Beiträge von Numerius Duccius Marsus

    "Farold dann", stimmte Witjon fröhlich zu. Sein Blick folgte dem seiner Frau zu ihrem Sohn. In einem Anflug von Glückseligkeit legte er seinen Arm um Octavenas Hüfte und drückte sie an sich. So verharrten sie einen Moment, bis Witjon plötzlich gähnen musste. "Puh, ich glaube ich bin schon reif für's Bett, heute war alles irgendwie anstrengend...", brummte er. "Wie war eigentlich dein Tag?" Dabei sprach er weiterhin mit gedämpfter Stimme, um ja nicht den Kleinen aufzuwecken.

    Gerichtstage waren stets langwierig und anstrengend. Nicht, weil sie fachlich forderten, jedenfalls Witjon nicht. Nein, anstrengend war die dauerhaft hochzuhaltende Konzentration und die Aufgabe, aus den Lügen und Halbwarten, Anschuldigungen und Beleidigungen der Beteiligten den Sachverhalt herauszufiltern und möglichst sachlich zu bewerten. Das gelang freilich nicht immer und auch nicht immer gut, aber man gab sein Bestes.


    "Das Siegel wirkte echt", resümierte Witjon in Sachen vermeintlicher Urkundenfälschung. "Aber das kann auch gut gefälscht worden sein." Er rieb sich die Schläfen, bevor einen großen Schluck Bier nahm. "Hat Sirius Erfahrung mit Fälschungen?", fragte er seinen Vetter dann spitzbübisch grinsend.


    "Na, wie dem auch sei. Nehmen wir einmal an, sie ist echt. Das würde beweisen, dass Rabirius Vetulio" - es klopfte an der Tür. Witjon hielt kurz inne, überlegte ob er den Satz vollenden sollte, entschied sich aber dagegen. Er erhob sich, öffnete, und sah überraschenderweise einen der Zeugen des heutigen Gerichtstages vor sich.


    "Äh, Iulius", staunte Witjon nicht schlecht. "Praefectus Iulius, verzeih. Was gibt es denn?" Die Frage stellte zwar er, dabei trat Witjon aber beiseite in der Annahme, dass die Antwort wohl eher dem Legatus Augusti Pro Praetore gelten würde. Neugierig sah er vom Praefectus zum Legatus und zurück.

    Dominus und Servus schienen sich nicht recht schlüssig zu sein, ob sie bereits eine Entscheidung treffen wollten. Witjons Vorschlag eines Proberitts nahm Flavius deshalb gern auf. Er musste Leif nichts sagen, der winkte Pepino nämlich bereits zu sich. Rasch wurde Trautwin gesattelt. Dann formte Leif mit seinen Händen eine Tritthilfe, da Steigbügel ja noch nicht bekannt waren und er nicht annahm, dass der wohlgenährte Patrizier sich ohne Hilfe in den Sattel ziehen wollte.


    "Also dann. Fühle dich frei, eine Runde über die Weide zu drehen oder den Weg zum Haupttor entlang zu reiten. Solange es dir bei der Entscheidung hilft", forderte Witjon seinen Kunden freundlich auf.

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus Minor
    "Dann beginnen wir doch vorerst mit der Damwildjagd."
    "Richte in der Küche aus, dass es uns vorzüglich mundet!"
    "Ist der Ruhm der flavischen Weinkeller tatsächlich bis hierher gedrungen?"
    Womöglich war der Kommentar lediglich eine unwahre Höflichkeit gewesen, welche keine weitere Bedeutung besaß, dennoch erweckte er den Vorwitz des jungen Flavius.


    Gut, dann war es abgemacht. "Lass uns einfach wissen, wann dein Dienstplan einen Ausflug zulässt", bat Witjon den Gastgeber. Das Lob an die Küche gab dieser dann auch direkt an seine Sklavenschaft weiter. Witjon registrierte wohlwollend, dass ihm nun eine Wasserschüssel gereicht wurde. Doch von wem! Die Seherin war hier. Plötzlich stand sie direkt vor ihm. Kurz starrte er sie konsterniert an, doch Minors Rückfrage zum flavischen Weinkeller holte ihn zurück ins hier und jetzt. Beiläufig wusch er sich also die Hände, während er antwortete: "Gewiss doch, Flavius. Der Reichtum deiner Familie strahlt selbst über die Alpen. Und Volkes Mund kündet stets, dass mit dem flavischen Reichtum auch eine erhebliche Auswahl an Weinen - sicherlich von den eigenen Landgütern - einhergeht." Er zuckte schmunzelnd mit den Schultern. "Ein Funken Wahrheit wird wohl dran sein, nicht?"


