Beiträge von Numerius Duccius Marsus

    Dieser herausfordernde Ton in Nahas Stimme ließ Witjon leise seufzen. Er versuchte es mit einer ruhigen Antwort und setzte auf ihr Verständnis. Vielleicht half es ja, ihr seinen Entschluss mit Erklärung und einer Prise Einfühlsamkeit statt mit der Brechstange - wie sonst üblich - mitzuteilen.


    "Naha, ich möchte Petronius nicht länger als nötig mit unserer Anwesenheit hier belasten. Du bist eine erwachsene Frau und ich habe lange gezögert, aber die Ereignisse zwingen mich schließlich, diesen Schritt zu gehen." Er zögerte kurz, rang sich dann aber durch klare Worte zu finden: "Naha, ich möchte, dass du heiratest. Und es gibt auch schon einen Mann, der dafür in Frage kommt."


    Witjon wartete ihre Reaktion nicht ab, sondern schob noch eine Frage hinterher: "Erinnerst du dich an Iullus Quintilius Sermo?"

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Na immerhin!"


    kommentierte Crispus, wobei er sich kurz fragte, ob er vor vielen Jahren, als er im Streit mit den Ducciern gelegen war, auch so freiheraus geholfen hätte. Aber ein Feuer war natürlich auch so gefährlich, dass man darüber wohl seine kleinen politischen Quereleien ruhen ließ...


    "Das Badewasser müsste noch warm sein - willst du dich gleich waschen und hinlegen?"


    "Oh ja, bitte!", platzte es aus Witjon heraus, als Crispus endlich ein Einsehen mit ihm hatte. Bevor der Petronier auf das Badewasser zu sprechen gekommen war, war Witjon gar nicht richtig bewusst gewesen, wie sehr er sich in diesem Moment ein Bad wünschte.


    Er erhob sich ächzend. "Danke, dass du uns aufnimmst", sagte er. "Wir sprechen dann morgen mal in Ruhe darüber, wie es jetzt weitergeht", kündigte er daraufhin noch an und machte sich dann schnell auf den Weg ins Bad, um diese Nacht endlich zu einem Ende kommen zu lassen.

    Naha
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    Naha war vermutlich genauso erschöpft gewesen wie Witjon. Sie hatte sehr unruhig geschlafen und war früh wieder auf gewesen, nur um ergebnislos über die Geschehnisse der vergangenen Nacht zu grübeln.


    Auf Witjons Bitte hin setzte sie sich folgsam zu ihm. Einen flapsigen Spruch nach dem Motto 'Was gibt's, alter Mann?' verkniff sie sich angesichts der Situation, in der sie sich momentan befanden. Naha erkannte den Ernst der Lage und war ebenso wenig zu dummen Späßen aufgelegt, wie Witjon es wohl sein mochte.


    "Unter ein sicheres Dach bringen?", nahm sie den Ball auf und sah ihr Sippenoberhaupt fragend an. "Ist Petronius' Haus etwa nicht sicher genug?" Einen herausfordernden Blick konnte sie sich dabei letztlich doch nicht verkneifen. Naha fand, dass sie hier ziemlich gut aufgehoben war. Es gab keinen Grund, warum Witjon dahingehend irgendetwas tun müsste.



    Es war früher Nachmittag an jenem Tag, der der Brandkatastrophe folgte. Witjon hatte sich nach seinem nächtlichen Gespräch mit Crispus völlig erschöpft zu Octavena ins Bett gelegt, sie in die Arme geschlossen und einfach nur ihre Gegenwart genossen. Ihr angenehmer Duft tröstete sie und ihr Anblick zeigte Witjon, dass die Anstrengungen der letzten Stunden nicht vergebens sein würden. Ohne es zu merken fiel er in einen traumlosen Schlaf.


    Am nächsten Tag gab es tausende Dinge zu erledigen. Deshalb dauerte es auch bis zum frühen Nachmittag, bis Witjon es schaffte, Naha zum Gespräch in den Garten im Innenhof zu beordern. Er hatte sich auf die Bank gesetzt, auf die Crispus ihn bereits in der letzten Nacht verfrachtet hatte, und erwartete ihr Kommen.


