Beiträge von Flavia Celerina

    Zu einem intensiveren Körperkontakt jedoch, ließ ich mich nicht hinreißen. Schließlich gab es ja Grenzen! Am Ende dankte er es mir noch mit einem feuchten Schlabberkuß auf die Wange. Nicht auszudenken. Alleine bei dem Gedanken wurde es mir blümerant zumute. Was dem Jungen fehlte, war eine Portion Selbstvertrauen, so glaubte ich, als er dann noch mit Aquilius anfing.
    "Aber ja doch!", begann ich ihn zu beschwichtigen.
    "Ach Aquilius, ja!", seufzte ich. Das war ein Kerl mit hispanischem Schneid! Wie schade, daß er sich irgendwann aufs Fische fangen verlagert hatte!
    "Naturlich kenne ich ihn! Er war nach dem Tod meines Bruders mein nächster Verwandter. - Nun ja, sie waren halt gute Freunde. Aber sei dir versichert, auch für Marcus war es eine persönliche Tragödie, als sich Caius damals in aller Stille davon gemacht hat." Ganz zu schweigen, wie sich Prisca dabei gefühlt hatte.


    "Natürlich wirst du das nicht!" Wieder wäre ich beinahe genötigt gewesen, ihm das Händchen zu tätscheln. Wenn auch er Prisca nach einer Verlobung im Regen stehen ließ, dann wäre das ein Skandal ohne Gleichen! Dann konnten die Flavier einpacken und ich gleich mit. Also lag es auch in meinem Interesse, wenn alle in trockene Tücher kam und, was noch wichtiger war, daß Piso keinen Unsinn fabrizierte! Letzteres schien die Unbekannte in meiner Gleichung. Seine überschwänglichen Dankesbekundungen über meine Einladung jedoch wollte ich dazu nutzen, um ihn berechenbarer zu machen.
    "Aber das ist doch selbstverständlich! Laß es mich einfach wissen, wann für dich der geeignetste Zeitpunkt ist und dann werde ich es einrichten können." Und Marcus würde ich auch irgendwie herbei schleifen, damit er sich anhörte, was mein… äh mein was-auch-immer-Verwandter zu sagen hatte. Danach konnte er ihn immer noch hinauswerfen lassen, wenn ihm danach war. Aber ich war mir sicher, daß es nicht soweit kam!


    Meine Frage nach einer Schwester kam nicht völlig unbegründet. In meinem Kopf hatte ich bereits das Szenario weitergesponnen. Natürlich wußte ich, daß er nicht nur eine Schwester hatte. Allerdings zählten tote oder halbtote Schwestern nicht. Es gab noch eine weitere, die, wie mir zu Ohren gekommen war, noch quicklebendig war.
    "Ach ja, die arme Leontia, ja und Vera! Du hast mein Mitgefühl!", seufzte ich mitfühlend. Ja, ja, aber dann kam er zur Sache!
    "Nigrina! Ist sie hübsch? Und vor allen Dingen, ist sie noch nicht versprochen? Nun ja, vielleicht sollte ich sie einmal kennenlernen. Mhm, ein Theaterbesuch wäre nicht schlecht. Oder wir gehen zusammen einkaufen." Ganz nach dem Motto sage mir, wo du einkäufst und ich sage dir, was für ein Mensch du bist!
    "Was meinst du? Oder vielleicht nimmst du sie einfach mit, wenn du mich besuchen kommst." Dann konnte sich Marcus davon überzeugen, daß die Flavia nicht nur vielversprechende Jungpolitiker bereit hielt, sondern auch über bezaubernde junge Damen im heiratsfähigen Alter verfügte.

    Sim-Off:

    Zur besseren Orientierung werde ich alle Dialoge, in denen Celi griechisch spricht kursiv und alle anderen wie gewohnt recte schreiben. ;)


