Beiträge von Flavia Celerina

    Zuweilen kam die Welt der Futterschälchenfüller für eine Katze, wie Saba einem Geheimnis mit sieben Siegeln gleich! Ihr war es schleierhaft, weswegen man sie in einen Sack gesteckt hatte, nachdem dieser Mensch mit den langen Haaren, den sie im Übrigen überhaupt nicht ausstehen konnte, sie vom Baum befreit hatte. Saba verfügte über vier gesunde Beine, an denen sich vier gesunde Pfoten befanden. Für sie wäre es ein leichtes gewesen, den Weg vom Garten zum Futternapf alleine zu tätigen, zumal sie auch schon hungrig war.
    Als dann endlich der Augenblick der Befreiung gekommen war, stellte Saba fest, daß sie wieder im inneren des Hauses war, aus dem sie vor Stunden hinaus getappt war, um einen Ausflug zu machen. Doch kaum war sie dem Sack entronnen, wurde sie erneut Opfer von wirren Gefühlsausbrüchen, die abermals mit einer körperlicher Kontaktaufnahme einhergehen sollten. Warum versuchten diese Zweibeiner, sie ständig zu fangen, um sie anschließend in Säcke zu stecken oder, was noch schlimmer war, zu liebkosen? Saba hatte der sich nähernden Menschenfrau allerdings sofort klar gemacht, dass sie derzeit keinen Wert auf innigen Körperkontakt legte. Nein, Saba hatte besseres zu tun! Nach all dem Terz, den sie erlebt hatte, war es nun unumgänglich, erst einmal für eine ordentliche Fellpflege zu sorgen. Selbst elementare Dinge, wie die Nahrungsaufnahme, waren nebensächlich. Zu sehr haftete noch der widerliche Geruch von Mensch an ihr! Böse Zungen behaupteten zwar, Katzen täten das nur, um damit ihre Verlegenheit zu verbergen, doch das war eine infame Lüge!
    Hernach sie nun ihre Herrin in die Schranken verwiesen hatte und ihrem Fell die nötige Pflege zukommen gelassen hatte, stolzierte lautlos mit aufrechtem Schwanz, zu ihrem gemütlichen Plätzchen. Auf dem weichen Kissen nahm sie Platz und fand auch bald die rechte Position für einen erholsamen Schlaf, weit weg von den Querelen der Menschen.


    ~~~~


    Die Querelen der Menschen wollten bereits bedrohlich überschwappen. Der parthische Sklave hatte es doch wahrhaftig gewagt, sich mir entgegenzustellen und nicht nur das! Er wagte es sogar, mich anzugreifen und mir Befehle zu erteilen.
    Mein Antlitz färbte sich kreideweiß. Unbändiger Zorn, angereichert durch ein Quäntchen Furcht, durchfuhr meinen Körper. Wenn meine Blicke tödlich gewesen wären, hätte der Parther seinen letzten Atemzug getan. "Du wagst es?!" zischte ich, einer tödlichen Schlange gleich.
    Letztlich war es nur meinem besonnenen Sklaven zu verdanken, daß die Situation nicht noch eskalierte. Er ermahnte Cassim und bot mir Schutz. Ich atmete erleichtert auf und war letztlich froh, um Chimerions Bedachtsamkeit.
    "Du, wage es ja nicht noch einmal, mir oder meiner Katze zu nahe zu kommen! Geh mir aus den Augen, ehe ich mich vergesse!", schrie ich dem Parther entgegen und wartete darauf, bis er endlich meine Räumlichkeiten verließ.

    Hinter den durchsichtigen Vorhängen meiner Sänfte, sah ich, wie sich die Umgebung außerhalb meines Fortbewegungsmittels veränderte. Chimerion führte uns in eine üble Gegend und langsam begann das Vertrauen in meinen Sklaven zu bröckeln. Hier sollte ein Hoflieferant des Kaisers ansässig sein? Das konnte ich kaum glauben!
    Mir war schon etwas mulmig zumute, als die Sänftenträger zum stehen gekommen waren und ich einen Blick hinter die Vorhänge warf.
    Von meiner Furcht ließ ich mir freilich nichts anmerken und entstieg der Sänfte um neben meinem patrizischen Begleiter stehen zu bleiben. In diesem Augenblick war ich froh gewesen, daß ich seinem Vorschlag gefolgt war. Der Claudier würde sicher alles tun, um etwaige Angreifer in die Flucht zu schlagen. Keine Frage, ich bemerkte, wie einmal mehr meine Phantasie mit mir durchging. Zu meiner Schande mußte ich gestehen, ich hatte einige halbzerfledderte Ausgaben von "Sklave Gaius ist der Beste" gelesen, die ich rein zufällig in der flavischen Bibliothek gefunden hatte. Offenbar waren dies Relikte aus einer Zeit, da der kleine Serenus, Arisitdes Sohn, noch in der Villa geweilt hatte. Natürlich konnte sich derartige Trivialliteratur keineswegs mit den Ergüssen der großen Namen unter unseren Dichtern messen, doch diente sie gelegentlich meiner Zerstreuung.