    "Naha, mein Kind. Setz dich zu mir, sei so gut", bat er sie, als sie schließlich den Innenhof betrat. "Wir müssen besprechen, wo wir dich zukünftig unter ein sicheres Dach bringen..."

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Ich denke, wir können die Miliz auflösen, wenn wir so eine Menge Militär hier haben. Die Stadttore können sicherlich Legionäre oder Equites bewachen und die Straßenstationen werden sie auch wieder übernehmen! Oder was meinst du?"


    "Absolut", stimmte Witjon eindringlich zu. "Vielleicht hat die Ala ja Interesse an den Milizionären, die hauptberuflich Soldat werden wollen. Alle anderen pflichtbewussten Männer unserer Stadt werden dann ja ohnehin ihren Berufen wieder vollauf nachgehen."
    Er nahm sich ein paar Süßigkeiten, die ein Diener auf einem Teller anbot und trank noch etwas Wein.
    "Dass die Legion definitiv wieder ihre Aufgaben im Umland angehen muss, steht dabei außer Frage. Die waren lange genug fort! Kann ja nicht angehen, dass die Bauern und Kaufleute weiterhin ein erhöhtes Überfallrisiko auf den Straßen tragen."

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    Die beiden duccischen Frauen waren für Crispus tatsächlich nur ein Anhängsel Octavenas, das ihn relativ wenig interessierte - zumal er die beiden kaum kannte.


    Er setzte sich neben den Duccier und blickte in den Morgenhimmel - was dachten sich die Götter nur dabei, dass solche schrecklichen Dinge passierten?


    "Octavena meinte schon, dass unser Collegium Fabrorum gar nicht zum Einsatz kommen musste..."


    Bei Wodan, es war schon fast hellichter Tag! Witjon rieb sich müde die Augen.


    "Ja, es waren viele Nachbarn gleich zur Stelle. Und so ein Centurio kam auch zügig anmarschiert mit seinen Leuten...ein Corvus. Corulus? So ein Helvetius jedenfalls."


    Er zuckte mit den Schultern. Irgendwie war ihm der Name entfallen, wo er doch vorhatte das Angebot in Anspruch zu nehmen, dass die Soldaten den kokelnden Geröllhaufen aufräumen würden.

    Auch Witjon verließ den Sitzungssaal mit einiger Erleichterung. Diese Diskussion empfand er von Anfang an als anstrengend, da man sich vor lauter Gesetzestext leicht im Klein-Klein der Formulierungen verlieren konnte. Dass dies die letzte Sitzung war, in der er seinen Klienten vor dem Rat sprechen hören würde, kam ihm dabei natürlich nicht in den Sinn. Deshalb verabschiedete er sich mit einem freundlichen Winken und strebte dann schnell über das Forum nach Hause in fröhlicher Erwartung eines erfrischenden Bieres.

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    "Octavena nimmt ein Bad in der Küche. Setz' dich doch erstmal - wie is' das alles passiert?"


    Er deutete wieder auf die Bank im Innenhof. Vor lauter Aufgekratztheit vergaß er auch ganz, dass Marsus sicherlich einen Schluck zu trinken oder zumindest etwas Ruhe brauchte!


    Die Aufforderung sich zu setzen nahm Witjon sehr dankbar an. Er sank ächtzend auch die angebotene Bank im Innenhof nieder und musste schwer an sich halten um ein lautes Seufzen zu unterdrücken. Octavena ging es also gut, schloss er aus Crispus' Aussage. Und da sein Schwager die beiden duccischen Frauen, die Witjon mit Octavena mitgeschickt hatte, nicht weiter erwähnte, nahm er dies in ihrem Fall auch an.


