Ach so! Das meinte sie mit durchschlagen! Fhionn verstand jetzt. Tilla hatte sich früher durchgeschlagen und war dann doch wieder dort gelandet, von wo sie weg wollte. Sie fragte sich, ob Tilla mit dem zufrieden war, was sie nun hatte. Wahrscheinlich. Aber sie war ja auch noch ein halbes Kind. In einigen Jahren konnte sich das ganz leicht ändern. Dann überwog vielleicht der Drang nach Freiheit!
"Du haben versteckt sie? Hier?" Fhionn schaute ganz ungläubig. Woher sollte das Mädchen denn so viele Münzen habe? Natütlich wußte sie nicht viel über Tillas Vorgeschichte. Sie ahnte nichts davon, eine waschechte Diebin vor sich zu haben. Und selbst wenn sie es gewußt hätte, dann hätte es sie nicht weiter gestört. Schließlich hatte Fhionn ja auch gewissermaßen eine Leiche im Keller.
Das verstand sich doch wohl von selbst, natürlich wollte sie die Münzen sehen. Nicht weil sie vor hatte, sie Tilla wegzunehmen. Nein, einfach nur so, interessehalber. Eher wollte sie sich bei den Münzen der Flavierin bedienen!
"Ja, bitte! Du mir zeigen!"
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Fhionn folgte staunend Tilas Gebärden und sah dabei immer wieder hinauf ins Gebälk. Sie konnte sich bald bildlich vorstellen, wie sich Tilla dort oben, einer Artistin gleich, bewegen konnte.
Bei ihrer Frage, wer der Mann auf der Münze war, schüttelte sie den Kopf. "Ich nicht weiß. Vielleicht Mann ist wichtig. Vielleicht Kaiser." Sie konnte nur Vermutungen darüber anstellen. Im Grunde war es ihr aber auch gleich, wer das war. Sie fand Tillas Äußerungen lustig. Wenn das wirklich der Kaiser war, dann hatte sie ihn gerade in der Hand!
Tilla stopfte ihre Münzen wieder in den Sack und gab ihn dann an Fhionn weiter. Sie zögerte noch einen Moment, doch dann tat sie es Tilla gleich. Ja, ein paar wenige Münzen nur konnten schon ausreichen!Was wäre denn, wenn zufälligerweise einige Münzen fehlen würden? Ach nein! Das gab wieder nur Ärger und den hatte sie gerade erst gehabt. Die Versuchung aber war sehr groß, wenn nur ein paar Münzen die Freiheit wieder ein Stückchen näher brachten!
"Durchschlagen? Du durchschlagen? Wohin? Du willst gehen weg?" Zu zweit hätten sie sicher eine größere Chance. Aber nein! Der Gedanke allein war absurd! Es war hoffnungslos. Wie so etwas endete, hatte sie ja bei Siv gesehen. Tilla war die Letzte, die sie in eine solche Sache mit hinein ziehen wollte. -
Früher als erwartet geschah nun das, worauf sie im Grunde die ganze Nacht gewartet hatte. Überrascht fuhr sie herum, nun die Wand mit dem Fenster im Rücken und sah mit aufgerissenen Augen, die sich öffnende Tür an. Das Klirren des zu Boden fallenden Kammes wollte sie kurzzeitig ablenken. Brix´ Erscheinen machte ihr Angst. Instinktiv wollte sie einen Schritt zurück machen, mußte aber gleich darauf feststellen, daß es nun kein Zurück mehr gab. Sie stand betreits mit dem Rücken zur Wand. Eine Fluchtmöglichkeit, um ihrem Schicksal doch noch zu entgehen, war unmöglich geworden. Ihr Atem ging schneller. Ihr Puls raßte. Sie zitterte. Sie schloß die Augen... und dann gelang ihr das Unmögliche!
Es war, als sei sie davon geschwebt. Fort, weit weg von diesem Platz.
Alles um sie herum hatte an Bedeutung verloren, sie hörte und sah nichts mehr. Nur noch sie alleine war da. Siv, Alexandros und auch der ansonsten so gutmütig Brix waren unendlich weit fort von ihr. So hörte sie auch nichts von der Unterhaltung, die Siv und Brix führten. Sie hätte ja sowieso nichts davon verstanden, da die beiden Germanen sich in ihrer eigenen Sprache unterhielten. Aber Sivs gequälte Stimme hätte sie wahrnehmen können. Doch nichts von all dem drang zu ihr durch.