    Inwieweit sich die Neuigkeiten von der Front des flavisch-aurelischen Ehekrieges bereits hinunter die Sklavenschaft gesickert war und nun die Runde machte, konnte ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Doch durfte wohl allen Sklaven, die sich in meiner Nähe aufhielten, aufgefallen sein, daß ich anders war, als sonst. Stiller, ernster, resignierter - einfach unnahbar. Áedáns Einschätzung, ich sei kühl, so sehr kühl, daß er sich an mir Erfrierungen holen konnte, stimmte vollkommen.
    So wagte es auch niemand ungefragt in meiner Gegenwart zu sprechen, aus Furcht vor einer Strafe. Dabei wäre es für die Sklaven ein leichtes gewesen, mich zu überwältigen und zu fliehen. Lediglich ihre Vernunft, oder besser gesagt, die allgegenwärtige Furcht vor den Konsequenzen einer Flucht oder eines noch schlimmeren Verbrechens, bewahrte sie davor.
    Ja, sie war fast schon bedrückend, diese Stille. Nur das Meer, die Rufe der Vögel und der Wind, der mit den Ästen der Pinienbäume spielte und hin und wieder den Sand aufwirbeln ließ, erinnerten daran, daß dies hier das wahre Leben war.
    Schließlich war es der Gallier, der diese Stille mit einem Flüstern durchbrach. Er hatte mich zurück zum Baldachin begleitet. Eigentlich war es seine Aufgabe gewesen, die Augen aufzuhalten. Doch darüber hinaus war er mutig. So mutig, daß er wagte, unaufgefordert zu sprechen.
    Ich saß bereits in meinen Kissen, als ihn mein nachdenklicher Blick streifte. Noch war ich ihm eine Antwort schuldig geblieben.
    Eine Massage… oh ja. Auch wenn es eher meine Seele war, die geschunden war, so konnte ich mich mit dem Gedanken einer entspannenden Massage anfreunden.
    "Das kannst du tatsächlich, Áedán? Nun, dann zeig mir dein Können!", meinte ich etwas später.
    Gleich darauf wandte ich mich meiner Leibsklavin zu.
    "Charis!" Die Makedonierin trat an mich heran und öffnete sie Fibeln meiner Tunika, dann zog sie behutsam den Stoff meines Gewandes nach unten, damit der Rücken frei wurde- Lediglich das Brustband trug ich noch. Dann machte ich es mir in den Kissen gemütlich. Auf dem Bauch liegend, war ich bereit, die Massage des Galliers zu empfangen.
    Inzwischen war auch Okhaton zu mir gekommen. Sein erfrischend leichtes Lächeln erinnerte mich an einen sonnigen Frühlingstag.
    "Setzt dich zu mir und spiel etwas! Oder nein! Viel besser wäre es, wenn du mir eine deiner Geschichten erzählst," meinte ich etwas gelöster, wie gewohnt in Griechischer Sprache. Dabei fragte ich mich plötzlich, ob der Gallier den Ägypter auch verstehen würde.
    "Áedan, verstehst du die Sprache, die Okhaton spricht? Sprichst du auch Griechisch?", fragte ich schließlich den Gallier, der sich gerade daran machte, mit dem Massieren zu beginnen. Charis hatte das Mandelöl herbeigeholt, mit dem ich für gewöhnlich eingeölt wurde und reichte es ihm.
    "Charis, bring verdünnten Wein und Obst! Bring auch Becher für Áedán, Okhaton und dich! Und dann setz auch du dich zu mir!" ordnete ich an, schließlich machte vieles reden und massieren durstig!

    Was, wenn wir plötzlich aus unserem Traum erwachen und feststellen müssen, daß nichts so ist, wie wir es uns vorgestellt hatten? Was, wenn wir glauben, es gäbe kein Fortkommen mehr? Wenn wir uns gefangen fühlen im Hier und Jetzt, wie die Mücke, die vom Bernstein eingeschlossen wurde. Wenn die Zeit zäh wird und schwer ist, wie Blei. Wenn wir wie Kinder sind, die das "Morgen" noch nicht kennen. Wie wirken dann Worte, wie das Leben geht weiter? Wir fragen uns, wie sollte es, wenn doch alles um uns herum in Schutt und Asche liegt. Wie sollte es, also?


    Nur der Schein einer kleinen Lampe versuchte sein Bestes zu geben, um das Zimmer zu erhellen. Daß er damit letztlich scheitern würde, war vorauszusehen. Dennoch, alles was sich nahe heran an die Flamme wagte, erntete das meiste Licht. Gleichzeitig stieg die Gefahr, sich zu verbrennen. Oft schon waren die, die sich zu nahe an die Flamme heran gewagt hatten, dieser erbarmungslos zum Opfer gefallen. Dies war eben die Natur der Dinge.
    Ein gebranntes Kind jedoch, hatte die Möglichkeit, aus dieser Erfahrung zu lernen. Die Chancen standen gering, daß es noch einmal das Feuer suchen würde. Oder würde sein Forscherdrang es erst recht nun dazu anspornen, sich der Gefahr zu stellen?


