Nachdem also die Begrüßung der Veranstalter und der Ehrengäste abgeschlossen war und die Gladiatoren ihren ersten Jubel eingeheimst hatten, wurde die Arena geräumt und es machte sich gespannte Erwartung unter den Zuschauern breit. Die Tierhetzen stimmten das Volk auf die kommenden Hinrichtungen und Kämpfe ein und erregten die um diese Uhrzeit meist noch schläfrigen Gemüter. Da jedoch zwischen der Nachricht über die Erhebung Mogontiacums zum Municipium und den Festlichkeiten nur wenig Zeit zur Vorbereitung gewesen war, konnte niemand besonders ausgefallene Spektakel erwarten. Die Stadtoberen hatten sich vielmehr für eine bodenständige Vorführung zu Tagesbeginn entschieden. So öffnete sich alsbald unter Fanfarenstößen ein Gitter, das einen schmalen Gang zu einem hölzernen Theateranbau offenbarte. Dieser bessere Schuppen war im Laufe der Festvorbereitungen errichtet worden und schmiegte sich an das Theater an. Hier waren etwaige Gefangene und wilde Tiere eingesperrt und harrten ihres Einsatzes in der Arena.
Von mutigen Knechten mit spitzen Spießen angetrieben stürmte sodann ein wild gewordener und merklich aggressiver Keiler aus dem Tunnel hinaus und ließ den feuchten Sand unter seinen Hufen aufwirbeln. Die Menge grölte. Das schwarze Fell des Keilers ließ ihn bedrohlich aussehen und seine Hauer ließen nichts Gutes ahnen. Dazu ließ der lauthals begrüßte Tierhatz-Star ein wütendes Grunzen vernehmen, das von einem schweinischen Zorn kündete.
Nachdem der Keiler einige Runden in der Arena gedreht hatte und bald nicht mehr wusste wohin mit seiner Wut, traten seine Gegenspieler auf den Plan. Das Gittertor des Tunnels öffnete sich erneut und wie sich aus einem Kanalrohr ein Schwall Brackwasser ergoss, so strömten aus diesem Arenatunnel ein halbes Dutzend knurrende Hunde. Es waren geifernde Viecher, zähnefletschend und kläffend, die einem Mann mit Leichtigkeit den Arm zerfleischen konnten. Auch sie waren offensichtlich kurz vor der Hatz durch ständige Stichelei zu hoher Agression angestachelt worden.
Keiler und Hunde fanden sich auf Anhieb höchst sympathisch und begannen sich in enger werdenden Kreisen zu umrunden. Die Zuschauer hielten den Atem an und erwarteten voller Vorfreude den Moment, in dem die Bestien sich gegenseitig anfallen würden. Und sie wurden nicht enttäuscht. Die Hunde wagten sich immer näher an den Keiler heran, der seinerseits nicht länger zögern zu wollen schien. Er stürmte abrupt los und räumte zwei unvorsichtige Köter wie Kegel aus der Bahn. Im Gegenzug stürzten sich die Hunde in seinem Rücken nun auf den Keiler und versuchten ihre Reißzähne in dessen Fleisch zu schlagen. Der Keiler kreischte herzzerreißend und wirbelte herum, fegte zwei weitere Köter zur Seite und spießte einen dritten regelrecht auf seinem Hauer auf. Seine Gegner wichen erbärmlich jaulend zur Seite und machten den Weg frei für ihre geifernden Kameraden, die einen erneuten Angriff wagten. Vier Hunde gleichzeitig hetzten nun dem Keiler hinterher und malträtierten diesen immer und immer wieder, bis das so gejagte Tier völlig rot sah. Wild schnaubend fegte dieser schwarzfellige Brocken durch das Hunderudel hindurch, trat nach aus oder rammte seine Gegner einfach mit seiner puren Masse.
Von einem dutzend Hunde lagen schnell vier tot oder in unmöglichen Körperhaltungen zuckend im blutigen Dreck. Zwei weitere hatten sich unter kläglichem Jaulen in den vermeintlich sicheren Schatten der Holzbarrikade verzogen und leckten ihre Wunden. Sechs weitere Hunde waren noch immer voller Tatendrang (aufgrund von Hunger oder sinnloser Wut sei dahingestellt) und drangen auf den Keiler ein. Die Zuschauer tobten. Mit Anfeuerungsrufen suchten sie die Hunde zu immer neuen Angriffen aufzupeitschen, wodurch selbst das Kläffen und Grunzen der Tiere im Zuschauergebrüll unterzugehen drohten.
Als einer der verbliebenen Hunde ein besonders widerwärtiges Ende fand, ging ein zugleich erschrockener wie faszinierter Aufschrei durch die Menge. Das Tier hatte den von der Seite Keiler anspringen wollen. Dieser machte jedoch eine unerwartet schnelle Drehung, wodurch der Hund sich plötzlich vor einer hauerbewehrten Schnauze wiederfand. Zum Anhalten war es bereits zu spät und so verfing sich einer der Hauer in des Hundes ungeschützten Bauch. Der Keiler riss den Kopf wieder herum und zerrte den jammernden Hund mit sich, eine Spur aus Blut und Innereien zurücklassend.
Auch der Keiler blutete mittlerweile schon aus zahlreichen Wunden. Er schüttelte den Hundekadaver von der Schnauze, nur um sich im nächsten Moment wieder den verbliebenen fünf Gegnern gegenüber zu sehen. Langsam merkte man dem Tier seine Erschöpfung an. Der Blutverlust tat sein Übriges. Wieder und wieder stürzten sich die Hunde nun auf ihr Opfer, denn auch sie spürten die wachsende Überlegenheit über dieses hoffnungslose Geschöpf. Noch einmal und einmal mehr wehrte der Keiler die Hunde ab, verwundete einem fürchterlich am Kopf und fügte einem weiteren eine tiefe Wunde am Hinterlauf zu, doch es ging bald zu Ende. Die drei übrigen Hunde nutzten ihre Chance. Der Keiler konnte nun merklich nicht mehr kräftig genug austeilen, zumindest nicht gegen jeder seiner Angreifer. Noch ein Biss, noch einmal das Wagnis eingehen...
Es dauerte nurmehr wenige Augenblicke, bis der Keiler aufgab und zusammenbrach. Vor Erschöpfung, vor Hoffnungslosigkeit, aus mangelnder Kraft knickten ihm die Beine weg und er schlug schwerfällig im Sand auf. Die Zuschauer bejubelten ihre siegreichen vierbeinigen Zähnefletscher und erneut öffnete sich das Tunnelgitter. Heraus traten einige Knechte mit Schlingen und Spießen. Jetzt galt es, die unverletzten Hunde mit den Schlingen einzufangen und in ihre Käfige zurück zu verfrachten. Die verletzten Tiere wurden schnell abgestochen. Auch wenn die Männer so ihre Mühe hatten die bissigen Hunde einzufangen, so gelang es ihnen doch mit einigem Aufwand und unter deutlicher Anstrengung, so dass die Arena wieder sicher betreten werden konnte. Nun konnte aufgeräumt werden: Die Kadaver wurden entfernt, frischer Sand gestreut und während dessen wurde bereits die Pause bis zum Beginn der Hinrichtungen eingeleitet. Die Leute besorgten sich nun außerhalb des Theaters ihr zweites (oder erstes) Frühstück, ließen die Hatz revue passieren oder plauderten über anderlei Dinge.