Es wahr, als würden die einzelnen Stationen ihres Lebens an ihr vorbei ziehen. Sie sah Szenen ihrer Kindheit und Jugend an sich vorrüberziehen. Der erste Kuß, den sie dem Mann geschenkt hatte, den sie liebte. Der Moment, in dem sie ihre Kinder zum ersten Mal in Armen hielt und auch der Moment, in dem sie von ihr gegangen waren, für immer. Nein, nicht für immer! Genau jetzt fühlte sie sich ihnen so nah, wie schon lange nicht mehr, wie an dem Tag, an dem sie ihre kalten Körper an sich drückte und von ihrem Schmerz beinahe vollkommen verzehrt worden wäre. Dies war ein guter Tag zum sterben! All ihre Ängste waren jetzt endgültig von ihr abgefallen. Selbst die Angst vor dem Moment, wenn das Eisen der Nägel ihre Hangelenke durchschlagen und dabei ihre Knochen zertrümmern würde.
Sie hatte es geschafft, für einen kurzen Augenblick, der einer Ewigkeit glich, die Zeit anzuhalten. Sie hatte der Zeit getrotzt! Nun war sie bereit, auch den letzten Schritt zu tun.
Sie öffnete ihre Augen und schritt freimütig auf Brix zu. "Ich bin bereit!" -
Als Fhionn die letzten Sprossen erreicht hatte tat sich vor ihr ein großer Heuboden auf. Sie sah zu den mächtigen Dachbalken auf und fing mit ihrem Blick Tilla wieder ein, die ihr zu verstehen gab, sie habe hier ihre Kletterkünste erlernt. Das Erstaunen in ihrem Gesicht wurde von einem Lächeln abgewechselt. Schnell erklomm sie die letzten Sprossen und stand nun auch auf dem Heuboden. "Das sehr hoch! Du klettern? Keine Angst?" Fhionn wagte zu bezweifeln, ob sie den Mut hatte hier herumzuklettern.
So setzte sie sich lieber neben Tilla ins Stroh, die den Beutel mit den Geldmünzen hervor geholt hatte und ihn nun öffnete. Sie nickte nur, als Tilla sie fragend anschaute und meinte, ob sie auch einen Blick auf die Münzen werfen wollte. Ihr war nicht ganz wohl bei der Sache, denn sie wußte was geschehen würde, wenn die Münzen verloren gingen. Einen Sklaven bezichtigte man schnell des Diebstahls, ob er nun schuldig war oder auch nicht. Doch der Reiz, die Münzen sehen zu können, war in diesem Augenblick größer als alles andere.
Eine Vielzahl von Münzen kam nun zum Vorschein. So viele auf einmal hatte sie selbst nie zuvor gesehen. Der Kopf eines Mannes war auf jder einzelnen abgebildet. Tilla schaute sich die Münzen von allen Seiten an. Auch in Fhionn erwuchs der Wunsch, einmal eine der Münzen in ihren Händen zu halten. "Du geben eine mir?" Doch schon im gleichen Moment hiel Tilla ihr die Münzen entgegen. Sie nahm eine davon und begutachtete sie auch, wie Tilla es getan hatte.
Soviel Geld! Was man damit alles anstellen konnte! Schöne Sachen kaufen, eine neue Tunika vielleicht, Schmuck, Schuhe, Parfum oder... wieder die Freiheit gewinnen! -
Als Cassim sie berichtigte, sah sie erschrocken auf. Sie wußte ja, daß ihr Latein mehr schlecht als recht war, aber bisher hatte noch niemand sie berichtigt. Da er gleich darauf seufzte, schloß sie daraus, daß er sich wohl mehr erwartet hatte, von ihnen. Aber wieso glaubte er denn, sie könnten lesen und schreiben?
Fhionn nahm ihr Wachstäfelchen dankend an. Es war für sie nicht das erste Mal, daß sie einen solchen Gegenstand in der Hand hatte. Sie wußte natürlich auch, wie man eine Wachstafel benutzte. Cassim schien jedoch zu glauben, sie wüßten selbst dies nicht. Nachdem er sie aber einmal berichtigt hatte, traute sie sich nichts mehr zu sagen, was ihn erneut veranlassen konnte sie zu verbessern. So hörte sie ihm nur zu, was er über das Alphabet sagte und versuchte, dies auch zu verinnerlichen.
Cassim schrieb auf seiner Tafel die ersten fünf Buchstaben vor und zeigte es ihnen. Auch sie versuchte sich darin, die fünf Buchstaben nachzuschreiben, so wie es auch Siv getan hatte. Die Buchstaben der Germanin waren gut gelungen, fand sie. Sie waren eben doch besser, als der Parther glaubte.
A
B
C
D
EFhionn war zufrieden, mit dem wie sie die Buchstsben geschrieben hatte.Die Frage war jetzt nur noch, was hielt ihr 'Lehrer' von ihrem Werk?
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Sie folgte Tilla, schaute sich aber vorher noch einmal um, so wie es das Mädchen auch getan hatte, bevor es durch den Zaun geklettert war.