    Die ganze Zeit über hatte ich in meinen Handspiegel geblickt. Im Schein der Lampe erschien mein Gesicht finster. Dunkle Schatten zeichneten sich darauf ab. Bei genauerem Hinsehen, mochte man erste Fältchen entdecken. Wenig schmeichelhaft für eine Frau! Auch die Ausrede, dies seien doch nur Lachfalten, war nicht haltbar. Dies waren keine Lachfalten!
    Mit ein wenig Bleiweiß, ein wenig Rouge hätte man sie verbergen können, so wie man so vieles unter seiner Maske verbarg. Doch wer konnte schon den Mut aufbringen, sich von dieser Maske zu befreien, die im Laufe des Lebens so vertraut geworden war, weil sie einen Zufluchtsort bot, einen Platz an dem man sich vor dem Leben verstecken konnte? Wer hatte schon den Mut zur Ehrlichkeit? Ehrlichkeit, nun sie beruhte auf dem Ehrgefühl, sich der Wahrheit verpflichtet zu fühlen. Doch wer bestimmte, was wahr oder falsch war?
    So sehr ich mich auch danach sehnte, es fühlte sich so unendlich schwer an, sich diese Maske einfach vom Gesicht zu reißen. Sie hatte dort schon zu lange gesessen, so daß sie bereits schon verwachsen war.

    Mir ist auch aufgefallen, daß einige Funktionen in den "Einstellungen" nicht mehr richtig funktionieren. Die sind jetzt zwar nicht so wahnsinnig wichtig, aber helfen doch manchmal, den Überblick zu behalten. :D
    So z.B. erhalte ich keine Mitteilungen per Email mehr, wenn es neue Beiträge in meinen Favoriten-Threads gibt, oder wenn ich eine PN erhalten habe. ;)

    Den Sklaven keinerlei Aufmerksamkeit schenkend, ging ich einige Schritte. Viel gesprochen hatte ich heute noch nicht. Es gab nichts, was ich hätte sagen können. Und nach einer munteren Unterhaltung mit Charis war mir schon gar nicht gewesen. Dieser verräterischen Schlange wollte ich nie wieder etwas anvertrauen.
    So war ich denn auch meiner Vertrauten verlustig gegangen. Wenn ich so darüber nachdachte, so hatte ich in den letzten Tagen allerhand verloren: die Illusion, einen Ehemann zu haben, der mich eines Tages lieben könnte, die Hoffnung auf ein bißchen Zuneigung und schließlich das Vertrauen auf eine verschwiegene und loyale Leibsklavin. Alle hatten sie mich nun verlassen.
    Bereits seit Wochen hatte ich kein Lebenszeichen mehr von Chimerion erhalten. Ich wußte nur, er wollte sich in den Wäldern der Albaner Bergen verstecken. Nachts hatte ich oft schon dafür gebetet, er möge doch den Weg zum nemus Dianae finden, dem Heiligtum der Diana am Lacus Nemorensis, welches entlaufenen Sklaven Asyl bot.


    Mit meinen Sandalen kam ich in dem sandigen Boden nicht sonderlich gut zurecht. So streifte ich sie einfach von meinen Füßen und ging barfuß weiter. Das Rauschen des Meeres hatte eine besonders beruhigende Wirkung auf mich.
    Dies war einer jener Momente, indem ich sehr gut nachvollziehen konnte, wie ein Mann, wie mein Onkel Aquilius, sich für ein Leben als Fischer, weit abseits von Rom entscheiden konnte, obwohl er die besten Aussichten für eine glänzende Karriere hatte. Ich wünschte mir, ich hätte auch diesen Mut. Wie sehr ich mich gerade in den letzten Tagen nach dem Leben der einfachen Leute sehnte, vermochte sich niemand außer mir selbst vorzustellen. Ich hatte es so satt, dieses Leben einer römischen Patrizierin. Wir hatten die halbe Welt erobert und befriedet und doch war es uns nicht vergönnt, in Frieden zu leben. Unsere Welt strotzte nur so von Ungerechtigkeiten.


    Nachdem ich schon ein ganzes Stück am Strand entlang gegangen war, blickte ich zurück, dorthin, wo bereits der Baldachin stand, dessen Stoff im Wind flatterte. Es war besser, wenn ich nun zurückging, letztendlich war ich ohne begleitenden Schutz losgegangen.
    "Herrin, du solltest dich vor der Sonne schützen!" Charis kam mir bereits besorgt entgegen gelaufen, in Begleitung eines Sonnenschirm tragenden Sklaven. Wortlos übergab ich mich in seine Obhut und folgte ihr zum Baldachin. In einem Meer aus Kissen ließ ich mich nieder und beobachtete eine Zeitlang das Spiel der Wellen.
    "Okhaton soll kommen!" sagte ich irgendwann, als ich bemerkte, wie die Langeweile mich zu überfallen drohte.