    "Ich habe keinen blassen Schimmer, wie dieses Unglück über uns hereinbrechen konnte", gab Witjon allmählich zu. "Es...ich weiß nicht. Ich habe tief und fest geschlafen, als auf einmal Alarm geschlagen wurde." Er sah Crispus ratlos an. "Vielleicht können mir die anderen morgen mehr sagen. Bei Massula und einer Susina Alpina habe ich den Rest nämlich untergebracht." Jetzt lächelte er dankbar. "Es gibt in Mogontiacum offensichtlich noch viele hilfsbereite Menschen..."


    "Ne, über die Hintergründe kann ich nichts weiter sagen. Offenbar ist das niemandem hier so richtig klar." Er zuckte beiläufig mit den Schultern. "Der neue Praefectus Alae soll ein Quintilier sein. Iullus Quintilius Sermo, wenn man den Meldungen glauben darf. Hat vor einigen Jahren schonmal hier in Mogontiacum eine Station als Ritter gemacht, in der Provinzverwaltung."


    Witjon trank einen Schluck Wein, bevor er die nächste Frage beantwortete: "Wieder nein, tut mir leid. Die Ala scheint die derzeit einzige Einheit zu sein, die verlegt wird. Warum auch immer." Da fiel ihm etwas ein: "Ach, wo wir grad dabei sind...unsere Miliz besteht teilweise immer noch. Wir sollten mal beraten, wie wir mit den Männern vorgehen wollen, jetzt da wir neben der Legion auch noch die Ala hier haben werden."

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    Der Alte hatte die ganze Nacht kein Auge mehr zugetan. Nachdem Octavena angekommen war, hatte er all seine Sklaven herausgeprügelt - Morag war zur Casa Duccia geschickt worden, Gunda hatte ein Bad für die rußverschmierte Octavena eingelassen und hatte sich auch sonst um ihre Versorgung gekümmert, während Privatus und Crispus sich darum gesorgt hatten, dass sie Unterkünfte für die obdachlosen Duccii herrichteten.


    Als es dann noch einmal klopfte, eilte Crispus persönlich zur Tür und staunte nicht schlecht, als er den völlig abgerissen wirkenden Marsus davor entdeckte - fast hätte er ihn überhaupt nicht erkannt!


    "Marsus, komm rein! Was ist jetzt mit der Casa Duccia? Habt ihr die wichtigsten Dinge wenigstens retten können?"


    Die Tür öffnete sich und Witjon trat erleichtert ein. Seinen Schwager bedachte er mit einem traurigen Blick. Er ließ erschöpft die Schultern hängen.


    "Die Casa ist komplett niedergebrannt." Diese fürchterliche Nachricht laut auszusprechen verschlug Witjon fast die Sprache. Mit Mühe konnte er an sich halten. "Das Geld und die wichtigsten Dokumente konnten wir retten. Alles andere..." Er schüttelte den Kopf. "Sind die Frauen sicher hier angekommen?", fragte er schließlich besorgt.

    Massula, das trifft mich völlig unvorbereitet und ich bin ebenso schockiert wie Varus und Crispus. Ich bedaure sehr, dass du dich aus dem IR zurückziehen musst und hoffe, dass du schnell genesen wirst.


    Ich wünsche dir alles Gute und sage hoffnungsvoll auf wiedersehen!

    Zitat

    Original von Marcus Petronius Crispus
    Gefräßiges Schweigen breitete sich aus, während der erste Gang heruntergegessen wurde. Schließlich beschloss Crispus, doch einmal etwas mehr Leben in die Runde zu bringen und fragte seinen Nebenmann:


    "Was gibt's denn eigentlich so neues hier in Mogontiacum? Bin noch garnich' dazu gekommen, mich ein bisschen zu informieren!"


    Er war ja ziemlich direkt vor der Stadterhebung in die Stadt zurückgekehrt!