Hinter dem Bretterzaun kam ein Hof zum Vorschein. Das Anwesen mußte schon längere Zeit nicht mehr bewohnt gewesen sein. Fhionn sah sich um. Dieser war der absolute Kontrast zur feinen Villa der Aurelier gewesen, in der alles sauber und ordentlich war und in der es nicht stank! Ein fauliger Geruch drang an Fhionns Nase. Hier lagen womöglich tote Tiere herum. Bei diesem Gedanken lief ihr ein Schauer über den Rücken. Aber nein, der Geruch schien von dem Brunnen her zu kommen. Vielleicht lagen ja die toten Tiere darinnen. Hieraus würde sie kein Wasser trinken!
Indessen war Tilla schon weiter gegangen. Sie war im Begriff eine Leiter hinaufzuklettern und wartete auf der letzten Sprosse.
Da hinauf, dachte sich Fhionn. Sie zögerte nicht lange und folgte dem Mädchen die Leiter hinauf. -
Fhion ließ sich einfach mitziehen, denn es war Tilla, die sich hier eindeutig besser auskannte, als sie. Ihr wurde fast ganz schwindelig dabei, doch die kleine Sklavin hatte ein genaues Ziel vor Augen, auf das sie zielstrebig zu rannte.
Auch Fhionn war es nicht unangenehm, daß Tilla den Soldaten eher aus dem Weg gehen wollte. Auch sie mochte sie ebenso wenig, wie sie!
Nach einiger Zeit, sie mußten nun schon gänzlich von ihrem eigentlichen Weg abgekommen sein,,fanden sie sich einem heruntergekommenen Viertel der Stadt wieder. Die Häuser hatten alle schon viel bessere Tage erlebt und mancherorts standen sie auch leer und verlassen da oder waren zu Ruinen geworden.Nun standen beide vor einem alten, vergammelten Bretterzaun, der an einigen Stellen kaputt war. Aha, hier hatte Tilla gewohnt. Hier? Bevor sie zu den Aureliern kam? War sie nicht schon immer Sklavin gewesen?
"Du hier gewohnt haben, Tilla? Bevor kommen in Villa Aurelia?" Fhionn schaute ganz ungläubig. Offensichtlich wußte sie so gut wie gar nichts über das Mädchen, wo sie herkam, was sie früher gemacht hatte und wie sie gelebt hatte.
Neugier spiegelte sich in Fhionns Gesicht. Natürlich wollte sie hinein, um dann zu erfahren, wie Tilla gelebt hatte und natürlich auch ihr altes Haus zu sehen. Wie kam man da eigentlich hinein? Mußte man über den Zaun klettern, oder gab es da etwa einen Trick?
Fhionn erwiderte Tilla Lächeln und wartete ab, was jetzt geschah. -
Vielleicht lag es ja an Fhionns schlechtem Verständnis, weshalb ihr diese Frauen- Bemerkung Louans nicht gleich aufgefallen war. Nachdem nun Siv noch einmal nachhakte, fiel ihr es auch auf, doch sie sagte nichts dazu. Das hatte Siv schon besorgt. Nein, sie dachte sich nur ihren Teil. Aber als Louan, bei dem Versuch, sich erklären zu wollen, ins schleudern kam, mußte sie doch schmunzeln.
"Wir können sprechen mit Caelyn heute Abend. Vielleicht, wenn sie fertig mit Arbeit oder sprechen bei Essen. Dann wenn sie hat Zeit." meinte sie dann. Sie überlegte schon, wie man es am Besten anstellen konnte, Caelyn in ein Gespräch zu verwickeln, ohne daß sie dabei gleich Verdacht schöpfte.
Louan hatte wirklich sehr viele Worte des Lobes für die beiden Sklavinnen übrig. Fast zu viel, wenn es nach Fhionn ging. Vielleicht war dies aber auch einfach nur das Resultat seiner Sorge um seine Schwester gewesen. Das war doch auch verständlich.Sie nickte ihm noch lächelnd zu, als der Junge dann, recht überstürzt, den Raum verließ. Fhionn sah noch einmal fragend zu Siv hinüber und mußte wieder schmunzeln. Wie alt mochte dieser Louan eigentlich sein? Er versuchte einen erwachsenen Eindruck zu machen und verbarg dabei auch seine jugendliche Seite, was ihm nicht immer gelang. Auf alle Fälle war er ein lustiger Kerl, das mußte man schon sagen. Mit ihm würden sie alle noch viel Freude haben.