    So ruhig und emotionslos meine Stimme geklungen hatte, so fühlte ich mich nun auch. Ich war ausgebrannt und leer. Nicht fähig, etwas zu empfinden. Weder Trauer, Wut oder sogar Hass. Nein, ich hasste ihn nicht dafür, was er mir antat. Wahrscheinlich würde ich auch nie wieder so etwas wie Liebe für ihn empfinden. Wenn wir uns in Zukunft intim näher kommen sollten, so geschah dies nur noch aus einem reinen geschäftsmäßigen Grund. Für Zuneigung oder gar Liebe war hier kein Platz mehr. Einzig allein ein freundschaftliches Verhältnis konnte daraus erwachsen, wenn man ihm die Gelegenheit dazu gab. Im Augenblick war selbst dies nicht möglich.
    Selbst als er dieses verräterische Miststück erwähnte, blieb ich ganz ruhig. Er hatte sie also dazu gezwungen. Ihm war das gelungen, was mir mit dem Germanen misslungen war. Wobei es bei meiner Makedonierin keine große Kunst gewesen war, sie einzuschüchtern. Er hatte sie gebeten, ihm in Bezug auf mich behilflich zu sein. Das war wieder grandios formuliert, um das Wesentliche zu verschleiern. Es wurde Zeit, daß er endlich ging! Ich mußte unbedingt hier raus!
    Als seine Hand dann noch auf meinem Unterschenkel landete, zuckte ich leicht zusammen. Er sollte seine Hand dort wegnehmen! Diese Nähe konnte ich jetzt kaum ertragen. Zwar sagte ich nichts, doch mein Blick sprach Bände. Endlich erhob er sich und bewegte sich zur Tür. Es fühlte sich wie eine Ewigkeit an, bis er endlich gegangen war.


    Für eine Weile saß ich noch einfach still da, nicht fähig für eine Gefühlsregung. Starr blickte ich ins Nichts, bis mich ein Klopfen aus der Starre zurückholte. Charis trat ein, wie sie es jeden Morgen tat. Sie merkte sofort, daß etwas nicht so war wie es sein sollte. Doch sie ließ sich nichts anmerken.
    "Laß alles für einen Ausflug ans Meer richten. Ich möchte in einer Stunde aufbrechen. Unterrichte die Sklaven davon und richte Priscas neuem Sklaven aus, er möge sich heute Abend nach der cena in meinem cubiculum blicken lassen."
    Noch ließ ich sie im Unklaren darüber, was ich in Bezug auf ihre Loyalität erfahren hatte. Doch ich würde sie so einfach nicht davonkommen lassen!



    Ein Tag am Meer


    Eilig hatten die Sklaven etwas für einen Ausflug am Meer zusammengepackt. Einen großen Korb mit Obst, Brot, Käse, kaltem Braten, Oliven und Eiern. Ebenso hatte man an Getränke gedacht, Wasser und Wein. Dann noch einige Decken, Kissen , Tücher und Holzstangen, aus denen geschickte Hände einen perfekten Sonnenschutz basten konnten.
    Nahezu ein Dutzend Sklaven hatten meine Sänfte gesäumt, darunter waren einige meiner custodes, die für meine Sicherheit zu sorgen hatten. Auch meine Leibsklavin Charis, die noch nicht ahnte, was ich am Morgen über sie erfahren hatte, war mit dabei. Neben ihr lief mein neuester Sklave Okhaton, den ich eigens zu meiner Unterhaltung mitgenommen hatte. Seine Kithara war gut verwahrt worden, damit ihr bei der Reise nichts geschah.
    Die Trägersklaven bahnten sich ihren Weg durch die Gassen. Die ehrerbietige Sänfte, auf der das aurelische Wappen angebracht war, erregte allerhand Aufmerksamkeit, wohl nicht zuletzt, weil eine große Zahl von Sklaven sie begleitete. Quer durch die Stadt führte der Weg, bis hin zur Via Ostensiensis. Hinter der Porta Raudusculana bestieg ich einen Reisewagen, der bereits gewartet hatte. Nachdem auch das Gepäck verladen worden war, wurde die Reise fortgesetzt. Noch stand die Sonne nicht im Zenit. Die Hitze war noch erträglich. Ein frischer Wind, der vom Meer kam, machte das Reisen angenehm.
    Kurz vor Ostia schlug der Wagen einen andere Weg ein, der ihn nicht in die Stadt hinein brachte, sondern der in einer kleinen Fischersiedlung unweit der Stadt und des Hafens endete. Unweit davon , nicht fern vom Strandführte ein schmaler Weg zu einem kleinen Pinienwald. Das war unser Ziel. Dort wollte ich bleiben.
    Sofort begannen die Sklaven mit dem auspacken. Ein kleines Zelt, welches eher einem Baldachin glich wurde aufgebaut. Im Inneren wurden Matten, Decken und Kissen ausgelegt, damit es so bequem, wie möglich war.
    Endlich entstieg auch ich dem Wagen. Ich ging einige Schritte zum Strand. Mit meiner Hand schützte ich mich gegen das gleißende Licht. Ich spähte hinaus aufs Meer, jenem türkisblauen Band, das bis zum Horizont reichte. In der Ferne konnte man die Umrisse eines Schiffes ausmachen, dessen Bestimmungsort gewiss Ostia war.
    Der frische Wind fuhr durch mein Haar. Zufrieden seufzte ich. Hier wollte ich den Tag verbringen.