    Massulas Rede beeindruckte Witjon. Er kannte den Domitier eher als manchmal knurrigen, häufig kauzigen Kerl, der gern über diese oder jene Querele der Verwaltungstätigkeit und auch des sonstigen Lebenshergangs nörgelte. Von ihm so viele Dankesworte gerade heraus zu hören, war Witjon jedenfalls aus den Ratssitzungen irgendwie fremd. Umso mehr freute er sich, dass Massula als Organisator dieses Festmahls solche Worte fand, die den ein oder anderen Anwesenden vielleicht sogar etwas verlegen stimmen mochten.


    Danach ging man dann auch endlich zum Essen über, dem Witjon sich mit Freuden hingab. Er hatte zufällig seinen Platz neben Petronius Crispus gefunden und war deshalb dessen Ansprechpartner für allgemeine Plauderei. Witjon kam dieser Aufgabe ohne Zögern nach.
    "Tjoa, so dies und das, würde ich sagen", schmunzelte Witjon und führte dann aber etwas detailreicher aus: "Was dich besonders interessieren dürfte, ist der Umzug der Ala Secunda Numidia hierher. Falls du das nicht schon mitbekommen hast. Die Equites werden südlich der Stadt im leerstehenden Castell unterkommen." Bei dem alten Veteranen hatte Witjon mit dieser Information vermutlich einen Hebel getätigt, der für ausführlichen Gesprächsstoff reichen würde, dachte er bei sich und konnte ein leises Schmunzeln weiterhin nicht unterdrücken.

    Es wurde bereits hell, als Witjon müden Schrittes den Domus Petronia erreichte. Die Casa Duccia war vollständig niedergebrannt und es gab vorerst nichts weiter zu tun. Er war nun Herr einer schwelenden Ruine. Diese Erkenntnis hatte Witjon auf dem Weg zum Haus der Petronier so sehr zugesetzt, dass er nunmehr völlig ausgelaugt war.


    An der Porta angenommen holte Witjon erstmal tief Luft und versuchte sich gerade aufzurichten. Er sah völlig kaputt aus mit seinen angesengten Haaren, der behelfsmäßigen Decke, die als Tunikaersatz dienen musste und den etwas zu großen Schuhen, die ihm ein Nachbar geliehen hatte. Von den monströsen Augenringen noch gar nicht gesprochen.


    Mit einem resignierten Seufzen hob er die Faust und klopfte kräftig an die Tür. Er drückte den Rücken durch und versuchte einen möglichst unverwüstlichen Eindruck zu machen.

    Witjon hörte sich die beiden unterschiedlichen Vorschläge von Massula und Crispus an. Beide enthielten gute Elemente, aber als einzelner stellte keiner ihn so recht zufrieden.


    "Ich würde einen Mittelweg gehen. Über die höhere, repräsentativere Ratshalle sind wir uns ja einig. Eine allgemeine Schreibstube mit Archiv brauchen wir auch, allein um eingehende Schreiben zu sichten und an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder Abschriften wichtiger Beschlüsse zu kopieren und zu archivieren."


    Diese Dinge zunächst klargestellt, kam er auf eine Neuerung zu sprechen:
    "Die Frage, die ich mir stelle ist: Wollen wir, dass die Magistrate weiterhin unsere Municipes in ihren kleinen oder nicht ganz so kleinen Officien empfangen? Oder aber sollen auch sie in einem prächtigen Raum Bitten und Beschwerden entgegen nehmen?"


    Er machte eine Kunstpause, während der er die Reaktionen seiner Kollegen beobachtete. "Ich bin der Meinung, dass wir die Ratshalle vielfältiger nutzen können als dies bisher der Fall ist. Wir halten ja nicht täglich unsere Sitzungen ab. Es genügt, wenn wir einmal die Woche tagen. An den anderen Tagen könnten die Aedile und Duumviri ihren Amtsstuhl aufstellen und die Bittsteller reihen sich auf, um ihre Anliegen vorzutragen. So hätten wir für jedes Amt einen bestimmten Tag in der Woche mit bestimmten Anhörungszeiten. Das wäre insofern auch effizienter, als die Magistrate an den anderen Tagen ihren Aufgaben außerhalb der Curia ohne lästige Unterbrechungen oder zeitraubende Aufenthalte im Officium nachgehen könnten. Und die Menschen wissen genau, wann ihr Magistrat sie empfangen wird."