    Er nahm das Handtuch von der Sklavin entgegen. Von der Seherin! Witjon nahm sich Zeit mit dem Abtrocknen und warf dabei einige möglichst beiläufige Blicke auf die junge Frau. Sie war schön anzusehen und betrug sich wie eine wohlerzogene Sklavin. Den Blick hielt sie stets gesenkt. Dennoch, Witjon schauderte bei dem Gedanken daran, dass diese Frau eine Seherin war. Was hatte sie hier zu suchen? Er gab das Handtuch zurück und sah schnell wieder zu ihrem Gastgeber hinüber, damit Octavena nicht argwöhnisch wurde. Zu schnell konnte es zu Streit kommen, wenn ein Mann eines anderen Sklavin begehrte. Er wollte keinesfalls die Eifersucht seines Weibes heraufbeschwören.

    "Weder Farold noch Gunnar würde ich dir wortreich ausreden", beteuerte Witjon. "Auch nicht wortkarg." Er zwinkerte Octavena zu. "Welcher von beiden soll's denn sein?", fragte er dann.


    Witjon hielt beide Namen für angemessen. Farold war der Name seines Vetters, Yngves Erstgeborener. Yngve war seines Vaters Bruder gewesen. Witjon hatte Farold nie persönlich kennen gelernt. Aber er mochte den Namen. Und Gunnar hatte Phelans Vater geheißen. Konnte also auch nicht besonders schlecht sein, zumal dieser wiederum Witjons Onkel gewesen war. Octavena hatte also Namen aus Witjons direkter Familie gewählt. Er lächelte und warf einen zufriedenen Blick auf seinen Sohn. Farold. Gunnar. So oder so liebte er diesen Jungen.

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    Original von Numerius Duccius Marsus
    Ich möchte einen Appell richten an alle Fernhändler: Bitte werft euren Weihrauch auf den freien Markt, denn daran mangelt es bitterlich!


    Ich muss diesen Aufruf nochmal wiederholen. Es gibt zwar offenbar genügend Hersteller, aber Weihrauch kommt auf dem freien Markt nicht an. Gibt's noch Kapazitäten, um die Produktion anzukurbeln?

    "Wotan, sehr wohl", bejahte Witjon die Nachfrage des Flaviers hinsichtlich des Trankopfers, ohne näher auf die regional unterschiedliche Aussprache des Götternamens (Wodan, Wotan, Wurst) einzugehen. Er tat es dem Hausherrn gleich und vergoss etwas Wein auf den Boden, woraufhin er diesen selbst probierte. Der Wein traf Witjons Geschmack und so nickte er anerkennend. "Es stimmt, was man sagt: Die Flavii sind echte Weinkenner." Anschließend bediente er sich an den Vorspeisen. Zunächst nahm er ein Hackbällchen von den Isicia Omentata, dann etwas von dem Gurkenlamm. Er war völlig ausgehungert, wie ihm jetzt plötzlich auffiel. Auf der Arbeit hatte er zwischendurch das Essen offenbar komplett vergessen. Nun musste er sehen, dass er nicht wie ein Barbar zu schlingen begann. Also nahm er vorsichtig noch eine Aprikose. Als er hineinbiss, lief ihm der Saft auf die Finger, aber es lohnte sich.


    Währenddessen führte Phelan die Unterhaltung fort und schlug dem Gastgeber einen Jagdausflug vor. Witjon zog überrascht die Augenbrauen hoch, fand die Idee aber letztlich gut. "Wonach uns gerade der Sinn steht", schmunzelte er als Antwort auf Minors Frage. "Aber zur Beruhigung unserer Familien pflegen wir meist Damwild zu Jagen. Im Winter muss allerdings gelegentlich sogar einmal ein irr gewordener Wolf zur Strecke gebracht werden." Nun konnte Witjon nicht länger widerstehen und nahm sich noch ein Fleischbällchen vom Teller. "Diese Fleischbällchen sind übrigens ganz hervorragend, Flavius!", lobte er entzückt.

    Unter den Pferden befanden sich drei Braune, zwei Füchse und ein Rappe. Witjon nahm zur Kenntnis, dass Gracchus Minor offenbar ehrlich beeindruckt war. Er liebte diesen Moment, wenn Fremde seine Zuchtpferde sahen und schätzten und es erfüllte ihn mit Stolz. Witjon führte das Gestüt immerhin in Andenken an seinen Vetter Lando fort und fühlte sich in seiner Arbeit in diesen Momenten immer bestätigt.


    Auf Witjons Frage nach seiner Präferenz fand Flavius nicht sogleich eine Antwort, er war sich wohl unschlüssig. Witjon kannte das. Nicht jeder Pferdekäufer war ein herausragender Reiter. Er konnte das niemandem verübeln, weshalb er einfach geduldig wartete. Auf Minors Antwort hin nickte er schlicht. Ein ruhigeres Tier sollte es sein.
    "Recht gesprochen", erwiderte Witjon schließlich schmunzelnd. Nun trat auch Leif zu ihnen. "Leif! Flavius, dies ist mein Vorarbeiter des Gestüts, Leif." Er wandte sich an den soeben Vorgestellten: "Hol uns doch Trautwin heran." Leif, der wie Witjon lange Haare und einen ordentlich geschnittenen Bart trug, im Gegensatz zum Sippenoberhaupt aber Hose und Hemd nach germanisch-keltischer Art trug, nickte schlicht und stieg über den Koppelzaun herüber. Er hatte bereits ein Geschirr mitgebracht, das er nun einem ruhigen Braunen anlegte. Diesen führte er an den Koppelzaun heran, so dass der Kaufinteressent das Tier näher betrachten konnte. Es war kräftig und hatte ein gesundes Fell. Der typische Pferdegeruch ging von ihm aus, während Fliegen um Schweif und Nüstern des Tieres kreisten. Witjon lächelte stolz.


