Beiträge von Aurelia Minervina

    Besorgt kniete Minervina neben ihrer Cousine und hoffte, dass diese die Augen aufschlug. Es dauerte nicht lange, da wurde Prisca auch schon wieder munter. Den Göttern sei dank, sie war nicht bewusstlos! Minervina fiel ein Stein von Herzen. Doch wie nannte ihre Cousine sie? Leonita? Wer um alles in der Welt war das? "Liebes, ich bin es, Minervina. Erkennst du mich denn nicht?" Anscheinend war sie vom Sturz noch etwas benommen. Immerhin schien sie keine Verletzungen davon getragen zu haben, denn sie kam schnell wieder auf die Beine, wenn auch ein wenig zittrig. Plötzlich jedoch packte ihre Hand und war drauf und dran wie von Sinnen wegzurennen. Was war denn nun schon wieder los? Minervina war jetzt vollends verwirrt.


    Obendrein erklang urplötzlich auch noch eine Frauenstimme aus dem Dunkeln, die sie fürchterlich erschrecken lies. "Keine Panik, ich bin’s nur!" Haha, das würde sie auch sagen und dabei in einer stockfinsteren Ecke stehen bleiben. Hm, Caelyn? Wer war das noch gleich? In ihrem Kopf ratterte es. In dieser Villa lebten so viele Menschen, da konnte sie sich beim besten Willen nicht alle Namen merken. Schon gar nicht diese ausländischen. Aber dann fiel es ihr doch wieder ein. Sicher, Caelyn war doch die vorlaute Sklavin von ihrem Bruder. Moment mal, warum schlich sie sich mitten in der Nacht durch die Villa? Argwöhnisch blickte Minervina sie an. "Sag mal, was machst du eigentlich hier? Bist du etwa für diesen Lärm verantwortlich?" Wobei diese merkwürdige Stimme von eben nicht ganz wie die von Caelyn geklungen hatte. Aber wer weiß, vielleicht konnte sie auch einfach nur sehr gut Stimmen imitieren. Den Sklaven in diesem Haus war ja alles Mögliche zuzutrauen! Prisca schien dagegen ganz andere Sorgen zu haben. Hatte sich die Aurelia eben verhört oder hatte sie Caelyn gerade ernsthaft Mama genannt? Als sie schließlich auch noch nach deren Hand griff und loslaufen wollte – wohin war Minervina schleierhaft – hielt sie ihre Cousine fest. "Augenblick, was soll die ganze Aufregung? Und von wem redest du überhaupt? Wer ist er?" Fragend blickte sie erst Prisca, dann Caelyn an. Vielleicht hatte die Sklavin ja eine Ahnung, von wem oder was hier die Rede war.

    Während die Aurelia die Geschehnisse vor ihr weiterhin verfolgte, spürte sie auf einmal ein leichtes Zupfen an ihrer Tunika und Tilla begann anhand ihrer Gebärden etwas zu sagen. Oder waren es Fragen? Minervina, die diese Zeichensprache nicht richtig gewohnt war, legte den Kopf etwas zur Seite und versuchte zu erschließen, was die Sklavin ihr sagen wollte. Anscheinend konnte man ihre Unbeholfenheit deutlich ansehen, denn Tilla griff gleich danach nach ihrem Wachstäfelchen und kritzelte in Windeseile darauf los. Mit einem dankbaren Lächeln nahm Minervina diese anschließend entgegen. "Aber nicht doch." versuchte sie das Mädchen zu beruhigen, nachdem sie den Blick wieder von der Tafel genommen hatte. "Ich bin mir sicher, wir können jeden Augenblick losgehen…" Vorausgesetzt Celerina schaffte es heute noch diesen Kerl loszuwerden, die Claudia würde bald endlich auftauchen und die beiden Sklaven schlagen sich nicht die Köpfe ein. Wozu sich also Sorgen machen? Es war alles in bester Ordnung.


    Gerade als Minervina zur Feststellung kam, dass es diesmal ausnahmsweise die aurelischen Sklaven waren, die sich zu benehmen wussten, fing auch schon Caelyn an sich bei der Auseinandersetzung einzumischen. Die Patrizierin glaubte sich verhört zu haben! Was legte diese Sklavin denn für eine Wortwahl an den Tag? Da hatte Ursus in Sachen Sklavenerziehung aber noch einiges zutun. "Caelyn!" zischte sie mit zusammengepressten Zähnen hervor und warf ihr einen mahnenden Blick zu. "Lass die beiden 'Herrschaften' das unter sich ausmachen." Nicht auszudenken, wenn dieser Grobian der Sklavin etwas antun würde. Wie sollte sie das dann ihrem Bruder erklären? Immerhin wusste er genauso wenig wie Laevinia, dass sie die beiden Sklavinnen mitgenommen hatte. Ein bisschen dreist war das ja schon, vor allem weil sie ihre Cousine noch gar nicht richtig kennen gelernt hatte, aber so war Minervina nun mal.

    Nach ihrem kleinen Spaziergang hatte sich Minervina auf dem Weg in das Stadtzentrum gemacht. Am Rande des Marktes hatte sie sich mit ihren beiden Cousinen Severa und Laevinia verabredet, die sie bisher noch gar nicht richtig kennen gelernt hatte. Zwar hatte man sich hier und da in der Villa flüchtig gesehen, doch bis jetzt hatte sie noch keine Gelegenheit gefunden längere Gespräche mit ihnen zu führen. Wie sie wohl waren? Viel wusste sie nicht über sie, nur das sie miteinander verwandt waren und in ihrem Alter waren. Es war schon merkwürdig. Da lebte man unter einem Dach, ja sogar in derselben Familie, und doch war man sich so fremd. Allerdings war sie an dieser Situation auch nicht ganz unschuldig. In den vergangenen Wochen hatte sie sich zunehmend in ihr cubiculum zurückgezogen. Auf diesem Wege konnte man nur schlecht die neuen Familienmitglieder kennen lernen. Ob Prisca die beiden näher kannte? Das nächste Mal, wenn sie ihre Cousine sah, würde Minervina sie danach fragen.