    Er wiederholte nochmal zum Schluss: "Also bessere Arbeitsbedingungen für die Magistrate und mehr Sicherheit für die Municipes durch einen großen Empfangssaal, der gleichzeitig auch für Sitzungen genutzt werden kann. Das ist meine Idee."

    Nachdem also die Begrüßung der Veranstalter und der Ehrengäste abgeschlossen war und die Gladiatoren ihren ersten Jubel eingeheimst hatten, wurde die Arena geräumt und es machte sich gespannte Erwartung unter den Zuschauern breit. Die Tierhetzen stimmten das Volk auf die kommenden Hinrichtungen und Kämpfe ein und erregten die um diese Uhrzeit meist noch schläfrigen Gemüter. Da jedoch zwischen der Nachricht über die Erhebung Mogontiacums zum Municipium und den Festlichkeiten nur wenig Zeit zur Vorbereitung gewesen war, konnte niemand besonders ausgefallene Spektakel erwarten. Die Stadtoberen hatten sich vielmehr für eine bodenständige Vorführung zu Tagesbeginn entschieden. So öffnete sich alsbald unter Fanfarenstößen ein Gitter, das einen schmalen Gang zu einem hölzernen Theateranbau offenbarte. Dieser bessere Schuppen war im Laufe der Festvorbereitungen errichtet worden und schmiegte sich an das Theater an. Hier waren etwaige Gefangene und wilde Tiere eingesperrt und harrten ihres Einsatzes in der Arena.


    Von mutigen Knechten mit spitzen Spießen angetrieben stürmte sodann ein wild gewordener und merklich aggressiver Keiler aus dem Tunnel hinaus und ließ den feuchten Sand unter seinen Hufen aufwirbeln. Die Menge grölte. Das schwarze Fell des Keilers ließ ihn bedrohlich aussehen und seine Hauer ließen nichts Gutes ahnen. Dazu ließ der lauthals begrüßte Tierhatz-Star ein wütendes Grunzen vernehmen, das von einem schweinischen Zorn kündete.
    Nachdem der Keiler einige Runden in der Arena gedreht hatte und bald nicht mehr wusste wohin mit seiner Wut, traten seine Gegenspieler auf den Plan. Das Gittertor des Tunnels öffnete sich erneut und wie sich aus einem Kanalrohr ein Schwall Brackwasser ergoss, so strömten aus diesem Arenatunnel ein halbes Dutzend knurrende Hunde. Es waren geifernde Viecher, zähnefletschend und kläffend, die einem Mann mit Leichtigkeit den Arm zerfleischen konnten. Auch sie waren offensichtlich kurz vor der Hatz durch ständige Stichelei zu hoher Agression angestachelt worden.


    Keiler und Hunde fanden sich auf Anhieb höchst sympathisch und begannen sich in enger werdenden Kreisen zu umrunden. Die Zuschauer hielten den Atem an und erwarteten voller Vorfreude den Moment, in dem die Bestien sich gegenseitig anfallen würden. Und sie wurden nicht enttäuscht. Die Hunde wagten sich immer näher an den Keiler heran, der seinerseits nicht länger zögern zu wollen schien. Er stürmte abrupt los und räumte zwei unvorsichtige Köter wie Kegel aus der Bahn. Im Gegenzug stürzten sich die Hunde in seinem Rücken nun auf den Keiler und versuchten ihre Reißzähne in dessen Fleisch zu schlagen. Der Keiler kreischte herzzerreißend und wirbelte herum, fegte zwei weitere Köter zur Seite und spießte einen dritten regelrecht auf seinem Hauer auf. Seine Gegner wichen erbärmlich jaulend zur Seite und machten den Weg frei für ihre geifernden Kameraden, die einen erneuten Angriff wagten. Vier Hunde gleichzeitig hetzten nun dem Keiler hinterher und malträtierten diesen immer und immer wieder, bis das so gejagte Tier völlig rot sah. Wild schnaubend fegte dieser schwarzfellige Brocken durch das Hunderudel hindurch, trat nach aus oder rammte seine Gegner einfach mit seiner puren Masse.