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Für einen kurzen Moment nur, schien Fhionn dieser Welt entrückt zu sein. Sie hatte die Augen geschlossen und widmete ihre Gedanken nur Alexandros, der ihre Haare auf unvergleichbare Weise bändigen konnte. Dabei merkte sich nichts von Sivs Blicken, die auf ihr ruhten. Sie ahnte nicht von dem, was in ihrem Kopf vor ging. Sie wollte diesen schönen angenehmen Moment festhalten, so lange es ging. So als wüßte sie, wie man den erbarmungslosen Feind Zeit besiegen konnte.
Doch dann vernahm sie Sivs Worte, aus der Verzweiflung unf Enttäuschung sprachen. Ja, sie hatte versucht, ihr zu helfen. Sie hatte sie verteidigen wollen. Ihre Bemühungen aber waren alle kläglich gescheitert. Jetzt machte die Germanin sich wahrscheinlich Vorwürfe, weil der Grund für Corvinus Abneigung ihr gegenüber, ihre Flucht gewesen war. Nein! Fhionn wollte nicht einen Augenblick auch nur einen einzigen Gedanken daran verschwenden! Sie trug an dieser Sache keine Schuld! Das mußte sie wissen! Sie war nicht der auslösende Punkt gewesen. Wenn Fhionn nun gehen würde und Siv mit diesem Glauben zurück ließe, wäre das unerträglich für sie. Diesen verspäteten Sieg wollte sie Matho nicht gönnen!
"Du nicht schuldig, Siv! Du mußt wissen! Du nicht schuldig! Nicht mache Sorge um mich! Du helfe mir. Danke Siv!"
Sivs Worte, sie wolle Corvinus noch an diesem Morgen vor der Hinrichtung von Fhionns Unschuld überzeugen, kommentierte Fhionn nur mit einem dankenden Lächeln. Sie antwortete nichts darauf, weil sie sich schon denken konnte, daß die Germanin auch diesmal nicht erfolgreich sein würde.
Sie umfaßte Alexandros´ Armgelenk, um ihm mitzuteilen, daß es genug war. Auch ihm schenkte sie ein dankendes Lächeln.
Dann erhob sie sich und ging zu dem kleinen Fenster, um noch einmal hinauszublicken. Sie rechnete jeden Moment damit, daß jemand die Tür aufstieß und sie holen kam. Den Kampf gegen die Zeit würde sie auch diesmal wieder verlieren. -
Fhionn hatte während der ganzen Zeit nur schweigend im Hintergrund gestanden und bei der "Fleischbeschauung" des Sklaven zugesehen. Nur keinen Muckser, nur nicht auffallen, hatte sie zu sich selbst gesagt. Deswegen fand sie es auch so mutig von Tilla, als diese so einfach drauflos 'gesprochen' hatte. Jetzt war Tilla stolz darauf, daß sie es war, der die Flavia die 1000 Sesterzen und den Brief an Duccia Clara gegeben hatte. Fhionn versuchte zu lächeln, doch so richtig gelang ihr das nicht. Sie dachte an den armen Chimerion, der jetzt hier bleiben musste. Zwar hatte sie ihn kaum gekannt, aber er war freundlich zu ihr gewesen.
Als die Flavia die beiden Sklavinnen endlich entlassen hatte, atmete sie erleichtert auf. Sie folgten Briseis in die Küche, wo sich auch Fhionn ein Becher mit Wasser geben ließ, den sie überstürzt leer trank. Nur schnell von hier weg, dachte sie, bevor die Flavierin womöglich noch einmal zurück kam.
Auf dem Weg zur Tür fragte Tilla, was sie jetzt machen sollten. Am vernünftigsten wäre es natürlich gewesen, mit dem Geldbeutel auf direktem Wege nach Hause zu gehen. In Rom trieb sich allerlei Gesindel auf den Straßen herum. Aber die Gelegenheit war zu verlockend! In der Villa Aurelia erwartete sie niemand und wenn sie auf den Beutel gut aufpassten, konnte doch nichts passieren! Oder?
"Laß uns gehen in Stadt! Was du meinst?" Fhionn lächelte verwegen. Solch eine Gelegenheit bot sich wirklich nicht alle Tage! -
So schnell würde es kein Entrinnen geben. Dessen war sich Fhionn nun bewußt.Im Grunde war dies ja gar keine so unangenehme Arbeit. In dem schön gestalteten Raum herrschte eine angenehme Temperatur und der Duft, der Badeessenz, die man in das Badewasser gegossen hatte, dufteten betörend. Desweiteren lud das Becken, das fast bis zum Rand mit warmen Wasser gefüllt war, zum Verweilen ein. Bunte Rosenblätter schwammen auf der Wasseroberfläche und kündeten davon, dass es eine Essenz aus Rosenöl und Sandelholz war, welche man dem Wasser beigefügt hatte.