    So stand sie nun gedankenverloren auf dem Markt und wartete auf Laevinia und Severa. Entgegen ihrer sonstigen Unpünktlichkeit hatte sie an diesem Tag noch viel Zeit. Dennoch hoffte sie, dass die beiden Aurelierinnen bald erscheinen würden, denn es war recht frisch. Nur gut, dass sie sich einen ihrer wärmsten Pelzmäntel übergezogen hätte. Ob die beiden sie auch wohl finden würden? Sie blickte zu ihrer Sänfte, die die Träger neben ihr abgestellt hatten und sich nun eine Verschnaufspause gönnten. Aber ja doch, die war eigentlich nicht zu übersehen. Beruhigt über die Tatsache nicht übersehen zu werden, keimte langsam aber sicher Vorfreude auf das bevorstehende Treffen auf.


    Sim-Off:

    reserviert :]

    Ungemütlich war das Wetter an diesem Morgen. Kalt und trübe war es und nur die vereinzelten Sonnenstrahlen, die hier und da durch die grauen Wolken lugten, ließen erahnen, dass es wenigstens nicht regnen würde. Dazu kam ein eisiger Wind, der umherwehte und dabei den kahlen Bäumen die letzten Blätter wegblies. Man musste wohl schon etwas eigenartig veranlagt sein oder einen gewissen Hang zur Melancholie haben um bei diesem Wetter einen Spaziergang machen zu wollen. So waren auch nur wenige Menschen an diesem Vormittag in dem kleinen Park anzutreffen. Eine von ihnen war Aurelia Minervina, auf der sowohl das Eigenartige als auch das Melancholische zutraf. Begleitet wurde sie von zwei Sklaven, die ihr in gebührenden Abstand folgten und auf sie Acht gaben.


    Obgleich Minervina normalerweise Kälte möglichst zu umgehen versuchte, hielt sie diesmal nichts von einem Spaziergang ab, denn sie erhoffte sich, dass die kühle Luft ihr half um wieder auf klare Gedanken zu kommen. Fernab von der aurelischen Villa würde sie sicher in aller Ruhe nachdenken können. Tiefe Trauer hatte sich in letzter Zeit über sie gesenkt und Minervina wusste nicht, wie ihr geschah. Es gab keinen Anlass betrübt zu sein und doch spürte sie diese innere Leere. War es eine Laune der Götter? Oder gar eine Prüfung?
    Während sie gemessenen Schrittes daherschlenderte, fiel ihr Blick immer wieder auf die bunten Herbstblätter, die wild zerstreut auf dem Boden lagen. Selbst nachdem sich die Bäume ihr Herbstgewand abgelegt hatten, konnte Minervina immer noch eine gewisse und zugleich skurrile Schönheit in dem kahlen Geäst der Bäume erkennen. Genau genommen sah sie immer etwas Schönes in der Natur, war die Patrizierin doch sehr naturverbunden.


    Nach einiger Zeit kam sie an einer halbrunden Marmorbank an und sie ließ sich auf dieser nieder. Ein leichter Windhauch lies einige feine Haarsträhnen durch ihr Gesicht wehen. Begierig sog sie die reine Luft durch die Nase und genoss dabei die Stille, die sie umgab. Ihre Augen blickten derweil resigniert in die Ferne.


    Sim-Off:

    Wer möchte, darf sich gerne dazusetzen und mich aufmuntern :)

    Obwohl eher zarte Geschöpfe wie Singvögel zu ihren Lieblingstieren zählten, so war auch die Aurelia von dem Kätzchen recht angetan. Sie hatte schon eine Hand ausgestreckt um über das kleine Köpfchen zu streicheln, als noch rechtzeitig Tillas skeptischen Blick ihren Augen traf. Sie nickt, denn ihre Warnung schien ihr vollkommen nachvollziehbar und so hielt sie sich zurück. Stattdessen schenkte sie Tilla ein dankbares Lächeln, dafür das sie an alle möglichen Gefahren dachte. Was für ein aufmerksames Mädchen diese Sklavin doch war. Ihre Cousine Laevinia, der sie sich Tilla heimlich 'ausgeborgen' hatte, konnte sich wirklich glücklich schätzen.


    Während sich Celerina mit dem ihr etwas seltsam erscheinenden Mann und dessen Katze beschäftigte, entschied sich Minervina dazu etwas Abstand zu halten und ihren Blick auf die Sänfte, in der sich Celerinas Begleitung befand, zu richten. Scheinbar brauchte die Dame noch etwas länger, was bei Patrizierinnen nicht ungewöhnlich war. Auf einmal bemerkte sie wie sich der Leibsklave ihrer Freundin sich mit einem unbekannten Mann anlegte. Was genau vorgefallen war, war ihr entgangen, doch ihr war schnell klar, dass sich das Ganze zuspitzen könnte, wenn sich nicht einer von ihnen wieder beruhigte. Als wäre das nicht schon genug Aufregung, fasste der Mann plötzlich Celerina an die Taille und hob sie zur Seite. Augenblicklich schossen Minervinas geschwungene Augenbrauen in die Höhe, als sie das skurrile Schauspiel vor ihren Augen betrachtete. Nicht zu fassen, und Celerina nahm das Alles auch noch recht locker! An ihrer Stelle hätte die Aurelia gleich ihre Krallen ausgefahren, und wenn nicht, dann spätestens bei seiner Erklärung. Ja klar, nur retten wollte er sie! Nun ja, da ihr weder Lebensretter noch Leibsklave zur Verfügung standen, trat sie selbst einen Schritt beiseite um den beiden Streithähnen aus dem Weg zu gehen. Mit einer leichten Kopfbewegung in Tillas Richtung gab sie ihr zu verstehen, dass sie ebenfalls zur Seite treten sollte damit das zierliche Sklavenmädchen nicht mitten in die Zankerei gerät. Etwas betreten beobachtete sie die weitere Situation und hoffte inständig, dass die Claudia bald auftauchen würde. Vielleicht würde sich dann die Lage wieder etwas beruhigen.