    "Dies ist Trautwin, was so viel bedeutet wie 'der kraftvolle Freund'. Er ist ein Dreijähriger und ein ruhiger Charakter. Aber wenn es darauf ankommt, das habe ich selbst erlebt, kann er zügig beschleunigen und schreckt vor äußeren Einflüssen nicht sofort zurück. Und er beißt nicht, jedenfalls nicht seinen Eigentümer und sofern man ihn gut behandelt." Letzteres sagte Witjon grinsend. "Möchtest du eine Runde auf ihm drehen?" Im Hintergrund stand Pepino schon bereit mit einem Sattel. Er kannte die Routine eines Verkaufsgesprächs und wusste, dass manche Interessenten auf einem Proberitt bestanden.


    Witjon war es peinlich, dass ausgerechnet er der Grund für die duccische Verspätung war. Er hasste es sich zu verspäten und erst recht, wenn er damit bei einem wenig bekannten Gastgeber einen schlechten Eindruck zu machen drohte. Am schlimmsten aber war für ihn, wenn er auch noch andere mit seiner Verspätung aufhielt, so wie heute seine Familie. Dennoch setzte er natürlich einen möglichst unbekümmerten Gesichtsaufdruck aus und war höchst erleichtert, dass ihr flavischer Gastgeber kein großes Gewese um die Verspätung machte, sondern vielmehr in vollendeter Höflichkeit mehr oder weniger darüber hinwegging.


    Wie es sich bei einer Cena gehörte, war Witjon mit einer Toga und den klassischen Standessymbolen in Form des Siegel- und des Ritterringes angetan. Gegenüber Cives, insbesondere Uritalischen Bürgern, versuchte er stets sein Bürgertum auch textil zu demonstrieren und klarzustellen, dass Haupt- und Barthaar nicht Ausdruck einer barbarischen Gesinnung waren. Gerade gegenüber einem (flavischen!) Patrizier musste man dahingehend gewiss Vorsicht walten lassen. So reichte er in betonter Zurückhaltung seinem Gastgeber die Hand zur Begrüßung und zeigte sich erfreut über die Einladung: "Flavius, es ist mir eine Freude. Herzlichen Dank für deine Einladung."
    Er lächelte Minor freundlich an und da dieser die Verspätung entschuldigte und zu Tische bat, ging Witjon lieber nicht mehr darauf ein, um seinen Fauxpas nicht weiter breitzutreten.


    Vielmehr ließ er seiner Gattin galant den Vortritt zu den Klinen und ließ sich in der Folge selbst nieder. Anerkennend bemerkte er, dass Minor nicht kleinlich anfing, die bereits anwesenden Gäste umzusetzen. Die Anwesenden wollte Witjon sodann auch nicht unbegrüßt lassen: "Salvete miteinander. Praefecti Iunius und Iulius, Tribuni, euch ebenfalls einen guten Abend." Wen er dabei anders als Runa nicht bemerkte, war die Sklavin, deren Auspeitschung neulich erst für Aufruhr gesorgt hatte. Ihr hatte er schlichtweg keine Beachtung geschenkt, bis sie nun nach Getränkewünschen fragte. Witjon konnte nicht umhin irritiert die Stirn zu runzeln. Zahlreiche Fragen lagen ihm auf der Zunge, doch stattdessen antwortete er nur: "Ich würde mich über einen Weißwein freuen."
    Er wartete ab, bis auch die anderen Gäste ihre Getränkewünsche geäußert hatten, dann wandte er sich an Flavius: "Wo wir von Getränken sprechen. Werter Flavius, ich darf dir im Namen meiner Sippe ein Zeichen der Dankbarkeit überreichen, ein kleines Gastgeschenk. Und was schenkt man jemandem, den es erstmals nach Germania verschlägt? Nun, es ist dem Schenker doch stets ein Genuss, wenn er den Beschenkten mit ihm Unbekanntem bereichern kann. Und so darf ich dir dieses Gefäß einer für hiesige Lande typischen Köstlichkeit überreichen, gefüllt mit güldenem Met, auch Honigwein genannt." Er zog aus einem mitgeführten Stoffbeutel eine handliche Amphore hervor. Da er schlechterdings sich direkt wieder von seiner Kline erheben konnte, erwartete er schlichtweg das Tätigwerden eines der umstehenden Sklaven, die ihrem Hausherrn das Präsent herüberreichen würden.