Fhionns Sinne schienen von diesem Duft gänzlich benebelt. Einen derartigen Duft hatte sie noch nicht gerochen. Den Kenner solcher Düfte, mochte er in den Orient entführen, Fhionn jedoch konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, was sie mit dem Duft verband. Sie konnte ihn nicht einordnen. Wenigstens aber erschien er ihr wohlriechend.Die Römerin kehrte ihr nun den Rücken zu, so daß sie ihr besser beim Entkleiden behilflich sein konnte. Sie zögerte etwas, begann aber dann doch die Verschlüsse zu öffnen.Sie versuchte dabei so vorsichtig wie möglich vorzugehen. Jedoch blieb es nicht aus, daß sie ab und zu etwas heftiger ziehen mußte.
Endlich hatte sie die Aurelia vollkommen entkleidet. Sie war nun bereit, ins Becken zu steigen. Konnte Fhionn nun gehen, oder wurde noch mehr von ihr verlangt? Waschen konnte sie sich doch alleine! Sie war doch kein Kind mehr. -
Fhionn begleitete die neuangekommene Aurelia in das Bad. Glücklicherweise war bereits alles gerichtet. Das Wasser im Becken hatte eine angenehme Temperatur und Handtücher lagen bereits auch an ihrem Platz, wo sie später gebraucht wurden.
Fhionn war heute zum ersten Mal in diesem Raum und blickte sich flüchtig um. Sie kannte nur das Bad der Sklaven, welches allerdings in keinster Weise mit diesem hier vergleichbar war.
Die Wände des hohen Raumes waren mit vielen tausend kleinen Mosaiksteinchen verziert. Sie zeigten Szenen aus der römischen Mythologie, deren Bedeutung Fhionn vollkommen fremd waren. Ebenso war auch der Boden und das Becken mit Mosaiken versehen. Fhionn hätte zu gerne einen genaueren Blick riskiert, um sich die Bilder genauer anschauen zu können. Doch dafür fehlte ihr im Moment sie Muse. Vielmehr beschäftigte sie die Frage, was nun als nächstes kam. Sollte sie nun gehen und die junge Frau sich selbst überlassen oder wurde etwa von ihr verlangt, daß sie mit ihr ins Wasser stieg?
Sie blickte die Aurelia fragend an, da sie nicht wusste, was sie nun tun sollte. Dann ging ihr Blick zu der Tür, hinter der sie jetzt liebend gerne verschwunden wäre. -
Fhionn hatte sich unscheinar in einer Ecke postiert und der Unterhaltung der Romer gelauscht. Freilich konnte sie mit dem Humor der Römer nicht viel anfangen. Der Grund dafür lag nicht etwa daran, daß sie zum Lachen in den Keller ging, nein, es scheiterte einfach am Verständnis für die Feinheiten der lateinischen Sprache.
Innerlich hatte sie gehofft, an diesem vorangeschrittenen Abend zu keiner besonderen Tätigkeit mehr herangezogen zu werden. Doch dieser Wunsch verpuffte ganz plötzlich mit dem Nennen ihres Namens. Sie fühlte in sich die innere Anspannung zurückkehren und sah zu Ursus hinüber, der sie fragend anschaute. Sie nickte nur stumm und wandte sich schließlich der Aurelia zu. Sie sah nun wirklich müde aus.Nachdem sich die Römerin verabschiedet hatte, geleitete sie sie zum Bad. Fhionn hoffte darauf, daß das Bad bereits fertig war. Fast schon vor einer Stunde hatte sie einem Sklaven Bescheid gegeben, er solle das Wasser anheizen.
"Du kommen mit mir, bitte!" Sie schritt voran. -
Der Grieche führte vorsichtig den Kamm durch Fhionns Haar. Sie schloß ihre Augen und fühlte sich fast an einen anderen Ort versetzt. Sie hatte es immer geliebt, wenn ihre Mutter oder ihre ältere Schwester ihr das Haar kämmte. Danach hatten sie sich gegenseitig frisiert und probierten an sich die neuesten Frisuren aus, so wie sie die römischen Frauen in Eburacum trugen. Das war nun schon so lange her. Fhionn wußte nicht, was aus ihrer Schwester geworden war. Sie hatte geheiratet und hatte mit ihrem Mann das Dorf in Richtung Norden verlassen, dort wo noch die freien Stämme lebten. Ob sie dort jemals angekommen waren, wusste sie nicht.
Als Alexandros plötzlich inne hielt, öffneten sich auch Fhionns Augen wieder. Sie versuchte ihm zuzulächeln, so als wolle sie sich bedanken für sein Mitgefühl, das er ihr gegenüber aufbrachte.