    Ein Grinsen meinerseits blieb nicht aus! Hört, hört, dachte ich nur. Dieser Fremde sah nun in der Tat nicht aus, als lebe er in Armut und Bescheidenheit. Dafür waren seine Körperumfänge einfach viel zu enorm. Dabei konnte er sicher mit sich selbst zufrieden sein. Wahrscheinlich aus dem Nichts kommend, hatte er sich über die Jahre hochgearbeitet. Braver Mann! Vielleicht hatte er aber einfach nur die richtigen Freunde gehabt. Nun, im Grunde war mir das gleich. Ich wußte nur, solche Leute konnten einer altehrwürdigen Familie, wie der unseren bei Weitem nicht das Wasser reichen.
    Nigrina war mir mit ihrer Frage etwas zuvor gekommen, doch mich interessierte auch brennend, was ein solcher Mann einer Frau wie mir denn noch bieten konnte. Gutes Aussehen und ein wohlgestalteter Körper eher nicht. Also was dann?
    "Ja, da würde mich auch interessieren? Was könntest du uns bieten?"

    War ich doch zu einem ersten Schritt bereit gewesen, mußte ich gleich schon erkennen, welche Konsequenzen er mit sich brachte. Tolleranz verlangte er von mir. Im Gegenzug bot er mir das an, was mir als seine Frau sowieso zugestanden hatte. Er hatte es wirklich geschickt angestellt! Mir dämmerte langsam, daß dies der eigentliche Grund gewesen war, weswegen er mich am Abend zuvor aufgesucht hatte - aus Frustration, weil er sich bei der Germanin gehemmt gefühlt hatte!
    Ich hätte jetzt die Möglichkeit gehabt, endgültig einen Schlußstrich unter diese Ehe zu ziehen, ihm ein Ultimatum zu stellen, ich hätte auch weiterkämpfen können, mit ihm streiten, Das hätte ich alles tun können. Doch ich fühlte mich so unendlich kraftlos. Ich sehnte mich einfach nach einem Stückchen Frieden, weit weg von ihm, von dieser Villa, von Rom. Ich hatte es so satt!
    "Gut," antwortete ich ernüchtert. "Dann tue das. Ich werde ein Versprechen, das ich gegeben habe, nicht brechen. Für den Rest des Tages werde ich die Villa verlassen. Du wirst keinen Grund zur Besorgnis haben! Zur Cena spätestens werde ich wieder sein. Charis wird dir dann Bericht erstatten, so wie sie es wohl die ganze Zeit über getan hat." Meine Worte kamen ruhig, ohne Häme aber auch ohne Emotionen. Ich wußte nur, ich mußte nun von hier fort, weg von hier, wenigstens für einige Stunden. Mein Ziel war mir noch nicht ganz klar. Ostia wäre gut. Es war noch früh am Tag, mit etwas Glück konnte ich in zwei, drei Stunden am Meer sein.

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    Meiner Sklavin schoß es die Tränen in die Augen, als ich die Gerte zum ersten Mal angehoben hatte. Nur ihren Blick wandte sie ab, weil sie diesen Anblick nicht ertragen konnte. Es würde schon schlimm genug sein, das Wehklagen des Germanen mit anhören zu müssen. Still verharrte sie im Hintergrund, denn sie wußte, das jeglicher Widerstand zwecklos war. Charis hatte in ihrem Leben nichts anderes gelernt, als demütig zu dienen und gehorsam zu sein. Zwei sklavische Tugenden, die sie hervorragend beherrschte.
    Als der erste Schlag allerdings ausblieb, wandte sie sich verwundert um. Brix´ fragende Blicke trafen sie, doch sie fand keine Antwort für das.
    Meine Sklavin kannte mich mittlerweile. Sie wußte von meiner Vorliebe, zu spielen. Doch als sie mich nun ansah, erkannte sie schnell, daß dies kein Spiel war. Als dann tatsächlich der Erste Schlag erfolgte, zuckte sie schließlich zusammen. Nachdem ich gefallen war, war der Schock so groß gewesen, daß sie erst nicht anders konnte, als wie angewurzelt stehen zu bleiben.
    Nachdem der Sklave sich nach mir umgedreht hatte und mir seinen Arm um den Rücken legte, näherte sich auch besorgt meine Sklavin, die vollkommen ratlos schien, was nun zu tun war.
    "Laßt mich! Laßt mich alle! Geht! Verschwindet! Aus meinen Augen!", schrie ich den beiden Sklaven hysterisch heulend zu und wehrte mich gegen Brix´ Arm.