    Währenddessen irrte Minervina immer noch durch die dunklen Gänge der Villa umher. Dabei war sie immer darauf bedacht, dass ihre Öllampe nicht erlosch, denn die Luftzüge schienen aus unerklärlichen Gründen einfach nicht abreißen zu wollen. Da sich niemand auf ihre Frage hin meldete – was ihr eigentlich logisch erschien, da sie erwartete, dass jeder normale Mensch um diese Uhrzeit nirgendwo anders als in seinem Bett war - legte sich ihr Puls wieder etwas und sie beruhigte sich. Erleichtert atmete sie aus. "Siehst du, Minervina, alles nur Einbildung…", murmelte sie leise vor sich hin und kam sich im selben Moment etwas blöd vor mit sich selbst zu reden. Welch ein Glück, dass niemand hier war, der von ihren Selbstgesprächen etwas mitbekam. In der Annahme, dass nichts passiert sei, beschloss sie also wieder in ihr cubiculum zurückzukehren. Vielleicht hatte sie ja Glück und sie könnte noch einmal von dem hübschen Jüngling träumen. Doch just in dem Augenblick, in dem sie sich umdrehte, vernahm sie plötzlich Schritte. Erst aus der einen Richtung, gleich darauf aus der anderen. Das Schlimme daran war, dass sie so deutlich zu hören waren, dass sich die Aurelia keine Einbildung mehr einreden konnte. Gleich darauf war auch noch ein dumpfer Schlag zu hören, worauf Minervina hin leicht zusammenzuckte. Was ging hier nur vor? Panik stieg in ihr auf und ihr Instinkt sagte ihr, dass sie besser das Weite suchen sollte, doch sie wusste auch, dass sie jetzt nicht einfach so wegrennen konnte. Die letzten Reste ihres dahinschwindenden Mutes zusammenkratzend entschied sie sich schließlich für die Richtung, aus der das dumpfe Geräusch gekommen war und bewegte sich mit vorsichtigen Schritten den Gang entlang.


    "Ma.... thooooo...... toooooot.... Fhi........ oooonn..."


    Da war sie wieder, diese unheimliche Stimme! Sie beschleunigte ihre Schritte, doch mit einem Mal blieb sie abrupt stehen und erschrak fürchterlich. Bona dea, da vorne lag ja jemand! "Prisca!" Minervina schrie vor Schreck auf, als sie im schwachen Licht ihre Cousine erkannte. Sofort eilte sie zu ihr hin und tätschelte sachte ihre Wangen. "Prisca, bist du verletzt? Sag doch bitte etwas!"

    Wie sehr hatte sich Minervina über Celerinas Einladung zu einem gemeinsamen Marktbummel gefreut. Seit Wochen hatte sie sich nun in der aurelischen Villa zurückgezogen, doch nun wollte sie diese Gelegenheit nutzen um aus ihrer Leere herauszukommen. Vielleicht würde ihre Lebensfreude wiederkehren, wenn sie erst mal wieder unter Gesellschaft wäre. Wie ihre flavische Freundin berichtete, würde auch eine Claudia sie begleiten. Minervina freute sich schon darauf ihre Bekanntschaft machen zu dürfen.


    Mit einer Hand voll aurelischer Sklaven hatte sich die junge Dame auf dem Weg gemacht. So schaukelte die Sänfte der Aurelia verhalten durch die römischen Straßen bis sie mit einem Mal abrupt zum Stillstand kam. Nur wenige Augenblicke später vernahm Minervina draußen eine weibliche Stimme. Der rote Vorhang der aurelischen Sänfte wurde beiseite geschoben und sie erblickte das Gesicht von Celerinas Leibsklavin. Aussteigen sollten sie, da mit den Sänften kein Durchkommen mehr möglich sei. Ein Seitenblick huschte an der blonden Sklavin vorbei. Die Straßen waren tatsächlich sehr überfüllt, so wie es in Rom nun mal üblich war. So wandte sie sich wieder zur Sklavin und nickte ihr zu. "Da gebe ich deiner Herrin recht. Schön, ich werde aussteigen." Galant entstieg die Aurelia der Sänfte und entdeckte auch sogleich Celerina. Mit ihrem edlen Gewand und ihrer kunstvollen Frisur war sie ja auch nicht zu übersehen. Auch bei den Männern schien sie Aufsehen zu erregen, denn just in dem Moment als Minervina auf ihre Freundin zugehen wollte um sie zu begrüßen, bemerkte sie wie ein junger Mann ihr zuvorkam. Nanu, wer war denn das? Ein Bekannter oder gar ein Verehrer? Auch wenn es für eine Patrizierin eher unüblich war, ein leichtes Grinsen konnte sich Minervina dennoch nicht verkneifen, als sie schließlich auf die beiden zuging. "Salve meine Liebe. Schön dich zu sehen." grüßte sie zunächst die Flavia recht herzlich. Anschließend wandte sie sich mit einem warmen Lächeln zu dem unbekannten Herrn und grüßte diesen ebenfalls freundlich.