Doch das konnte er machen! Corvinus Worte waren ihr immer noch allgegenwärtig. Er hatte ihr nicht einmal die Gelegenheit gegeben, sich zu verteidigen und war nicht gewillt, sie oder Siv anzuhören. Sein Urteil war bereits beschlossene Sache und ihr Schicksal besiegelt.
„Er nicht geglaubt. Er nicht kennen Matho. Er denken, Matho gute Mann…“ und für ihn bin ich eine kaltblütige Mörderin, die einen seiner unbescholtenen Sklaven niedergestochen hat und die nichts anderes als den Tod verdient hat!
Womöglich war es ungerecht. Fhionn zweifelte mittlerweile selbst daran. Sie hatte einen Menschen umgebracht und dafür mußte man sie bestrafen, auch wenn ihr Opfer ein Tyrann war, der sich daraus einen Spaß gemacht hatte, sie und auch andere zu quälen. -
Fhionn hatte die Blicke der Germanin auf sich gespürt. Hatte sie etwas Falsches gesagt? Sie hatte ihr doch erzählt, daß auch sie einst verheiratet war. Hatte sie denn diesen Mann etwa nicht geliebt? Die Vorstellung, mit einem völlig fremden Mann, dem man nicht einmal Zuneigung entgegen bringen konnte, zusammen zu sein, ließ sie erschauern. Bei ihrem Volk war es von jeher Sitte gewesen, dass auch die Frau ein gewisses Wörtchen mit zu reden hatte, wenn es darum ging, einen passenden Ehemann zu finden.
Schließlich willigte auch die Germanin ein, dem Jungen zu helfen. Es würde bestimmt schon einen Weg geben, wie Caelyn geholfen werden konnte. Dessen war sie sich sicher.
Dem Jungen indes, konnte man seine Freude über die Kooperationsbereitschaft der beiden Sklavinnen ansehen. Es amüsierte Fhionn, als er meinte, sie hätte bei dem Jungen etwas gut. Womöglich konnte er ihr tatsächlich einmal behilflich sein. Wer wußte das schon.
Er gab ihnen noch den Hinweis mit, Caelyn nichts zu verraten, daß er es war, der sie veranlaßt hatte, mit ihr zu sprechen. Im Grunde kannte sie Caelyn nicht besonders gut. Doch in der kurzen Zeit, in der sie zusammen gewesen war, hatte sie die Sklavin als einen netten Menschen kennengelernt, der seine Ecken und Kanten hatte. Sie wollte ihr Bestes geben, alleine schon wegen Caelyn.
"Gut, ich nichts sagen, nicht verraten dich."
Sobald es ihre Arbeiten zuließen, wollte sie sich nach Caelyn umsehen und mit ihr sprechen.[SIZE=7]simoff: Sorry, man sollte nichts unter Zeitdruck schreiben![/SIZE]
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Fhionn lag auf ihrem Lager. Doch sie schlief nicht. Die Augen weit aufgeschlagen, starrte sie im Halbdunkel zur Decke. Ihr Körper war schwer geworden. Allmählich brach die Müdigkeit durch. Doch dem Schlaf wollte sie widerstehen. Es galt, ihre Kräfte für das noch Bevorstehende zu sammeln. Danach konnte sie schlafen. Den ewigen Schlaf. Die Ruhe genießen, drüben in der Anderswelt.
Als vor der Tür eine männliche Stimme erklang, fuhr sie auf. Jegliche Müdigkeit waren mir einem mal von ihr gefallen. War es schon so weit? Kam man sie nun holen? Noch ehe sie etwas erwidern konnte, öffnete sich die Tür. Fhionn stand mitterweile vor ihrem Bett. Ihr Herz raste. Die Angst kam zurück und wollte sie übermannen.
Doch es war nur Alexandros, der plötzlich in der Tür stand. Er kam auf sie zu und ließ sich auf ihrem Bett nieder. Erleichtert atmete sie auf. Noch eine Stunde wollte man ihr gewähren. Sie setzte sich neben ihn und versuchte ihre Unruhe durch ein Lächeln zu verbergen.
Eigentlich wares ihr alles andere nach Haare machen. Wozu auch noch? Was brachte es ihr, gut frisiert am Kreuz zu hängen? Doch sie wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Das hatte er nicht verdient.
"Ja, das schön! Aber nur einfaches, bitte" Sie hatte es schon immer gemochte, wenn man ihr das Haar kämmte und vielleicht war ja ein einfacher Knoten auch passend. -
Fhionn sah erschrocken auf, als der fremde junge Mann unerwartet in der Tür stand. Sie hatte ihn bisher nur flüchtig gesehen. Er war zusammen mit Ursus und Caelyn aus Germanien gekommen. Man munkelte, es handele sich bei ihm um Caelyns Bruder. Genaues wusste sie aber nicht. Caelyn selbst hatte sich sich seit ihrer Rückkehr verändert. Es schien, als trüge sie ein Geheimnis mit sich herum, das sie niemandem preisgenen wollte.
