir und Chimerion, dann?" fragte sie das Mädchen. -
Die Germanin reagierte überrascht, als Fhionn sie mit ihrer Frage aus der Stille gerissen hatte. Die Wehmut, die in Sivs Lächeln lag, bewies ihr, daß auch sie Verluste hingenommen hatte. Auch sie hatte eine Familie, einen Mann und – auch Kinder? Davon hatte sie nichts gesagt. Aber eines hatte sie aus Sivs Worten entnommen, ihre Familie als solches bestand nicht mehr. Sie fragte sich, was genau passiert war, aber angesichts ihrer Reaktion wollte sie nicht noch mehr von Sivs Trauer heraufbeschwören.
"Ich haben auch Familie. Mann und zwei Kinder. Mädchen und Junge. Waren drei und fünf Jahre alt." Sie lächelte, als sie sich an ihre Kinder erinnerte. Dann holte sie wieder das kleine Päckchen hervor, das sie unter ihrer Tunika trug. Sie öffnete es wieder und zeigte es Siv. "Das Haar von Kinder."
Liebevoll strich sie mit ihren Fingern darüber und plötzlich war sie wieder gefangen in ihren Erinnerungen. Fast zwei Jahre waren nun schon vergangen, seit dem Tag, an dem sie ihre Kinder hatte sterben sehen. Der Mann, der sie auf dem Gewissen hatte, war tot. Er hatte dafür bezahlt. Sie hatte sich auf ihn gestürzt und ihn und ihn mit einem Messer bedroht. Er hatte sich erst noch über sie lustig gemacht aber sein hämisches Lächeln war bald einem schmerzverzerrten Ausdruck gewichen. Sie hatte ihn eigenhändig getötet. Kurz darauf hatte sie ein heftiger Schlag auf den Kopf getroffen, so daß sie zu Boden ging. An das, was danach passiert war, hatte sie keinerlei Erinnerungen mehr. Als sie wieder aufgewacht war, hatte sie sich gefesselt wieder gefunden, zusammengepfercht mit anderen Überlebenden ihres Dorfes.Tränen standen in Fhionns Gesicht, als zu einem Öllämpchen griff und das Büschel Haare damit verbrannte. Der Geruch des verbrannten Haars breitete sich um sie herum aus. Doch durch die Öffnung an der Decke des Atriums konnte er bald entweichen. So kam Fhionns Göttin doch noch zu ihrem Opfer.
"Morgen, ich sein, bei Kinder," sagte sie überraschend. Sie lächelte gequält dabei und wischte ihre Tränen ab. -
Das Mädchen deutete wieder auf das Täfelchen. Diesmal zeigte sie auf ein Wort, das am anderen Ende der ersten Zeile stand. Fhionn versuchte auch dieses Wort zu entziffern. "T-i-l-l-a. Tilla! Du Tilla!" Wieder lächelte sie freudig erregt. "Du und ich gehen zu Chimerion!" Gleich nachdem sie das gesagt hatte, schritt sie zur Tür und wollte sie vorsichtig öffnen. "Was du wollen mit Chimerion?" fragte sie plötzlich. Sie wußte ja, daß der Sklave eigentlich nicht zu den Aureliern gehörte, sondern jetzt dieser Frau gehörte, die seit geraumer Zeit in der Villa lebte. Schließlich öffnete sie dann doch ganz vorsichtig die Tür.
Im Inneren war es fast ganz dunkel. Nur ein kleiner Lichtstrahl, der durch die schmale Fensteröffnung fiel, erhellte ein klein wenig den Raum. Fhionns Augen benötigten etwas Zeit, bis sie sich an die Lichtverhältnisse angepaßt hatte. Vorsichtig rief sie ins Halbdunkel hinein. "Chimerion, du hier? Fhionn hier sein!" Sie lächelte Tilla zuversichtlich zu. Dann wartete sie gespannt ab, ob sie eine Antwort bekommen würde. -
Fhionn lag also richtig! Das Mädchen lachte nun auch und begann sogleich damit, wieder mit ihren Händen zu sprechen. Fhionn brauchte ein wenig Zeit, bis sie verstanden hatte. Es fiel ihr immer noch recht schwer, ihre Handbewegungen richtig zu deuten.
"Ja ich kennen Chimerion! Ich gehen in ba...bal..balneum mit Chimerion und geben Kleider zu Chimerion, gestern."
Sie konnte ja nichts dafür, daß ausgerechnet sie es war, die gerade in der Nähe gewesen war und die man dann beauftragt hatte, sich um den Sklaven zu kümmern. Anfänglich fand sie es auch unbehaglich in der Nähe des fremden Sklaven zu sein. Allerdings stellte sich heraus, daß er doch ganz nett war.
