"Nein, hat er nicht", gab Witjon zu, dass die Provinzoberen in Abwesenheit des Statthalters tatsächlich nicht so viel geschafft hatten wie sie sich gewünscht hätten. "Nun, einerseits mussten die Militäreinheiten ohne Oberkommando ihre Aktivitäten koordinieren. Aber darüber können die Militärs dir besser berichten. Andererseits ist viel Rechtsprechung liegen geblieben, denn der Legatus Legionis hat auch nicht alles alleine geschafft." Das waren wohl die beiden größten Sorgen des Statthalters. "Davon abgesehen kommen ein, zwei Stapel Anträge auf dich zu. Conubium, Bürgerrechtsverleihungen und solcherlei Gedöns. Die konnten wir ohne Siegel nicht einfach alleine ausfertigen."
Alriks Kritik an der Vermählung von Curio und Runa nahm Witjon mit einem Stirnrunzeln auf. Ihm wollte nicht schmecken, dass sein Vetter nach jahrelanger Abwesenheitt in Mogontiacum auftauchte und direkt einmal klarstellen wollte, wie Witjon die Geschicke der Sippe zu lenken hatte.
"Weißt du, Alrik", setzte Witjon betont entspannt zu einer Antwort an. "Du solltest das nicht so eng sehen. Unsere Sippe wird zwar formal von mir geführt. Aber ich rede Phelan ebenso wenig in seine endgültigen Entscheidungen herein, wie er sich das bei mir erlauben kann. Er ist der erste Duccius in Mogontiacum, der die Hochzeit eines seiner Kinder tatsächlich erlebt. Da soll er ruhig selbst entscheiden dürfen. Für alle anderen Zöglinge unserer Sippe werde ich natürlich selbst entscheiden."
Damit hoffte Witjon, dass er Alrik zunächst einmal seinen Standpunkt über seine Aufgabe als Sippenoberhaupt klargemacht hatte. Er gab Entscheidungen vor, setzte aber nicht auf Teufel komm raus jede Maßnahme durch, die er für die beste hielt. Weiter sagte Witjon daraufhin: "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass du deine Erwartungen an unsere Sippe mal ein gutes Stück herunterschrauben solltest. Hier in Mogontiacum kommt man ohne uns mittlerweile zwar nicht mehr aus. Aber was willst du denn noch erreichen? Ich bin zufrieden mit dem, was wir erreicht haben. Denn, bedenke stets: Einige von uns und die meisten unserer Eltern wurden noch jenseits des Limes geboren. Ich danke den Göttern, dass du es so weit gebracht hast, aber ich erwarte das nicht von jedem Duccius. Es gab schon genug von uns, die allein mit dem Überleben im römischen Reich ihre Schwierigkeiten hatten, verstehst du?" Bei diesen Worten war unverkennbar, dass Witjon es müde war, stets neue Höhenflüge zu unternehmen. Wo die Duccii heute standen war mehr als Witjon sich je erhofft hatte. Er hatte nun genug damit zu tun, diesen Status zu erhalten.
Zum Punkt der überforderten Ehefrau schmunzelte Witjon: "Lass mich raten: Du hast sie kein bisschen darauf vorbereitet, was sie hier erwartet. Das sieht dir ähnlich. Aber für eine römische Patrizierin, die noch nie jenseits der Alpen gewesen ist, muss Germania Superior tatsächlich ein ziemlicher Schock sein."