    Zum ersten Mal seit langem schlief Minervina in dieser Nacht richtig gut. So gut, dass sie sogar einen schönen Traum hatte. Sie träumte davon, wie sie sich in einer prächtig ausgestatteten Therme aufhielt. Während sie das angenehm warme Wasser genoss und dabei den wohligen Duft von Rosenöl einsog, tänzelten einige junge und vor allem attraktive Männer um sie herum. Minervina war begeistert, einer war schöner als der andere! Ein Schönling hatte es ihr besonders angetan. Grüne Katzenaugen, hohe Wangenknochen und verführerisch sinnliche Lippen zierten sein hübsches Gesicht. Ganz nach ihrem Geschmack. Mit dem Zeigefinger winkte sie ihn zu sich und gab ihm zu verstehen, dass sie eine Massage von ihm wünschte. Doch was war das? Gerade als sie ihm ihrem Rücken zukehrte und seine zarten Hände ihren Nacken berührten, war plötzlich ein markerschütternder Schrei zu hören.


    Schlagartig zerplatzte ihr Traum wie eine Seifenblase und die junge Aurelia fand sich senkrecht sitzend in ihrem Bett wieder. Erschrocken blickte sie sich um und horchte dabei angestrengt. Doch es war weiter nichts zu hören. Hatte sie diesen Schrei nur geträumt? Ihr Blick wanderte durch ihr dunkles cubiculum und blieb an der Tür der kleinen Kammer, die für Leibsklaven gedacht war, hängen. In diesem Moment ärgerte sie sich, dass sie nie auf einen eigenen Sklaven bestanden hatte. Dieser hätte jetzt nach dem Rechten sehen können. Da es jedoch an einem Leibsklaven mangelte, musste sie selbst nachschauen. Vielleicht sollte sie ihren Bruder oder gar ihren Onkel wecken? Doch was, wenn die Einbildung ihr nur einen bösen Streich gespielt hatte? Das wäre ihr schrecklich peinlich gewesen. So beschloss sie erst einmal alleine nachzusehen.


    Sie griff nach einer kleinen Öllampe und machte sich schließlich nur in ihrem Schlafgewand gekleidet auf den Weg. Beinahe lautlos schritt sie den Säulengang des Wohntraktes entlang. Ein kühler Luftzug strich ihr ans Gesicht vorbei und sie begann ein wenig zu frösteln. Auch das Licht ihrer Lampe bekam den Windhauch zu spüren. Aufgeregt flackerte es hin und her und zauberte dabei seltsame Schatten auf die Wände.


    "Huuhuuuuu…. Fhi….. onnnnn…. Huuuuuu….."


    Bei den Göttern, so langsam wurde es ihr unheimlich. Fast kam es ihr so vor, als wolle der Wind ihr etwas sagen! Sie schüttelte den Kopf. Minervina, das ist doch absurd, dachte sie sich und ging vorsichtig weiter. "Hallo?" Sie versuchte möglichst souverän zu klingen, doch in ihrer Stimme konnte man deutlich ihre Angst hören. "Ist hier jemand?" Aufmerksam lauschte sie ins Dunkeln hinein und wartete, ob sich etwas tat.

    Minervina nickte mitfühlend, als die Flavia von dem schnellen Ableben ihres Gatten berichtete. Darauf beließ sie es, denn sie wollte die arme Witwe ja nicht traurig stimmen, auch wenn es sie interessierte, woran er so plötzlich gestorben war. Doch einen so betrübten Eindruck machte Celerina auf sie gar nicht. Wahrscheinlich kämpfte sie in ihrem Innern mit ihren Gefühlen und wollte sich nur nicht die Blöße vor Minervina geben. Was für eine starke Frau sie doch sein musste!


    Was Minervina dagegen mit ihrer Äußerung hinsichtlich der Guccius-Mode bei ihr auslöste, bemerkte sie in ihrer jugendlichen Naivität nicht. Selbst als sich die fein geschwungene Braue der Flavia in die Höhe schob, war sie sich keiner Schuld bewusst. Stattdessen freute sie sich, dass sie eine ebenbürtige Gesprächspartnerin in Sachen Mode gefunden hatte, die wie die Aurelia selbst immer auf dem neusten Stand der Dinge zu sein schien. Gleich darauf begann sie auch schon von einer weiteren Modeikone zu schwärmen. "Aber ja doch, selbstverständlich sagt mir Donatella etwas." Welche vernünftige Patrizierin tat das nicht!? "Ein ausgezeichneter Vorschlag sie zu besuchen. Ihre Kleider sind wirklich fabelhaft." Nur die von Pradacus sahen noch besser aus, aber das behielt sie lieber für sich.


    Es war beruhigend zu hören, dass Celerina ihre Neugierde nicht allzu taktlos empfand. Stattdessen plauderte sie munter drauf los. Schlagartig wurde die Aurelia hellhörig, als Celerina auch gleich begeistert von einem Wesen des (angeblich) starken Geschlechts schwärmte. Na, so wie sich das anhörte, musste es sich dabei um ein wahres Prachtstück handeln! Minervina fragte sich, wie das Objekt der Begierde wohl aussah. Ob die beiden auch in dieser Beziehung den gleichen Geschmack hatten? Sie erinnerte sich an den Thermenausflug mit ihrer Cousine Prisca und Decima Seiana. Seitdem wusste sie nur zu gut, dass Frauen die unterschiedlichsten Vorlieben haben konnten, was Männer betraf. "Sag, wie sah er aus? Kenn ich ihn vielleicht sogar?" Daran glaubte sie zwar nicht, da sie bisher noch nicht viele Männer in Rom kennen gelernt hatte, doch der Kreis der Patrizier war hier nicht allzu groß, von daher konnte es wiederum gut sein, dass sie ihn kannte. Der Gedanke bewegte sie auch gleich zu ihrer nächsten Frage. "Er war doch Patrizier, oder?" Minervina war gespannt, ob die elegante Celerina auch attaktive Plebejermänner beäugte oder dafür zu fein war. Sie selbst war sich jedenfalls nicht zu schade, aber das hat sie bisher niemanden anvertraut. "Celerinische Skala? Du bewertest Männer nach Noten?" Völlig irritiert blinzelte die junge Aurelia vor sich hin und wusste im ersten Augenblick nicht so recht, was sie davon halten sollte. Das hätte sie nicht von ihr erwartet. Dann aber kehrte ihr freches Lächeln zurück und sie begann zu kichern. "Die Idee gefällt mir wirklich gut!" Minervina war schon immer für solche Späße zu begeistern. Ihr gefiel Celerina immer besser.

