Nach dem Gespräch mit seinem Vetter Phelan war Witjon in sein Zimmer gegangen, um nachzudenken. Er musste die ganze Geschichte erst einmal verdauen, konnte er doch immer noch nicht ganz fassen, dass er verheiratet wurde. Er würde eine Prudentia heiraten! Eine (hoffentlich) schöne, wohlerzogene, nette Prudentia Callista, die Priesterin werden würde. Eigentlich konnte er sich wirklich glücklich schätzen. Doch immer wieder musste er auch an Aquilia denken und was ihr wohl widerfahren sein mochte. Und dann war da auch noch die Reise zur Godin Runhild. Was, wenn ihnen dabei Unheil zustoßen würde? Und selbst wenn er wohlauf zurückkäme, was wenn Callista ihn nicht mochte? Was, wenn sie absolut unausstehlich war?
Witjon hatte das Fenster geöffnet und betrachtete den Garten, der friedlich hinter dem Haus lag. Es war noch recht kühl und im Garten lag auch noch etwas Schnee, doch konnte man schon wieder ohne dicken Mantel vor die Tür gehen, ohne vor Kälte zittern zu müssen. Nach einige Minuten des stillen Betrachtens drehte er sich um und ließ seinen Blick durch's Zimmer schweifen. Würde das Zimmer für zwei Personen genügen, oder würde er umziehen müssen?
Seufzend setzte er sich aufs Bett und ließ sich rücklings darauf fallen. Er würde noch mehr trainieren müssen für die Reise nach Magna. Trotz regelmäßigen Trainings mit Silkos Übungsschwertern konnte er sich noch lange keinen guten Kämpfer nennen. Ganz davon abgesehen, dass er noch niemals einem echten Gegner im Kampf gegenübergestanden hatte.
Sein Blick streifte das alte Sax, das in der Ecke des Zimmers stand. Witjon nahm es und zog es aus der Scheide. Es war kein besonders gutes Schwert, zumal es aufgrund mangelnder Pflege bereits etwas rostig geworden war. Lächelnd erinnerte er sich, wie sein Vater ihm damals versucht hatte, das Schmieden beizubringen. Hätte er doch mal genauer aufgepasst und mitgeholfen. Und den Umgang mit seinem Sax hatte er damals auch nicht richtig lernen wollen.
In diesem Moment fasste Witjon einen Entschluss. Er besaß ein Sax, er hatte die Möglichkeit zu trainieren und er hatte einen guten Lehrer, Silko. Er wollte kämpfen können, so wie Loki und Silko es konnten und er würde sein Bestes dafür geben! Immerhin würde er bald schon eine eigene Familie gründen, Kinder haben und diese zu schützen im Stande sein müssen. Ein Mann musste kämpfen können und das wollte er lernen!
Das Sax fuhr zurück in die Scheide, dann zog Witjon sich um. Er wechselte seine Tunika, die er als Duumvir unter der Amtstoga trug, gegen eine schlichte Wollhose und ein Hemd, wie es Handwerker oder Bauern zu tragen pflegten. Die Hose gürtete er mit einer Kordel, krempelte seine Hemdärmel hoch und streifte sich den bronzenen Armreif, auf den er immer noch verdammt stolz war, über den linken Arm. Einen Moment lang hielt er inne und versuchte sich an den Grund für dieses Geschenk zu erinnern...soweit er zurückdenken konnte, hatte sein Vater ihm diesen kurz vor seinem Tod vermacht und nur die Götter wussten warum.
So schlicht gekleidet schlüpfte Witjon noch in seine Bundschuhe und machte sich dann voller Elan auf in den Garten...