    Alsbald trat ein Individuum auf den Plan, welches von seinem Äußeren wie auch von seinem Odeur eine Beleidigung meiner Sinne darstellte. Besonders als er den Mund öffnete, spürte ich ein gewisses Unbehagen in meine Magengegend. Meine Ylva reichte mir geistesgegenwärtig ein Tuch, hinter dem ich meine Abscheu verbergen konnte und welches ebenso recht gut, gegen den Mundgeruch des Händlers schützte.
    "Ja, zeig mir deine Ware, aber mach schnell!", wies ich in an. Was tat ich nicht alles, für ein originelles Geschenk zu Aristides Hochzeit!

    "Nun gut! wir folgen dir!" Auf einen Wink meinerseits, traten auch meine Sänftenträger näher. Ich erklärte ihnen kurz, worum es ging und befahl ihnen, uns zu folgen. Die Neugier wuchs stetig in mir und ich machte mir gar keine großen Gedanken, ob mir etwas Schlimmes widerfahren könnte. In einer von Testosteron nur so strotzenden Begleitung konnte mir doch eigentlich gar nichts passieren. Außerdem glaubte ich nicht, mein Sklave würde mich absichtlich in Gefahr bringen. Ich wußte, er war ein gutmütiger Kerl und auch, wenn ich nun auf seine Kosten Witze machte, würde er es mir nachsehen. Ich war mir bewußt, was ich an ihm hatte und für nichts auf der Welt hätte ich ihn wieder her gegeben! Wenn das, was er gefunden hatte, meinem Geschmack entsprach und ich es sogar erstehen würde, um damit meinem Verwandten ein passendes Hochzeitsgeschenk angedeihen zu lassen, so konnte er am Abend eine Belohnung erwarten. Wie diese Belohnung freilich aussehen würde, darüber hatte ich mir noch keine Gedanken gemacht. Vielleicht bekam er die Erlaubnis, sich am Abend in meinem cubiculum aufhalten zu dürfen, wo er mir wieder eine seiner interessanten Geschichten erzählte.... Vielleicht aber auch etwas ganz anderes! :D Das war ganz und gar von meiner Laune abhängig, die derzeit eher der Wetterbeständigkeit des Aprils glich.

    Mit einem Aufgebot von unzähligen Sklaven aus Sänftenträgern, potentiellen Trägern, Leibwächtern oder Leibsklaven, die für das Wohlergehen der Damen zuständig waren, bahnte sich die patrizische Prozession, die aus mehreren Sänften und besagtem Fußvolk bestand, ihren Weg durch die Menge. Trotz daß es noch so früh am Morgen war, waren die Märkte und Händlerstraßen bereits überfüllt und ein Durchkommen war fast unmöglich geworden. Es machte wenig Sinn, den Weg in den Sänften fortzusetzen. Abrupt blieb der Zug stehen und aus der vordersten Sänfte entstieg eine Dame, in feinste Stoffe gehüllt. Ihre Frisur war zu einem Kunstwerk zusammengesteckt und edler Schmuck zierte ihr Dekoleté. Keine Frage, dies war eine Dame von Welt, einer vornehmen Familie entstammend. Sofort eilte ihre Sklavin zu ihr.


    Wie schön, endlich war unser lang gehegter Einkaufsausflug zustande gekommen! Die aurelische Sänfte hatte sich unterwegs zu den flavischen Sänften dazu gesellt. Nun konnte es endlich losgehen! Ich brannte bereits darauf, mir die neuesten Stücke der besten und wichtigsten Modeschöpfer des Imperiums anzuschauen. Natürlich bliebe es nicht alleine nur beim Anschauen. Mein Geldbeutel war prall gefüllt und genug Sklaven, um die gekaufte Ware nach Hause zu schleppen, hatten wir auch dabei. Selbst das Wetter war auf unserer Seite. Es versprach also ein rund herum gelungener Tag zu werden.
    Als plötzlich die Träger stoppten, war ich schon in Sorge, etwas könnte uns diesen Tag noch vermiesen. Doch Ylva beruhigte mich. Es war nur der übliche Verkehr auf den Straßen, der kein Durchkommen mehr zuließ.
    Daraufhin verließ ich die Sänfte und stand nun mitten auf der belebten Straße. Ich hielt Ausschau nach meinen Begleiterinnen, um ihnen den Vorschlag zu machen, von nun an den Weg zu Fuß fortzusetzen. So schickte ich meine Ylva den Damen entgegen, um sie davon zu informieren.
    Meine Sklavin tat, wie ihr befohlen, lief zu jeder Sänfte und verbreitete meinen Vorschlag. "Meine Herrin meint, es wäre besser, ab jetzt zu Fuß zu gehen!"