    Ausgerechnet er! Es war niemand geringeres als ihr Bruder Titus Aurelius Ursus höchstpersönlich, der in ihr cubiculum eintrat. Dabei war er der letzte Mensch, der sie so elendig sehen sollte. Doch davon bemerkte er zunächst nichts, sondern schritt auf sie zu und umarmte die völlig verdatterte Minervina herzlich. Es muss ein seltsames Bild abgeben, dachte sie sich. Während ihr lieber Bruder geradezu die Heiterkeit in Person war, kam sie sich wie ein Häufchen Elend vor. "Ich habe dich auch sehr vermisst. Ach Titus, es tut so gut, dass du wieder hier bist." Jetzt, wo er wieder in ihrer Nähe war, würde es ihr bestimmt bald wieder besser gehen. Ja, da war sie sich ganz sicher! Doch als ihr ein kleines Paket in die Hände gedrückt wurde, fühlte sie sich allerdings keineswegs besser. Schlechtes Gewissen machte sich in ihr breit. Hatte sie denn so etwas überhaupt verdient? Schließlich hatte sie es aufgrund ihrer Trauer nicht einmal geschafft, ihm während seines Aufenthalts in Germanien einen einzigen Brief zu schreiben. Von einem Geschenk ihrerseits ganz zu schweigen. Was für eine Rabenschwester sie doch war! "Oh, ein Geschenk? Für mich?" stammelte sie verlegen. "Aber das wär doch nicht nötig gewesen. Ich hoffe, du hast dir meinetwegen keine Umstände gemacht. Vielen lieben Dank."


    Plötzlich zeigte Ursus sich besorgt. Er musste ihr angemerkt haben, dass es ihr nicht gut ging. "Nein, nein." Sie wandte ihren Blick von ihm, denn sie hasste es nahestehenden Menschen mitten ins Gesicht zu lügen. "Es geht mir blendend. Ich habe in den letzten Tagen nur etwas schlecht geschlafen." fügte sie mit einem erzwungenen Lächeln hinzu und ärgerte sich im gleichen Moment, dass sie alles andere als überzeugend klang. Doch was sollte sie ihm sonst erzählen? Sie wusste ja selbst nicht einmal, woher diese quälende Trauer kam. Sie war doch sonst immer ein so glücklicher Mensch gewesen. Abgesehen davon war Minervina davon überzeugt, dass ihr Bruder bestimmt wichtigeres zutun hatte, als sich mit solchen Belanglosigkeiten herumzuplagen. Daher setzte sie eine halbwegs fröhliche Miene auf. Zumindest versuchte sie das. "Komm, setz dich doch erst einmal." Minervina bot ihrem Bruder Platz einen Sessel an, während sie selbst sich auf ihrer cline niederließ. Auf ihrem Schoß ruhte das Päckchen, doch sie wusste nicht so recht, ob sie es sofort öffnen sollte. Schließlich beschloss sie damit noch zu warten und stattdessen ihre ganze Aufmerksamkeit ihrem Bruder zuzuwenden, immerhin hatte sie in der Hinsicht einigen Nachhohlbedarf. "Sag, wie ist es dir im fernen Germanien ergangen? Du hast sicherlich einiges zu erzählen."

    Interessiert hörte Minervina den Ausführungen zu dem Halsschmuck zu. Zumindest bis zu dem Moment, als ihre Gastgeberin erwähnte, dass ihr Mann bereits verstorben ist. Die junge Aurelia war geschockt. So früh schon Witwe! Bemerkenswert, wie gelassen sie damit umging. Das war sicherlich ganz furchtbar für die arme Celerina. "Oh, dass mit deinem Ehegatten tut mir schrecklich leid." meinte sie aufrichtig und blickte die Flavia bedrückt an, denn sie konnte ja nicht ahnen, dass diese den Tod ihres Mannes nicht ganz so tragisch empfand.


    Nichtsahnend war Minervina also davon überzeugt, dass der Tod ihres Mannes ein harter Schicksalsschlag für Celerina sei. Als sie gleich darauf nach ihrem Kleid erkundigte, war das für Minervina nur eine weitere Bestätigung dafür. Vermutlich wollte sie schnell auf ein anderes Thema lenken damit nicht die Erinnerungen an den verstorbenen Gatten hochkommen. Dafür hatte die Aurelia natürlich vollstes Verständnis und ging auf ihre Frage nach dem Gewand ein. "Es freut mich, dass dir mein Kleid so gut gefällt. Nein, von Guccius ist es diesmal nicht, obwohl er einer meiner liebsten Modeschöpfer ist . Oder besser gesagt 'war' ..." Sie beugte sich ein Stück vor und machte eine geheimnisvolle Miene. "Ich habe dieses Prachtstück bei Pradacus entdeckt. Er wunderbarer Modeschöpfer sag ich dir. Erst vor kurzem hat er hier in Rom seine Läden eröffnet. Hast du bereits von ihm gehört? Falls nicht, müssen wir beide unbedingt dort hin gehen. Glaub mir, die Stücke von Guccius und Chanelix sehen dagegen wie einfache Plebejer-Tuniken aus." Minervina war voll und ganz in ihrem Element, als sie so erzählte und das zeigte sie auch deutlich. Es freute sie wirklich sehr, dass Celerina offenbar das gleiche Interesse an Mode hegte. Sicherlich hatten sie auch in anderen Dingen ihre Gemeinsamkeiten. Welche das waren, würde sich sicher bald herausstellen.