    Von einem dutzend Hunde lagen schnell vier tot oder in unmöglichen Körperhaltungen zuckend im blutigen Dreck. Zwei weitere hatten sich unter kläglichem Jaulen in den vermeintlich sicheren Schatten der Holzbarrikade verzogen und leckten ihre Wunden. Sechs weitere Hunde waren noch immer voller Tatendrang (aufgrund von Hunger oder sinnloser Wut sei dahingestellt) und drangen auf den Keiler ein. Die Zuschauer tobten. Mit Anfeuerungsrufen suchten sie die Hunde zu immer neuen Angriffen aufzupeitschen, wodurch selbst das Kläffen und Grunzen der Tiere im Zuschauergebrüll unterzugehen drohten.
    Als einer der verbliebenen Hunde ein besonders widerwärtiges Ende fand, ging ein zugleich erschrockener wie faszinierter Aufschrei durch die Menge. Das Tier hatte den von der Seite Keiler anspringen wollen. Dieser machte jedoch eine unerwartet schnelle Drehung, wodurch der Hund sich plötzlich vor einer hauerbewehrten Schnauze wiederfand. Zum Anhalten war es bereits zu spät und so verfing sich einer der Hauer in des Hundes ungeschützten Bauch. Der Keiler riss den Kopf wieder herum und zerrte den jammernden Hund mit sich, eine Spur aus Blut und Innereien zurücklassend.


    Auch der Keiler blutete mittlerweile schon aus zahlreichen Wunden. Er schüttelte den Hundekadaver von der Schnauze, nur um sich im nächsten Moment wieder den verbliebenen fünf Gegnern gegenüber zu sehen. Langsam merkte man dem Tier seine Erschöpfung an. Der Blutverlust tat sein Übriges. Wieder und wieder stürzten sich die Hunde nun auf ihr Opfer, denn auch sie spürten die wachsende Überlegenheit über dieses hoffnungslose Geschöpf. Noch einmal und einmal mehr wehrte der Keiler die Hunde ab, verwundete einem fürchterlich am Kopf und fügte einem weiteren eine tiefe Wunde am Hinterlauf zu, doch es ging bald zu Ende. Die drei übrigen Hunde nutzten ihre Chance. Der Keiler konnte nun merklich nicht mehr kräftig genug austeilen, zumindest nicht gegen jeder seiner Angreifer. Noch ein Biss, noch einmal das Wagnis eingehen...


    Es dauerte nurmehr wenige Augenblicke, bis der Keiler aufgab und zusammenbrach. Vor Erschöpfung, vor Hoffnungslosigkeit, aus mangelnder Kraft knickten ihm die Beine weg und er schlug schwerfällig im Sand auf. Die Zuschauer bejubelten ihre siegreichen vierbeinigen Zähnefletscher und erneut öffnete sich das Tunnelgitter. Heraus traten einige Knechte mit Schlingen und Spießen. Jetzt galt es, die unverletzten Hunde mit den Schlingen einzufangen und in ihre Käfige zurück zu verfrachten. Die verletzten Tiere wurden schnell abgestochen. Auch wenn die Männer so ihre Mühe hatten die bissigen Hunde einzufangen, so gelang es ihnen doch mit einigem Aufwand und unter deutlicher Anstrengung, so dass die Arena wieder sicher betreten werden konnte. Nun konnte aufgeräumt werden: Die Kadaver wurden entfernt, frischer Sand gestreut und während dessen wurde bereits die Pause bis zum Beginn der Hinrichtungen eingeleitet. Die Leute besorgten sich nun außerhalb des Theaters ihr zweites (oder erstes) Frühstück, ließen die Hatz revue passieren oder plauderten über anderlei Dinge.