So war es auch nicht verwunderlich, mit welcher Bitte der junge Mann zu ihnen kam. Es stimmte also! Er war tatsächlich Caelyns Bruder. Diese Sklavin konnte sich doch glücklich schatzen, daß sie noch Familie hatte, die sogar noch in greifbarer Nähe war! Doch wie sich nun herausstellte, war sie doch nicht glücklich. Totunglücklich war sogar, wie ihr Bruder sagte.
Fhionn sah erstaunt zu Siv, um deren Reaktion abzuwarten. Eigentlich war sie kein Mensch, der sich in die Probleme anderer einmischen wollte, wenn sie nicht gefragt wurde. Hier war es etwas anders gelagert. Doch trotzdem fragte sie sich, ob es richtig war, denn es war ja nicht Caelyn, die sie bat, ihr zu helfen.
Natürlich war Fhionn auch schon einmal verliebt gewesen, sogar mehrmals. So kannte sie auch das Gefühl, wenn man enttäuscht wurde. Doch sie hatte das große Glück, die wahre Liebe zu finden. Es war eine erfüllte Liebe gewesen. Den Mann, den sie liebte, hatte sie geheiratet. Sie hatte ihm zwei Kinder geschenkt und nun war es die Trauer um ihn und die Kinder, die sie mit ihr noch verband.
"Caelyn ist verliebt? Was wir jetzt tun sollen? Caelyn trösten? Wenn Herz bluten, dann brauche viel Zeit, bis wieder ist geheilt." Es hatte schon etwas rührendes, wie sehr der Junge um seine Schwester besorgt war. Caelyn konnte sich wirklich glücklich schätzen, einen solchen Bruder zu haben. Sein hilflos klingendes Bitte versetzte Fhionn einen innerlichen Ruck. Sie sah zu Siv hinüber und musterte sie. Doch ihr Entschluß stand bereits fest, obwohl sie noch gar nicht wusste, wie die Germanien darüber dachte. Aber konnte man dem Jungen eine solche Bitte abschlagen? wohl kaum!
"Gut! Wir werden sprechen mit Caelyn und versuchen zu trösten sie, nicht Siv?" Sie nickte der Germanin auffordernd zu, nicht das diese etwa noch auf den Gedanken kam und seine Bitte ablehnte. -
Zitat
Original von Siv
Siv warf Fhionn einen überraschten Blick zu. Wie kam die Keltin auf die Idee, sie könnte lesen? Sie war Germanin und Sklavin, woher sollte sie die lateinische Schrift beherrschen? "Nein?" antwortete sie mit hochgezogenen Augenbrauen, auf ihrem Gesicht ein Ausdruck, als wollte sie eigentlich sagen: Äh. Wie kommst du darauf? Stattdessen fing sie an: "Nein, ich-" In diesem Moment kam der Parther zu ihnen herüber, und Siv brach ab, um sich anzuhören, was er zu sagen hatte. Wieder zeigte ihr Gesicht den gleichen, teils ungläubigen, teils überraschten Ausdruck, als zweifle sie gerade am Verstand ihres Gegenübers. Wie kam überhaupt irgendjemand in diesem Raum auf die Idee, sie könnte die Sprache der Römer lesen? Bisher hatte für sie keine Notwendigkeit bestanden, es zu lernen, und so wissbegierig sie auch war, sich selbst lesen und schreiben beizubringen, erforderte zum einen jemanden, der ihr half, zum anderen Zeit – die sie als Sklavin nicht hatte."Runen", antwortete sie, mit einem leicht spöttischen Unterton. "Wie du kriegst die Idee, ich kann Latein lesen? Das hier ist erste Unterricht, für mich, für sie auch." Sie wies auf Fhionn – Merit sparte sie aus, wusste sie doch nicht mit Gewissheit, ob die zierliche Ägypterin vor ihrer Flucht Unterricht erhalten hatte, und wenn ja, was sie gelernt hatte. Möglicherweise konnte sie ja auch die griechische oder ägyptische Schrift, und Siv wusste nicht, inwiefern diese der lateinischen ähnelten. "Und da wo ist meine Heimat, niemand ist interessiert für Latein. Nicht sprechen, nicht lesen. Wozu auch?"
Fhionn war erleichtert, Sivs nein zu hören. Sie hatte doch wirklich geglaubt, sie wäre die Einzige, die hier komplett versagen würde, weil sie den Anforderungen des bevorstehenden Unterrichts nicht gewachsen war. "Nein, ich nicht können lesen. Nicht können schreiben," ergänzte sie kopfschüttelnd noch Sivs Anmerkungen.