    Sim-Off:

    Die Hauptrollen sind bereits vergeben, doch die Nebenrollen sind noch frei! :) Also, wer mag? :)

    Von einem bevorstehenden Besuch des Claudiers war ich ganz entzückt! Nach meiner Rückkehr würde ich es sogleich Antonia berichten müssen. Sie würde sicher staunen und sich natürlich auch freuen. "Nun, wenn du es möchtest, dann kann ich Antonia von unserer Begegnung berichten. Sie wird sicher erfreut sein, von dir zu hören! Dann steht einem Besuch nichts mehr im Wege! Oder möchtest du sie lieber überraschen? Denn werde ich natürlich nichts verraten!" Es hatte immer seinen Vorteil, wenn man bei den edelsten Familien des Reiches ein und aus ging, wollte man es noch zu etwas bringen.


    Währendessen wir uns unterhielten, bemerkte ich eine gewisse Aversion, die mein Sklave gegen den Claudier hegte. Offenbar mochte er es nicht, wenn wir über ihn sprachen. Ich jedoch hatte keine Probleme damit. Ganz im Gegenteil! Dies stachelte mich sogar noch dazu an, weiter zu machen. "Ja, jetzt müsste er eigentlich nur noch knurren, wie ein gefährliches Tier", scherzte ich. Ein schelmisches Grinsen, welches ich meinem Sklaven zuwarf, konnte ich nicht unterdrücken.
    Die Einwände des Claudiers, in Plebejerkleidung zu schlüpfen, leuchteten mir ein und es war mir persönlich auch wohler, dies nicht zu tun. Was allerdings Chimerion nun zum Besten gab, berührte mich peinlich, in der Gegenwart des Claudiers.
    "Chimerion! Du stibitzt gar nichts! Sollte man dich jemals beim Stehlen erwischen, ich schwöre, du wirst dir wünschen, niemals geboren worden zu sein!" Imaginäre Gewitterwolken waren über mein Antlitz gezogen. Mein Sklave wußte, dies waren nicht nur leere Floskeln!
    "Nun, in Plebejerkleidung ist mir nicht ganz wohl. Ich nehme deinen Vorschlag an, Sabinus. Mittels unserer beiden Leibwächter, der Sänftenträger und natürlich einschließlich dir, dürfte mir nichts geschehen! Oder gäbe es da ein Problem mit deinem Händler, Chimerion?" Nun ja, vielleicht war dieser ja ein lichtscheuer Geselle, der durch die Anwesenheit zweier Patrizier Reißaus nahm.

    Sim-Off:

    Ha, jetzt weiß ich auch, woher der Schiller seinen Text her hat! Alles nur geklaut! :P


    Wo er recht hatte, da hatte er recht! So ließ ich ihm einfach seinen Spaß. Ich liebte Überraschungen, wenn ich damit nicht so lange auf die Folter gespannt wurde und er ergötzte sich augenscheinlich daran, welche zu machen. Also, musste ich mich wohl oder übel noch etwas gedulden, auch wenn es mir schwer fiel.
    Stattdessen konnte ich einen skeptischen Blick bei ihm erhaschen, als ich ihm von Aristides und seiner neuen jungen Frau erzählte. Mir schien, als wollte er nicht so ganz daran glauben. Ich für meinen Teil wußte, was ich gesehen hatte und Aristides hatte auf mich nicht den Eindruck eines Schauspielers gemacht. Was mich allerdings in Erstaunen versetzte, war Corvinus Vermutung, ich würde bald zum zweiten Mal Tante werden. "Tante? Äh ich verstehe nicht." Mir schwante, so manche privaten Dinge, die in der Villa Flavia gesprochen wurden, sickerten auf mysteriöse Weise in die Offentlichkeit! Aber nein! Offensichtlich hatte er einfach nur die Familienanzeige in der Acta zur Geburt des kleinen Gracchus gelesen. "Nun ja, eigentlich würde ich zum zweiten Mal Cousine werden, nicht wahr!" In der Tat, für einen Außenstehenden mußte der flavische Stammbaum durchaus verworren erscheinen.