    Ich gab nicht viel auf Marcus´ Kommentar, bezüglich des Könnens meines Sklaven. Mir gefiel sein Spiel und nicht nur das! Alles gefiel mir an ihm! Marcus hatte in einem Punkt recht, der Ägypter war ein Spielzeug ja! Und ich gedachte, ausgiebig mit ihm zu spielen. Er sollte mit seinem Kitharraspiel und mit allem anderen, was er noch zu bieten hatte, meine kummervollen, dunklen Tage einfach hinfort spülen.
    So war es nicht weiter schlimm, daß ich nun auf die Gesellschaft meines Gemahls verzichten mußte. Auch seine bissige Bemerkung überhörte ich.
    "Natürlich!", gab ich lächelnd zurück und sah ihm noch nach. Erst als er endlich mitsamt seinem Anhang verschwunden war, widmete ich mich wieder Okhaton. Der Junge wirkte etwas müde, was ihm natürlich nicht zu verdenken war.
    "Das hast du gut gemacht! Und zur Belohnung bekommst du noch eine Traube!" Die steckte ich ihm auch direkt in den Mund, nachdem ich sie vom Stängel abgezupft hatte.
    "Du wirst sicher müde sein und vielleicht auch etwas hungrig! Ruhe dich nun aus und morgen möchte ich dich dann wieder sehen!" Einem verbeieilenden Sklaven hielt ich an und erklärte ihm, er solle dem Neuling zum servitriciuum führen und ihn in alles einweisen.

    Mein Klagen und Jammern verebbte langsam. Übrig, blieb nur noch ein leises Wimmern, welches von Zeit zu Zeit durch ein Schniefen ergänz wurde. Von mir war nur noch ein einziges Nervenbündel übriggeblieben, das jeden in Mitleid hätte versetzen müssen. Jeden - nur nicht Marcus! Er blieb kalt, wie eh und je. Lediglich ein winzig kleines bißchen Nähe war er im Stande zu geben, als er an mein Bett trag, auf dem ich, einer verkümmerten Gestalt gleich, kauerte. Er ließ sich noch herab, sich auf den Rand des Bettes zu setzen, doch damit war es genug mit der Nähe. Wie sehr hätte ich mir in diesem Augenblick gewünscht, seine Berührung zu spüren. Nur ein Lebenszeichen, damit ich gewußt hätte, ich lebe noch! Lebte ich noch, wo sich doch um mich herum alles so kalt und tot anfühlte?
    Schließlich sagte er noch etwas. Ich erkannte sofort, worauf es sich bezogen hatte. Auf den Erben, den ich ihm vorenthalten könnte. Das war es, was ich verbrochen hatte. Etwas, was ich in Rage von mir gegeben hatte. In dem Augenblick verlor ich insgeheim jede Hoffnung, jemals ein Kind zu empfangen. Doch dies sagte ich ihm nicht. Solange wir uns nur noch anschrien und uns bis aufs Blut bekriegten, konnte aus dieser Saat kein lebenswertes Leben entstehen. Deshalb waren uns die Götter nicht hold gewesen. Nur deshalb!
    "Ja, ich verspreche es!", flüsterte ich, um den ersten Schritt zu tun, damit sich vielleicht doch noch das Schicksal wenden mochte.

    So weit war es also schon gekommen! Nicht genug, daß mein eigener Ehemann mir eröffnet hatte, er würde seine Gespielin zurück ins Haus holen, direkt an seine Seite, nun begannen sich auch schon die Sklaven gegen mich zu erheben! Ausgerechnet auch noch der maiordomus, welcher an der Spitze der Sklavenschaft stand und dem das Vertrauen der Herrschaft gehören sollte! Er wagte es, sich meinen Anweisungen zu widersetzen. Was blieb mir da anderes übrig, als ihn hier an Ort und Stelle selbst zu bestrafen? Hätte ich dies einem der anderen Sklaven überlassen, so hätte ich wohl am Ende noch einen Aufstand riskiert.
    An seiner Schuld änderte sich auch nichts, als er klar stellte, wen er mit Freund gemeint hatte. Es war dieses germanische Biest! Natürlich, die beiden steckten unter einer Decke! Weshalb war Marcus nur so blind gewesen, um das zu übersehen?