    Wer weiß, vielleicht redete ihre neue Freundin ja auch so leidenschaftlich gerne über Männer wie sie? Minervina beschloss vorsichtig anzutesten. "Sag mal, hast du seit deiner Ankunft in Rom eigentlich schon interessante Bekanntschaften gemacht? Ich meine, außer mit mir... :D Eventuell mit einigen interessanten Männern?" Sie grinste ihr Gegenüber mit einem kecken Lächeln an. Nicht eine Sekunde später biss sie sich auch schon auf die Zunge, als ihr mit Schrecken der verstorbene Ehemann von Celerina wieder einfiel. Wie unangenehm! "Verzeihung, das war rücksichtslos von mir. Ich hätte wohl besser nicht fragen sollen. Entschuldige bitte." Mit zerknirschter Miene blickte sie Celerina an und hoffte, dass diese nicht allzu empört reagieren würde.

    Resigniert starrten ihre dunklen Augen die Decke ihres cubiculums an. Minervina lag rücklings auf ihrem Bett und dachte nach, während einige dicke Tränen über ihre Wangen kullerten. Seit Wochen nun hatte sich die junge Aurelia immer mehr zurückgezogen. Die Geschehnisse um sie herum nahm sie nur noch zur Hälfte wahr. Sie fühlte einfach keine Freude mehr, nur völlige Leere. Warum konnte sie sich selbst nicht erklären, schließlich hatte sie doch alles, was man sich wünschte. Sie lebte in einer guten Familie, musste sich keine Sorgen um Geld machen, hatte Freunde und sah obendrein noch gut aus. Wobei man sagen muss, dass ihr Äußeres unter ihrer Traurigkeit ein wenig gelitten hatte. Sie schlief in letzter Zeit nämlich sehr unruhig, wodurch sich dunkle Schatten unter ihren Augen bildeten. Das wiederum machte sie nur noch trauriger, denn Schönheit bedeutete ihr wahnsinnig viel. Es war wirklich verzwickt. Was war nur los mit ihr?


    Plötzlich ein Klopfen, welches sie ruckartig aus ihrer Starre riss. Einen Augenblick lang blieb sie wie erstarrt liegen und horchte vorsichtig in die Stille hinein. Hatte sie sich das eingebildet? Nein, es schien tatsächlich jemand vor ihrer Tür zu stehen. Wer konnte das nur sein? Jemand von den Sklaven konnte es nicht sein, denn denen hatte sie in einem ungewohnt rauen Ton mitgeteilt, dass sie ihre Ruhe wünschte. Minervina blieb noch einen Moment liegen. Vielleicht würde derjenige ja wieder gehen? Sie lauschte, doch Schritte, die sich von ihrem Zimmer entfernen, waren nicht zu hören. Da war aber jemand zäh. Es half alles nichts, sie musste denjenigen eintreten lassen. Also raffte sie sich auf, wischte sich mit dem Handrücken die Tränen von ihren Wangen und zupfte hastig ihre Kleidung zurecht. Keiner sollte erkennen, wie elendig ihr zumute war, nicht einmal ihr Bruder. So stand sie nun mitten in ihrem Zimmer und bemühte sich einen einigermaßen fröhlichen Eindruck zu machen. "Ja, bitte?"

    Der Flavia war es sichtlich unangenehm, dass keiner der Sklaven Minervina bisher bedient hatte. Sie selbst fand es nicht so tragisch, doch plötzlich kam es ihr in den Sinn, dass die Sklaven deswegen bestraft werden könnten. Das wollte sie natürlich nicht, daher meinte sie beschwichtigend: "Meine Teure, das macht mir wirklich nichts aus. Ich bin mir sicher, einer der Sklaven hätte mir schon bald eine Erfrischung angeboten. Außerdem weiß ich nur zu gut, wie schwer es ist heutzutage an gutes Personal zu kommen." Ich spreche da aus Erfahrung. Sie dachte an die aurelischen Sklaven, bei denen einige von ihnen so ihre Macken hatten. Manche mehr, manche weniger. Nun gut, das war ein anderes Thema. Dankend nahm sie auf eine der Klinen Platz und beobachte anschließend, wie Celerina die kleine Statue auspackte. Freute sie sich wirklich über das Geschenk? Ja, sie tat es! Zumindest wäre sie eine ausgezeichnete Mimin gewesen, wenn sie es nicht täte, dachte Minervina bei sich und lehnte sich, erleichtert darüber, dass ihr Geschenk so positiv angenommen wurde, entspannt zurück.


    Der Anblick der Delikatessen, die soeben herangetragen wurden, regte tatsächlich ihren Appetit an und in ihrem Inneren freute sich Minervina wieder einmal mehr, dass sie im Gegensatz zu den meisten anderen Frauen essen konnte, so viel sie mochte, ohne dabei wie ein Hefekloß auseinander zu gehen. Ihre dunklen Augen verfolgten, wie die Leibsklavin der Flavia sich höchstpersönlich darum kümmerte die Speisen zu servieren. Ein Glück, dass sie dafür nicht den Mund aufmachen muss, dachte sich die Aurelia spöttisch, war aber allerdings gleichzeitig davon beeindruckt, wie geschickt die blonde Sklavin mit dem schwer beladenen Tablett umging. Das hätte sie ihr gar nicht zugetraut. Schließlich wandte sie sich wieder zu Celerina, die letztendlich für dieses Meisterwerk verantwortlich war. "Oh, das sieht ja köstlich aus. Aber das wäre doch nicht nötig gewesen!" meinte sie noch zu ihr, ließ sich aber nach deren Aufforderung nicht lange bitten, sondern griff zunächst nach den Oliven. "Wirklich, die schmecken hervorragend!" Während sie den fein salzigen Geschmack der kleinen, schwarzen Kost auf der Zunge zergehen ließ, überlegte Minervina sich worüber sie sich nun mit ihrer neuen Freundin unterhalten könnte. Bloß kein peinliches Schweigen aufkommen lassen, das wäre ihr mehr als unangenehm. Andererseits - sie blickte verstohlen zu der Flavia - machte Celerina einen solch erfrischenden Eindruck, dass Minervina kaum glaubte, dass ihr das je passieren würde. Und selbst wenn, sie würde in so einem Augenblick wohl ihre Sklavin ein Kunststück oder ähnliches vorführen lassen, dessen war sie die Aurelia sicher. Am Besten ich fange mit harmlosen Geplänkel an, beschloss sie und deutete anschließend dezent auf ihren Halsschmuck. "Ich muss sagen, das Collier sieht wunderschön aus. Wo hast du das nur erstanden, wenn ich fragen darf?" Sie lächelte ihr zu und hoffte inständig, dass es sich hierbei nicht um ein Erbstück der verstorbenen Mutter oder dergleichen handelte.