    Corvinus hatte wirklich an alles gedacht! Seine Sklaven brachten die edelsten Speisen und bauten sie vor uns auf. Ein verschwörerisches Nicken ging von Herr zu Sklave und kurze Zeit später begann diese ganz private Vorstellung, nur für uns beide. Einige Schauspieler in verschiedenen Kostümen betraten die Bühne. Ich rätselte bereits, um welches Stück es sich handeln könnte. Eine griechische Tragödie vielleicht oder gar ein Lustspiel? Nein, das letztere war es sicher nicht! Der Text war mir gänzlich unbekannt, doch glaubte ich zu wissen, dieser Tyrann, um den es ging, konnte kein anderer sein, als Dionysios von Syrakus. Doch lauschte ich erst einmal dem dargebotenen Stück und bewunderte das Können der Mimen. Es war grandios! Erst jetzt wieder wurde mir bewußt, wie selten ich doch in der Vergangenheit im Theater gewesen war. Gracchus´ Stück, welches er im Sommer hatte aufführen lassen, war tatsächlich die letzte Vorstellung gewesen, der ich beigewohnt hatte.
    Das Stück stammte wohl von einem noch unbekannten Dichter, der es allerdings meiner Meinung nach, noch recht weit bringen würde. Einen solchen Stürmer und Dränger brauchte die Literatur noch! Solche Werke, wie dieses, würden uns weiter bringen! Ganz bestimmt! :D
    Corvinus konnte meine Begeisterung sicher nicht entgangen sein. Die Dramatik des Stückes ließ mich kaum zum essen kommen. So spannend und mitreißend war es. "Einfach hervorragend, Marcus," wisperte ich ihm anerkennend zu.

    Oh, wie ich es liebte, angenehme Nachrichten zu verbreiten! Dabei konnte man eine ganze Menge an neuen Informationen sammeln, zum Beispiel, wie das Gegenüber die Nachrichten aufnahm und welche Reaktionen daraus resultierten. Den Claudius jedenfalls hatte ich in Erstaunen versetzt, mit der Neuigkeit, er sei nun Onkel geworden. Natürlich waren mir seine vorangegangen Blicke ebenfalls nicht verborgen geblieben. Wenn er damit besondere Absichten verband, so hätte ich ihn früher oder später aufklären müssen. Schließlich war ich so gut, wie verlobt. Es konnte sich nur noch um wenige Tage handeln, bis das der Aurelier mir die Frage aller Fragen stellte.
    "Ja, du solltest sie und den süßen Gracchus Minor unbedingt einmal besuchen! Sie wird darüber sicher erfreut sein." Mit meiner Vermutung bezüglich seiner Verwandschaftsverhältnisse zu Epicharis, hatte ich also richtig gelegen, dank meiner Ylva, die dies alles für mich in Erfahrung gebracht hatte. Ich konnte dem Claudius nur zustimmen, unsere beiden Familien verband so einiges. Unglücklicherweise gab es wohl derzeit keine flavische Dame, die im heiratsfähigen Alter war und noch dazu 'auf dem Markt zu haben' war. Vielleicht sollte er es einmal bei den Aureliern versuchen, sofern er solche Hoffnungen hegte. Dort standen noch einige Damen zur Auswahl.


    Die Rückkehr meines Sklaven erfreute mich sehr. Besonders als er von seiner Entdeckung sprach. Offensichtlich hatte er auch bei Sabinus Eindruck geschunden. "Oh ja, er ist äußerst interessant und sehr… unterhaltsam. Er ist Thraker, obwohl man ihn wohl eher für einen dieser barbarischen Parther halten würde. Ich habe absichtlich seine Haartracht beibehalten. So sieht er noch wilder und verwegener aus." Ich hatte in meinem Leben bisher nur einen Parther zu Gesicht bekommen und das war dieser impertinente Sklave gewesen, der meine Katze so gequält hatte. Es waren eben alles Barbaren, diese Parther!
    Chimerions Beteuerungen, seine Entdeckung, wäre es wert, gesehen zu werden, ließ mich noch neugieriger werden. "Nun, wenn dieser Händler sogar den Kaiserhof beliefert, dann wird es wohl einem Flavius würdig sein!" Allerdings konnte ich mich nicht damit anfreunden, daß ich die Garderobe wechseln und in die Kleider einer Plebejerin schlüpfen sollte. "Wie bitte? Ohne Sänfte und in Plebejerkleidung?" Besonders das letzte Wort sprach ich verächtlich und naserümpfend aus. Aber die Neugier ließ mir keine Ruhe. Sie würde mir wahrscheinlich eines Tages zum Verhängnis werden. "Nun, gut! Geh und besorge mir Plebejerkleidung, damit ich mir diese Ware ansehen kann, Chimerion!" Daß Chimerion sein Bestes geben würde, um mich zu schützen, daran zweifelte ich keinen Augenblick mehr.