"Du und ich gehen zu Chimerion?" Diesmal deutete Fhionn auf die Tür zur Unterkunft der männlichen Sklaven. Bevor sie die Tür öffnete, dreht sie sich noch einmal zu dem Mädchen um. Wie hieß sie denn jetzt eigentlich?
"Was dein Name? Ich, Fhionn!" Mit ihrem Zeigefinger deutete sie erst auf das Mädchen und dann auf sich. -
Es war wirklich eine verzwickte Situation! Das Mädchen hielt ihr eine Wachstafel entgegen mit der sie allerdings nicht viel anfangen konnte. Sie war des Schreibens und Lesens nicht mächtig. Zwar durfte sie am Unterricht für die Sklaven in der flavischen Villa teilnehmen. Aber in so kurzer Zeit konnte niemand perfekt lesen und schreiben lernen. So zuckte sie nur mit den Schultern. "Nicht lesen können, das." Mitleidig sah sie sie an. Sie überlegte krampfhaft, wie sie ihr helfen konnte. Eigentlich hatte sie ja schon einige Buchstaben gelernt und wenn man die Buchstaben verband, dann konnte man die Botschaft, die sich hinter den Buchstaben verbarg, enträtseln. Also nahm sie das Täfelchen aus der Hand des Mädchens und versuchte es noch einmal. Sie begann mit dem ersten Wort und versuchte es über ihre Lippen zu bringen. "Ch-i-m-e-r-i-o-n.. Chimerion! Chimerion? Du wollen zu Chimerion?" Dieser Chimerion war doch der neue Sklave gewesen, den sie ins balneum führen sollte und dem sie neue Kleidung gegeben hatte. Ja genau! Den kannte sie! "Ich kennen Chimerion!" Jetzt begann sie erleichtert zu strahlen. Außerdem war sie auch ein wenig stolz auf sich gewesen, weil sie schon so gut lesen konnte!
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Warum sagte sie nichts? Sie machte nur so eigenartige Handbewegungen und deutete auf die Tür zur Unterkunft der männlichen Sklaven. Was sollte das nur? "Was?" Sie war vollkommen verwirrt.
Doch dann fiel ihr ein, was Caelyn oder Siv ihr einmal erzählt hatte. Es gab da eine junge Sklavin, die nicht sprechen konnte. Natürlich! Das mußte sie sein! Aber sie verstand nicht gleich, was sie ihr 'sagen' wollte. Sie wollte irgendwohin gehen und Fhionn sollte sie begleiten? Wohin? Ja, sicher! In die Unterkunft der Männer! "Ich und du gehen da hinein? Ja?" Nun, das konnte sie bestimmt tun! Sie ging schon einen Schritt auf die Tür zu, hielt aber dann kurzentschlossen wieder inne und wandte sich dann zu dem Mädchen um. Warum? Was wollte sie da drinnen machen? Das hatte sie nicht angedeutet. Aber es mußte schon einen Grund haben! Oder doch besser erst einmal nachfragen?"Was du tun, da hinein?" Sie wollte ja nichts verbotenes tun. Wie hieß das Mädchen eigentlich? Sie konnte doch nicht mit einer Fremden, deren Name sie nicht einmal kannte, da hinein gehen! Am Ende würde man ihr wieder alle Schuld in die Schuhe schieben, wenn das Mädchen eine Dummheit beging. -
Fhionn hatte sich in die Sklavenunterkunft geflüchtet. Matho machte ihr heute wieder das Leben schwer und so war dies ihr Zufluchtsort für den Augenblick. Sie wußte natürlich, daß er auch jeden Moment hier herein schneien konnte. Doch es mußte doch einen Ort geben, an dem sie ein wenig Ruhe haben konnte! Als plötzlich die Tür aufging, hatte sie sich fürchterlich erschrocken. Aber das war nicht Matho, der soeben eintrat. Nein, es war dieses Mädchen, das sie zwar schon vor ihrer Zeit in Germanien gesehen hatte, aber mit dem sie bisher nicht gesprochen hatte. Manche nannten sie kleiner Irrwisch, ihren genauen Namen kannte sie allerdings nicht. Sie verstaute etwas in ihrer Truhe und huschte dann wieder hinaus.
Fhionn beschloß, ihr zu folgen. Sie wußte nicht, warum sie das tat. Vielleicht wollte sie sich damit einfach nur ablenken, damit sie nicht länger über den maiordomus nachdenken mußte. Außerdem würde sie so den Irrwisch endlich kennenlernen.
Sie beobachtete das Mädchen, das unschlüssig auf dem Flur auf und ab ging. Eigenartig, was macht sie da nur? Fhionn konnte sich keinen Reim darauf machen. Dann ging sie auf sie zu und tippte sie leicht an der Schulter an. "Du, ich kann helfen?"