    "Nun, wir werden sehen!", entgegnete ich ihm fest. Ich war schon oft Zeugin von Bestrafungen geworden. Schon als Kind hatte ich es miterlebt, wenn mein Pflegevater ungehörige Sklaven bis aufs Blut hatte auspeitschen lassen. Anfangs hatten mich ihre Schreie und ihr Bitten und Betteln nach Gnade noch berührt, doch je älter ich wurde, desto abgestumpfter wurde ich deswegen. Irgendwann schließlich war dann auch auf meinen Befehl hin ein Sklave gezüchtigt worden. Im Grunde hatte ich bei diesem Anblick nicht das geringste gespürt, nicht einmal Genugtuung.
    Zum ersten Mal nach langer Zeit war es Chimerions Bestrafung gewesen, die mich tangiert hatte, ja die mir innerliche Schmerzen verursacht hatte. Und nun kniete dieser Germane vor mir, um auf seine Schläge zu warten, die ich ihm selbst zufügen sollte. Jetzt erst bemerkte ich den Unterschied zwischen dem befehlen einer Strafe und dem Gezwungen sein, sie selbst auszuführen.
    Ich hob die Gerte an, um sie anschließend auf seinem Rücken hinab fahren zu lassen. Doch das war bei weitem nicht so einfach, wie es sich anhören mochte. Schließlich begann ich mit Schwung, stoppte aber abrupt wieder ab, noch bevor die Gerte den Rücken des Germanen erreichten konnte.
    Meine Unfähigkeit verunsicherte mich zunehmend. Warum nur hatte mich Marcus hierhin getrieben? Es war weniger das Mitleid mit dem Germanen, welches mich nun unablässig aus der Bahn zu werfen drohte, als der Gedanke an mein verkorkstes Dasein, welches ich zu fristen hatte. Als dann endlich der erste Schlag den Rücken traf und eine Strieme hinterließ, spürte ich nur noch die Hoffnungslosigkeit. Ich ließ die Gerte fallen und mich gleich dazu. Neben dem Sklaven ging ich zu Boden, stütze mich nur noch mit meinen Armen ab und begann zu schluchzen.

    Die Schläge blieben aus. Die physischen zumindest. Meine Hand, die ich ausgestreckt hatte, um endlich aus dieser Hölle gerettet zu werden, sie griff ins Leere. Entmutigt ließ ich sie sinken. Heute würde kein Retter mehr kommen. Wahrscheinlich würde er ewig auf sich warten lassen. Oder auch niemals erscheinen. Gorgus´ grässliches Lachen, direkt aus den Tiefen von Plutos Reich, dröhnte in meinem Kopf, mir zum Hohn. So sehr ich mich auch bemühte, ihn würde ich auf ewig mit mir herumtragen, einer Nemesis gleich, die mir dicht im Nacken saß.
    Was ich zu meiner Verteidigung angebracht hatte, war spurlos im Raum verhallt. Nichts, keine Gnade wurde mir gewehrt. Dabei war ich doch das Opfer! Ich war das Opfer! Warum verstand das niemand? Saß ich hier zu Gericht? Was warf man mir vor? Wer war der Kläger, wenn ich der Angeklagte war?
    Das Verhör hatte längst begonnen. Immer enger wurden die Kreise um mich herum gesponnen, bis ich nur noch gestehen konnte oder mit der Wahrheit untergehen mußte.
    Du kannst keine Kinder mehr bekommen. Ist es nicht so? Diese Feststellung lastete so fest auf meinen Schultern. Was hätte ich darauf erwidern können? War es so? Konnte ich keine Kinder mehr bekommen? War dies der Grund gewesen, weswegen die Götter mich nicht erhört hatten? Dabei hatte mir die alte Hexe versichert, ich hätte nichts zu befürchten. In diesem Glauben hatte ich den Trank eingenommen! In diesem Glauben…. Was sollte ich aber jetzt noch glauben? War es nicht besser, endlich zu gestehen? Gestehe! Dann wird es dir besser gehen!
    "Ich wußte es nicht! Sie hat mir versichert, ich würde keinen Schaden davon tragen! Ich weiß nicht, was ich glauben soll! Ich weiß es nicht!", schrie ich verzweifelt, heulend, sabbernd.
    "Ich wünsche mir doch nichts mehr, als ein Kind! Schon immer habe ich mir das gewünscht! Nur die, die ich trug, wurden mir immer wieder genommen…" fuhr ich jammernd fort. Mehr konnte ich nicht mehr gestehen. Weswegen ich mich auch immer schuldig gemacht hatte, nun erwartete ich das Urteil. Auf Milde hoffte ich nicht. Nur mein Tod würde dereinst eine Erlösung für mich bedeuten.