    Glücklicherweise lenkte mich das Gespräch mit dem Claudier von der Frage nach meinem Sklaven etwas ab. Was, wenn er tatsächlich die Chance ergriffen hatte und nun wirklich getürmt war? Dann würde ihn mein unbarmherziger Zorn treffen, sobald man ihn wieder eingefangen hätte, das war gewiß!


    Es war also gar nicht verwunderlich, daß er nichts von der Hochzeit wusste, wenn er erst seit einigen Tagen in der Stadt weilte. Was ich aber auch noch erfuhr, verblüffte mich nun vollständig. Der junge Mann war kein geringerer als Antonias leibhaftiger Bruder.
    "Nein! Ja ist es denn die Möglichkeit! Ach, die Welt ist doch klein! Du bist Antonias Bruder? Natürlich kenne ich sie! Ja, sie ist mit Gracchus verheiratet, einem entfernten Onkel von mir. Dann weißt du wahrscheinlich noch gar nicht, daß du vor wenigen Wochen erst Onkel geworden bist? Antonia hat nämlich einen gesunden Jungen zur Welt gebracht, mußt du wissen!" Ja, und ich war seine Tante, Tante Celi!
    Zufälle gab es im Leben! Das war doch recht amüsant! Wenn er nun Antonias Bruder war, dann musste er ein Cousin von Epicharis sein, oder etwa nicht? Ich rätselte noch ein wenig vor mich hin.
    "Nun, Aristides zukünftige Frau wird Epicharis sein, deine Cousine, nicht wahr?" Eigentlich war es dann auch gar nicht verwunderlich, daß er den Bräutigam nicht kannte, wenn er doch erst seit einigen Tagen wieder in Roma weilte. "Aristides hat bis vor kurzem noch in der Legion gedient, er war in Parthia mit dabei und nun heiraten die beiden endlich! Ach, ich freue mich so für sie!" Obwohl ich die Braut noch gar nicht kannte. Aber gab es etwas schöneres, als Braut zu sein, und obendrein den Mann, den man heiraten wollte schlußendlich auch bekam?


    Während wir uns noch unterhielten verließen wir den Laden. Der Claudius berichtete mir von seinen guten Erfahrungen mit Nubiern. Ich mußte mich da ganz auf ihn verlassen, denn einen Nubier hatte ich bis dato noch nicht besessen. Wie zuvorkommend er doch war, als er mir schon seinen anbieten wollte. Doch man konnte es ja auch nachvollziehen, weswegen ein solcher Kauf problematisch geworden wäre.
    "Oh ja, meine Sänfte, samt Träger wartet dort drüben!" Etwas abseits stand eine flavische Sänfte, neben der sechs Träger auf dem Boden saßen und sich ausruhten. Ich wies mit dem Finger in die Richtung und wollte schon los laufen, als ich eine vertraute Stimme hörte. Oh ihr Götter habt dank! Er war wieder zurück! Ich wandte mich zu Chimerion, der ganz aufgeregt wirkte. Er sagte er habe etwas gefunden, etwas Exotisches! Alleine das Wort exotisch, löste bei mir wahre Begeisterungsstürme aus. Ich liebte alles, was exotisch war! Hätte ich mir sonst den Thraker gekauft und ihm erlaubt, sich mit seiner Frisur in meiner Gegenwart aufzuhalten?
    Triumphierend sah ich zu Sabinus. "Nun, was habe ich dir gesagt? Früher oder später kommt er zurück!" Erst dann widmete ich mich dem Sklaven. Natürlich plagte mich schon meine Neugier. Es ließ mir keine Ruhe mehr, bis ich wußte, was er gefunden hatte. "Nun, Chimerion, was hast du entdeckt? Lohnt es sich, es anzuschauen?"