    Da standen sie nun leicht bekleidet in Badetüchern und bestaunten die luxuriösen Einrichtungen. Auf Priscas Frage hin, ließ Minervina ihren Blick schüttelte sie leicht den Kopf. „Nein, mir ist keine der anwesenden Frauen bekannt.“ Was auch nicht verwunderlich war, denn lange hielt sie sich in Rom ja noch nicht auf. Doch vielleicht würden sie heute die ein oder andere nette Bekanntschaft machen.


    Nicht eine Sekunde lang war Minervina von Priscas Bemerkung bezüglich des Masseurs erstaunt oder gar schockiert. Im Gegenteil, dass ihre Cousine sich für junge Männer interessierte und vor ihnen kein Geheimnis machte, erfreute sie sehr. Da hatten sie etwas gemeinsam. Aber welche junge Frau tat das nicht? Sie blickte in die Richtung, in die Prisca so aufgeregt gezeigt hatte, und entdeckte Priscas Objekt der Begierde. Das allerdings schockierte sie dann doch etwas. War das etwa ihr Geschmack, was Männer betraf? ‚Halt dich lieber an den Flavier!’ lag es ihr schon auf der Zunge, behielt diesen gut gemeinten Tipp aber dann doch lieber für sich. Denn sie wusste nicht, ob ihre Cousine verärgert darüber reagieren würde, wenn Minervina sie auf ihn ansprechen sollte, da ja noch nichts offiziell war. "Ou, äh ja..." Minervina hustete sich einen zurecht. Lügen zählte halt nicht zu ihren stärksten Eigenschaften. " ... doch doch, der ist wirklich ganz... öhm nett anzusehen." Bereits als sie es aussprach, war ihr klar, dass es nicht einmal annähernd so glaubwürdig rüberkam, wie sie es gerne hätte. Verlegen lächelte sie Prisca an. Sie würde das schon verstehen. Das hoffte sie zumindest.


    Auch Seiana schien von den attraktiven Masseuren nicht abgeneigt zu sein. "Da stimme ich dir voll und ganz zu. Wir sollten unbedingt noch zwei seiner Kollegen mitnehmen." Mit einem spitzbübischen Lächeln auf den Lippen sah sie sich nach weiteren Masseuren um. Es dauerte auch nicht lange, da fand sie etwas, was ihr sehr gut gefiel. Ihre Wahl fiel auf ein - in ihren Augen - Prachtexemplar, das sich nur unweit von 'Priscas' Masseur aufhielt und glücklicherweise nichts zutun hatte. Mit einer Kopfbewegung deutete sie unauffällig zu ihm hin. " Den da! Ihn sollten wir uns auf keinen Fall entgehen lassen..." Was die beiden anderen Frauen wohl über ihn dachten? Minervina hatte auf jeden Fall eine Schwäche für schmale Jünglinge mit femininen Gesichtszügen. Muskelprotze und ein Überschuss an männlichen Hormonen schreckten sie dagegen nur ab.

    Grazil und anmutig wie ein Schwan trat – nein schwebte! – ihre Gastgeberin ins atrium. Minervina war von ihrem Äußeren sichtlich beeindruckt. Das Kleid allein sah schon wunderschön aus, doch in Kombination mit diesem bezaubernden Collier sah sie einfach umwerfend aus. "Flavia Celerina, die Freude ist ganz meinerseits."


    Die Herzlichkeit mit der sie Minervina begrüßte überraschte sie ein wenig, hatte sie das nicht von ihr erwartet, doch letztendlich war sie sehr erfreut darüber. Ein unkonventionelles Auftreten war ihr schon immer lieber gewesen als das steife Verhalten, welches so viele Patrizierinnen an den Tag legten, wenn man sich noch nicht allzu lange kannte. Nur eine Frage drängte sich unweigerlich ihr auf. Wenn sie schon so herzlich zu ihr war, wie ginge sie dann erst mit ihrem Onkel Corvinus um? Sie ertappte sich dabei, wie neugierig sie doch in dieser Beziehung war und wie viele Gedanken sie spann, obwohl noch gar nicht viel passiert war. Minervina versuchte den Gedanken beiseite zu schieben und schenkte ihr stattdessen ein strahlendes Lächeln. "Oh nein, nein. Ich habe wirklich nicht lange warten müssen. Im Gegenteil, ich hoffe doch sehr, du hast dich wegen mir nicht zu sehr beeilt." Auf die Frage nach der Erfrischung schüttelte sie den Kopf. "Nein, bisher hat man mir noch nichts zu trinken angeboten." 'Was auch nicht verwunderlich wäre, wenn die Sklaven in diesem Haushalt ein Benehmen wie das des Ianitors darlegen', dachte sie sich insgeheim.