    "So so, Hels Reich! Nun gut, dann weißt du ja, wovon ich spreche." Es interessierte mich nicht im Geringsten, wie diese Barbaren den Tartarus nannten! Doch mein Zorn wuchs und drohte überzuquellen, da der Sklave sich kein bißchen eingeschüchtert fühlte. Er kam sich wohl mächtig schlau vor. Doch diesen Hochmut wollte ich ihm austreiben. Doch noch hatte er nicht verspielt. Er war mir noch eine Antwort schuldig, ob er für mich die Augen aufhielt. Offenbar fiel ihm seine Entscheidung schwer, denn es dauerte lange, bis er sich endlich eine Antwort abringen konnte.
    Doch als die endlich kam, überraschte sie mich so sehr, daß mir zuerst die Worte fehlten.
    "Ein Germane verrät also keinen Freund! Nun gut! Wenn das dein letztes Wort ist, läßt du mir keine andere Wahl!" Augenblicklich wandte ich mich zu Charis um, die die ganze Zeit im Hintergrund diese Unterredung verfolgt hatte. Als ich sie nun ansprach, erzitterte sie regelrcht.
    "Charis, geh und bring mir eine Gerte!" Die Sklavin starrte mich voller Entsetzen an. Ich glaubte schon, sie wolle das Wort an mich richten und für den Germanen um Gnade betteln. Doch sie tat gut daran, daß sie es nicht tat. Bevor sich ihre Beine in Bewegung setzten und sie hinaus trugen, galt ihr flüchtiger Blich dem Germanen.
    "Wie kann man nur so eigensinnig sein!" Nachdem Charis gegangen war, nahm ich den Germanen wieder ins Visier und richtete einige Worte an ihn. Mit einer Antwort rechnete ich erst gar nicht.
    "Was verlange ich schon von dir? Du bist ein Narr, wenn du glaubst, dein Herr wäre gleichermaßen auch dein Freund!"
    Nach einer Weile kehrte Charis wieder zurück. In ihrer Hand hielt sie eine Gerte, wie sie ein Reiter benutzte, um sein Pferd zu disziplinieren. Als sie sie mir überreichte, sah sie mich eindringlich an, ja fast schon bettelnd. Doch sie konnte mich nicht erweichen.
    "Entledige dich deiner Tunika und knie nieder!", befahl ich ihm.

    Die Stimme, sie ließ nicht ab von mir. Immer energischer wurde sie und fordernder. Sie wurde klarer und ich begriff langsam die Bedeutung, die dahinter steckte. Doch die Angst hatte mich wieder gänzlich übermannt. Jede Minute rechnete ich wieder mit Schlägen oder schlimmeren. Wenn Gorgus wütend war, war nicht zu Spaßen mit ihm. Noch schlimmer war es, wenn er betrunken war. Dann war er noch roher und unberechenbarer.
    Ich versuchte, mich noch enger zusammenzurollen, und legte schützend meine Hände über den Kopf.
    "Nein, bitte tu mir nichts! Bitte, nicht schon wieder!", winselte ich leise, im festen Glauben, immer noch in Aiacium zu sein und den mörderischen Piraten vor mir zu haben. Um seinen Zorn zu entgehen, versuchte ich, mich irgendwie in Sicherheit zu bringen. Ich kroch davon, kauerte mich dann zusammen. Meine Augen trauten sich kaum, unter dem zerwühlten Haar hervorzublicken, so sehr fürchtete ich ihn.
    "Bitte, nicht wieder schlagen. Bitte!" Meine Sinne täuschten mich bereits. Ich war dem Wahnsinn nicht mehr fern. Mein Schinder wies eine große Ähnlichkeit mit meinem Verlobten auf. Oder war am Ende alles nur ein böser Traum?
    "Marcus? Bist du das?", fragte ich mit zittriger Stimme. Mutig streckte ich ihm meine Hand entgegen, in der Hoffnung gerettet zu werden, obschon ich nur weitere Schläge erwartete.
    "Ich war bei einer alten Hexe. In der Subura. Sie hat es… sie hat mich davon befreit, Marcus. Ich konnte doch nicht so befleckt deine Frau werden! Vergib mir, Marcus! Er hat sich immer und immer wieder an mir vergriffen. Ich konnte nichts tun. Versteh doch, ich konnte es nicht verhindern." Meine Stimme erstickte in meinen Tränen. Ich konnte nicht mehr.