    Ich war heute weiß Gott nicht zu Scherzen aufgelegt! Zuerst war die Katze weg und als man sie mir wieder brachte, geschah dies auf gänzlich unangebrachte Weise in einem schnöden Sack und nun die Frechheiten dieses Sklaven! Offenbar war meine Botschaft an ihn nicht richtig angekommen!
    Ich hob eine meiner Augenbrauen an, einer dieser typischen Eigenarten, die meiner Familie zu eigen war. "Du denkst wohl, du könntest mich mit deinen Worten beeindrucken! Wer bist du eigentlich, daß du dir ein solches Verhalten anmaßt?" Die Zornesröte in meinem Gesicht zeugte von meiner gegenwärtigen Stimmung und diese besserte sich keinen Deut, als ich mein armes Kätzchen erblicken mußte, wie es aus seinem elenden Gefängnis schlingerte.
    "Ohhhh! Du mein Armes, mein armes, armes Tier!" Der Parther und Chimerion waren für kurze Zeit vergessen. Fürsorglich stürzte ich mich auf Saba, die nach den Erlebnissen, die ihr zuteil geworden waren, völlig verängstigt war. Sie fauchte mich an und hob ihre Pfote gegen mich. Erschrocken wich ich zurück. "Seht nur, was ihr mit ihr angestellt habt! Das werdet ihr mir büßen! Alle beide!"
    Erneut schritt ich auf den Parther zu und packte ihn an seiner Tunika. "Sag mir, wer dein Herr ist, sofort!"

    "Oh, gewiß doch! Er wird zurückkommen. Es ist nur eine Frage, der Zeit!" Auf jeden Fall würde er zurückkommen, freiwillig oder auch nicht. Spätestens dann, wenn ich den Heimweg antreten wollte, würde ich nach ihm suchen lassen, bis man ihn gefunden hätte. Je länger diese Suche dauern würde, desto unangenehmer würde meine Laune werden. Ich kannte mich, ich wußte, wie ich war. Was Chimerion anbetraf, so hatte er mittlerweile genug Zeit gehabt, sich ein Bild von mir zu machen.


    "Oh, du hast noch nichts von der bevorstehenden Hochzeit gehört? So viel ich weiß, ist die Braut eine Claudia. Also eine deiner Verwandten. Und ja, sie heiraten einen Flavius. Flavius Aristides. Vielleicht kennst du ihn ja!" Es machte mich etwas stutzig. Sicher mußte er doch von dieser Hochzeit gehört haben! Oder war er erst neu in der Stadt angekommen. Das hätte natürlich einiges erklärt.
    Der junge Mann betrachtete die beiden Gegenstände, die ich bereits in die engere Wahl gezogen hatte, eher mit Skepsis und machte mir gleich darauf den Vorschlag, doch lieber etwas praktisches zu verschenken. Eigenartig! Männer dachten immer nur daran, daß eine Sache einen bestimmten Zweck haben mußte. Irgendwann mußte ihr Sinn für Dekoration verkümmert sein.
    Nun, denn, so hörte ich mir an, was er denn so verschenken würde.
    Ich kommentierte die Vorschlage mit einem nachdenklichen Lächeln, einem Schulterzucken und einem leichten Nicken.
    Allerdings war ich nicht die Frau, die einen Mosaikboden zur Hochzeit verschenkte. Das sagte ich dem Claudier natürlich nicht. "Aha, interessant! Ja, ich werde darüber nachdenken. An einen Sklaven hatte ich ja auch schon gedacht. An einen schwarzen, so wie dieser hier, aus Ebenholz."
    Ich merkte schon, es war sehr schwierig, das passende Geschenk zu finden. Vielleicht sollten wir die Lokaltäten wechseln, fiel mir ein.
    "Nun, ich glaube, in diesem Laden werde ich nicht fündig. Laß uns lieber gehen. Vielleicht findet sich ja draußen ein wenig Inspiration!"

    Äußerst zuvorkommend war das Angebot des Claudiers, auch wenn mir wegen der ach so gefährlichen Straßen Romas nicht bange war. Jedoch lag es mir fern, den Patrizier vor den Kopf zu stoßen, indem ich sein Angebot ablehnte. Männer im Allgemeinen neigten manchmal dazu, weibliche Wesen an sich, als äußerst zerbrechliche Geschöpfe anzusehen. Was ich, im Besonderen, nicht war. :D Doch dies schob ich nun beiseite und versah mein Antlitz mit einem hinreißenden Lächeln.
    "Du meinst, er hat die Flucht ergriffen? Ach nein, das glaube ich nicht! Vielmehr habe ich ihn ausgesandt, um ein passendes Geschenk zu finden." Nein, nein, mein Chimerion würde sich niemals von mir abwenden! Ich hatte Mittel und Wege, dies zu verhindern. Zuckerbrot und Peitsche nannte man das wohl.