    Mit einem höflichen Lächeln wandte Minervina sich plötzlich von der Patrizierin ab und blickte zu der orientalischen Sklavin, die zusammen mit der Blonden die ganze Zeit im Hintergrund ausharrte. Ein Kopfnicken und die Sklavin aus dem Morgenland verstand. Sie trat aus dem Schatten und ging ruhig und würdevoll auf die Aurelia zu. In ihrer Hand hielt sie eine kleine Schatulle aus Ebenholz. Sie überreichte sie Minervina und diese übergab sie schließlich Celerina. Eine Statue aus reinem Marmor in Form der Fortuna befand sich darin."Auf diese Weise möchte ich mich noch einmal ausdrücklich für deine Einladung und deinem herzlichen Empfang bedanken." Für Minervina war sie die liebste Göttin - nach Flora. Ob Celerina sie auch mochte? Sie blickte ihr dabei direkt in die Augen um eine Reaktion ihrer neuen Freundin ablesen zu können. Ob das auch nicht zu dick aufgetragen war? Nein, schließlich handelte es sich hierbei um eine Patrizierin, eine flavische obendrein, da war das sicher nicht unangemessen. "Möge sie dir viel Glück bringen." setzte sie mit einem Schmunzeln schnell noch an und musterte anschließend aufmerksam Celerinas Miene. Ob das Geschenk ihr gefiel?

    Gemessenen Schrittes war sie dem jungen Sklavenjungen ins atrium gefolgt. Der zarte Stoff ihres jadegrünen Gewandes raschelte leise beim Gehen, während ihre Locken, die sie eigens für diesen Besuch hatte machen lassen und anschließend zu einer anmutenden Frisur hochgesteckt worden waren, dabei im Takt auf und nieder wippten. Die beiden Sklavinnen, die sie in ihrer Begleitung hatte, tänzelten beinahe lautlos hinter ihr her und zogen sich im atrium angekommen dezent in den Hintergrund zurück. "Hab meinen Dank." meinte sie noch kurz zu dem Jungen, bevor dieser eilig in einen der Gänge verschwand um Flavia Celerina von ihrer Ankunft zu berichten.


    Da stand sie nun und wartete geduldig. Still war es hier. Nur ein leises Plätschern aus irgendeiner Ecke war zu vernehmen. Eigentlich weiß Minervina eine ruhige Atmosphäre zu schätzen, doch in diesem Moment wirkte sie - gepaart mit der Warterei - leicht erdrückend. Wie sie da so verharrte und sich aufmerksam umsah, kam sie sich ein wenig verloren in dem hiesigen atrium vor. Zwar war sie Luxus gewöhnt, doch der Anblick dieser überaus prächtigen Einrichtung der Villa, flößte auch ihr gehörigen Respekt ein. Gerade wollte sie sich den Nebenraum mit den flavischen Ahnenmasken aus der Nähe betrachten, da hörte sie plötzlich Schritte, die sich langsam aber sicher ihr näherten...

    Es war bereits geraume Zeit seit der Versammlung der Factio Aurata in der Casa Decima vergangen, doch die Idee von einem gemeinsamen Besuch der Thermen war nicht vergessen. So kam es, dass sich die beiden Aurelierinnen Prisca und Minervina mit Decima Seiana eines schönen Tages trafen um es sich ebendort gut gehen zu lassen. Oh, wie sehr hatte sich Minervina schon in den letzten Tagen auf diesen Besuch gefreut! Darauf mit Seiana und Prisca über die allerneusten Klatschgeschichten zu plaudern, während ihre Haut von sanften Masseurhänden verwöhnt wird. Bei dieser Vorstellung war es daher auch nicht verwunderlich, dass sie heute nur so vor gute Laune strotzte.


    Der Weg der drei Frauen führte zunächst ins apodyterium, wo sie sich entkleideten. Nachdem ihre Kleidung von einer Sklavin verstaut worden war, begaben sie sich - mit einigen Badetüchern bewaffnet – zu den Baderäumen. Voller Bewunderung ließ Minervina ihren Blick über die prächtige Ausstattung schweifen, als sie die Badeanstalt betraten. Sie war schon allein vom Anblick dieser prunkvollen Einrichtung überzeugt, dass sie von nun an öfters hier vorbeischauen würde. Schließlich wandte sie sich begeistert Seiana zu. "Die Thermen aufzusuchen war wirklich ein ausgezeichneter Vorschlag." Die Luft war wunderbar angenehm und Minervina schloss für eine kurzen Moment die Augen um die wohlige Wärme zu genießen. Anschließend wandte sie sich zu den beiden anderen Frauen. "Was meint ihr? Wohin sollen wir als Erstes? Zunächst ins tepidarium vielleicht?" Dort war die Hitze einigermaßen milde und so konnte man damit eigentlich nicht viel falsch machen, denn ob die Zwei irgendwelche speziellen Neigungen hatten, was die Thermen betraf, wusste Minervina ja nicht. Noch nicht zumindest.

    Es dauerte nicht lange bis die Tür geöffnet wurde, doch erst der schroffe Umgangston des Ianitors ließ Minervina erstaunt aufblicken. Bei den Göttern, was war denn das für ein ungehobelter Flegel? Gerade bei den Flaviern hatte sie besseres Personal erwartet. Pikiert blickte sie zu ihm hinüber, blieb aber im Hintergrund und hoffte, dass die beiden Sklavinnen in der Lage waren mit disem Kerl zurecht zu kommen. Sie selbst wollte sich nur ungern mit dem anlegen.


    Eingeschüchter von dieser rauhen Begrüßung blickte die blonde Sklavin den Ianitor mit großen Augen an. "S... salve, meine domina Aurelia Minervina möchte gerne zu Flavia Celerina. Sie hat eine Einladung von ihr erhalten." So, und nun hoffte sie, dass er sie ohne großen Anstalten eintreten lassen würde.