Der parthische Sklave hatte glücklicherweise ein Einsehen mit ihnen, denn er zog das Erlernen des Alphabeths dem Lesen des Textes vor. Fhionn war es eh schleierhaft gewesen, wie sie das hätte bewerkstelligen sollen. Diese Schrift war ihr von jeher wie ein unergründetes Geheimnis vorgekommen. Jetzt endlich sollte es gelüftet werden. Sie spürte ein Gefühl der Freude in sich. Unmerklich atmete sie erleichtert auf. Jetzt begann sie sich wieder in ihrer Haut wohlzufühlen.
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Fhionn starrte auf die flackernde Flamme der Öllampe. Es war ihr letzes Aufbäumen, bevor sie schließlich erlosch. Ihr Erlöschen bewirkte, daß nun das Atrium dunkler wirkte. Noch Minuten danach, war ihr Blick auf die nun erloschene Lampe gerichtet. War es so auch, wenn das Leben erlosch? Als ihre Kinder getötet wurden, war es in ihrer Welt dunkler geworden und auch, als sie vom Tod ihres Mannes erfahren hatte, war es, als wäre ein Licht erloschen. Die Gewissheit, daß er einen guten Kampf gekämpft hatte, war ihr ein Trost. Wenn nun ihr Licht morgen erlosch, wer würde es bemerken? Wem würde das Erlöschen ihres Lebens auffallen? In der Fremde sterben zu müssen, war schlimm genug. Noch schlimmer war der Gedanke daran, wie es geschehen würde. Alleine, das Wissen, was danach kam, war tröstlich für sie. Das verlieh ihr die nötige Stärke, alles durchzustehen und nicht dem Wahnsinn zu verfallen.
Siv begann zu sprechen. Sie erzählte von ihrem Mann. "Ragin..," wiederholte sie gedankenverloren den Namen. Als Siv ins Germanische wechselte, verstand sie nicht die Worte, doch sie glaubte, deren Sinn begriffen zu haben. "Ja!"
Eine gespenstische Stille herrschte zwischen den beiden Frauen. Beide saßen sie auf einer der Klinen, die tagsüber den Herrschaften vorbehalten waren. Nun störte sich niemand daran, wer darauf Platz genommen hatte. Dabei sahen sie sich nicht gegenseitig an. Jedes Wort wäre nun störend gewesen. Vollkommenheit lag in der Stille.
So verging die Zeit. Erbarmungslos verstrich sie, Minute um Minute, dem Morgengrauen entgegen. Bald würde man sie holen kommen.
Als draußen langsam die Dunkelheit wich und das Licht der neugeborenen Sonne durch die Dachöffnung ins Innere des Atriums hinein fiel, erhob sich Fhionn. "Wir besser gehen zurück, in Unterkunft." Dort würde man sie vermuten, wenn man sie holen kommen wollte. Sie war jetzt bereit dafür! -
Bereits auf dem Weg zum Atrium vernahm Fhionn die Wortfetzen einer angeregten Unterhaltung. Mittlerweile war sie mit einem großen Tablett beladen, auf dem sich auf kleinen Tellern angerichtete Leckereien befanden. Pflaumen im Speckmantel, Aprikosen, die mit Ziegenkäse gefüllt waren, eingelegte Oliven und frischgebackenes Brot. Alleine der Duft ließ einem das Wasser im Mund zusammenlaufen. Fhionn versuchte dem verführerischen Duft, so gut es ging, zu widerstehen. Sie konzentrierte sich darauf, daß nichts zu Boden fiel. Neben den Speisen, trug sie auch noch einen weiteren Becher mit sich. Die Getränke waren bereits vorrätig.
Als sie das Atrium betrat, mußte sie feststellen, daß sich in der Zwischenzeit auch Aurelius Orestes im Atrium eingefunden hatte. Diesen Aurelier hatte sie schon lange nicht mehr gesehen. Wahrscheinlich lag es einfach daran, daß sie bewußt jedem der Römer aus dem Weg gehen wollte, so gut es ging. So versuchte sie auch jetzt, so unscheinbar, wie möglich zu wirken.
Die Speisen stellte sie auf einem kleinen Tischchen ab. Der Becher war eigentlich für Ursus bestimmt. Sie mußte noch schnell einen weiteren für den anderen Aurelier besorgen. Schnell huschte sie davon, um einen zweiten Becher zu holen. Bald darauf war sie wieder zurück und fragte die beiden Männer, ob sie ein Getränk wünschten. "Du wollen trinken, etwas?" Für einen Moment war sie aus der Belanglosigkeit ausgebrochen. Ihr Blick wanderte fragend von Ursus zu Orestes und wieder zurück zu Ursus.