    Wie aufmerksam er war! Wohlerzogen, wie es eben nur Patrizier nur sein konnten! Ein Phänomen, das heutzutage recht selten geworden war. Umso mehr schätzte ich es bei dem Claudier.
    "Nun, mich plagt die Frage, was ich anläßlich einer Hochzeit verschenken könnte. Nun bin ich auf diese ägyptische Amphore gestoßen und diesen hölzernen Nubier! Aber ich kann mich einfach nicht entscheiden!" Zugegebenermaßen entsprachen beide Gegenstände nicht wirklich meinem Geschmack. Die Amphore wirkte recht schwülstig, obwohl ich ein Faible für alles Ägyptische hatte. Der Nubier, nun ja der Nubier war im Grunde nutzlos! Vielmehr sagte mir da ein echter Nubier aus Fleisch und Blut zu!
    "Oder kannst du mit einem besseren Vorschlag aufwarten?"

    In Gedanken vertieft, den ebenhölzernen Nubier in Händen haltend, ging mein Blick zu der Amphore und wieder zu dem Nubier. Was sollte ich nur schenken? dies oder das? Oder etwas ganz anderes? Das war aber auch zu schwierig! Wie wäre es denn mit einem echten Nubier aus Fleisch und Blut, fiel mir ein. Vielleicht sollte ich doch noch den Sklavenmarkt aufsuchen. Mit etwas Glück fand sich dort heute Ware aus Nubien.


    Eine männliche Stimme, die mich auf sehr zuvorkommende und edle Weise ansprach, ließ mich aufschauen und meine erste Reaktion war mir im Nachhinein äußerst peinlich. Ich erschrak, als ich den Nubier sah, der in Begleitung seines Herrn mir gegenüber stand. Die fleischgewordene Statuette, die ich in Händen hielt!
    "Oh, entschuldige bitte!" begann ich, nachdem ich mich wieder etwas gefangen hatte. "Dein Angebot ist sehr verlockend! Eigentlich begleitet mich mein Sklave. Dummerweise habe ich ihn aus den Augen verloren. Vielleicht kann ich ihn mit deiner Hilfe aber wieder finden. Aber vorher…" Ich zögerte einen Moment, als mir einfiel, daß ich mich ja noch gar nicht dem jungen freundlichen Mann vorgestellt hatte. Offenbar war er Patrizier, was die Sache ja noch um einiges interessanter machte. "Ach verzeih mir, Claudius Sabinus! Wo bleiben nur meine Manieren! Mein Name ist Flavia Celerina! Es freut mich, dich kennenzulernen! Du triffst mich allerdings in einer äußerst mißlichen Lage an. Vielleicht kannst du mir helfen!" Das war natürlich wieder heillos übertrieben. Doch zu entscheiden, was ich meinem Verwandten und seiner Frau zur Hochzeit schenkte, war eine essentielle Frage.

    Im Inneren des Ladens fand ich zwar nicht meinen Sklaven, aber dafür allerhand Tand, nützliches und Dinge, die die Welt nicht brauchte. Zur letzteren Kategorie zählten auch potentielle Geschenke für Menschen, die eh schon alles ihr Eigen nennen konnten. Also die perfekte Auswahl an möglichen Hochzeitsgeschenken für Aristides und seine zukünftige Frau.
    Kaum hatte ich den Laden betreten, stürzten sich auch schon zwei Verkäufer auf mich.Offenbar witterten sie fette Beute. Sie beschwatzten mich, mir dies und das anzuschauen. Irgendwie hatte ich es nach einiger Zeit geschafft, sie los zu werden. Endlich konnte ich mich ungestört umschauen.
    Neben einer Unzahl von kleineren Möbelstücken und edlem Geschirr, fanden sich hier unter anderem eine buntbemalte ägyptische Amphore und eine Statuette in Form eines Nubiers, aus schwarzem Ebenholz, die meine Aufmerksamkeit gewann. Einem besonderen Zweck dienten diese Dinge eigentlich nicht, aber sie sahen schön aus. Ich hätte mir wahrscheinlich diesen Nubier niemals in meine Räume stellen lassen. Meine Sklavin pflegte diese Dinge immer mit Staubfänger zu titulieren. Aber was wußte sie schon!
    Ich verweilte eine Zeit lang in diesem Laden, doch konnte ich mich wie üblich wieder nicht entscheiden. Ylva konnte ich nicht fragen. Sie hätte mir bei der Entscheidungsfindung nicht helfen können. Dafür hatte sie keinen Sinn. Chimerion hatte sich auch dezent abgesetzt. Dies versprach, einer dieser Tage zu werden, die ich schlichtweg haßte!

    In der Tat hatten mich die Auslagen eines Standes in ihren Bann gezogen, so daß ich ich stehen blieb und mir die fein gewebten Stoffe etwas aus der Nähe betrachtete. Als ich mich nach meinem Sklaven umsah und ihn nicht mehr fand, war ich etwas beunruhigt. Er hatte mich doch nicht einfach hier stehen gelassen? Womöglich war er getürmt!
    Ich wandte mich nach Ylva um, wenigstens war sie mir geblieben. "Laß uns weitergehen," sagte ich und bahnte mir meinen Weg durch die Menge, in der Hoffnung, meinen Sklaven wieder zu finden. Dabei kam ich an einem Geschäft vorbei, welches bereits an seinem Eingang damit Werbung machte, daß man in seinem Inneren die ausgefallensten Geschenke finden würde. Das war es doch, wonach ich gesucht hatte! Neugierig trat ich näher.

    Chimerion und meine geliebte Saba waren für einen Moment aus meinem Blickwinkel entrückt. Stattdessen hatte der andere Sklave, der es wagte, mich auf diese impertinente Weise zu betrachten, meine volle Aufmerksamkeit. Mein Zorn erreichte unermeßliche Höhen. Kurz um, ich war knapp vorm explodieren. Aber halt, dieses Gesicht und die Statur… ich hatte den Sklaven schon einmal gesehen. Nicht hier in der Villa. Auch nicht bei Corvinus. Aber Corvinus war anwesend gewesen, als ich den Sklaven zum ersten Mal gesehen hatte. Auf dem Sklavenmarkt, natürlich! An dem Tag, an dem ich Corvinus kennen gelernt hatte. Ich hatte mich danach schon gefragt, was aus dem dreisten Parther geworden war, der auf dem Podest des Sklavenhändlers meine Aufmerksamkeit gewonnen hatte. Und auch jetzt spürte ich etwas Seltsames in mir. Diese herausfordernden Augen und sein athletischer Körper, der sich unter der Tunika abzeichnete. Offenbar hatte einer meiner Verwandten ebenfalls Gefallen an ihm gefunden.
    "Cassim, mhm. Der Parther, nicht wahr? Wer ist den Herr, Cassim? Wem müßte ich gegebenenfalls eine Entschädigung zahlen, sollte ich dich auspeitschen lassen?" Nichts regte sich in meinem Gesicht, absolut gar nichts. Dann sah ich wieder zu Chimerion hinüber, der immer noch wie angewurzelt da stand und meine Katze weiter leiden ließ. "Wird das heute noch etwas, oder muß ich sie selbst aus dem Sack holen?" Diese beiden Sklaven strapazierten zu sehr meine Nerven. Ich spürte, wie sich Kopfschmerzen meiner bemächtigten. Nun noch ein falsches Wort und ich würde mich vergessen!

    Blut. Überall nur Blut. Ihr Leben hatte Ylva längst ausgehaucht. Nun lag sie leblos neben mit. Ganz bleich. Leblos ihre Augen. Der blutverschmierte Dolch lag neben ihr. Erst hatte ich sie noch wach rütteln wollen, doch sie hatte schon längst ihre letzte Reise angetreten. Nun war auch die letzte Hoffnung auf Flucht und Rettung dahin. Blieb nur noch die Frage, ob auch ich meiner Sklavin folgen sollte. Es war doch ganz einfach. Ylva hatte es vorgemacht. Ein kleiner Schnitt, ein wenig warten und schon schlich das Leben aus meinem Körper. Verführerisch, dieser Gedanke.


    Eine Weile hielt ich Ylva noch an mich gedrückt. So als könne ich ihrem kalten Körper noch etwas Wärme spenden. Häßliche Fliegen wollten sich bereits an ihr gütlich tun. Ich vertrieb sie.
    Nein, ich wollte Ylva nicht folgen! Noch nicht! Wenn ich hier in dieser elenden Hütte mein Leben aushauchen mußte, dann würde ich es nicht alleine tun! Entschlossen griff ich nach dem Dolch und setzte mich wieder neben Ylva. Sollten diese Bestien nur kommen! Wenigstens einen von ihnen wollte ich mitnehmen, wenn auch ich sterben würde. Ihr Anführer! Der, der mich auf solch niederträchtige Weise beschmutzt hatte. Ich wollte sehen, wie er starb. Der Augenblick seines Todes würde für mich wie ein Fest sein.
    Im Dunkel der Hütte saß ich, wartend mit dem Dolch in meiner Hand. Bereit um loszuschlagen.